Um das Angebot dieser Webseite optimal zu präsentieren und zu verbessern, verwendet diese Webseite Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Näheres dazu erfahren Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Okay

HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BAG, Ur­teil vom 24.02.2011, 6 AZR 634/09

   
Schlagworte: Arbeitsvertragsrichtlinien, AVR, Bezugnahmeklausel
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 6 AZR 634/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 24.02.2011
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Potsdam, Urteil vom 22.04.2008, 2 Ca 67/08
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.04.2009, 7 Sa 1821/08
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


6 AZR 634/09
7 Sa 1821/08
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

24. Fe­bru­ar 2011

UR­TEIL

Gaßmann, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläge­rin, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,


hat der Sechs­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 24. Fe­bru­ar 2011 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Fi­scher­mei­er, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Brühler, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Spel­ge so­wie den eh­ren­amt-
 


- 2 -

li­chen Rich­ter Ma­ti­as­ke und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Lo­renz für Recht er­kannt:


1. Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 21. April 2009 - 7 Sa 1821/08 - wird hin­sicht­lich des Zeit­raums Sep­tem­ber 2006 bis ein­sch­ließlich De­zem­ber 2007 ver­wor­fen und im Übri­gen zurück­ge­wie­sen.

2. Die Kläge­rin hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob auf ihr Ar­beits­verhält­nis die Ar­beits­ver­trags­richt­li­ni­en des Dia­ko­ni­schen Wer­kes der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land (AVR-DW-EKD) nach Maßga­be der von der Ar­beits­recht­li­chen Kom­mis­si­on des Dia­ko­ni­schen Wer­kes Ber­lin-Bran­den­burg-schle­si­sche Ober­lau­sitz be­schlos­se­nen Ar­beits­rechts­re­ge­lung (AVR-DW­BO) auf ihr Ar­beits­verhält­nis An­wen­dung fin­den.


Die Be­klag­te er­bringt Leis­tun­gen zur be­ruf­li­chen Re­ha­bi­li­ta­ti­on jun­ger Men­schen mit Be­hin­de­run­gen. Sie ist Mit­glied des Dia­ko­ni­schen Wer­kes Ber­lin-Bran­den­burg-schle­si­sche Ober­lau­sitz (DW­BO) e. V. In der Sat­zung die­ses Ver­eins heißt es ua.:


„§ 2 Zu­ord­nung zur Evan­ge­li­schen Kir­che Ber­lin-Bran­den­burg-schle­si­sche Ober­lau­sitz, den Frei­kir­chen und zum Dia­ko­ni­schen Werk der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land


...

§ 7 Rech­te und Pflich­ten der Mit­glie­der ge­genüber dem Dia­ko­ni­schen Werk

...

(4) Die Mit­glie­der sind ver­pflich­tet,


- 3 -

...


6. das Ar­beits­recht ei­nes glied­kirch­li­chen Dia­ko­ni­schen Wer­kes oder des DW EKD oder ei­ner der be­tei­lig­ten Kir­chen zu über­neh­men. Der Dia­ko­ni­sche Rat kann von die­ser Ver­pflich­tung Aus­nah­men zu­las­sen und außer­dem Ar­beits­ver­trags­richt­li­ni­en bzw. Ta­rif­verträge dem Ar­beits­recht der Dia­ko­nie zu­ord­nen. ...


...

§ 9 Or­ga­ne

Or­ga­ne des Dia­ko­ni­schen Wer­kes sind ...

2. der Dia­ko­ni­sche Rat,

...“

Die Schieds- und Sch­lich­tungs­stel­le des DW­BO un­ter­sag­te der Be­klag­ten am 16. Fe­bru­ar 2007, bis zum Vor­lie­gen ei­ner rechts­wirk­sa­men Aus­nah­me­ge­neh­mi­gung ei­ne von der Be­klag­ten ver­fass­te Ar­beits­ord­nung (AO-BBW) auf be­ste­hen­de und künf­tig zu be­gründen­de Ar­beits­verhält­nis­se an­zu­wen­den. Am 15. Mai 2007 ver­pflich­te­te sich die Be­klag­te in ei­nem Ver­gleich vor der Schieds- und Sch­lich­tungs­stel­le des DW­BO ge­genüber der Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung, ab dem 1. Mai 2007 bis zur Auf­he­bung des Be­schlus­ses der Schieds­stel­le vom 16. Fe­bru­ar 2007 bzw. bis zum Weg­fall der Ver­pflich­tung aus § 7 Abs. 4 der Sat­zung des DW­BO die AVR-DW­BO auf al­le zur Verlänge­rung oder Ent­fris­tung an­ste­hen­den Dienst­verhält­nis­se an­zu­wen­den.


Die Kläge­rin ist Hei­l­er­zie­hungs­pfle­ge­rin. Sie war zunächst be­fris­tet bei der Be­klag­ten beschäftigt. Vom 1. Au­gust 2005 bis zum 31. Au­gust 2006 rich­te­te sich das Ar­beits­verhält­nis hin­sicht­lich der Vergütung nach der AVR-DW­BO und im Übri­gen nach den AVR-DW-EKD. Für die Zeit vom 1. Sep­tem­ber 2006 bis zum 31. Ju­li 2007 ver­ein­bar­ten die Par­tei­en die An­wen­dung der AO-BBW. Seit dem 1. Au­gust 2007 ist die Kläge­rin auf­grund ei­nes un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags vom 4. Ju­li 2007 bei der Be­klag­ten tätig. § 2 die­ses Ver­trags re­gelt ua.:
 


- 4 -

„§ 2 Ar­beits­ord­nung


Auf das Ar­beits­verhält­nis fin­det die Ar­beits­ord­nung der B gGmbH (AO-BBW) in der je­weils gel­ten­den Fas­sung An­wen­dung, so­fern in die­sem Dienst­ver­trag nichts an­de­res ver­ein­bart wur­de. ...“


Die Be­klag­te bat die Kläge­rin in ei­nem Schrei­ben vom 5. Ju­li 2007 mit dem Be­treff „Ihr Dienst­verhält­nis - Um­set­zung des Ver­gleichs vom 15.05.2007“, mit ih­rer Un­ter­schrift ihr Ein­verständ­nis zu erklären, dass auf das Ar­beits­verhält­nis bis zum En­de ih­rer Ver­pflich­tung ge­genüber der Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung aus dem Ver­gleich vom 15. Mai 2007 die AVR-DW­BO an­ge­wen­det wird. Die Kläge­rin ent­sprach die­ser Bit­te. Die Be­klag­te wand­te dar­auf­hin auf das Ar­beits­verhält­nis von Au­gust 2007 bis De­zem­ber 2007 die AVR-DW­BO an.

Mit ei­nem Schrei­ben vom 16. No­vem­ber 2007 be­an­trag­te die Be­klag­te gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 6 Satz 2 der Sat­zung des DW­BO beim Dia­ko­ni­schen Rat die Ge­neh­mi­gung, statt der AVR-DW­BO die AO-BBW an­zu­wen­den. Am 10. De­zem­ber 2007 be­schloss der Dia­ko­ni­sche Rat, dem An­trag der Be­klag­ten vom 16. No­vem­ber 2007 zu ent­spre­chen. Ab Ja­nu­ar 2008 wand­te die Be­klag­te dar­auf­hin statt der AVR-DW­BO die AO-BBW auf das Ar­beits­verhält­nis an. Mit ei­nem Be­schluss vom 23. Fe­bru­ar 2010 (- II-0124/R18-09 -) wies der Zwei­te Se­nat für mit­ar­bei­ter­ver­tre­tungs­recht­li­che Strei­tig­kei­ten des Kir­chen­ge­richts­hofs der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land in ei­nem mit­ar­bei­ter­ver­tre­tungs­recht­li­chen Be­schwer­de­ver­fah­ren ua. den An­trag der Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung zurück, der Be­klag­ten die An­wen­dung der AO-BBW zu un­ter­sa­gen.


Die Kläge­rin hat ge­meint, die Be­klag­te ha­be über De­zem­ber 2007 hin¬aus die AVR-DW­BO bzw. die AVR-DW-EKD auf das Ar­beits­verhält­nis an­zu­wen­den. Die der Be­klag­ten vom Dia­ko­ni­schen Rat er­teil­te Aus­nah­me­ge­neh­mi­gung sei nicht wirk­sam, weil die Ar­beits­recht­li­che Kom­mis­si­on im Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren nicht ord­nungs­gemäß be­tei­ligt wor­den sei. Die staat­li­chen Ge­rich­te sei­en nicht an die Ent­schei­dung des Kir­chen­ge­richts­hofs ge­bun­den. Im Ar­beits­ver­trag vom 4. Ju­li 2007 sei zwar die An­wen­dung der AO-BBW ver­ein­bart wor­den, die­se Ver­ein­ba­rung sei je­doch durch die kon­klu­dent ge­trof­fe­ne Ab­re­de er­setzt wor­den, dass sich das Ar­beits­verhält­nis

- 5 -

nach der AVR-DW­BO bzw. den AVR-DW-EKD be­stimmt. Ei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Ver­wei­sung auf die AO-BBW in der je­weils gel­ten­den Fas­sung wäre we­gen Ver­s­toßes ge­gen § 308 Abs. 1 Nr. 4 BGB und § 307 Abs. 1 BGB un­wirk­sam. Auf­grund der Un­wirk­sam­keit der Ver­wei­sungs­klau­sel fänden die AVR-DW­BO bzw. die AVR-DW-EKD auf das Ar­beits­verhält­nis An­wen­dung. Bei Ab­schluss des Ar­beits­ver­trags sei­en über 80 % der Ge­samt­be­leg­schaft der Be­klag­ten nach der AVR-DW­BO vergütet wor­den. Selbst wenn die AVR-DW­BO nicht als Ta­xe iSd. § 612 Abs. 2 BGB an­zu­se­hen sei, stel­le die in ihr ge­re­gel­te Vergütung doch die übli­che Vergütung dar. Vor dem Hin­ter­grund der Rechts­fi­gur der ergänzen­den Ver­trags­aus­le­gung könne für die übri­gen Ar­beits­be­din­gun­gen nichts an­de­res gel­ten. An­ge­sichts der seit vie­len Jah­ren übli­chen An­wen­dung der AVR-DW­BO bei der Be­klag­ten hätten die Par­tei­en in Kennt­nis der Un­wirk­sam­keit der Ver­wei­sung auf die AO-BBW nicht nur ge­setz­li­che Min­dest­stan­dards, son­dern die AVR-DW­BO ver­ein­bart.

Die Kläge­rin hat zu­letzt be­an­tragt 


fest­zu­stel­len, dass auf ihr Ar­beits­verhält­nis mit Wir­kung seit dem 1. Sep­tem­ber 2006 nicht die Ar­beits­ord­nung B gGmbH, son­dern im Hin­blick auf die Vergütungs­re­ge­lun­gen die Ar­beits­ver­trags­richt­li­ni­en des Dia­ko­ni­schen Wer­kes Ber­lin-Bran­den­burg-schle­si­sche Ober­lau­sitz in ih­rer je­weils gel­ten­den Fas­sung, auf die übri­gen Ar­beits­be­din­gun­gen die Ar­beits­ver­trags­richt­li­ni­en des Dia­ko­ni­schen Wer­kes der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land in der je­weils gel­ten­den Fas­sung An­wen­dung fin­den,

hilfs­wei­se

fest­zu­stel­len, dass auf ihr Ar­beits­verhält­nis mit Wir­kung seit dem 1. Au­gust 2007 nicht die Ar­beits­ord­nung B gGmbH, son­dern die Ar­beits­ver­trags­richt­li­ni­en des Dia­ko­ni­schen Wer­kes Ber­lin-Bran­den­burg-schle­si­sche Ober­lau­sitz in der je­weils gel­ten­den Fas­sung An­wen­dung fin­den.
 


- 6 -

Die Be­klag­te hat zu ih­rem Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag die An­sicht ver­tre­ten, die AO-BBW sei im Ar­beits­ver­trag vom 4. Ju­li 2007 wirk­sam in Be­zug ge­nom­men wor­den. Die ihr vom Dia­ko­ni­schen Rat am 10. De­zem­ber 2007 er­teil­te Ge­neh­mi­gung zur An­wen­dung der AO-BBW ha­be ih­re Ver­pflich­tung zur An­wen­dung der AVR-DW­BO be­en­det.


Die Vor­in­stan­zen ha­ben die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Mit der Re­vi­si­on ver­folgt die Kläge­rin ihr Kla­ge­be­geh­ren wei­ter. Die Be­klag­te be­an­tragt, die Re­vi­si­on der Kläge­rin zurück­zu­wei­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on der Kläge­rin hat kei­nen Er­folg. Sie ist un­zulässig, so­weit sich der Kla­ge­an­trag auf die Zeit bis zum 31. De­zem­ber 2007 be­zieht. Im Übri­gen ist die Re­vi­si­on der Kläge­rin zwar zulässig, je­doch un­be­gründet. Die Vor­in­stan­zen ha­ben zu­tref­fend an­ge­nom­men, dass sich das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en ab dem 1. Ja­nu­ar 2008 nicht nach der AVR-DW­BO bzw. nicht nach den AVR-DW-EKD rich­tet.

I. Die Re­vi­si­on ist man­gels ei­ner den ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen ent­spre­chen­den Aus­ein­an­der­set­zung mit den Gründen des Be­ru­fungs­ur­teils un­zulässig, so­weit die Kläge­rin die Fest­stel­lung be­gehrt, dass sich das Ar­beits­verhält­nis vor dem 1. Ja­nu­ar 2008 nach der AVR-DW­BO bzw. den AVR-DW-EKD be­stimmt hat.


1. Nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum not­wen­di­gen In­halt der Re­vi­si­ons­be­gründung die An­ga­be der Re­vi­si­ons­gründe. Bei ei­ner Sachrüge muss die Re­vi­si­ons­be­gründung den an­ge­nom­me­nen Rechts­feh­ler des Lan­des­ar­beits­ge­richts so auf­zei­gen, dass Ge­gen­stand und Rich­tung des Re­vi­si­ons­an­griffs er­kenn­bar sind. Die Re­vi­si­ons­be­gründung hat sich da­her mit den tra­gen­den Gründen des Be­ru­fungs­ur­teils aus­ein­an­der­zu­set­zen. Dies er­for­dert die kon­kre­te Dar­le­gung der Gründe, aus de­nen das an­ge­foch­te­ne Ur­teil rechts­feh­ler­haft sein soll (BAG 19. März 2008 - 5 AZR 442/07 - Rn. 13, AP ZPO § 551


- 7 -

Nr. 65 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 8). Da­durch soll si­cher­ge­stellt wer­den, dass der Re­vi­si­onskläger das an­ge­foch­te­ne Ur­teil im Hin­blick auf das Rechts­mit­tel über­prüft und mit Blick­rich­tung auf die Rechts­la­ge durch­denkt. Außer­dem soll die Re­vi­si­ons­be­gründung durch ih­re Kri­tik des an­ge­foch­te­nen Ur­teils zur rich­ti­gen Rechts­fin­dung durch das Re­vi­si­ons­ge­richt bei­tra­gen (vgl. BAG 27. Ju­li 2010 - 1 AZR 186/09 - Rn. 13, NZA 2010, 1446).


2. Hier­nach enthält die Re­vi­si­ons­be­gründung der Kläge­rin kei­ne den ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen ent­spre­chen­de Aus­ein­an­der­set­zung mit den Gründen des Be­ru­fungs­ur­teils, so­weit das Lan­des­ar­beits­ge­richt die Kla­ge bezüglich des vor dem 1. Ja­nu­ar 2008 lie­gen­den Zeit­raums man­gels ei­nes Fest­stel­lungs­in­ter­es­ses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO als un­zulässig ab­ge­wie­sen hat. Die Re­vi­si­ons­be­gründung der Kläge­rin erschöpft sich in­so­weit in dem bloßen Hin­weis auf die vom Lan­des­ar­beits­ge­richt an­ge­nom­me­ne teil­wei­se Un­zulässig­keit der Kla­ge.

II. Im Übri­gen ist die Re­vi­si­on der Kläge­rin zulässig, aber un­be­gründet. 


1. So­weit der Fest­stel­lungs­an­trag die Zeit ab dem 1. Ja­nu­ar 2008 er­fasst, ist die Kla­ge zulässig.

a) Der An­trag be­darf al­ler­dings der Aus­le­gung da­hin­ge­hend, dass die Kläge­rin nur fest­ge­stellt ha­ben will, dass auf das Ar­beits­verhält­nis die AVR-DW­BO bezüglich der Vergütung und die AVR-DW-EKD hin­sicht­lich der übri­gen Ar­beits­be­din­gun­gen in der je­weils gülti­gen Fas­sung An­wen­dung fin­den. So­weit die An­trags­for­mu­lie­rung die AO-BBW er­fasst, be­gehrt die Kläge­rin nicht im We­ge ei­ner ei­genständi­gen ne­ga­ti­ven Fest­stel­lungs­kla­ge die Fest­stel­lung, dass sich das Ar­beits­verhält­nis nicht nach der AO-BBW rich­tet. Der An­trags­wort­laut schließt ein sol­ches Verständ­nis zwar nicht aus. Der Um­stand, dass die auf die AO-BBW be­zo­ge­ne For­mu­lie­rung im Hilfs­an­trag wie­der­holt wird, spricht je­doch dafür, dass sie nur der Klar­stel­lung dient. Ein ei­genständi­ger, auf die Nicht­an­wen­dung der AO-BBW be­zo­ge­ner Fest­stel­lungs­an­trag wäre von dem Even­tual­verhält­nis zwi­schen Haupt- und Hilfs­an­trag nicht be­trof­fen. Die Wie­der­ho­lung der auf die Nicht­an­wen­dung der AO-BBW be­zo­ge­nen For­mu­lie­rung im
 


- 8 -

Hilfs­an­trag ist des­halb nur dann nicht sinn­wid­rig, wenn die­se For­mu­lie­rung nicht als ei­genständi­ger Kla­ge­an­trag ver­stan­den wird. Auch die ge­bo­te­ne in­ter­es­sen­ge­rech­te Aus­le­gung des Kla­ge­an­trags gibt die­ses Er­geb­nis vor. Wird da­von aus­ge­gan­gen, dass die Kläge­rin mit ih­rem Kla­ge­an­trag das er­rei­chen will, was nach den Maßstäben der Rechts­ord­nung vernünf­tig ist und ih­rer recht ver­stan­de­nen In­ter­es­sen­la­ge ent­spricht (vgl. BAG 12. De­zem­ber 2006 - 3 AZR 716/05 - Rn. 17, AP Be­trAVG § 1 Be­rech­nung Nr. 32 = EzA Be­trAVG § 1 Nr. 88), muss der Kla­ge­an­trag als ein­heit­li­cher Fest­stel­lungs­an­trag aus­ge­legt wer­den. Ei­ne ne­ga­ti­ve Fest­stel­lungs­kla­ge wäre man­gels des nach § 256 Abs. 1 ZPO er­for­der­li­chen Fest­stel­lungs­in­ter­es­ses nicht zulässig, weil mit der Fest­stel­lung, dass die AO-BBW auf das Ar­beits­verhält­nis kei­ne An­wen­dung fin­det, noch nicht geklärt wäre, nach wel­chen an­de­ren Re­ge­lun­gen sich das Ar­beits­verhält­nis rich­tet.


b) Der An­trag ist aus­rei­chend be­stimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Ab­gren­zung zwi­schen der be­an­spruch­ten An­wen­dung der AVR-DW­BO ei­ner­seits und den AVR-DW-EKD an­de­rer­seits kann dem An­trag selbst al­ler­dings nicht mit der an sich er­for­der­li­chen Ein­deu­tig­keit ent­nom­men wer­den. Zwi­schen den Par­tei­en be­steht je­doch kein Streit über die Ab­gren­zung. Die Be­klag­te hat im Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en vom 31. Ju­li 2005 für die Zeit vom 1. Au­gust 2005 bis zum 31. Au­gust 2006 selbst kei­ne an­de­re, de­tail­lier­te­re Ab­gren­zung vor­ge­nom­men. Im Übri­gen re­gelt § 1a Abs. 2 Satz 1 AVR-DW-EKD, dass die Ar­beits­ver­trags­richt­li­ni­en nach Maßga­be der glied­kirch­lich-dia­ko­ni­schen Ar­beits­rechts­re­ge­lung gel­ten, wenn für den Be­reich ei­nes oder meh­re­rer glied­kirch­lich-dia­ko­ni­scher Wer­ke ei­ne Ar­beits­recht­li­che Kom­mis­si­on ge­bil­det ist. Von die­ser Ab­gren­zung ge­hen auch die Par­tei­en aus.


c) Das nach § 256 Abs. 1 ZPO er­for­der­li­che Fest­stel­lungs­in­ter­es­se liegt vor. In der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ist an­er­kannt, dass die An­wend­bar­keit ei­nes be­stimm­ten Ta­rif­ver­trags oder Ta­rif­werks auf ein Ar­beits­verhält­nis Ge­gen­stand ei­ner Fest­stel­lungs­kla­ge sein kann (10. Au­gust 2000 - 6 AZR 84/99 -; 25. Fe­bru­ar 1999 - 6 AZR 494/97 -; 23. Fe­bru­ar 1995 - 6 AZR 667/94 - BA­GE 79, 224, 226; 22. Ok­to­ber 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 11,
 


- 9 -

BA­GE 128, 165). Für die Fra­ge der An­wen­dung ei­ner kirch­lich-dia­ko­ni­schen Ar­beits­ver­trags­re­ge­lung gilt in Be­zug auf das Fest­stel­lungs­in­ter­es­se nichts an­de­res. Der teil­wei­se Ver­gan­gen­heits­be­zug der Fest­stel­lungs­kla­ge steht dem Fest­stel­lungs­in­ter­es­se nicht ent­ge­gen. Der von § 256 Abs. 1 ZPO ver­lang­te Ge­gen­warts­be­zug wird da­durch her­ge­stellt, dass die Kläge­rin in­so­weit aus der An­wen­dung der AVR-DW­BO Vergütungs­ansprüche aus ei­nem in der Ver­gan­gen­heit lie­gen­den Zeit­raum und da­mit ei­nen ge­genwärti­gen recht­li­chen Vor­teil er­strebt.


2. Die Kla­ge ist un­be­gründet. Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en rich­tet sich we­der nach der AVR-DW­BO noch nach den AVR-DW-EKD. Für die An­wen­dung die­ser Re­ge­lun­gen fehlt ei­ne recht­li­che Grund­la­ge.


a) Kirch­li­che Ar­beits­ver­trags­re­ge­lun­gen ent­fal­ten nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts kei­ne nor­ma­ti­ve Wir­kung, son­dern können als vom je­wei­li­gen Ar­beit­ge­ber ge­stell­te All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen nur kraft ein­zel­ver­trag­li­cher Be­zug­nah­me auf ein Ar­beits­verhält­nis An­wen­dung fin­den (vgl. 22. Ju­li 2010 - 6 AZR 847/07 - ZTR 2010, 658; 10. De­zem­ber 2008 - 4 AZR 801/07 - BA­GE 129, 1; 26. Ok­to­ber 2006 - 6 AZR 307/06 - Rn. 12, BA­GE 120, 55; 13. Sep­tem­ber 2006 - 4 AZR 1/06 - Rn. 20, ZMV 2007, 148; 17. No­vem­ber 2005 - 6 AZR 160/05 - Rn. 17, AP BGB § 611 Kir­chen­dienst Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 611 Kirch­li­che Ar­beit­neh­mer Nr. 7; 8. Ju­ni 2005 - 4 AZR 412/04 - Rn. 53 ff., AP Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tungsG-EK Rhein­land-West­fa­len § 42 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 611 Kirch­li­che Ar­beit­neh­mer Nr. 6).


b) Die Par­tei­en ha­ben im Ar­beits­ver­trag vom 4. Ju­li 2007 nicht ver­ein­bart, dass sich das Ar­beits­verhält­nis nach der AVR-DW­BO bzw. den AVR-DW-EKD rich­tet. Viel­mehr ha­ben sie in die­sem Ver­trag ge­re­gelt, dass die AO-BBW in der je­weils gel­ten­den Fas­sung auf ihr Ar­beits­verhält­nis An­wen­dung fin­det, so­fern nichts an­de­res ver­ein­bart ist.

c) Mit dem Schrei­ben vom 5. Ju­li 2007 hat die Be­klag­te der Kläge­rin zwar die An­wen­dung der AVR-DW­BO auf das Ar­beits­verhält­nis an­ge­tra­gen. Die

- 10 -

Kläge­rin hat die­ses An­ge­bot der Be­klag­ten auch an­ge­nom­men. Die Ver­ein­ba­rung wur­de je­doch un­ter ei­ner auflösen­den Be­din­gung ge­trof­fen. Die­se ist mit der Er­tei­lung der Aus­nah­me­ge­neh­mi­gung durch den Dia­ko­ni­schen Rat am 10. De­zem­ber 2007 ein­ge­tre­ten. Da­mit wur­de gemäß § 158 Abs. 2 BGB der frühe­re Rechts­zu­stand wie­der her­ge­stellt mit der Fol­ge, dass die im Ar­beits­ver­trag vom 4. Ju­li 2007 ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen wie­der maßge­bend sind.


aa) Mit den Wor­ten „Bis zum En­de der Ver­pflich­tung aus dem ge­schlos­se­nen Ver­gleich“ ha­ben die Par­tei­en die An­wen­dung der AVR-DW­BO in zeit­li­cher Hin­sicht an die Ver­pflich­tung der Be­klag­ten ge­genüber der Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung aus dem Ver­gleich vom 15. Mai 2007 ge­bun­den. Dies wird auch aus dem Be­treff „Ihr Dienst­verhält­nis - Um­set­zung des Ver­gleichs vom 15.05.2007“ deut­lich. Da­mit hat sich die Be­klag­te ge­genüber der Kläge­rin nicht auf Dau­er, son­dern nur so lan­ge zur An­wen­dung der AVR-DW­BO ver­pflich­tet, wie sie da­zu ge­genüber der Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung aus dem Ver­gleich vom 15. Mai 2007 ver­pflich­tet war.


bb) Die Ver­pflich­tung der Be­klag­ten ge­genüber der Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung zur An­wen­dung der AVR-DW­BO ist mit dem Be­schluss des Dia­ko­ni­schen Ra­tes vom 10. De­zem­ber 2007 ent­fal­len, mit dem der Be­klag­ten die Ge­neh­mi­gung zur An­wen­dung der AO-BBW er­teilt wur­de. Der Zwei­te Se­nat für mit­ar­bei­ter­ver­tre­tungs­recht­li­che Strei­tig­kei­ten des Kir­chen­ge­richts­hofs der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land hat am 23. Fe­bru­ar 2010 in ei­nem mit-ar­bei­ter­ver­tre­tungs­recht­li­chen Be­schwer­de­ver­fah­ren (- II-0124/R18-09 -) die Wirk­sam­keit die­ser Ge­neh­mi­gung fest­ge­stellt. Er hat aus­drück­lich an-ge­nom­men, dass die Aus­nah­me­ge­neh­mi­gung des Dia­ko­ni­schen Ra­tes vom 10. De­zem­ber 2007 die Be­fug­nis der Be­klag­ten um­fasst, die AO-BBW an­zu­wen­den. Die Be­klag­te war ge­genüber der Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung da­mit nur bis zur Er­tei­lung der Aus­nah­me­ge­neh­mi­gung am 10. De­zem­ber 2007 zur An­wen­dung der AVR-DW­BO ver­pflich­tet. Ei­ne An­fech­tung des Be­schlus­ses des Zwei­ten Se­nats für mit­ar­bei­ter­ver­tre­tungs­recht­li­che Strei­tig­kei­ten der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land vom 23. Fe­bru­ar 2010 durch die Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung ist nicht vor­ge­se­hen. Die Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung kann da­mit nicht mehr
 


- 11 -

gel­tend ma­chen, dass der Be­klag­ten die Ge­neh­mi­gung zur An­wen­dung der AO-BBW rechts­wid­rig er­teilt wor­den ist. Dies be­wirkt, dass die Kläge­rin auf­grund der Ver­ein­ba­rung vom 5. Ju­li 2007 auch dann kei­nen An­spruch auf die An­wen­dung der AVR-DW­BO hätte, wenn die der Be­klag­ten vom Dia­ko­ni­schen Rat er­teil­te Aus­nah­me­ge­neh­mi­gung ent­ge­gen der An­nah­me des Zwei­ten Se­nats für mit­ar­bei­ter­ver­tre­tungs­recht­li­che Strei­tig­kei­ten des Kir­chen­ge­richts­hofs der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land nicht wirk­sam wäre. Maßge­bend ist, dass die Ver­pflich­tung der Be­klag­ten aus dem Ver­gleich vom 15. Mai 2007 und da­mit auch die am 5. Ju­li 2007 ge­genüber der Kläge­rin ein­ge­gan­ge­ne Ver­pflich­tung zur An­wen­dung der AVR-DW­BO mit der am 10. De­zem­ber 2007 vom Dia­ko­ni­schen Rat er­teil­ten Ge­neh­mi­gung zur An­wen­dung der AO-BBW ge­en­det hat.


cc) Die Bin­dung der An­wen­dung der AVR-DW­BO an die ge­genüber der Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung im Ver­gleich vom 15. Mai 2007 ein­ge­gan­ge­ne Ver­pflich­tung der Be­klag­ten zur An­wen­dung der AVR-DW­BO ist nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB un­wirk­sam.

(1) Nach die­ser Vor­schrift sind Be­stim­mun­gen in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen un­wirk­sam, wenn sie den Ver­trags­part­ner des Ver­wen­ders ent­ge­gen den Ge­bo­ten von Treu und Glau­ben un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­li­gen. Die Fest­stel­lung ei­ner un­an­ge­mes­se­nen Be­nach­tei­li­gung setzt ei­ne wech­sel­sei­ti­ge Berück­sich­ti­gung und Be­wer­tung recht­lich an­zu­er­ken­nen­der In­ter­es­sen der Ver­trags­part­ner vor­aus, wo­bei ein ge­ne­rel­ler, ty­pi­sie­ren­der, vom Ein­zel­fall los­gelöster Maßstab an­zu­le­gen ist (vgl. BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 23, BA­GE 118, 36).


(2) Hier­nach war es sach- und in­ter­es­sen­ge­recht, ab­wei­chend von der im Ar­beits­ver­trag ver­ein­bar­ten Be­zug­nah­me auf die AO-BBW die An­wen­dung der AVR-DW­BO nur so lan­ge zu ver­ein­ba­ren, bis die Ver­pflich­tung der Be­klag­ten zur An­wen­dung der AVR-DW­BO ge­genüber der Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung en­de­te. Es ent­sprach ei­nem be­gründe­ten und bil­li­gens­wer­ten In­ter­es­se der Be­klag­ten, ei­ner­seits an den Ver­ein­ba­run­gen fest­zu­hal­ten, die sie ab dem 1. Sep­tem­ber 2006 in den Ar­beits­verträgen mit ih­ren Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern ge-
 


- 12 -

trof­fen hat, an­de­rer­seits aber nicht ge­gen Vor­ga­ben der Sat­zung des DW­BO und ge­gen die ge­genüber der Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung im Ver­gleich vom 15. Mai 2007 ein­ge­gan­ge­ne Ver­pflich­tung zu ver­s­toßen. Die­ses In­ter­es­se der Be­klag­ten über­wiegt das In­ter­es­se der Kläge­rin an der un­be­ding­ten und un­be­fris­te­ten An­wen­dung der AVR-DW­BO, mit der sie auf­grund der im Ar­beits-ver­trag vom 4. Ju­li 2007 ge­trof­fe­nen Re­ge­lung und auf­grund der in § 7 Abs. 4 Nr. 6 Satz 2 der Sat­zung des DW­BO vor­ge­se­he­nen Er­tei­lung ei­ner Aus­nah­me­ge­neh­mi­gung durch den Dia­ko­ni­schen Rat nicht auf Dau­er rech­nen durf­te.


d) So­weit die Kläge­rin gel­tend macht, sie ha­be mit der Be­klag­ten die An­wen­dung der AVR-DW­BO kon­klu­dent ver­ein­bart, steht dem ent­ge­gen, dass die Par­tei­en die An­wen­dung der AVR-DW­BO in der Ver­ein­ba­rung vom 5. Ju­li 2007 aus­drück­lich an die Ver­pflich­tung der Be­klag­ten ge­genüber der Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung aus dem Ver­gleich vom 15. Mai 2007 ge­bun­den ha­ben. Zwar hat die­se Ver­pflich­tung be­reits mit der vom Dia­ko­ni­schen Rat am 10. De­zem­ber 2007 er­teil­ten Ge­neh­mi­gung zur An­wen­dung der AO-BBW ge­en­det. Wenn die Be­klag­te die AVR-DW­BO über die­sen Tag hin­aus bis zum 31. De­zem­ber 2007 an­ge­wandt hat, kann dar­aus aber noch kei­ne kon­klu­den­te Ver­ein­ba­rung der Par­tei­en ab­ge­lei­tet wer­den, dass sich das Ar­beits­verhält­nis auf Dau­er nach der AVR-DW­BO rich­ten soll­te.

e) Ei­ne An­wen­dung der AVR-DW­BO bzw. der AVR-DW-EKD auf das Ar­beits­verhält­nis folgt nicht aus dem ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz. Un­ge­ach­tet sei­ner um­strit­te­nen dog­ma­ti­schen Her­lei­tung wird die­ser Grund­satz in­halt­lich durch den Gleich­heits­satz be­stimmt (ErfK/Schmidt 11. Aufl. Art. 3 GG Rn. 29 mwN). Er knüpft an ei­ne ver­tei­len­de Ent­schei­dung des Ar­beit­ge­bers an und ge­bie­tet dem Ar­beit­ge­ber, sei­ne Ar­beit­neh­mer oder Grup­pen sei­ner Ar­beit­neh­mer, die sich in ver­gleich­ba­rer La­ge be­fin­den, bei An­wen­dung ei­ner selbst ge­setz­ten Re­ge­lung gleich zu be­han­deln. Da­mit ver­bie­tet der Gleich­be­hand­lungs­grund­satz nicht nur die willkürli­che Schlech­ter­stel­lung ein­zel­ner Ar­beit­neh­mer in­ner­halb ei­ner Grup­pe, son­dern auch ei­ne sach­frem­de Grup­pen­bil­dung (Se­nat 17. De­zem­ber 2009 - 6 AZR 242/09 - Rn. 29, AP BGB § 620 Nr. 41 = EzA BGB 2002 § 623 Nr. 10). Ei­ne sol­che hat die Be­klag­te nicht
 


- 13 -

da­durch vor­ge­nom­men, dass sie ab dem 1. Sep­tem­ber 2006 in neu­en Ar­beits­verträgen nicht mehr die An­wen­dung der AVR-DW­BO, son­dern der AO-BBW ver­ein­bart hat. Es han­delt sich um ei­ne zulässi­ge Stich­tags­re­ge­lung, oh­ne die ei­ne Um­stel­lung ei­nes Vergütungs­sys­tems nicht durchführ­bar wäre (Se­nat 27. Ja­nu­ar 2011 - 6 AZR 382/09 - Rn. 33; 11. De­zem­ber 2003 - 6 AZR 64/03 - BA­GE 109, 110, 120). So­weit die Be­klag­te auf vor dem Stich­tag be­gründe­te Ar­beits­verhält­nis­se die AVR-DW­BO an­wen­det, liegt kei­ne Begüns­ti­gung ei­ner Beschäftig­ten­grup­pe auf­grund ei­ner ver­tei­len­den Ent­schei­dung der Be­klag­ten vor. Da­mit erfüllt die Be­klag­te nur ih­re vor dem Stich­tag ein­ge­gan­ge­nen ver­trag­li­chen Ver­pflich­tun­gen.


f) Ent­ge­gen der An­sicht der Kläge­rin er­gibt sich ihr An­spruch auf An­wen­dung der AVR-DW­BO bzw. der AVR-DW-EKD auch nicht aus § 612 Abs. 2 BGB. Nach die­ser Vor­schrift ist bei dem Be­ste­hen ei­ner Ta­xe die taxmäßige Vergütung, in Er­man­ge­lung ei­ner Ta­xe die übli­che Vergütung als ver­ein­bart an­zu­se­hen, wenn die Höhe der Vergütung nicht be­stimmt ist. Die Vor­schrift ist auch an­wend­bar, wenn die Vergütungs­ver­ein­ba­rung un­wirk­sam ist (Se­nat 21. April 2005 - 6 AZR 287/04 - Rn. 19; BAG 28. Sep­tem­ber 1994 - 4 AZR 619/93 - AP BeschFG 1985 § 2 Nr. 38 = EzA BGB § 612 Nr. 17). Die­se Vor­aus­set­zung ist nicht erfüllt. Die Vergütung der Kläge­rin ist in der AO-BBW ge­re­gelt, auf die im Ar­beits­ver­trag vom 4. Ju­li 2007 ver­wie­sen wur­de. Darüber hin­aus wäre die in der AVR-DW­BO vor­ge­se­he­ne Vergütung auch nicht die übli­che Vergütung iSv. § 612 Abs. 2 BGB.


aa) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat un­ter Hin­weis auf die Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 11. Fe­bru­ar 2009 (- 10 AZR 222/08 - Rn. 24, EzA BGB 2002 § 308 Nr. 9) zu­tref­fend an­ge­nom­men, dass ei­ne Un­wirk­sam­keit der Je­wei­lig­keits­klau­sel im Ar­beits­ver­trag vom 4. Ju­li 2007 nicht ins­ge­samt die Un­wirk­sam­keit der Be­zug­nah­me auf die AO-BBW be­gründen würde. Die Ver­wei­sungs­klau­sel ist teil­bar. Die Teil­bar­keit ei­ner Klau­sel ist mit­tels ei­ner Strei­chung des un­wirk­sa­men Teils mit ei­nem „blau­en Stift“ zu er­mit­teln (vgl. zum sog. blue-pen­cil-Test BAG 12. März 2008 - 10 AZR 152/07 - Rn. 28, AP BGB § 305 Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 33; 21. April 2005 - 8 AZR

- 14 -

425/04 - AP BGB § 307 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 309 Nr. 3). Ist die ver­blei­ben­de Re­ge­lung wei­ter­hin verständ­lich, bleibt sie be­ste­hen. So verhält es sich hier. Wer­den die Wor­te „in der je­weils gel­ten­den Fas­sung“ in § 2 Satz 1 des Ar­beits­ver­trags vom 4. Ju­li 2007 ge­stri­chen, wird die AO-BBW in der zum Zeit­punkt des Ab­schlus­ses des Ar­beits­ver­trags gülti­gen Fas­sung in Be­zug ge­nom­men, so dass sich die Vergütung der Kläge­rin da­nach be­stimmt.


bb) Selbst wenn zu­guns­ten der Kläge­rin an­ge­nom­men würde, dass die Be­zug­nah­me im Ar­beits­ver­trag auf die AO-BBW ins­ge­samt un­wirk­sam und da­mit die Höhe der Vergütung der Kläge­rin iSv. § 612 Abs. 2 BGB nicht be­stimmt wäre, würde dar­aus nicht die von der Kläge­rin be­an­spruch­te An­wen­dung der AVR-DW­BO bzw. der AVR-DW-EKD auf das Ar­beits­verhält­nis fol­gen.


(1) So­weit die Kläge­rin die An­wen­dung von Vor­schrif­ten der AVR-DW­BO oder der AVR-DW-EKD auf ihr Ar­beits­verhält­nis be­gehrt, die nicht die Höhe der Vergütung re­geln, schei­det § 612 Abs. 2 BGB als An­spruchs­grund­la­ge von vorn­her­ein aus.


(2) Die AVR-DW­BO be­inhal­tet kei­ne taxmäßige Vergütung iSv. § 612 Abs. 2 BGB. Ta­xen sind nach Bun­des- oder Lan­des­recht fest­ge­leg­te Vergütungssätze. Für Ar­beits­verhält­nis­se be­ste­hen sol­che Ta­xen nicht (ErfK/Preis 11. Aufl. § 612 BGB Rn. 36).

(3) Die in der AVR-DW­BO vor­ge­se­he­ne Vergütung wäre auch nicht die gemäß § 612 Abs. 2 BGB übli­che Vergütung. Üblich im Sin­ne die­ser Vor­schrift ist die Vergütung, die am glei­chen Ort in glei­chen oder ähn­li­chen Ge­wer­ben oder Be­ru­fen für ent­spre­chen­de Ar­beit un­ter Berück­sich­ti­gung der Verhält­nis­se des Dienst­leis­ten­den be­zahlt zu wer­den pflegt, wo­bei für Ar­beit­neh­mer häufig die ta­rif­li­che Vergütung die übli­che Vergütung ist (Münch­KommBGB/ Müller-Glöge 5. Aufl. § 612 Rn. 29 f. mwN). Maßgeb­lich ist da­mit nicht die vom Ar­beit­ge­ber an­de­ren Ar­beit­neh­mern ge­zahl­te Vergütung, son­dern die ver­kehrsübli­che Vergütung in dem ver­gleich­ba­ren Wirt­schafts­kreis (BAG 26. April 2006 - 5 AZR 549/05 - Rn. 26, BA­GE 118, 66; 24. März 2004 - 5 AZR 303/03 - BA­GE
 


- 15 -

110, 79, 83). Des­halb käme es nicht dar­auf an, ob die Be­haup­tung der Kläge­rin zu­trifft, wo­nach die Be­klag­te zum Zeit­punkt des Ab­schlus­ses des Ar­beits­ver­trags am 4. Ju­li 2007 über 80 % der Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter nach der AVR-DW­BO vergütet hat.

(4) Der An­nah­me der Kläge­rin, die in der AVR-DW­BO ge­re­gel­te Vergütung sei die übli­che Vergütung iSv. § 612 Abs. 2 BGB, steht ent­ge­gen, dass die Ein­rich­tun­gen des DW­BO nicht ei­nem Wirt­schafts­kreis, son­dern ei­ner Viel­zahl von Wirt­schafts­krei­sen an­gehören. Die­se Ein­rich­tun­gen er­brin­gen nicht aus-schließlich wie die Be­klag­te Leis­tun­gen zur be­ruf­li­chen Re­ha­bi­li­ta­ti­on jun­ger Men­schen mit Be­hin­de­run­gen. Sie bie­ten sehr un­ter­schied­li­che Pfle­ge-, Be­treu­ungs-, Be­ra­tungs- und Ser­vice­leis­tun­gen an, ins­be­son­de­re im Be­reich der Wohl­fahrts­pfle­ge. Maßgeb­lich für die Üblich­keit der Vergütung wäre der Wirt­schafts­kreis der Be­rufs­bil­dungs­wer­ke in Bran­den­burg. Dafür, dass der AVR-DW­BO in die­sem Wirt­schafts­kreis ei­ne ähn­li­che Funk­ti­on zu­kommt wie ei­nem re­gio­na­len, bran­chen­spe­zi­fi­schen Vergütungs­ta­rif­ver­trag für Be­rufs­bil­dungs-wer­ke, fehlt je­der An­halts­punkt. Die Kläge­rin hat ei­ne sol­che Funk­ti­on der AVR-DW­BO auch nicht be­haup­tet.


3. Über den Hilfs­an­trag war nicht zu ent­schei­den. Die Kläge­rin hat ihn für den Fall ge­stellt, dass ih­rem Haupt­an­trag nicht statt­ge­ge­ben wird, weil sich die­ser so­wohl auf die An­wen­dung der AVR-DW­BO als auch auf die An­wen­dung der AVR-DW-EKD be­zieht. Aus die­sem Grund ist der Haupt­an­trag nicht ab­ge­wie­sen wor­den. Der späte­re Zeit­punkt, ab dem die Kläge­rin die An­wen­dung der AVR-DW­BO nach ih­rem Hilfs­an­trag be­gehrt, hat kei­ne ei­genständi­ge Be­deu­tung. Wäre der Haupt­an­trag zwar nicht ab dem 1. Sep­tem­ber 2006, je­doch ab dem 1. Au­gust 2007 be­gründet ge­we­sen, hätte der Kläge­rin die­ses „We­ni­ger“ auch oh­ne den Hilfs­an­trag zu­er­kannt wer­den müssen (vgl. BAG 6. Ju­ni 2007 - 4 AZR 505/06 - Rn. 16 f. mwN, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 308 = EzTöD 400 Ein­grup­pie­rung BAT Allg. Ver­wal­tungs­dienst VergGr. VIb Nr. 1).
 


- 16 -

III. Die Kläge­rin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kos­ten ih­rer er­folg­lo­sen Re­vi­si­on zu tra­gen.

 

Fi­scher­mei­er 

Brühler 

Spel­ge

Lo­renz 

Ma­ti­as­ke

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht 6 AZR 634/09