HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 16/029

Re­form der Pfle­ge­aus­bil­dung

Bun­des­re­gie­rung ei­nigt sich auf Ge­setz­ent­wurf zur Re­form der Pfle­ge­be­ru­fe: Ent­wurf ei­nes Ge­set­zes zur Re­form der Pfle­ge­be­ru­fe, Ge­setz­ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung, vom 15.01.2016
Kind im Rollstuhl

25.01.2016. Aus­zu­bil­den­de in Pfle­ge­be­ru­fen müs­sen sich künf­tig nicht mehr zu Be­ginn ih­rer Aus­bil­dung ent­schei­den, ob sie in der Kran­ken­pfle­ge, in der Kin­der­kran­ken­pfle­ge oder in der Al­ten­pfle­ge tä­tig sein wol­len.

Das Bun­des­ka­bi­nett hat sich am 13.01.2016 auf ei­nen Ge­setz­ent­wurf zur Re­form der Pfle­ge­be­ru­fe ge­ei­nigt und den Ent­wurf am 15.01.2016 an den Bun­des­rat über­mit­telt. An­stel­le der bis­her ge­trenn­ten drei Aus­bil­dun­gen in der Al­ten­pfle­ge, der Kran­ken- und der Kin­der­kran­ken­pfle­ge soll es künf­tig ei­ne ein­heit­li­che Aus­bil­dung für al­le Pfle­ge­be­ru­fe ge­ben.

Die ers­ten Aus­zu­bil­den­den sol­len An­fang 2018 nach dem neu­en Sys­tem aus­ge­bil­det wer­den. Im Ver­gleich zu heu­te kos­tet die neue Pfle­ge­aus­bil­dung 320 Mil­lio­nen Eu­ro pro Jahr mehr und wird in der Pfle­ge­bran­che mit ge­misch­ten Ge­füh­len auf­ge­nom­men: Ent­wurf ei­nes Ge­set­zes zur Re­form der Pfle­ge­be­ru­fe (Pfle­ge­be­ru­fe­re­form­ge­setz - PflB­RefG), Ge­setz­ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung, vom 13.01.2016.

Zie­le des Pfle­ge­be­ru­fe­re­form­ge­set­zes (PflB­RefG): Re­ak­ti­on auf veränder­ten Pfle­ge­be­darf und Fach­kräfte­si­che­rung

Mit der ge­plan­ten Neu­re­ge­lung möch­te die Bun­des­re­gie­rung auf ei­nen veränder­ten Pfle­ge­be­darf re­agie­ren. Auf­grund der ge­stie­ge­nen und wei­ter stei­gen­den Le­bens­er­war­tung müssen in Kran­kenhäusern zu­neh­mend älte­re und de­menz­kran­ke Pa­ti­en­ten ge­pflegt wer­den. Um­ge­kehrt müssen Ein­rich­tun­gen der Al­ten­pfle­ge zu­neh­mend Leis­tun­gen der me­di­zi­ni­schen Pfle­ge er­brin­gen, nicht zu­letzt auf­grund der verkürz­ten Lie­ge­zei­ten in Kran­kenhäusern.

Nach An­sicht der Bun­des­re­gie­rung ist es da­her er­for­der­lich, dass künf­tig in ei­ner ein­heit­li­chen Pfle­ge­aus­bil­dung Kom­pe­ten­zen für die Pfle­ge von Men­schen al­ler Al­ters­grup­pen ver­mit­telt wer­den.

Der Ge­setz­ent­wurf möch­te außer­dem die At­trak­ti­vität der Pfle­ge­be­ru­fe stei­gern und so et­was ge­gen den Fach­kräfte­man­gel im Be­reich der Pfle­ge­be­ru­fe tun. Schon heu­te blei­ben vie­le Stel­len in Pfle­ge­hei­men und am­bu­lan­ten Hilfs­diens­ten un­be­setzt. Die­ser Fach­kräfte­man­gel wird sich in­fol­ge des de­mo­gra­phi­schen Wan­dels noch wei­ter verstärken.

Neu­es Ge­setz über den Pfle­ge­be­ruf (Pfle­ge­be­rufs­ge­setz - PflBG)

Bis­her gibt es drei un­ter­schied­li­che Aus­bil­dungsgänge für

  • die Al­ten­pfle­ge,
  • die Ge­sund­heits- und Kran­ken­pfle­ge so­wie für
  • die Ge­sund­heits- und Kin­der­kran­ken­pfle­ge.

Die­se Drei­glie­de­rung der Pfle­ge­be­ru­fe soll durch ein neu­es Ge­setz über den Pfle­ge­be­ruf (Pfle­ge­be­rufs­ge­setz - PflBG) auf­ge­ho­ben wer­den. Das PflBG ist der Kern des Pfle­ge­be­ru­fe­re­form­ge­set­zes (PflB­RefG), das als Ar­ti­kel­ge­setz auch an­de­re me­di­zin­recht­li­che Be­ru­fe in ei­ni­gen Punk­ten ändert.

Das neue PflBG re­gelt ins­be­son­de­re

  • die Einführung der neu­en ein­heit­li­chen Pfle­ge­aus­bil­dung
  • das Aus­bil­dungs­ziel und die Aus­bil­dungs­in­hal­te, die Dau­er und die Struk­tur der Aus­bil­dung
  • die Vor­aus­set­zun­gen für den Zu­gang zu der Aus­bil­dung
  • die Vor­aus­set­zun­gen für die Fi­nan­zie­rung der Aus­bil­dung
  • die Einführung ei­nes be­rufs­qua­li­fi­zie­ren­den Hoch­schul­stu­di­ums

Ein­heit­li­che Pfle­ge­aus­bil­dung mit Schwer­punkt­set­zung

Das ge­plan­te PflBG sieht vor, dass künf­tig ei­ne dreijähri­ge Aus­bil­dung in Voll­zeit oder ei­ne fünfjähri­ge Aus­bil­dung in Teil­zeit zur Pfle­ge­fach­frau bzw. zum Pfle­ge­fach­mann ab­sol­viert wer­den muss. Nach § 5 PflBG soll die Aus­bil­dung überg­rei­fen­de Qua­li­fi­ka­tio­nen für die selbstständi­ge, um­fas­sen­de und pro­zess­ori­en­tier­te Pfle­ge von Men­schen al­ler Al­ters­stu­fen ver­mit­teln. 

Die neue Pfle­ge­aus­bil­dung glie­dert sich in theo­re­ti­schen Un­ter­richt an Pfle­ge­schu­len so­wie ei­ne prak­ti­sche Aus­bil­dung. Zur Er­lan­gung der prak­ti­schen Qua­li­fi­ka­tio­nen sieht das PflBG in sei­nem § 7 vor, dass der Aus­zu­bil­den­de Pflicht­einsätze in ver­schie­de­nen Ein­rich­tun­gen ab­leis­ten muss, so zum Bei­spiel in der all­ge­mei­nen Lang­zeit­pfle­ge so­wie in den spe­zi­el­len Be­rei­chen der kin­der- oder ju­gend­psych­ia­tri­schen Ver­sor­gung. Bei der prak­ti­schen Aus­bil­dung kann der Aus­zu­bil­den­de zu­dem ei­nen Schwer­punkt wählen, zum Bei­spiel in der Al­ten­pfle­ge, der im Ab­schluss­zeug­nis als "Ver­tie­fungs­ein­satz" aus­ge­wie­sen wird.

In § 11 PflBG wer­den zu­dem die Vor­aus­set­zun­gen für den Zu­gang zu der Aus­bil­dung zur Pfle­ge­fach­frau bzw. zum Pfle­ge­fach­mann ge­re­gelt. Da­nach ist grundsätz­lich ent­we­der ein mitt­le­rer Schul­ab­schluss oder ein Haupt­schul­ab­schluss zu­sam­men mit wei­te­ren Qua­li­fi­ka­tio­nen (bspw. ei­ne min­des­tens zweijähri­ge Be­rufs­aus­bil­dung oder ei­ne einjähri­ge Aus­bil­dung in der Pfle­ge­as­sis­tenz) not­wen­dig, um die Aus­bil­dung an­tre­ten zu dürfen.

Im drit­ten Ab­schnitt des PflBG (§§ 26 - 36 PflGB) wird die Fi­nan­zie­rung der Aus­bil­dung zu­dem bun­des­ein­heit­lich ge­re­gelt. Für Aus­zu­bil­den­de ist sie künf­tig kos­ten­frei. Der­zeit fal­len dem­ge­genüber für vie­le Aus­zu­bil­den­de an Pfleg­schu­len Gebühren an.

Ergänzend zu der fach­be­ruf­li­chen Pfle­ge­aus­bil­dung wird durch das PflGB in den §§ 37 ff. PflGB ei­ne bun­des­ge­setz­li­che Grund­la­ge für ei­ne primärqua­li­fi­zie­ren­de hoch­schu­li­sche Pfle­ge­aus­bil­dung ge­schaf­fen. Ähn­lich wie die überg­rei­fen­de Aus­bil­dung soll auch ein min­des­tens dreijähri­ges Hoch­schul­stu­di­um auf ei­nen uni­ver­sel­len Ein­satz in al­len all­ge­mei­nen Ar­beits­fel­dern der Pfle­ge vor­be­rei­ten und ei­nen Wech­sel zwi­schen den ein­zel­nen Pfle­ge­be­rei­chen er­leich­tern.

Deut­scher Pfle­gerat e.V.: Mei­len­stein für die Wei­ter­ent­wick­lung der Pfle­ge­be­ru­fe in Deutsch­land

Der Deut­sche Pfle­gerat, in dem vie­le wich­ti­ge Pfle­ge­be­rufs­ver­ei­ni­gun­gen als Mit­glie­der ver­tre­ten sind, be­wer­tet die ein­heit­li­che Aus­bil­dung po­si­tiv. In sei­ner Pres­se­mit­tei­lung vom 13.01.2016 stuft es die neue Pfle­ge­aus­bil­dung als "ei­ne der wich­tigs­ten Ant­wor­ten auf den de­mo­gra­phi­schen und epi­de­mio­lo­gi­schen Wan­del" ein.

Wie die Ent­wurfs­ver­fas­ser ist auch der Pfle­gerat der An­sicht, dass die zu­neh­men­de Le­bens­er­war­tung ei­ne Re­form der Aus­bil­dung in den Pfle­ge­be­ru­fen er­for­der­lich macht. Die rich­ti­ge Ant­wort auf die­se Her­aus­for­de­run­gen ist ei­ne im Prin­zip ein­heit­li­che bzw. ge­ne­ra­lis­ti­sche Pfle­ge­aus­bil­dung, so der Pfle­gerat.

Die ge­plan­te Re­form sei ei­ne gu­te Nach­richt für al­le pro­fes­sio­nell Pfle­gen­den. Ih­re Ar­beit wer­de da­durch auf­ge­wer­tet. Durch die re­for­mier­te Aus­bil­dung er­hiel­ten zukünf­ti­ge Pfle­ge­fach­per­so­nen bes­se­re Möglich­kei­ten, in­ner­halb ih­res Be­rufs­fel­des zu wech­seln. Da­mit ver­bes­ser­ten sich die Auf­stiegs­chan­cen und die At­trak­ti­vität des Pfle­ge­be­rufs.

Ver.di befürwor­tet in­te­grier­te Aus­bil­dung in der Pfle­ge­bran­che

Nicht ganz so gut be­wer­tet die Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft ver.di das Ge­set­zes­vor­ha­ben der Bun­des­re­gie­rung. Be­reits im Ju­li 2015 bzw. im Vor­feld des jetzt of­fi­zi­ell vor­ge­stell­ten Re­form­pa­kets hat ver.di ei­ni­ge Wünsche und Be­den­ken geäußert, die im Lau­fe des Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­rens wahr­schein­lich noch für Dis­kus­sio­nen sor­gen wer­den.

Nach An­sicht von ver.di ist es zwar sinn­voll, die bis­her ge­trenn­ten drei Aus­bil­dun­gen näher zu­sam­men­zuführen. Da ei­ne Verlänge­rung der Aus­bil­dungs­zeit aber nicht ge­plant ist, befürch­tet ver.di Qua­litätsein­bußen bei der Aus­bil­dung in der Kin­der­kran­ken- und Al­ten­pfle­ge.

Als Al­ter­na­ti­ve zu ei­ner ein­heit­li­chen Pfle­ge­aus­bil­dung befürwor­tet ver.di die Einführung ei­ner in­te­grier­ten Aus­bil­dung in der Form, dass nach ei­nem ge­mein­sa­men Start von ein bis zwei Jah­ren ein Schwer­punkt in der all­ge­mei­nen Pfle­ge, der Kin­der­kran­ken­pfle­ge oder der Al­ten­pfle­ge gewählt wird. Da­mit al­ler­dings wäre das Ziel ei­ner ein­heit­li­chen Be­rufs­aus­bil­dung und Be­rufs­be­zeich­nung ver­fehlt.

Ar­beit­ge­ber befürch­ten stei­gen­de Aus­bil­dungs­kos­ten und un­verhält­nismäßigen Auf­wand an Büro­kra­tie

Der Ar­beit­ge­ber­ver­band Pfle­ge schließlich lehnt die ge­plan­te Re­form rund­her­aus ab.

Aus sei­ner Sicht wer­den die Aus­bil­dungs­be­trie­be in der Al­ten­pfle­ge künf­tig mit höhe­ren Kos­ten und ei­nem Or­ga­ni­sa­ti­ons­aufwänden be­las­tet. Mehr noch: Ein Cha­os sei vor­pro­gram­miert und die "Ver­sor­gungs­si­cher­heit der al­ten Men­schen gefähr­det".

Die Be­den­ken des Ar­beit­ge­ber­ver­bands Pfle­ge gel­ten of­fen­bar we­ni­ger für die me­di­zi­ni­sche Pfle­ge in Kran­kenhäusern als viel­mehr für die Al­ten­pfle­ge. Die Al­ten­pfle­ge, so der Ar­beit­ge­ber­ver­band Pfle­ge, "droht am En­de zum ein­deu­ti­gen Ver­lie­rer der hek­ti­schen Re­formpläne der großen Ko­ali­ti­on in Ber­lin zu wer­den".

Fa­zit: Ein­heit­li­che Aus­bil­dung er­leich­tert die be­ruf­li­che Mo­bi­lität und da­mit die Ein­kom­mens­chan­cen

Die Kri­tik an den Re­formplänen ist in dem Punkt nach­voll­zieh­bar, dass die In­hal­te der ge­plan­ten ein­heit­li­chen Aus­bil­dung, vor al­lem die St­un­den­ver­tei­lung in der prak­ti­schen Aus­bil­dung, der­zeit noch gar nicht fest­lie­gen, son­dern erst in ei­ner spe­zi­el­len Ver­ord­nung ge­re­gelt wer­den sol­len. Da­her ist noch ziem­lich un­klar, was in der Aus­bil­dung zur Pfle­ge­fach­frau bzw. zum Pfle­ge­fach­mann ei­gent­lich ge­lehrt und ge­lernt wer­den soll.

Ab­ge­se­hen da­von ist die Wei­chen­stel­lung aber rich­tig, denn ein wich­ti­ger Teil­as­pekt des oft be­schwo­re­nen Fach­kräfte­man­gels in der Pfle­ge sind we­nig at­trak­ti­ve Gehälter. Bis­lang konn­ten ge­lern­te Al­ten­pfle­ger nicht zu ei­ner Kli­nik wech­seln, um dort mehr zu ver­die­nen, und ge­nau das soll künf­tig an­ders wer­den. Ta­rif­verträge al­lein wer­den die er­for­der­li­chen Lohn­stei­ge­run­gen in den Pfle­ge­be­ru­fen nicht be­wir­ken können, d.h. sie wer­den nur dann Er­folg ha­ben, wenn die ge­setz­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen die be­ruf­li­che Mo­bi­lität der Pfle­ge­kräfte ver­bes­sern.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 4. Januar 2021

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de
Bewertung: 4.5 von 5 Sternen (2 Bewertungen)

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de