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Fahrt­kos­ten­er­stat­tung für die An­rei­se zum Be­wer­bungs­ge­spräch

Kei­ne Fahrt­kos­ten­er­stat­tung, wenn die An­rei­se zum Be­wer­bungs­ge­spräch schei­tert: Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 07.02.2012, 3 Sa 540/11
Bewerbungsmappe mit darauf liegender Fahrkarte Wer den Be­trieb nicht fin­det, bleibt auf Fahrt­kos­ten sit­zen.
16.04.2012. Vor­stel­lungs­ge­sprä­che in an­de­ren Städ­ten sind heu­te nichts Be­son­de­res mehr. Ob die An­rei­se mit ei­nem Stel­len­an­ge­bot en­det, ist al­ler­dings un­si­cher. Da­für steht die Be­las­tung des Be­wer­bers mit Fahrt­kos­ten von vorn­her­ein fest.

Die Ar­beits­ge­rich­te ge­hen zu­guns­ten von Be­wer­bern da­von aus, dass die Ein­la­dung zum Vor­stel­lungs­ge­spräch ei­ne Zu­sa­ge des Ar­beit­ge­bers zur Kos­ten­über­nah­me be­inhal­tet und Be­wer­ber des­halb Er­stat­tung ih­rer Rei­se­kos­ten ver­lan­gen kön­nen. Dann aber müs­sen sie auch "lie­fern", d.h. wirk­lich (und pünkt­lich) zum Ge­spräch er­schei­nen, wie das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Rhein­land-Pfalz vor kur­zem ent­schie­den hat: LAG Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 07.02.2012, 3 Sa 540/11.

Wer trägt wel­che Be­wer­bungs­kos­ten?

Be­wer­bungs­map­pen samt Fo­to, Pa­pier und Ko­pi­en können sich bei Be­wer­bun­gen zu spürba­ren Beträgen sum­mie­ren. Hier können Be­wer­ber al­ler­dings kei­ne Kos­ten­er­stat­tung von ih­ren mögli­chen Ar­beit­ge­ber ver­lan­gen. Auch sei­nen Zeit­auf­wand trägt je­der Be­wer­ber selbst. Und Por­to- und Ver­sand­kos­ten für die Über­mitt­lung der Be­wer­bungs­un­ter­la­gen sind auch nicht zu er­set­zen.

An­ders steht es da­ge­ge­gen mit den Kos­ten für ein auswärti­ges Vor­stel­lungs­gespräch. Das sind meist Fahrt­kos­ten, manch­mal auch Mehr­kos­ten für Ver­pfle­gung und Über­nach­tung. Ob Be­wer­ber Er­stat­tung sol­cher Kos­ten ver­lan­gen können, hängt nach der Recht­spre­chung da­von ab, ob die Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen Auf­wen­dungs­er­satz­an­spruch gemäß §§ 670, 662 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) vor­lie­gen.

Nach die­sen ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten muss ein Auf­trag­ge­ber Auf­wen­dun­gen er­set­zen, die der Auf­trag­neh­mer den Umständen nach für die ord­nungs­gemäße Ausführung ei­nes Auf­tra­ges er­for­der­lich hal­ten darf. Und als „Auf­trag“ be­wer­ten die Ar­beits­ge­rich­te kur­zer­hand die Auf­for­de­rung des Ar­beit­ge­bers, ein Be­wer­ber möge an ei­nem be­stimm­ten Ter­min zum Vor­stel­lungs­gespräch er­schei­nen. „Er­for­der­lich“ sind dann Auf­wen­dun­gen für Fahr­kar­ten oder die An­fahrt mit dem ei­ge­nen Pkw.

Aber kann sich auch ein Be­wer­ber auf die­se Grundsätze be­ru­fen, der zwar in die rich­ti­ge Stadt fährt, aber die Fir­men­adres­se nicht fin­det?

Nur die für ei­ne ord­nungs­gemäße Vor­stel­lung er­for­der­li­chen Kos­ten müssen er­setzt wer­den

Der Kläger hat­te sich auf ein auswärti­ges Stel­len­an­ge­bot des Be­klag­ten be­wor­ben und wur­de von die­sem zu ei­nem Be­wer­bungs­gespräch ein­ge­la­den. Zehn Mi­nu­ten vor dem Ter­min mel­de­te sich der Kläger te­le­fo­nisch und teil­te mit, dass er zwar an­ge­reist sei, die Adres­se aber nicht fin­den könne. In dem Te­le­fo­nat zog er auch gleich sei­ne Be­wer­bung zurück. An­sch­ließend for­der­te er 61,80 EUR Fahrt­kos­ten für die An­fahrt mit sei­nem Pkw.

Sei­ne Zah­lungs­kla­ge blieb vor dem Ar­beits­ge­richt Mainz (Ur­teil vom 12.08.2011, 9 Ca 380/11) und vor dem LAG er­folg­los. Der Kläger hätte aus­rei­chend Zeit ein­pla­nen müssen, um die Fir­men­adres­se recht­zei­tig zu fin­den, so die Ge­rich­te. Das wäre ihm auch oh­ne Wei­te­res möglich ge­we­sen, weil es sich um ei­ne Haupt­ver­kehrs­s­traße han­del­te, er vom Be­klag­ten ei­ne An­fahrt­skiz­ze er­hal­ten hat­te und oben­drein mit ei­nem Na­vi­ga­ti­ons­gerät un­ter­wegs war. Da er so­mit sei­nen Auf­trag nicht ord­nungs­gemäß aus­geführt hat­te, konn­te er auch kei­nen Auf­wen­dungs­er­satz ver­lan­gen.

Fa­zit: Pro­ble­me bei der An­fahrt zum Be­wer­bungs­gespräch sind gar nicht so sel­ten wie man mei­nen könn­te. Meist führen sie da­zu, dass der Be­wer­ber sich ver­spätet oder völlig ab­ge­hetzt er­scheint. Hier hat der "Be­wer­ber" noch eins drauf­ge­setzt und ist erst gar nicht ge­kom­men. Dann aber trotz­dem Er­stat­tung der Fahrt­kos­ten zu ver­lan­gen, ist schon ein we­nig dreist, vor al­lem wenn man be­denkt, dass auch der Ar­beit­ge­ber Zeit für ein Be­wer­bungs­gespräch ein­pla­nen muss.

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Letzte Überarbeitung: 16. November 2020

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