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ARBEITSRECHT AKTUELL // 10/026

Wahl zum Be­triebs­rat

Be­stel­lung ei­nes Wahl­vor­stands durch Ge­richt: Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm, Be­schluss vom 02.10.2009, 10 TaBV 27/09
Sitzung des Betriebsrats, Betriebsratsversammlung Zank­ap­fel Be­triebs­rats­wahl

08.02.2010. Um im Be­trieb ei­nen Be­triebs­rat (neu) zu grün­den, muss zu­nächst in ei­nem re­la­tiv kom­pli­zier­ten Ver­fah­ren ein Wahl­vor­stand ein­ge­setzt wer­den. Schei­tert die Wahl des Wahl­vor­stands, heißt dies aber noch nicht, dass da­mit auch die Grün­dung ei­nes Be­triebs­rats ge­schei­tert ist.

In die­sem Fall kann näm­lich die Be­stel­lung des Wahl­vor­stands durch das Ar­beits­ge­richt be­an­tragt wer­den. Dar­um geht es auch in der vor­lie­gen­den Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Hamm: LAG Hamm, Be­schluss vom 02.10.2009, 10 TaBV 27/09 .

Gründung ei­nes Be­triebs­rats und Ein­set­zung ei­nes Wahl­vor­stands

In Be­trie­ben mit in der Re­gel we­nigs­ten fünf Mit­ar­bei­tern, von de­nen drei wähl­bar sind, kann ein Be­triebs­rat gewählt wer­den. (§§ 1, 8 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz - Be­trVG). Das Ge­setz ist der Möglich­keit ei­ner Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tung und da­mit der be­trieb­li­chen Mit­be­stim­mung der Ar­beit­neh­mer al­so von vor­ne­her­ein durch­aus freund­lich ge­sinnt.

Be­vor aber ein Be­triebs­rat gewählt wer­den kann, muss in je­dem Fall ein Wahl­vor­stand ein­ge­setzt wer­den, der nach § 18 Be­trVG die Wahl un­verzüglich ein­zu­lei­ten und durch­zuführen hat. Die­se „Hürde“ vor ei­ner Be­triebs­rats­wahl ein­zu­bau­en, war un­umgäng­lich, denn natürlich muss ei­ne Wahl or­ga­ni­siert wer­den.

Al­ler­dings ist das Haupt­be­stre­ben des Ge­set­zes, dass ei­ne Be­triebs­rats­wahl schnell statt­fin­den kann. Die Hürden dürfen nicht unüber­wind­lich sein. Dies gilt vor al­lem für Be­trie­be, in de­nen noch kein Be­triebs­rat be­steht. § 17 Be­trVG sieht des­halb für die­sen Fall ein ab­ge­stuf­tes In­stru­men­ta­ri­um zur Ein­set­zung ei­nes Wahl­vor­stan­des vor, das si­cher­stellt, dass in je­der denk­ba­ren Kon­stel­la­ti­on ei­ne zügi­ge Be­triebs­rats­wahl gewähr­leis­tet wird:

Be­steht ein Ge­samt- oder we­nigs­ten Kon­zern­be­triebs­rat, be­stellt die­ser den Wahl­vor­stand.

Be­ste­hen we­der Ge­samt- noch Kon­zern­be­triebs­rat, so wählt ei­ne Be­triebs­ver­samm­lung - al­so im bes­ten Fall die ge­sam­te wahl­be­rech­tig­te Be­leg­schaft - den Vor­stand (§ 17 Abs. 2 Be­trVG). Zur Be­triebs­ver­samm­lung können drei Ar­beit­neh­mer oder ei­ne im Be­trieb ver­tre­te­ne Ge­werk­schaft ein­la­den.

Fin­det trotz Ein­la­dung kei­ne Be­triebs­ver­samm­lung statt oder wählt die Be­triebs­ver­samm­lung kei­nen Wahl­vor­stand, so be­stellt ihn nach § 17 Abs. 4 Be­trVG das Ar­beits­ge­richt auf An­trag drei­er Ar­beit­neh­mer oder ei­ner im Be­trieb ver­tre­te­nen Ge­werk­schaft.

§ 17 Abs. 2 und § 17 Abs 4 ste­hen da­bei in ei­nem ge­wis­sen Kon­flikt. Denn an der Wahl des Wahl­vor­stan­des durch die Be­triebs­ver­samm­lung zeigt sich, dass das Ge­setz schon auf die­ser Stu­fe nicht nur ei­ne zügi­ge Be­triebs­rats­wahl will, son­dern, dass die Wahl möglichst de­mo­kra­tisch sein soll. Das De­mo­kra­tie­prin­zip taucht bspw. auch in § 14 Abs. 1 Be­trVG auf, der ei­ne ge­hei­me und un­mit­tel­ba­re Be­triebs­rats­wahl vor­schreibt. Vor die­sem Hin­ter­grund wur­de so­gar schon be­zwei­felt, ob § 17 Abs. 4, der der Be­leg­schaft in ge­wis­ser Hin­sicht die Din­ge aus der Hand nimmt, ver­fas­sungs­kon­form ist.

Pro­ble­ma­tisch ist auch im Hin­blick dar­auf, wann der Ver­such, ei­nen Wahl­vor­stand durch ei­ne Be­triebs­ver­samm­lung zu wählen so ge­schei­tert ist, dass ein Be­stel­lung durch das Ar­beits­ge­richt nach § 17 Abs. 4 möglich ist.

Mit die­ser Fra­ge be­fasst sich das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Hamm in ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung (Be­schluss vom 02.10.2009, 10 TaBV 27/09).

Der Fall des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm: Ver­such, Wahl­vor­stand ein­zu­set­zen, en­det im Eklat

Die Be­tei­lig­ten strei­ten um die Be­stel­lung ei­nes Wahl­vor­stan­des durch das Ar­beits­ge­richt. Die An­trags­geg­ne­rin und Ar­beit­ge­be­rin ist ein Luft­fracht­trans­por­teur mit 297 Mit­ar­bei­tern. In dem Be­trieb be­steht noch kein Be­triebs­rat. Auf ei­ner Be­triebs­ver­samm­lung zur Be­stel­lung ei­nes Wahl­vor­stan­des für die erst­ma­li­ge Be­triebs­rats­wahl kam es zu Un­stim­mig­kei­ten darüber, ob ein drei oder fünfköpfi­ger Wahl­vor­stand gewählt wer­den soll­te. Zur Wahl hat­ten sich fünf Ar­beit­neh­mer ge­stellt, dar­un­ter die späte­ren An­trags­stel­ler. Ein Großteil der Be­leg­schaft ver­ließ über die Un­stim­mig­kei­ten den Ver­samm­lungs­raum, wor­auf­hin die Be­triebs­ver­samm­lung für be­en­det erklärt wur­de.

Auf An­trag der drei Ar­beit­neh­mer, die zur Be­triebs­ver­samm­lung ein­ge­la­den und sich dort auch be­reit erklärt hat­ten, als Wahl­vor­stand zu fun­gie­ren, be­stell­te das Ar­beits­ge­richt (ArbG) Sie­gen, ei­ni­ge Mo­na­te später ei­nen fünfköpfi­gen Wahl­vor­stand (Be­schluss vom 03. 02. 2009, 2 BV 1/09). Ge­gen den Be­schluss leg­te die Ar­beit­ge­be­rin Be­schwer­de zum LAG Hamm ein.

Die Be­triebs­ver­samm­lung sei ei­ne „Far­ce“ ge­we­sen. Die Teil­neh­mer hätten we­gen der ein­ge­schränk­ten Platz­verhält­nis­se teil­wei­se gar nicht im ei­gent­li­chen Ver­samm­lungs­zim­mer an­we­send sein können, son­dern hätten im Gang bzw. vor der Tür ste­hen müssen. Die Ver­samm­lungs­lei­te­rin der Ge­werk­schaft ver.di sei nicht in der La­ge ge­we­sen, Fra­gen zur Wahl des Wahl­vor­stan­des zu be­ant­wor­ten. Es ha­be auch kei­ne ein­zel­ne Wahl der Mit­glie­der des Wahl­vor­stan­des statt­ge­fun­den, sie sei­en nur zu­sam­men als "Der Wahl­vor­stand" zur Wahl ge­stellt wor­den. Nach­dem die Wahl ei­gent­lich mit 71 Nein und 21 Ja-Stim­men ge­schei­tert ge­we­sen sei, ha­be die Ge­werk­schafts­ver­tre­te­rin das Wahl­er­geb­nis aus­ge­ru­fen und verkündet, dass der Wahl­vor­stand nun gewählt wor­den sei. Die Ar­beit­neh­mer hätten nach al­le­dem kei­ne Chan­ce ge­habt, ei­nen de­mo­kra­tisch le­gi­ti­mier­ten Wahl­vor­stand zu wählen. Das sei aber Vor­aus­set­zung für das Be­stel­lungs­ver­fah­ren vor dem Ar­beits­ge­richt.

Die An­trag­stel­ler sind der Auf­fas­sung, auch die Ar­beit­ge­be­rin könne nicht ernst­haft in Fra­ge stel­len, dass ein Ver­such durch­geführt wor­den sei, ei­nen Wahl­vor­stand zu wählen. Die­ser Ver­such sei je­doch ge­schei­tert. Die räum­li­che En­ge hätte nicht da­zu geführt, dass die an­we­sen­den Ar­beit­neh­mer von ei­nem de­mo­kra­ti­schen Pro­zess aus­ge­sperrt ge­we­sen sei­en. Al­le an­we­sen­den Be­leg­schafts­mit­glie­der hätten dem Ver­lauf der Be­triebs­ver­samm­lung fol­gen können. Auch die Ab­stim­mung über den Wahl­vor­stand „im Block“ sei zulässig, die fünf Kan­di­da­ten hätten je­doch kei­ne Mehr­heit ge­fun­den. War­um der Ver­such ge­schei­tert sei, sei un­er­heb­lich für ei­ne Be­stel­lung nach § 17 Abs. 4 Be­trVG, so­lan­ge er un­ter­nom­men wor­den sei.

Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm: Ein­set­zung des Wahl­vor­stands ge­schei­tert. Be­stel­lung des Wahl­vor­stands durch das Ar­beits­ge­richt

Das LAG wies die Be­schwer­de der Ar­beit­ge­be­rin zurück und bestätig­te die Be­stel­lung des Wahl­vor­stan­des durch das Ar­beits­ge­richt. Es ha­be auf der Be­triebs­ver­samm­lung den Ver­such ei­ner Wahl ge­ge­ben, der aber ge­schei­tert sei. Un­strei­tig ha­ben sich le­dig­lich 21 von ca. 90 An­we­sen­den mit Hand­zei­chen für die Bil­dung ei­nes fünfköpfi­gen Wahl­vor­stan­des mit den fünf ein­zi­gen Kan­di­da­ten erklärt, die weit­aus über­wie­gen­de Mehr­heit hat ab­leh­nend ab­ge­stimmt. In­so­weit sei nicht ent­schei­dend, ob das Wahl­er­geb­nis et­wa von der die Ver­samm­lung lei­ten­den Ge­werk­schafts­ver­tre­te­rin an­ders ge­se­hen oder geäußert wor­den ist. Un­strei­tig sei auf der Be­triebs­ver­samm­lung je­den­falls kein Wahl­vor­stand gewählt wor­den. Wor­an die Wahl ge­schei­tert ist, sei nicht er­heb­lich für § 17 Abs. 4. Dies wi­der­spre­che auch nicht den Grund­prin­zi­pi­en ei­ner de­mo­kra­ti­schen Wahl. Auch bei Ein­lei­tung ei­nes Be­stell­ver­fah­rens ha­be nämlich die Be­triebs­ver­samm­lung bis zum rechts­kräfti­gen Be­schluss des Ar­beits­ge­richts wei­ter­hin das Recht, sel­ber ei­nen Wahl­vor­stand zu wählen.

Im Grun­de lässt sich der Schluss zie­hen, dass es un­er­heb­lich ist, wor­an der Ver­such ei­ner Wahl­vor­stands­wahl ge­schei­tert ist, so­lan­ge er ge­schei­tert ist. Ein­zi­ge Vor­aus­set­zung, die das De­mo­kra­tie­prin­zip in­so­weit zu stel­len scheint, ist, dass zu ei­ner Be­triebs­ver­samm­lung we­nigs­tens or­dent­lich ein­ge­la­den wur­de. Dies ent­spricht auch dem Wort­laut des § 17 Abs. 4 Be­trVG. Es ist zu­dem über­zeu­gend. Der ei­gent­lich ent­schei­den­de „de­mo­kra­ti­sche Akt“ ist ja nicht die Ein­set­zung des Wahl­vor­stan­des, son­dern die Be­triebs­rats­wahl sel­ber. Dass die­se zügig statt­fin­den kann, will das Ge­setz si­chern.

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Letzte Überarbeitung: 3. August 2020

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