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Kein Stimmrecht von Betriebsratsmitgliedern in sie persönlich betreffenden Angelegenheiten
22.10.2008. Betriebsratsmitglieder müssen sich bei Beschlüssen des Betriebsrats der Stimme enthalten, wenn es um ihre eigenen Angelegenheiten geht. Das ist selbstverständlich und daher z.B. anerkannt, wenn es um die außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds geht, für die nach dem Gesetz die vorherige Zustimmung des Betriebsrats erforderlich ist.
Nicht jede persönliche Betroffenheit eines Betriebsratsmitglieds ist allerdings so eindeutig wie eine vom Arbeitgeber geplante außerordentliche Kündigung. In einem nicht so eindeutigen Fall hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg in einer aktuellen Entscheidung eine Grenze gezogen:
Freigestellte Betriebsratsmitglieder müssen sich bei Beschlüssen des Betriebsrats der Stimme enthalten, wenn es um die Eingruppierung von Arbeitnehmern geht, deren Gehalt als Vergleichsmaßstab für die Gehaltsentwicklung der freigestellten Betriebsratsmitglieder dient: LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.06.2008, 4 TaBV 1/08.
- Wann ist ein freigestelltes Betriebsratsmitglied von der Eingruppierung eines nicht dem Betriebsrat angehörenden Arbeitnehmers „unmittelbar“ betroffen?
- Der Streitfall: Eingruppierung eines Arbeitnehmers, dessen Gehalt als Vergleichsgehalt für die Gehaltsentwicklung der freigestellten Betriebsratsmitglieder dient
- LAG Baden-Württemberg: Bei der Eingruppierung von "Referenzarbeitnehmern" dürfen freigestellte Mitglieder des Betriebsrats nicht mitentscheiden
Wann ist ein freigestelltes Betriebsratsmitglied von der Eingruppierung eines nicht dem Betriebsrat angehörenden Arbeitnehmers „unmittelbar“ betroffen?
Die Einstellung eines Arbeitnehmer, für den ein Tarifvertrag gilt, löst die Pflicht des Arbeitgebers aus, ihn nach der Vergütungsgruppe bezahlen, die seiner vertragsgemäßen Tätigkeit entspricht. Dazu muss der Arbeitgeber eine Eingruppierung vornehmen. Deren rechtliche Wirkung ist in den allermeisten Fällen nur „deklaratorisch“, das heißt, mit ihr wird nur die (unverbindliche) Rechtsmeinung des Arbeitgebers über die aus seiner Sicht zutreffende Vergütungsgruppe geäußert. Irrt der Arbeitgeber bei einer solchen deklaratorischen Eingruppierung, kann der Arbeitnehmer – letztlich im Wege einer Eingruppierungsklage – seine richtige Eingruppierung durchsetzen.
Wenn in dem Betrieb eines Unternehmens mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern ein Betriebsrat gebildet ist, kann der Arbeitgeber Eingruppierungen nicht einseitig vornehmen, sondern hat hierzu die vorherige Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) einzuholen. Nach einem entsprechenden Antrag auf Zustimmung hat der Betriebsrat eine Woche Zeit, um sich zu der beabsichtigten Eingruppierung zu äußern (§ 99 Abs.3 BetrVG). Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung als erteilt.
Heikel sind Fälle, in denen es um Eingruppierungen geht, von denen Mitglieder des Betriebsrats persönlich (mit-)betroffen sind. Ähnlich wie bei Richtern gilt hier der Grundsatz, dass niemand Richter in eigener Sache sein kann. Das ist man nach der Rechtsprechung immer dann, wenn man an einer Entscheidung mitwirkt, von der man selbst „unmittelbar“ betroffen ist, d.h. wenn die Entscheidung „ohne weiteres“ Auswirkungen auf die sie treffende Person hat. Hat der Betriebsrat daher über die Eingruppierung eines seiner Mitglieder zu entscheiden, kann das betroffene Betriebsratsmitglied an der Beratung und Beschlussfassung nicht teilnehmen, weil es selbst unmittelbar betroffen ist.
Fraglich ist, ob ein freigestelltes Betriebsratsmitglied von der Eingruppierung eines nicht dem Betriebsrat angehörenden Arbeitnehmers „unmittelbar“ betroffen ist, falls dieser Arbeitnehmer aufgrund einer diesbezüglichen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber zu den Referenz- oder Vergleichsarbeitnehmern gehört, deren Gehaltsentwicklung das Gehalt des freigestellten Betriebsratsmitglieds folgt. Über diese Frage hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg mit Beschluss vom 30.06.2008 (4 TaBV 1/08) zu entscheiden.
Der Streitfall: Eingruppierung eines Arbeitnehmers, dessen Gehalt als Vergleichsgehalt für die Gehaltsentwicklung der freigestellten Betriebsratsmitglieder dient
In einem zum Konzern der Deutschen Telekom gehörenden Betrieb in Stuttgart bestand ein Betriebsrat, deren Vorsitzende, Frau B., freigestellt war. Die Absicherung des Gehalts freigestellter Betriebsratsmitglieder war in einer freiwilligen Gesamtbetriebsvereinbarung geregelt, die den gesetzlichen Anspruch der Freigestellten auf gehaltsmäßige Gleichbehandlung mit anderen, vergleichbaren Arbeitnehmern (§§ 37, 38 und 78 BetrVG) näher ausgestaltete.
Die Betriebsvereinbarung sah vor, dass für jedes voll freigestellte Betriebsratsmitglied drei Vergleichsarbeitnehmer zu benennen seien, und zwar mit der Maßgabe, dass sich die dem freigestellten Betriebsratsmitglied zu zahlende Vergütung ab dem Zeitpunkt der Benennung dynamisch an der Vergütung der Vergleichsarbeitnehmer orientieren sollte. Zu den für die Betriebsratsvorsitzende, Frau B., benannten Vergleichspersonen gehörte unter anderen eine Frau J.
Der Arbeitgeber beschloss, die tariflich vergütete Frau J. auf eine andere Position, allerdings bei Beibehaltung der bisherigen Eingruppierung bzw. Vergütung, zu versetzen. Hierüber informierte der Arbeitgeber den Betriebsrat und beantragte seine Zustimmung zur Versetzung und zur (Beibehaltung der bisherigen) Eingruppierung der Frau J.
Der Betriebsrat fasste innerhalb der gesetzlichen Wochenfrist den Beschluss, der Versetzung zuzustimmen, die Zustimmung zur (Beibehaltung der) Eingruppierung allerdings zu verweigern. An dem Beschluss wirkte auch die Vorsitzende, Frau B., mit. Die Zustimmungsverweigerung begründete der Betriebsrat damit, dass Frau J. aufgrund ihrer neuen Tätigkeit in eine höhere Entgeltgruppe eingruppiert werden müsste. Der Arbeitgeber ignorierte den ablehnenden Beschluss, d.h. er führte die bisherige Eingruppierung und Vergütung unverändert fort.
In dem daraufhin vom Betriebsrat eingeleiteten Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Stuttgart begehrte der Betriebsrat in erster Linie unter Berufung auf § 101 Satz 1 BetrVG, dem Arbeitgeber aufzugeben, die streitige Eingruppierung aufzugeben.
Dieser Antrag hatte allerdings keinen Erfolg, da das Bundesarbeitsgericht (BAG) schon lange entschieden hat, dass der Betriebsrat gemäß § 101 Satz 1 BetrVG vom Arbeitgeber nicht die „Aufhebung“ einer Eingruppierung verlangen kann, da der Betriebsrat kein Initiativrecht zur Erzwingung einer seiner Meinung nach richtigen Eingruppierung hat.
Die Achtung des Mitbestimmungsrechts in personellen Angelegenheiten wird in Eingruppierungsfällen nach dieser Rechtsprechung dadurch erreicht, dass dem Arbeitgeber vom Arbeitsgericht aufgegeben wird, die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung - sofern noch nicht geschehen - einzuholen und bei Verweigerung der Zustimmung das Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung begehrte der Betriebsrat hilfsweise die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Einholung der Zustimmung bzw. zur Durchführung des gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens (§ 99 Abs4 BetrVG). Auch mit diesem Begehren hatte er vor dem Arbeitsgericht Stuttgart keinen Erfolg, da das Gericht meinte, der Arbeitgeber habe die Zustimmung des Betriebsrats bereits eingeholt.
Zwar hatte der Betriebsrat der Eingruppierung widersprochen, doch war die Erklärung des Widerspruch nach Ansicht des Gerichts rechtlich unbeachtlich, da der zugrundeliegende Beschluss aufgrund der Beteiligung der persönlich betroffenen Betriebsratsvorsitzenden fehlerhaft gewesen sei.
Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts wandte sich der Betriebsrat mit einer Beschwerde zum LAG Baden-Württemberg.
LAG Baden-Württemberg: Bei der Eingruppierung von "Referenzarbeitnehmern" dürfen freigestellte Mitglieder des Betriebsrats nicht mitentscheiden
Das LAG hat die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt. Es schloss sich auch der Begründung an, Frau B sei bei der Beschlussfassung des Betriebsrats wegen unmittelbarer Betroffenheit nicht stimmberechtigt gewesen. Da der Beschluss des Betriebsrats über die Verweigerung der Zustimmung zu der Eingruppierung deshalb nach Ansicht des LAG nichtig war, sei rechtlich von der Zustimmung des Betriebsrats gemäß der Fiktion des § 99 Abs.3 Satz 2 BetrVG auszugehen.
Zur Begründung der persönlichen Betroffenheit der Betriebsratsvorsitzenden von der Entscheidung des Betriebsrats verweist das LAG darauf, dass der Arbeitgeber, Wirksamkeit des Beschlusses unterstellt, vor der Alternative gestanden hätte, in einem gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahren gegen die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats vorzugehen - oder aber die Entscheidung des Betriebsrats inhaltlich zu akzeptieren und Frau J, wie vom Betriebsrat gewünscht, höher einzugruppieren. In diesem Falle hätte Frau B. von der Entscheidung unmittelbar profitiert.
Das LAG legt den Begriff der unmittelbaren Betroffenheit in seiner Entscheidung damit recht weit aus. Nach den bisher von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäben ist „unmittelbar“ nur betroffen, wer ohne weitere Schritte von der zu Entscheidung des Betriebsrats einen Vorteil bzw. Nachteil hätte. Ob davon im vorliegenden Fall gesprochen werden kann, ist fraglich.
Immerhin wären noch weitere Schritte zurückzulegen, damit der Beschluss des Betriebsrats Auswirkungen auf das Gehalt der Frau B gehabt hätte. Andererseits hatte der Beschluss des Betriebsrats insofern unmittelbare Folgen für das Gehalt der Frau B., als dieses im Falle einer Zustimmung des Betriebsrats zur der vom Arbeitgeber gewünschten Eingruppierung der Frau J. gleich geblieben wäre. Und auch im Gleichbleiben des Gehalts könnte man eine unmittelbare Auswirkung des Betriebsratsbeschlusses sehen.
Gegen die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg hat der Betriebsrat Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht (BAG) erhoben, so dass mit einer höchstrichterlichen Stellungnahme zu rechnen ist.
Fazit: Dieser Fall macht deutlich, wie wichtig für eine effektive und "saubere" Betriebsratsarbeit die Einhaltung von Formalitäten bei der Beschlussfassung ist. Angefangen von der der Betriebsratsmitglieder unter ausführlicher Benennung der Tagesordnungspunkte über die eigentliche Betriebsratssitzung bis hin zur Abstimmung und Protokollierung von Beschlüssen muss der Betriebsrat pingelig sein, will er nicht Gefahr laufen, durch Unwirksamkeit seiner Beschlüsse einen unprofessionellen Eindruck bei der Belegschaft hervorzurufen. Im schlimmsten Fall kann sogar der Eindruck entstehen, einzelne Betriebsratsmitglieder instrumentalisierten die Betriebsratsarbeit für ihre individuellen finanziellen Vorteile.
Einzelheiten zu diesem Vorgang finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.06.2008, 4 TaBV 1/08
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsrat - Kündigungsschutz
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsratsmitglied
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsratsmitglied - Versetzung
- Handbuch Arbeitsrecht: Eingruppierung
- Handbuch Arbeitsrecht: Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten
Letzte Überarbeitung: 16. Mai 2014
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