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LAG Köln, Be­schluss vom 13.08.2009, 7 TaBV 116/08

   
Schlagworte: Streik, Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Aktenzeichen: 7 TaBV 116/08
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 13.08.2009
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Köln, Beschluss vom 07.10.2008, 14 BV 113/07
   

7 TaBV 116/08

14 BV 113/07

Ar­beits­ge­richt Köln

Verkündet am 13. Au­gust 2009

K,

Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT KÖLN

 

BESCHLUSS

In dem Be­schluss­ver­fah­ren

mit den Be­tei­lig­ten

 

- An­trag­stel­le­rin und Be­schwer­deführe­rin zu 1-

Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­te:

- An­trags­geg­ner und Be­schwer­deführer zu 2-

Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­te:

hat die 7. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Köln auf die münd­li­che Anhörung vom 13.08.2009 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. C als Vor­sit­zen­den so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter S und H

b e s c h l o s s e n :

Auf den in der Be­schwer­de­instanz ge­stell­ten Hilfs­an­trag der An­trag­stel­le­rin/Be­schwer­deführe­rin zu 1) hin wird fest­ge­stellt, dass die Ver­set­zung von Ar­beit­neh­mern zur Strei­k­ab­wehr von der Zen­tra­le der An­trag­stel­le­rin in die Nie­der­las­sung der An­trag­stel­le­rin, B, Lo­gis­tik­zen­trum F, während der Dau­er ei­nes Streiks in der Nie­der­las­sung nicht der vor­he­ri­gen Anhörung und Zu­stim­mung des An­trag­geg­ners be­darf, so­weit der Streik den Ab­schluss ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges zum Ziel hat, der in sei­nem Gel­tungs­be­reich die Zen­tra­le mit­er­fasst.

Im Übri­gen wird die Be­schwer­de der An­trag­stel­le­rin/Be­schwer­deführe­rin zu 1) ge­gen den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Köln vom 07.10.2008 in Sa­chen 14 BV 113/07 zurück­ge­wie­sen.


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Die Be­schwer­de des An­trags­geg­ners/Be­schwer­deführers zu 2) ge­gen den o. g. Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Köln wird eben­falls zurück­ge­wie­sen.

Für bei­de Be­tei­lig­ten wird die Rechts­be­schwer­de zu­ge­las­sen.

G r ü n d e

I. Die Be­tei­lig­ten strei­ten dar­um, ob die Ver­set­zung von Ar­beit­neh­mern in ei­nen be­streik­ten Be­trieb zum Zwe­cke der Strei­k­ab­wehr der Mit­be­stim­mung des Be­triebs­rats des ab­ge­ben­den Be­trie­bes gemäß §§ 99, 100 Be­trVG un­ter­liegt.

Die Ar­beit­ge­be­rin, An­trag­stel­le­rin und Be­schwer­deführe­rin zu 1. be­treibt ei­nen Con­ve­ni­ence-Großhan­del mit ei­ge­ner Lo­gis­tik. Sie un­terhält am Stand­ort F, Eih­re Zen­tra­le und deutsch­land­weit ins­ge­samt 17 Lo­gis­tik­zen­tren. Ei­nes die­ser Lo­gis­tik­zen­tren ist nur we­ni­ge hun­dert Me­ter von der Zen­tra­le ent­fernt in F, B, an­ge­sie­delt. Dort sind knapp 200 Ar­beit­neh­mer beschäftigt.

Die Zen­tra­le in Fund das Lo­gis­tik­zen­trum Fwur­den in der Ver­gan­gen­heit von den Be­tei­lig­ten als je ei­genständi­ge Be­trie­be an­ge­se­hen und be­han­delt. In bei­den Be­trie­ben ist je­weils ein ei­ge­ner Be­triebs­rat gewählt.

An­trags­geg­ner und Be­schwer­deführer zu 2. ist der Be­triebs­rat der Zen­tra­le F.

Die Ar­beit­ge­be­rin ist als Mit­glied im Ar­beit­ge­ber­ver­band Großhan­del-Außen­han­del-Dienst­leis­tun­gen NRW ta­rif­ge­bun­den.

Im Ju­ni 2007 fan­den im Groß- und Außen­han­del in NRW Ta­rif­aus­ein­an­der­set­zun­gen statt. Ziel der Aus­ein­an­der­set­zun­gen war der Ab­schluss ei­nes neu­en Ge­halts- und Lohn­ab­kom­mens so­wie ei­nes Man­tel­ta­rif­ver­tra­ges. Im Zu­ge der Ver­bands­ta­rif­aus­ein­an­der­set­zun­gen wur­de


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ab dem 11.06.2007 das Lo­gis­tik­zen­trum F be­streikt. Die Zen­tra­le wur­de nicht be­streikt. Mit Schrei­ben vom 12.06.2007 ga­ran­tier­te die Ar­beit­ge­be­rin den Mit­ar­bei­tern der Lo­gis­tik­zen­tren NRW ein­sch­ließlich des Lo­gis­tik­zen­trums F so­wie den Mit­ar­bei­tern der Zen­tra­le un­ter der Be­din­gung, dass „es zu kei­nen wei­te­ren Streik­maßnah­men kommt“, ei­ne Erhöhung der Ta­riflöhne und Gehälter in Höhe von 3,5 %, und zwar auch für den Fall, dass der Ver­bands­ta­rif­ab­schluss für 2007 in NRW un­ter­halb die­ser Mar­ge blei­ben soll­te.

Dar­auf­hin wur­den die auf den Ab­schluss neu­er Ver­bands­ta­rif­verträge ab­zie­len­den Streik­maßnah­men im Lo­gis­tik­zen­trum F am 13.06.2007 ein­ge­stellt.

Die Ge­werk­schaft ver­lang­te al­ler­dings von der Ar­beit­ge­be­rin, ih­re Zu­sa­ge für die Mit­ar­bei­ter des Lo­gis­tik­zen­trums Fin ei­nem in sei­nem Gel­tungs­be­reich auf die­ses Lo­gis­tik­zen­trum be­schränk­ten Haus­ta­rif­ver­trag fest­zu­schrei­ben. Hier­auf woll­te sich die Ar­beit­ge­be­rin zunächst nicht ein­las­sen. Dar­auf­hin wur­de das Lo­gis­tik­zen­trum F ab dem 14.06.2007 wei­ter be­streikt, nun­mehr je­doch mit dem Ziel des Ab­schlus­ses ei­nes sol­chen Haus­ta­rif­ver­tra­ges. Nach­dem die­ser am 27.06.2007 ver­ein­bart wor­den war, wur­de der Streik be­en­det.

Be­reits zu Be­ginn des Streiks vom 11.06.2007, aber auch nach dem 13.06.2007 ver­setz­te die Ar­beit­ge­be­rin di­ver­se Mit­ar­bei­ter der Zen­tra­le in das be­streik­te Lo­gis­tik­zen­trum zum Zwe­cke der Strei­k­ab­wehr. Es han­del­te sich hier­bei im We­sent­li­chen um Ver­wal­tungs­an­ge­stell­te, die im Lo­gis­tik­zen­trum F u. a. als Fah­rer, Kom­mis­sio­nie­rer oder mit La­ger­ar­bei­ten ein­ge­setzt wur­den. Der Be­triebs­rat der Zen­tra­le re­kla­mier­te sein Mit­be­stim­mungs­recht bei den Ver­set­zun­gen. Die Ar­beit­ge­be­rin in­for­mier­te den Be­triebs­rat zwar über die Ver­set­zungs­maßnah­men, stell­te sich aber auf den Stand­punkt, dass ein Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­rats nicht ge­ge­ben sei, da es sich um Strei­k­ab­wehr­maßnah­men han­de­le. Le­dig­lich hilfs­wei­se und äußerst vor­sorg­lich be­tei­lig­te sie den Be­triebs­rat mit Schrei­ben vom 20.06.2007 (Bl. 15 ff. d. A.) nach §§ 99 ff. Be­trVG.


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We­gen wei­te­rer Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des in ers­ter In­stanz und we­gen der bei­der­sei­tig zur Ent­schei­dung ge­stell­ten erst­in­stanz­li­chen Sach­anträge wird auf Ab­schnitt I der Gründe des Be­schlus­ses der 14. Kam­mer des Ar­beits­ge­richts Köln vom 07.10.2008 Be­zug ge­nom­men (Bl.230 ff. d.A.).

Das Ar­beits­ge­richt Köln hat die Anträge der Ar­beit­ge­be­rin und die Ge­gen­anträge des Be­triebs­rats der Zen­tra­le teils als un­zulässig, teils als un­be­gründet zurück­ge­wie­sen. Le­dig­lich dem 3. und letz­ten Hilfs­ge­gen­an­trag des Be­triebs­rats hat das Ar­beits­ge­richt statt­ge­ge­ben, in­dem es fest­ge­stellt hat, dass die Ver­set­zung von Ar­beit­neh­mern zur Strei­k­ab­wehr von der Zen­tra­le in das Lo­gis­tik­zen­trum F während der Dau­er ei­nes Streiks im Lo­gis­tik­zen­trum Fder Anhörung und Zu­stim­mung des Be­triebs­rats der Zen­tra­le be­darf, wenn der Streik den Ab­schluss ei­nes in sei­nem Gel­tungs­be­reich auf das Lo­gis­tik­zen­trum F be­schränk­ten Ta­rif­ver­tra­ges zum Ziel hat.

We­gen der Gründe, die die 14. Kam­mer des Ar­beits­ge­richts Köln zu ih­rer Ent­schei­dung be­wo­gen ha­ben, wird zur Ver­mei­dung von Wie­der­ho­lun­gen auf Ab­schnitt II des an­ge­grif­fe­nen Be­schlus­ses vom 07.10.2008 (Bl. 239 ff. d. A.) in vol­lem Um­fang Be­zug ge­nom­men.

Der ar­beits­ge­richt­li­che Be­schluss wur­de der Ar­beit­ge­be­rin am 27.11.2008, dem Be­triebs­rat am 01.12.2008 zu­ge­stellt. Die Ar­beit­ge­be­rin hat hier­ge­gen am 19.12.2008 Be­schwer­de ein­ge­legt und die­se nach Verlänge­rung der Frist bis zum 27.02.2009 am 26.02.2009 be­gründen las­sen. Der Be­triebs­rat hat am 02.01.2009 Be­schwer­de ein­ge­legt und die­se nach Verlänge­rung der Frist bis zum 02.03.2009 am 02.03.2009 be­gründen las­sen.

Die Ar­beit­ge­be­rin ver­folgt ih­ren erst­in­stanz­li­chen Hilfs­an­trag nun­mehr als Haupt­an­trag wei­ter und ergänzt ihn um ei­nen neu­en Hilfs­an­trag. Die Ar­beit­ge­be­rin ver­tritt die Auf­fas­sung, die Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts


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ver­let­ze sie in ih­rem aus Art. 9 Abs. 3 GG her­zu­lei­ten­den Recht auf Kampf­mit­tel­pa­rität während ei­nes Ar­beits­kamp­fes. Die Ver­set­zung von Ar­beit­neh­mern ei­nes nicht be­streik­ten Be­trie­bes in ei­nen vom Streik be­trof­fe­nen Be­trieb zum Zwe­cke der Strei­k­ab­wehr stel­le ein le­gi­ti­mes und un­mit­tel­ba­res Strei­k­ab­wehr­mit­tel dar. Et­wai­ge Mit­be­stim­mungs­rech­te ei­nes Be­triebs­rats in per­so­nel­len An­ge­le­gen­hei­ten sei­en bei ei­nem ge­gen den Ar­beit­ge­ber geführ­ten Ar­beits­kampf sus­pen­diert, da die Ausübung des Mit­be­stim­mungs­rechts un­mit­tel­ba­re Wir­kung auf das Kampf­ge­sche­hen ent­fal­ten würde.

Ein nach §§ 99, 100 Be­trVG zu be­tei­li­gen­der Be­triebs­rat be­fin­de sich auch in ei­nem un­aus­weich­li­chen Kon­flikt, ent­we­der durch Zu­stim­mung zu den be­an­trag­ten Maßnah­men den Kol­le­gen des be­streik­ten Be­trie­bes „in den Rücken zu fal­len“, oder aber den Ar­beit­ge­ber in sei­nen Strei­k­ab­wehr­maßnah­men zu be­hin­dern, in­dem die­ser ge­zwun­gen würde, zur be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Durch­set­zung sei­ner Maßnah­men ge­richt­li­che Hil­fe in An­spruch neh­men zu müssen. Dies gel­te un­abhängig da­von, ob der Ta­rif­ver­trag, der mit­hil­fe des Streiks durch­ge­setzt wer­den sol­le, sich auch auf den Be­trieb be­zie­he, der die zu ver­set­zen­den Mit­ar­bei­ter ab­ge­ben sol­le, oder ob dies nicht der Fall sei.

Die Ar­beit­ge­be­rin und Be­schwer­deführe­rin zu 1. be­an­tragt nun­mehr,

den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Köln vom 07.10.2008, Az. 14 BV 113/07, ab­zuändern und wie folgt neu zu fas­sen:

Es wird fest­ge­stellt, dass die Ver­set­zung von Ar­beit­neh­mern zur Strei­k­ab­wehr von der Zen­tra­le der An­trag­stel­le­rin in die Nie­der­las­sung der An­trag­stel­le­rin B, Lo­gis­tik­zen­trum F, während der Dau­er ei­nes Streiks in der Nie­der­las­sung nicht der vor­he­ri­gen Anhörung und Zu­stim­mung des An­trags­geg­ners be­darf;

hilfs­wei­se hier­zu:


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Es wird fest­ge­stellt, dass die Ver­set­zung von Ar­beit­neh­mern zur Strei­k­ab­wehr von der Zen­tra­le der An­trag­stel­le­rin in die Nie­der­las­sung der An­trag­stel­le­rin, B, Lo­gis­tik­zen­trum F, während der Dau­er ei­nes Streiks in der Nie­der­las­sung nicht der vor­he­ri­gen Anhörung und Zu­stim­mung des An­trags­geg­ners be­darf, so­weit der Streik den Ab­schluss ei­nes Ta­rif­ver­trags zum Ziel hat, der in sei­nem Gel­tungs­be­reich die Zen­tra­le mit­er­fasst.

Der Be­triebs­rat, Be­schwer­de­geg­ner zu 1. und Be­schwer­deführer zu 2. be­an­tragt,

den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Köln vom 07.10.2008, Az. 14 BV 113/07, ab­zuändern und

fest­zu­stel­len, dass die Ver­set­zung von Ar­beit­neh­mern zur Strei­k­ab­wehr von der Zen­tra­le in das Lo­gis­tik­zen­trum F während der Dau­er ei­nes Streiks im Lo­gis­tik­zen­trum F der vor­he­ri­gen Anhörung und Zu­stim­mung des Be­triebs­rats be­darf.

hilfs­wei­se für den Fall des Un­ter­lie­gens mit die­sem An­trag:

fest­zu­stel­len, dass die Ver­set­zung von Ar­beit­neh­mern zur Strei­k­ab­wehr von der Zen­tra­le in das Lo­gis­tik­zen­trum F während der Dau­er ei­nes Streiks nur im Lo­gis­tik­zen­trum F der vor­he­ri­gen Anhörung und Zu­stim­mung des Be­triebs­rats be­darf, auch wenn der Streik, an dem sich Mit­ar­bei­ter der Zen­tra­le nicht be­tei­li­gen, auf den Ab­schluss ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges ge­rich­tet ist, der in sei­nem


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Gel­tungs­be­reich auf bei­de Be­trie­be An­wen­dung fin­den kann.

Im Übri­gen be­an­tra­gen bei­de Be­tei­lig­ten,

die je­wei­li­gen geg­ne­ri­schen Anträge zurück­zu­wei­sen.

Der Be­triebs­rat bleibt bei sei­ner Auf­fas­sung, dass sei­ne Mit­be­stim­mungs­rech­te aus §§ 99, 100 Be­trVG auch bei Ver­set­zun­gen in das Lo­gis­tik­zen­trum F mit dem Ziel der Strei­k­ab­wehr in je­dem Fal­le ge­wahrt blei­ben müss­ten. Es kom­me da­bei nicht dar­auf an, ob im Lo­gis­tik­zen­trum F um ei­nen Ta­rif­ver­trag ge­streikt wer­de, der in sei­nem Gel­tungs­be­reich auch die Zen­tra­le er­fas­se. Maßgeb­lich sei ein­zig und al­lein, ob der ei­ge­ne Be­trieb, al­so die Zen­tra­le, selbst von Streik oder Aus­sper­rung be­trof­fen sei.

We­gen der Ein­zel­hei­ten der bei­der­sei­ti­gen Rechts­auf­fas­sun­gen wird auf die Be­schwer­de­be­gründungs- und Er­wi­de­rungs­schrif­ten der Be­tei­lig­ten in der Be­schwer­de­instanz Be­zug ge­nom­men.

II.A. Die Be­schwer­de der Ar­beit­ge­be­rin ist zulässig. Sie ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statt­haft und wur­de nach Maßga­be der §§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet.

Zulässig er­scheint auch die zweit­in­stanz­li­che An­trags­er­wei­te­rung durch den in der Rechts­mit­tel­in­stanz neu ge­stell­ten Hilfs­an­trag. Er knüpft an den bis­he­ri­gen Sach- und Streit­stand an. Er un­ter­liegt auch nicht dem Pro­zess­hin­der­nis der an­der­wei­ti­gen Rechtshängig­keit. In­so­weit kann sinn­gemäß auf die Ausführun­gen des Ar­beits­ge­richts un­ter II. B. II. 2. des an­ge­grif­fe­nen Be­schlus­ses vom 07.10.2008 ver­wie­sen wer­den.


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B. Auch die Be­schwer­de des Be­triebs­rats ist zulässig. Auch die­se Be­schwer­de ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statt­haft und wur­de nach Maßga­be der §§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet.

C. Der in der Be­schwer­de­instanz neu ge­stell­te Hilfs­an­trag der Ar­beit­ge­be­rin ist auch be­gründet. Dies er­gibt sich spie­gel­bild­lich aus den­sel­ben Über­le­gun­gen, die das Ar­beits­ge­richt da­zu ver­an­lasst ha­ben, nur den drit­ten Hilfs­an­trag des Be­triebs­rats als be­gründet an­zu­se­hen. Der ar­beits­ge­richt­li­che Be­schluss war so­mit um die nun­mehr von der Ar­beit­ge­be­rin hilfs­wei­se be­an­trag­te Fest­stel­lung zu ergänzen, dass die Ver­set­zung von Ar­beit­neh­mern zur Strei­k­ab­wehr von der Zen­tra­le der An­trag­stel­le­rin in die Nie­der­las­sung der An­trag­stel­le­rin B, Lo­gis­tik­zen­trum F während der Dau­er ei­nes Streiks in der Nie­der­las­sung nicht der vor­he­ri­gen Anhörung und Zu­stim­mung des An­trags­geg­ners be­darf, so­weit der Streik den Ab­schluss ei­nes Ta­rif­ver­trags zum Ziel hat, der in sei­nem Gel­tungs­be­reich die Zen­tra­le mit­er­fasst.

D. Im Übri­gen er­wei­sen sich die Be­schwer­den bei­der Be­tei­lig­ten ge­gen den
Be­schluss der 14. Kam­mer des Ar­beits­ge­richts Köln vom 07.10.2008 als un­be­gründet. Zur Über­zeu­gung des Be­schwer­de­ge­richts hat das Ar­beits­ge­richt den Rechts­streit nicht nur im Er­geb­nis zu­tref­fend ent­schie­den, son­dern sei­ne Ent­schei­dung auch tragfähig und über­zeu­gend be­gründet. Das Be­schwer­de­ge­richt macht sich die Ausführun­gen des Ar­beits­ge­richts un­ter Ab­schnitt II A II 1. und 2. (S. 11 bis 17 der Gründe) und II B II 2. und 3. (S.18 bis 20 der Gründe) aus­drück­lich zu Ei­gen.

An die Ent­schei­dungs­gründe des ar­beits­ge­richt­li­chen Be­schlus­ses an­knüpfend ist aus der Sicht der münd­li­chen Anhörung vor dem Be­schwer­de­ge­richt zu­sam­men­fas­send und ergänzend noch das Fol­gen­de aus­zuführen:

1. Die Ent­schei­dung des vor­lie­gen­den Falls be­trifft das Span­nungs­feld zwi­schen den durch das Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz gewähr­ten


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Mit­be­stim­mungs­rech­ten des Be­triebs­rats ei­ner­seits und dem aus Art. 9 Abs. 3 GG ab­zu­lei­ten­den An­spruch des Ar­beit­ge­bers, während ei­nes Ar­beits­kamp­fes die Kampf­mit­tel­pa­rität wah­ren zu können, an­de­rer­seits. Grundsätz­lich gewährt das Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz die Mit­be­stim­mungs­rech­te aus § 99 ff. Be­trVG un­ein­ge­schränkt. Sie gel­ten da­her zunächst auch in Zei­ten des Ar­beits­kamp­fes. Der Be­triebs­rat selbst ist nicht Par­tei ei­nes Ar­beits­kampfs. Er bleibt während ei­nes sol­chen im Amt und funk­ti­onsfähig (BAG NZA 2004, 223 ff.; BAG vom 21.04.1971, BA­GE 23, 292 ff.; BAG vom 25.10.1988, BA­GE 60, 71 ff.). An­de­rer­seits un­ter­liegt er während des Ar­beits­kamp­fes ta­riffähi­ger Par­tei­en dem aus § 74 Abs. 2 Be­trVG fol­gen­den Neu­tra­litäts­ge­bot (BAG, AP Nr. 71 zu Art. 9 GG Ar­beits­kampf; BAG NZA 2004, 223 ff.; Fit­ting u. a., Be­trVG, § 74 Rd­nr. 14 m. w. N.). Das Neu­tra­litäts­ge­bot be­sagt, dass der Be­triebs­rat als Or­gan ei­nen Streik we­der un­terstützen noch be­hin­dern darf.

2. Zu Recht weist das Bun­des­ar­beits­ge­richt dar­auf hin, dass in Zei­ten des Ar­beits­kamp­fes ty­pi­scher­wei­se re­gelmäßig ei­ne Kon­flikt­si­tua­ti­on zwi­schen Be­leg­schaft und be­streik­tem Ar­beit­ge­ber ent­steht, die die Ge­fahr her­auf be­schwört, dass bei un­ein­ge­schränk­ter Auf­recht­er­hal­tung der ge­setz­li­chen Mit­be­stim­mungs­rech­te der Be­triebs­rat ei­ne dem Ar­beit­ge­ber sonst mögli­che Ab­wehr­maßnah­me ver­ei­teln und da­durch zum Nach­teil des Ar­beit­ge­bers in das Kampf­ge­sche­hen ein­grei­fen könn­te (BAG vom 22.12.1980, BA­GE 34, 355 ff.; BAG NZA 2004, 223 ff.). Die Ta­rif­au­to­no­mie und der aus ihr ab­zu­lei­ten­de Grund­satz der Kampf­mit­tel­pa­rität können in sol­chen Fällen ei­ne ar­beits­kampf­kon­for­me Aus­le­gung und da­mit ei­ne Ein­schränkung der Be­tei­li­gungs­rech­te des Be­triebs­rats er­for­dern (BAG vom 14.02.1978, BA­GE 30, 43 ff.; BAG NZA 2004, 223 ff.).

3. Ei­ne sol­che Kon­flikt­si­tua­ti­on, die nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts die Ein­schränkung von Mit­be­stim­mungs­rech­ten des Be­triebs­rats er­for­dert, liegt zunächst ty­pi­scher­wei­se dann vor, wenn es um die Mit­be­stim­mung bei per­so­nel­len Ein­zel­maßnah­men wie Ein­stel­lun­gen, Ver­set­zun­gen und Ent­las­sun­gen in sol­chen Be­trie­ben geht, die selbst


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Schau­platz von Ar­beits­kampf­maßnah­men sind, al­so selbst be­streikt wer­den oder von Aus­sper­run­gen be­trof­fen sind. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt führt aus, hin­sicht­lich der­ar­ti­ger per­so­nel­ler Maßnah­men sei der Be­triebs­rat we­gen ih­rer Wir­kun­gen auf das Kampf­ge­sche­hen funk­ti­ons­unfähig, un­abhängig da­von, ob sich sei­ne Mit­glie­der sämt­lich, teil­wei­se oder gar nicht am Streik be­tei­li­gen (BAG vom 26.10.1971, BA­GE 23, 484 ff.; BAG NZA 2004, 223 ff.). Das
Bun­des­ar­beits­ge­richt recht­fer­tigt die Ein­schränkung von Mit­be­stim­mungs­rech­ten da­bei ins­be­son­de­re da­mit, dass der Be­triebs­rat in sol­chen Fällen „vom Neu­tra­litäts­ge­bot über­for­dert wäre“ (BAG vom 14.02.1978, BA­GE 30, 43; BAG NZA 2004, 223 ff.).

4. Zwar hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt, so­weit für das Be­schwer­de­ge­richt er­sicht­lich, ei­ne ar­beits­kampf­be­ding­te Ein­schränkung von Mit­be­stim­mungs­rech­ten des Be­triebs­rats bei per­so­nel­len Ein­zel­maßnah­men bis­her nur in sol­chen Sach­ver­halts­kon­stel­la­tio­nen be­jaht, in de­nen es um den Be­triebs­rat des­je­ni­gen Be­trie­bes ging, der selbst den Schau­platz des Ar­beits­kamp­fes dar­stell­te. Das Be­schwer­de­ge­richt ver­mag den Be­gründun­gen des Bun­des­ar­beits­ge­richts aber nicht zu ent­neh­men, dass die durch Art. 9 Abs. 3 GG ge­bo­te­ne Ein­schränkung von Mit­be­stim­mungs­rech­ten aus­sch­ließlich nur dann in Be­tracht kommt, wenn es um den Be­triebs­rat von Be­trie­ben geht, die selbst Schau­platz des Ar­beits­kamp­fes sind.

5. Ei­ne Ein­schränkung von Mit­be­stim­mungs­rech­ten des Be­triebs­rats bei Maßnah­men zur Ab­wehr ei­nes Strei­kes kommt viel­mehr nur dann, aber auch im­mer dann in Be­tracht, wenn die Mit­be­stim­mung des Be­triebs­rats un­mit­tel­bar und zwangsläufig zur Fol­ge hätte, dass die Frei­heit des Ar­beit­ge­bers, Ar­beits­kampf­maßnah­men zu er­grei­fen oder Fol­gen ei­nes Ar­beits­kampfs zu be­geg­nen, ernst­haft be­ein­träch­tigt würde (BAG vom 10.02.1988, BA­GE 57, 295 ff.; BAG vom 19.02.1991, BA­GE 67, 236 ff.; BAG NZA 2004, 223 ff.).

6. Das Be­schwer­de­ge­richt stimmt mit dem Ar­beits­ge­richt dar­in übe­rein, dass ei­ne sol­che Si­tua­ti­on auch dann an­ge­nom­men wer­den kann, wenn es sich

 

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ei­ner­seits bei der per­so­nel­len Ein­zel­maßnah­me im Sin­ne von § 99 Be­trVG um ei­ne Maßnah­me des Ar­beit­ge­bers geht, die un­mit­tel­bar den Zweck der Strei­k­ab­wehr ver­folgt, an­de­rer­seits der Be­triebs­rat die In­ter­es­sen ei­ner Be­leg­schaft zu ver­tre­ten hat, die un­mit­tel­bar selbst von den an­ge­streb­ten Früch­ten des Streiks pro­fi­tie­ren würde.

So lag der Fall hier in der Zeit vom 11. bis 13.06.2007, als im Lo­gis­tik­zen­trum F für den Ab­schluss neu­er Ver­bands­ta­rif­verträge ge­streikt wur­de, de­ren Gel­tungs­be­reich auch die Zen­tra­le F um­fasst hätte. Es lag für die Ar­beit­ge­be­rin na­he, zur Ab­wehr des Streiks im Lo­gis­tik­zen­trum F auf ver­set­zungs­wil­li­ge Mit­ar­bei­ter der na­he­ge­le­ge­nen Zen­tra­le zurück­zu­grei­fen. Im Rah­men des Mit­be­stim­mungs­ver­fah­rens nach

§ 99 Be­trVG wäre dem Be­triebs­rat der Zen­tra­le an­ge­son­nen wor­den, sol­chen Strei­k­ab­wehr­maßnah­men zu­zu­stim­men, ob­wohl die vom Be­triebs­rat ver­tre­te­ne Be­leg­schaft von den Früch­ten ei­nes er­folg­rei­chen Streiks selbst hätte pro­fi­tie­ren können. Ei­ner­seits stell­ten die Ver­set­zun­gen von der Zen­tra­le in den Nach­bar­be­trieb für die Ar­beit­ge­be­rin ein nicht un­we­sent­li­ches Ar­beits­kampf­in­stru­ment dar, an­de­rer­seits war der Be­triebs­rat auf­grund der In­ter­es­sen­la­ge in erhöhtem Maße der Ver­su­chung aus­ge­setzt, das Mit­be­stim­mungs­recht aus § 99 Be­trVG nicht mit der vom Ge­setz vor­aus­ge­setz­ten Neu­tra­lität und Sach­lich­keit aus­zuüben. Der ent­schei­den­de Ge­sichts­punkt, nämlich ob der Be­triebs­rat un­ter den ge­ge­be­nen Umständen vom Neu­tra­litäts­ge­bot des § 74 Abs. 2 Be­trVG über­for­dert wer­den könn­te, ist nach Auf­fas­sung des Be­schwer­de­ge­richts auch hier zu be­ja­hen.

7. An­ders stellt sich die La­ge je­doch dar, wenn bei der be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­ur­tei­lung ei­ner Maßnah­me, die zu­gleich ein Kampf­mit­tel des Ar­beit­ge­bers in ei­nem lau­fen­den Ar­beits­kampf dar­stellt, ei­ne Ver­stri­ckung des Be­triebs­rats in ei­ge­ne In­ter­es­sen bzw. die In­ter­es­sen der von ihm ver­tre­te­nen Be­leg­schaft nicht ge­ge­ben ist.

 

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So lag der Fall ab dem 14.06.2007, als in dem Lo­gis­tik­zen­trum F nicht mehr um die auch für die Zen­tra­le gel­ten­den Ver­bands­ta­rif­verträge ge­streikt wur­de, son­dern nur noch um ei­nen in sei­nem Gel­tungs­be­reich auf das Lo­gis­tik­zen­trum be­schränk­ten Haus­ta­rif­ver­trag. Es macht ei­nen er­heb­li­chen Un­ter­schied aus, ob der Be­triebs­rat, der aus sei­ner Sicht ei­ne per­so­nel­le Ein­zel­maßnah­me nach § 99 Be­trVG be­ur­tei­len soll, da­bei in ei­nen In­ter­es­sen­kon­flikt ver­strickt ist, der die von ihm ver­tre­te­ne Be­leg­schaft selbst be­trifft, oder ob dies nicht der Fall ist. Wer­den die ei­ge­nen Be­lan­ge durch ei­nen Er­folg oder Miss­er­folg der Streik­maßnah­men der Ar­beit­neh­mer in dem be­nach­bar­ten Be­trieb in kei­ner Wei­se mehr berührt, kann dem Be­triebs­rat sehr wohl zu­ge­mu­tet und es kann auch von ihm er­war­tet wer­den, das Neu­tra­litäts­ge­bot aus § 74 Abs. 2 Be­trVG bei der Ausübung sei­ner Mit­be­stim­mungs­rech­te strikt zu be­ach­ten.

An­sons­ten würde be­reits die Un­ter­stel­lung ei­ner So­li­da­rität ganz all­ge­mei­ner Art al­ler Ar­beit­neh­mer ei­nes Un­ter­neh­mens un­ter­ein­an­der aus­rei­chen, um in die ge­setz­lich vor­ge­se­he­nen Mit­be­stim­mungs­rech­te ei­ner Be­leg­schaft ein­zu­grei­fen, die we­der sel­ber streikt oder sonst von ei­nem Ar­beits­kampf be­trof­fen ist, noch sel­ber vom Er­geb­nis ei­nes sol­chen Ar­beits­kamp­fes in ir­gend­ei­ner Wei­se pro­fi­tie­ren würde.

Zwar ist die Ta­rif­au­to­no­mie, die auch das Ge­bot der Ar­beits­kampf­pa­rität be­inhal­tet, ein ho­hes Gut, wel­ches nach der vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt sank­tio­nier­ten Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts Vor­rang ge­genüber Mit­be­stim­mungs­rech­ten des Be­triebs­rats ge­nießt, die ih­re Ausübung be­hin­dern würden (vgl. BAG NZA 2004, 223 ff.; BAG vom 21.04.1971, BA­GE 23, 292; fer­ner BVerfG vom 26.06.1991, AP Art. 9 GG Ar­beits­kampf Nr. 117). Der Ein­griff in die vom Ge­setz­ge­ber zunächst grundsätz­lich ein­schränkungs­los gewähr­ten Mit­be­stim­mungs­rech­te bei per­so­nel­len Ein­zel­maßnah­men muss sich aber auf das un­be­dingt Not­wen­di­ge be­schränken.


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Dies drückt das Bun­des­ar­beits­ge­richt in sei­ner Recht­spre­chung u. a. da­durch aus, dass ei­ne Ein­schränkung von Mit­be­stim­mungs­rech­ten nur dann in Be­tracht kommt, wenn die Mit­be­stim­mung „un­mit­tel­bar und zwangsläufig“ ei­ne ernst­haf­te Be­ein­träch­ti­gung der Frei­heit des Ar­beit­ge­bers zur Fol­ge hätte, Ar­beits­kampf­maßnah­men zu er­grei­fen oder Fol­gen ei­nes sol­chen Ar­beits­kampfs zu be­geg­nen (BAG NZA 2004, 223 ff.; BAG vom 19.02.1991, BA­GE 67, 236 ff.; BAG vom 10.02.1988, BA­GE 57, 295 ff.). „Un­mit­tel­bar und zwangsläufig“ kann die Mit­be­stim­mung des Be­triebs­rats Ar­beits­kampf­maßnah­men der Ar­beit­ge­be­rin aber nur dann „ernst­haft be­ein­träch­ti­gen“, wenn ei­ne Si­tua­ti­on ent­stan­den ist, in de­nen der Be­triebs­rat „vom Neu­tra­litäts­ge­bot über­for­dert“ wird. Dies ist zur Über­zeu­gung des Be­schwer­de­ge­richts und in Übe­rein­stim­mung mit dem Ar­beits­ge­richt dann nicht der Fall, wenn ei­ge­ne wirt­schaft­li­che oder sons­ti­ge In­ter­es­sen der vom Be­triebs­rat ver­tre­te­nen Be­leg­schaft nicht Ge­gen­stand des frag­li­chen Ar­beits­kamp­fes sind.

8. Bei al­le­dem ist auch zu be­den­ken, dass der Be­triebs­rat bei Ausübung sei­nes Mit­be­stim­mungs­rechts oh­ne­hin auf die in § 99 Abs. 2 Be­trVG ge­setz­lich vor­ge­se­he­nen Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rungs­gründe be­schränkt ist, dass in den hier in Re­de ste­hen­den Ver­set­zungsfällen durch den da­mit ein­her­ge­hen­den Ab­zug von Ar­beit­neh­mern durch­aus be­rech­tig­te An­lie­gen der Be­leg­schaft des ab­ge­ben­den Be­trie­bes, die auch von dem Ka­ta­log des § 99 Abs. 2 Be­trVG er­fasst wer­den, be­trof­fen sein können, und dass auch bei Be­ach­tung des Mit­be­stim­mungs­rechts aus § 99 Be­trVG auf­grund der Möglich­kei­ten, die § 100 Be­trVG bie­tet, ein ge­wis­ser Hand­lungs­spiel­raum der Ar­beit­ge­be­rin gewähr­leis­tet bleibt.

9. Die Auf­fas­sung, dass schon al­lein die Ein­hal­tung der Förm­lich­kei­ten des Ver­fah­rens nach §§ 99, 100 Be­trVG ei­ne er­heb­li­che Be­hin­de­rung der Ar­beits­kampf­maßnah­men der Ar­beit­ge­be­rin be­inhal­te­ten (vgl. LAG Köln DB 1993, 838), teilt die hier zur Ent­schei­dung be­ru­fe­ne Kam­mer je­den­falls für die vor­lie­gend be­han­del­te Sach­ver­halts­kon­stel­la­ti­on nicht.


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10. Aus den ge­nann­ten Gründen hat das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend fest­ge­stellt, dass die Ver­set­zung von Ar­beit­neh­mern zur Strei­k­ab­wehr von der Zen­tra­le in das Lo­gis­tik­zen­trum F während der Dau­er ei­nes Streiks im Lo­gis­tik­zen­trum F der Anhörung und Zu­stim­mung des Be­triebs­rats be­darf, wenn der Streik den Ab­schluss ei­nes in sei­nem Gel­tungs­be­reich auf das Lo­gis­tik­zen­trum F be­schränk­ten Ta­rif­ver­tra­ges zum Ziel hat und um­ge­kehrt, dass die Ver­set­zung von Ar­beit­neh­mern zur Strei­k­ab­wehr nicht der vor­he­ri­gen Anhörung und Zu­stim­mung des Be­triebs­rats be­darf, so­weit der Streik den Ab­schluss ei­nes Ta­rif­ver­trags zum Ziel hat, der in sei­nem Gel­tungs­be­reich auch die Zen­tra­le mit­er­fasst.

Al­le übri­gen Anträge der Be­tei­lig­ten wa­ren hin­ge­gen zurück­zu­wei­sen.

III. Nach Auf­fas­sung des Be­schwer­de­ge­richts macht es die vor­lie­gen­de Fall­kon­stel­la­ti­on er­for­der­lich, die höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung zur ar­beits­kampf­recht­lich be­ding­ten Ein­schränkung von Mit­be­stim­mungs­rech­ten des Be­triebs­rats bei per­so­nel­len Ein­zel­maßnah­men wei­ter aus­zu­dif­fe­ren­zie­ren. Gemäß §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG hat das Be­schwer­de­ge­richt da­her für bei­de Be­tei­lig­ten die Rechts­be­schwer­de zu­ge­las­sen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Ge­gen die­sen Be­schluss kann von bei­den Be­tei­lig­ten

R E C H T S B E S C H W E R D E

ein­ge­legt wer­den.

Die Rechts­be­schwer­de muss

in­ner­halb ei­ner Not­frist* von ei­nem Mo­nat



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nach der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Be­schlus­ses schrift­lich beim Bun­des­ar­beits­ge­richt

Hu­go-Preuß-Platz 1

99084 Er­furt

Fax: 0361 2636 2000

ein­ge­legt wer­den.

Die Rechts­be­schwer­de­schrift muss von ei­nem Be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als Be­vollmäch­tig­te sind nur zu­ge­las­sen:

1. Rechts­anwälte,

2. Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,

3. ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der in Nr. 2 be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung der Mit­glie­der die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on oder ei­nes an­de­ren Ver­ban­des oder Zu­sam­men­schlus­ses mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

In den Fällen der Zif­fern 2 und 3 müssen die Per­so­nen, die die Rechts­be­schwer­de­schrift­un­ter­zeich­nen, die Befähi­gung zum Rich­ter­amt ha­ben.

Ei­ne Par­tei die als Be­vollmäch­tig­ter zu­ge­las­sen ist, kann sich selbst ver­tre­ten.

* ei­ne Not­frist ist un­abänder­lich und kann nicht verlängert wer­den.


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Dr. C

S

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