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Siemensmitarbeiter obsiegen im BenQ-Prozess vor dem LAG München.
28.08.2008. Im Jahre 2005 verkaufte die Siemens AG hatte ihren Mobilfunksparte an die BenQ Company mit Sitz in Taiwan.
Dabei gingen die werthaltigen Lizenzen nach Taiwan, während die Arbeitnehmer im Wege des Betriebsübergangs ab September 2005 zu einer Tochtergesellschaft des Taiwanesischen Käufers hinüberwechseln mussten.
Die Tochtergesellschaft war aber finanziell zu schwach aufgestellt und ging ein knappes Jahr nach der Übernahme der Siemensbelegschaft pleite. Die betroffenen Arbeitnehmer fühlten sich verschaukelt, weshalb viele dem Betriebsübergang nachträglich widersprachen. Das wiederum ist nach so langer Zeit nur möglich, wenn die vom Arbeitgeber erteilten Informationen über den Betriebsübergang unzureichend waren.
Und das war der Fall, so das Landesarbeitsgericht (LAG) München in einer aktuellen Entscheidung: LAG München, Urteil vom 01.07.2008, 8 Sa 27/08.
- Wie genau muss der Arbeitgeber bei einem Betriebsübergang die betroffenen Arbeitnehmer über wirtschaftliche Hintergründe informieren?
- Der Streitfall: Siemens verschiebt 2005 die Arbeitnehmer seiner Handysparte an ein wirtschaftlich schwaches Tochterunternehmen von BenQ
- LAG München: Die Siemensmitarbeiter hätten über die aufgespaltene Übertragung des Betriebsvermögens und über den "negativen Kaufpreis" informiert werden müssen
Wie genau muss der Arbeitgeber bei einem Betriebsübergang die betroffenen Arbeitnehmer über wirtschaftliche Hintergründe informieren?
Wenn ein Betrieb oder ein Betriebsteil verkauft wird, gehen die bestehenden Arbeitsverhältnisse gemäß § 613a Abs.1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kraft Gesetzes, d.h. automatisch auf den Erwerber über. Die betroffenen Arbeitnehmer können diese gesetzliche Rechtsfolge allerdings verhindern, indem sie dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses schriftlich widersprechen. Der Widerspruch ist fristgebunden und muss spätestens einen Monat nach Zugang der Unterrichtung der Arbeitgeberseite über den geplanten Betriebsübergang erklärt werden (§ 613a Abs.6 BGB).
Um den betroffenen Arbeitnehmern eine rationale Entscheidung über die Ausübung ihres Widerspruchsrechts zu ermöglichen, schreibt das Gesetz vor, dass der Erwerber oder der neue Inhaber die Arbeitnehmer, die von einem solchen Betriebsübergang betroffen sind, umfassend über den (geplanten) Zeitpunkt des Übergangs, über seinen Grund, über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer sowie über die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen zu informieren hat.
Entsprechen die Informationen der Arbeitgeberseite, die schriftlich oder in Textform, d.h. beispielsweise per E-Mail erfolgen müssen, nicht den gesetzlichen Anforderungen, beginnt die Monatsfrist für den Widerspruch nicht zu laufen. Infolgedessen können die betroffenen Arbeitnehmer auch noch längere Zeit nach dem Betriebsübergang einen Widerspruch erklären - mit der rechtlichen Folge, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund des (als fristgerecht anzusehenden) Widerspruchs niemals auf den Betriebserwerber übergegangen ist.
Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit einem neueren Urteil (Urteil vom 31.01.2008, 8 AZR 1116/06) entschieden hat, ist der Arbeitgeber zwar nicht generell verpflichtet, den Arbeitnehmer über die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Betriebsübernehmers im Einzelnen zu unterrichten, doch hat er über außergewöhnliche Verschlechterungen der ökonomischen Rahmenbedingungen beim Betriebserwerber zu informieren. Eine solche Verschlechterung kann sich insbesondere daraus ergeben, dass der Erwerber hauptsächlich nur die Arbeitnehmer, nicht aber wirtschaftlich bedeutsame Produktionsmittel wie etwa das Eigentum am Betriebsgrundstück übernimmt.
Über welche wirtschaftlichen Aspekte des Betriebsübergangs vor dem Hintergrund dieser aktuellen Entscheidung des BAG unterrichtet werden muss, ist noch nicht abschließend geklärt. Werden von dem Betriebsübergang aber wesentliche Produktionsfaktoren wie etwa Grundeigentum oder gewerbliche Schutzrechte zielgerichtet ausgeklammert, kann dies die ökonomischen (Überlebens-)Chancen des Betriebserwerbers von vornherein so drastisch verringern, dass die Arbeitnehmer hiervon im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Unterrichtung zu informieren sind.
Zu diesen Fragen hat Anfang Juli 2008 das Landesarbeitsgericht (LAG) München Stellung genommen (Urteil vom 01.07.2008, 8 Sa 27/08), und zwar anhand des wohl prominentesten Wirtschaftsskandals des Jahres 2006, des Falles Siemens/BenQ.
Der Streitfall: Siemens verschiebt 2005 die Arbeitnehmer seiner Handysparte an ein wirtschaftlich schwaches Tochterunternehmen von BenQ
Die Siemens AG hatte im Jahre 2005 ihren Unternehmensbereich Mobilfunk an die BenQ Company mit Sitz in Taiwan verkauft. Der deutsche Teil des verkauften Geschäftsbereichs wurde am 30.09.2005 im Rahmen eines Betriebsübergangs im Sinne von § 613a BGB auf eine deutsche Tochtergesellschaft der taiwanesischen BenQ Company, nämlich an die BenQ Mobile GmbH & Co. OHG übertragen.
Im Rahmen des Unternehmenskaufvertrages zahlte die Siemens AG als Verkäuferin (!) an die Käuferseite einen Betrag in Höhe von 350 Mio. EUR.
Ungewöhnlich war auch die Übertragung der zusammen mit dem Unternehmensbereich verkauften, für die Entwicklung und Produktion von Mobiltelefonen bedeutsamen Patente und Markenrechte: Diese wurden nicht etwa an die Betriebsübernehmerin, die BenQ Mobile GmbH & Co. OHG, sondern vielmehr an die BenQ Company, d.h. an die Muttergesellschaft veräußert, und wanderten somit an der in Deutschland verbliebenen Belegschaft vorbei nach Taiwan. Nur ein Teil der betriebsnotwendigen Patente wurde dem Zugriff der BenQ Mobile GmbH & Co. OHG belassen.
Über beide Umstände wurden die betroffenen Arbeitnehmer im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Information nicht in Kenntnis gesetzt.
Ein Jahr nach dem Betriebsübergang, nämlich am 29.09.2006, beantragte die Betriebserwerberin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Daraufhin veröffentlichte die IG Metall im Internet das Muster eines Widerspruchsschreibens. Unter anderem auf dieser Grundlage widersprachen im weiteren Verlauf ungefähr 3.300 der von der Insolvenz betroffenen Arbeitnehmer nachträglich dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse auf die BenQ Mobile GmbH & Co. OHG. Über 800 Widerspruchsschreiben wurden der Siemens AG bei Aktionen der IG Metall im September und Oktober 2006 übergeben.
Dem Urteil des LAG München vom 01.07.2008 (8 Sa 27/08) lagen mehrere Klagen von Arbeitnehmern zugrunde, die zuletzt in der Handysparte der Siemens AG beschäftigt waren und Ende September 2005 aufgrund des Betriebsübergangs auf die BenQ Mobile GmbH & Co. OHG übergeleitet wurden. Mit ihrer Klage begehrten die Arbeitnehmer die Feststellung, dass zwischen ihnen und der Siemens AG aufgrund des Widerspruchs gegen den Betriebsübergang ein Arbeitsverhältnis bestehe.
LAG München: Die Siemensmitarbeiter hätten über die aufgespaltene Übertragung des Betriebsvermögens und über den "negativen Kaufpreis" informiert werden müssen
Das Landesarbeitsgericht München hat den Klagen der Arbeitnehmer - wie schon in erster Instanz das Arbeitsgericht München - mit der Begründung stattgegeben, dass die Widerspruchsfrist wegen der rechtlich unzureichenden Information der Arbeitgeberseite über den Betriebsübergang vom September 2005 noch nicht abgelaufen war, so dass aufgrund des später erklärten Widerspruchs die beklagte Siemens AG als Arbeitgeber anzusehen sei.
Das LAG war der Auffassung, dass die Siemens AG die betroffenen Arbeitnehmer über die wirtschaftlichen Aussichten des übergehenden Betriebsteils, zumindest soweit ihr diese bekannt waren, hätte informieren müssen. Eine solche Informationspflicht nahm das Gericht jedenfalls in Bezug auf die folgenden beiden, für den Fall Siemens/BenQ prägenden Umstände an:
Zum einen hätten die Siemens AG oder die Übernehmerin, die BenQ Mobile GmbH & Co., die Arbeitnehmer über die Vereinbarung eines sog. „negativen Kaufpreises“ von 350 Mio. EUR informieren müssen. Hätte die Siemens AG den betroffenen Arbeitnehmern mitgeteilt, dass sie zum Ausgleich übergehender hoher Verbindlichkeiten sogar eine erhebliche Zahlung an den Betriebserwerber bzw. dessen Konzernmutter zu leisten hatte, wäre den Arbeitnehmern bewusst geworden, dass hier eine erhebliche Gefährdung des Teilbetriebs bestand.
Auch wenn man unterstellt, die Mitarbeiter wären infolge einer ihnen bekannt gegebenen Zahlung zu der Auffassung gelangt, dass der Veräußerer den Erwerber mit erheblichen finanziellen Mitteln ausstattet und ihre Arbeitsverhältnisse gerade deswegen nicht gefährdet seien, so wäre dies eine wesentliche Information gewesen. Das vollständige Verschweigen dieses Umstandes führte nach Ansicht des LAG München dazu, dass eine wesentliche notwendige Information nicht erteilt wurde und das Informationsschreiben daher unvollständig war.
Darüber hinaus hielt es das LAG für erforderlich, die Arbeitnehmer über die Abspaltung erheblichen Betriebsvermögens vom Betriebserwerber zu informieren. Dies gelte insbesondere für den Erwerb von Patenten durch die Muttergesellschaft BenQ Company mit Sitz in Taiwan, d.h. für die Tatsache, dass diese Betriebsmittel nicht auf den arbeitsrechtlichen Betriebserwerber BenQ Mobile GmbH & Co. OHG übertragen wurden.
Das LAG war insoweit der Meinung, die Abspaltung der Patente vom Vermögen des Betriebsübernehmers bedeute, dass die Muttergesellschaft ggf. die Patente verwerten und damit auch etwa Handyproduktionen losgelöst vom Betrieb der Betriebsübernehmer hätte durchführen können. Gerade im Falle eines ehemaligen Konkurrenten des Betriebsveräußerers sei es denkbar, dass dieser Know-how erwirbt, um es bei Schließung des übernommenen Betriebs anderweitig zu verwenden.
Daher war die Übertragung der Patente auf die Muttergesellschaft anstatt auf den Betriebserwerber von erheblicher Bedeutung und daher Bestandteil der Informationspflicht der Siemens AG. Auch insoweit erscheint daher die Information als unvollständig.
Fazit: Ungenauigkeiten oder auch taktisches Verschweigen im Informationsschreiben in finanzieller Hinsicht bedeutsamer Tatsachen im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang bergen für den Betriebsveräußerer erhebliche Risiken. Es liegt beim Arbeitgeber, dieses Risiko gegenüber der Bekanntgabe von Unternehmensinterna abzuwägen.
Für Arbeitnehmer kann es sich lohnen, auch noch längere Zeit nach einem - möglicherweise nur scheinbar ordnungsgemäß durchgeführten - Betriebsübergang das Informationsschreiben der Arbeitgeberseite anwaltlich prüfen zu lassen und gegebenenfalls Widerspruch gegen den Betriebsübergang einzulegen, um so beim ursprünglichen Arbeitgeber zu verbleiben.
Nähere Informationen zu diesem Vorgang finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 01.07.2008, 8 Sa 27/08
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31.01.2008, 8 AZR 1116/06
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsübergang
- Arbeitsrecht aktuell: 14/172 Unterrichtung über Betriebsübergang und Sozialplanprivilegierung
- Arbeitsrecht aktuell: 08/048 Betriebsübergang als Mittel zum Abbau von Arbeitnehmerrechten?
Letzte Überarbeitung: 12. Mai 2014
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