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Mutterschutz und Fortbildung
13.03.2014. Während der nachgeburtlichen Schutzfristen, d.h. in den acht Wochen nach der Geburt, dürfen Arbeitnehmerinnen nicht beschäftigt werden, und zwar auch dann, wenn sie dies ausdrücklich wünschen.
Aber gilt das auch für Fortbildungskurse? Eine solche Bildungszwangspause ist für viele Frauen kein sozialer Schutz, sondern ein Hindernis beim beruflichen Fortkommen.
In einem aktuellen Urteil hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) jetzt entschieden, dass ein solcher genereller Ausschluss von Fortbildungsmaßnahmen als Folge des Mutterschaftsurlaubs gegen das europäische Recht verstößt: EuGH, Urteil vom 06.03.2014, C-595/12 (Napoli).
- Fortbildung für Arbeitnehmerinnen kurz vor oder kurz nach der Entbindung - geht das?
- Der Fall des EuGH: Italienische Polizisten möchte einen während ihres Mutterschaftsurlaubs beginnenden Ausbildungskurs für Kommissaranwärter besuchen
- EuGH: Mutterschutzfristen dürfen nicht dazu führen, dass Arbeitnehmerinnen von Fortbildungskursen generell ausgeschlossen werden
Fortbildung für Arbeitnehmerinnen kurz vor oder kurz nach der Entbindung - geht das?
Gemäß § 3 Abs.2 Mutterschutzgesetz (MuSchG) dürfen schwangere Arbeitnehmerinnen in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung nicht beschäftigt werden, und gemäß § 6 Abs.1 MuSchG gilt dasselbe für die acht Wochen nach der Geburt. Der wesentliche Unterschied zwischen diesen beiden Schutzfristen besteht darin, dass schwangere Arbeitnehmerinnen während der sechswöchigen vorgeburtlichen Schutzfrist darüber entscheiden können, ob sie nicht lieber doch arbeiten wollen, während ein solches Wahlrecht für den Achtwochenzeitraum nach der Geburt nicht besteht.
In der Praxis werden Frauen allerdings generell, d.h. "nach Schema F" vor und nach der Entbindung nach Hause geschickt, was beim Thema Fortbildung in vielen Fällen zu beruflichen Nachteilen führt.
Denn es ist das eine, mit einem dicken Bauch oder als Wöchnerin nicht arbeiten zu müssen, aber etwas völlig anderes, von arbeitgeberseitig angebotenen Fortbildungsmaßnahmen ausgeschlossen zu sein, und zwar auch dann, wenn man diese eigentlich gerne wahrnehmen möchte.
Denn meistens sind Fortbildungen nicht so anstrengend und zeitaufwendig wie die reguläre Arbeit im Betrieb, in vielen Fällen finden Weiterbildungen außerhalb des Betriebs statt und oft geht es auch nur darum, einen bereits begonnenen Kurs zu Ende zu bringen bzw. eine Prüfung abzulegen.
Dass der generelle Ausschluss von solchen Fortbildungen mit dem gesetzlichen Mutterschutz begründet wird, ist für betroffene Frauen ärgerlich. Denn dann schlägt der gesetzliche Schutz in Bevormundung um, oft mit negativen Auswirkungen für das berufliche Fortkommen.
Dabei steht die gängige Praxis, Arbeitnehmerinnen während der vor- und nachgeburtlichen Fristen ohne viel Federlesen von beruflichen Bildungsmaßnahmen auszuschließen, rechtlich auf wackligen Füßen.
Denn auch wenn man betrieblich organsierte und vom Arbeitgeber bezahlte Fortbildungen als reguläre Arbeit betrachten muss, können sich Frauen während der vorgeburtlichen Schutzfrist gemäß § 3 Abs.2 MuSchG ausdrücklich zur Arbeitsleistung bereit erklären, so dass dieses rechtliche Hindernis wegfällt.
Nur während der achtwöchigen nachgeburtlichen Schutzfrist besteht eine rechtliche Grauzone. Denn einerseits untersagt § 6 Abs.1 Satz 1 MuSchG hier ausnahmslos jede Beschäftigung, doch kann man andererseits argumentieren, dass Fortbildungen ja nur deshalb als Arbeit zu werten sind, um den Vergütungsanspruch zu begründen, nicht aber deshalb, um Wöchnerinnen unter Verweis auf § 6 Abs.1 MuSchG von der Teilnahme auszuschließen.
An dieser Stelle müssen Arbeitgeber künftig beachten, dass der generelle Ausschluss von Wöchnerinnen von Fortbildungsmaßnahmen, die in den Achtwochenzeitraum hineinfallen oder während dieser Zeit beginnen, unzulässig ist: EuGH, Urteil vom 06.03.2014, C-595/12 (Napoli).
Der Fall des EuGH: Italienische Polizisten möchte einen während ihres Mutterschaftsurlaubs beginnenden Ausbildungskurs für Kommissaranwärter besuchen
Im Streitfall brachte eine italienische Polizistin, Frau Napoli, am 07.12.2011 ein Kind zur Welt. Wenige Wochen später, am 28.12.2011, sollte ein mehrmonatiger Ausbildungskurs für Kommissaranwärter beginnen, für den bereits eingeplant war. Damit fiel der Kursbeginn allerdings in die nachgeburtlichen Schutzfristen, die nach italienischem Recht drei Monate lang sind und daher im Falle Frau Napolis vom 08.12.2011 bis zum 07.03.2012 liefen.
Unter Verweis auf eine spezielle italienische Gesetzesvorschrift teilte der Dienstherr Frau Napoli mit, dass sie nach Ablauf der ersten 30 Tage ihrer Schutzfristen von dem Kurs ausgeschlossen werde. Weiterhin teilte der Dienstherr mit, dass sie automatisch zum nächsten Kurs zugelassen werde.
Wann dieser allerdings stattfinden würde, stand noch nicht fest. Möglicherweise hätte sich Frau Napoli jahrelang gedulden müssen. Mit dementsprechend großer Verzögerung hätte sie einen beruflichen Aufstieg zur Kommissarin vollziehen können.
Gegen den zunächst vorläufigen und kurz darauf endgültigen Ausschluss von dem Ende Dezember 2011 beginnenden Kurs (Bescheide vom 04.01.2012 und vom 09.03.2012) klagte Frau Napoli vor dem Regionalen Verwaltungsgericht Latium (Tribunale amministrativo regionale per il Lazio) und erstritt im gerichtlichen Eilverfahren ihre Zulassung zu dem Kurs. Das Gericht entschied, dass Frau Napoli nach Beendigung der Schutzfristen, d.h. ab dem 08.03.2012, wieder zu dem laufenden Kurs zugelassen werden müsse.
Zur Vorbereitung einer endgültigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren bat das Verwaltungsgericht den EuGH im Oktober 2012 um eine Stellungnahme zu der Frage, ob Wöchnerinnen generell von Fortbildungen ausgeschlossen und mit der Möglichkeit einer späteren Fortbildung vertröstet werden können, auch wenn noch gar nicht feststeht, wann diese späteren Fortbildungen beginnen würden.
EuGH: Mutterschutzfristen dürfen nicht dazu führen, dass Arbeitnehmerinnen von Fortbildungskursen generell ausgeschlossen werden
Der EuGH entschied, dass Gesetze wie die hier streitige Vorschrift des italienischen Rechts, auf deren Grundlage der Ausschluss Frau Napolis von der Fortbildung verfügt worden war, gegen das Europarecht verstoßen.
Juristischer Aufhänger war dabei Art.15 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.07.2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung). Diese Vorschrift regelt die "Rückkehr aus dem Mutterschaftsurlaub" und lautet:
"Frauen im Mutterschaftsurlaub haben nach Ablauf des Mutterschaftsurlaubs Anspruch darauf, an ihren früheren Arbeitsplatz oder einen gleichwertigen Arbeitsplatz unter Bedingungen, die für sie nicht weniger günstig sind, zurückzukehren, und darauf, dass ihnen auch alle Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, auf die sie während ihrer Abwesenheit Anspruch gehabt hätten, zugute kommen."
Im vorliegenden Fall ging es nicht um die Sicherung des Arbeitsplatzes oder eines gleichwertigen Arbeitsplatzes während der Mutterschaftsurlaubs, sondern darum, ob Frau Napoli auch "alle Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, auf die sie während ihrer Abwesenheit Anspruch gehabt hätte", nach ihrer Rückkehr aus dem Mutterschaftsurlaub erhielt.
Das war hier nicht der Fall, denn hätte Frau Napoli kein Kind entbunden und hätte sie demnach nicht die dreimonatigen Schutzfristen in Anspruch genommen, dann hätte sie an dem Ende Dezember 2011 beginnenden Kurs regulär teilnehmen können und daher die Chance gehabt, durch diesen Kurs die Voraussetzungen für eine Beförderung zur Kommissarin zu erlangen.
Das Argument des Dienstherrn, die schönste Gleichberechtigung ersetze nun einmal nicht die hier eingetretene Abwesenheit vom Unterricht, ließ der Gerichtshof nicht gelten. Denn anstatt Frau Napoli generell von dem laufenden Kurs auszuschließen, hätte eine konkrete Prüfung vorgenommen werden müssen, "in welchem Stadium des Kurses die Betroffene wegen Mutterschaftsurlaubs abwesend ist und welche Ausbildung sie bereits absolviert" hatte. Der generelle Ausschluss von der laufenden Fortbildung war daher unverhältnismäßig.
Im übrigen ist der in Art.15 Richtlinie 2006/54/EG festgelegte Anspruch von Wöchnerinnen auf Erhalt der Vergünstigungen, auf die sie während ihrer Abwesenheit Anspruch gehabt hätten, so klar, genau und unbedingt ausgestaltet, dass der italienische Staat als Dienstherr an diesen Anspruch gebunden ist. Die entgegenstehende Vorschrift des italienischen Gesetzesrechts musste daher im Streitfall unangewendet bleiben.
Fazit: Den vorliegenden Streitfall konnte der EuGH kaum anders entscheiden, da die schwangerschaftsbedingte erhebliche Benachteiligung der Klägerin im Ausgangsverfahren mit Händen zu greifen war und der Dienstherr keine Gründe vorgetragen hatte, die einem nachträglichen Einstieg der Klägerin in den laufenden Kurs zwingend entgegenstehen würden.
Das Urteil ist aber auch auf Fälle anzuwenden, in denen es um weniger schwerwiegende Benachteiligungen durch den Ausschluss von Fortbildungsveranstaltungen geht, d.h. es sind auch kurzfristige Fortbildungen erfasst, die während der Schutzfristen vollständig durchgeführt werden. In solchen Fällen können Wöchnerinnen in Deutschland künftig verlangen, auch während der nachgeburtlichen Schutzfristen an Fortbildungsveranstaltungen teilnehmen zu dürfen, wenn sie dies wünschen. § 6 Abs.1 MuSchG ist europarechtskonform so auszulegen, dass er für Fortbildungsveranstaltungen nicht gilt.
Darüber hinaus können Wöchnerinnen verlangen, nachträglich zu Fortbildungsveranstaltungen zugelassen zu werden, die sie infolge der (vorgeburtlichen und/oder nachgeburtlichen) Schutzfristen teilweise versäumt haben. Hier müssen Arbeitgeber und Veranstalter von Fortbildungen ggf. zusätzliche Unterrichtseinheiten anbieten, um Frauen da Nachholen ausgefallener Stunden zu ermöglichen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 06.03.2014, C-595/12 (Napoli)
- Europäischer Gerichtshof, Der automatische Ausschluss einer Arbeitnehmerin von einem Ausbildungskurs wegen der Inanspruchnahme eines obligatorischen Mutterschaftsurlaubs verstößt gegen das Unionsrecht, Pressemitteilung Nr.30/14 vom 06.03.2014
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsratsschulung
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Geschlecht
- Handbuch Arbeitsrecht: Elternzeit, Elterngeld
- Handbuch Arbeitsrecht: Fortbildung
- Handbuch Arbeitsrecht: Mutterschutz
- Arbeitsrecht aktuell: 20/075 Eigenkündigung und Rückzahlung von Fortbildungskosten
- Arbeitsrecht aktuell: 16/313 LAG Berlin-Brandenburg stärkt Gehaltssicherung bei Schwangerschaft
- Arbeitsrecht aktuell: 14/101 Mutterschutz nur bei Schwangerschaft
- Arbeitsrecht aktuell: 09/019 Fortbildungskosten: Unwirksamkeit von Rückzahlungsklauseln bei überlanger Bindungsdauer
Letzte Überarbeitung: 16. Juli 2020
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