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HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BAG, Be­schluss vom 23.08.2006, 7 ABR 55/05

   
Schlagworte: Betriebsratsbüro, Betriebsrat: Internetzugang
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 7 ABR 55/05
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 23.08.2006
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Herne
Landesarbeitsgericht Hamm
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


7 ABR 55/05
10 TaBV 2/05
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Hamm

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

23. Au­gust 2006

BESCHLUSS

Schie­ge, Ur­kunds­be­am­ter

der Geschäfts­stel­le

In dem Be­schluss­ver­fah­ren

mit den Be­tei­lig­ten

1.

An­trag­stel­ler und Rechts­be­schwer­deführer,

2.

Be­schwer­deführe­rin,

hat der Sieb­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf Grund der Be­ra­tung vom 23. Au­gust 2006 durch den Vi­ze­präsi­den­ten des Bun­des­ar­beits­ge­richts Dörner, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Gräfl und den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Koch so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Bea und Dr. Ger­scher­mann für Recht er­kannt:
 


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Die Rechts­be­schwer­de des Be­triebs­rats ge­gen den Be­schluss des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm vom 15. Ju­li 2005 - 10 TaBV 2/05 - wird zurück­ge­wie­sen.


Von Rechts we­gen!

Gründe


I. Die Be­tei­lig­ten strei­ten darüber, ob die zu 2) be­tei­lig­te Ar­beit­ge­be­rin ver­pflich­tet ist, dem Be­triebs­rat ei­nen In­ter­net­zu­gang zur Verfügung zu stel­len und den ihm über­las­se­nen Per­so­nal­com­pu­ter an das In­ter­net an­zu­sch­ließen.

Die Ar­beit­ge­be­rin be­treibt 84 Bau- und Gar­tenmärk­te. In 71 Märk­ten be­ste­hen Be­triebsräte. An­trag­stel­ler des vor­lie­gen­den Ver­fah­rens ist der für die Nie­der­las­sung H ge­bil­de­te, aus fünf Mit­glie­dern be­ste­hen­de Be­triebs­rat. Die­ser verfügt über ei­nen Per­so­nal­com­pu­ter mit Netz­werk­an­schluss, der es ihm ermöglicht, das un­ter­neh­mens­wei­te In­tra­net zu nut­zen so­wie E-mails zu ver­sen­den und zu emp­fan­gen. Ei­nen Zu­gang zum world-wi­de-web (In­ter­net) hat der Be­triebs­rat nicht. Darüber verfügen in dem Markt in H , in dem ca. 90 Mit­ar­bei­ter beschäftigt sind, nur der Markt­lei­ter und des­sen Stell­ver­tre­ter. Nach­dem die Ar­beit­ge­be­rin das Be­geh­ren des Be­triebs­rats auf Ein­rich­tung ei­nes In­ter­net­zu­gangs mit Schrei­ben vom 27. April 2004 ab­ge­lehnt hat­te, ver­lang­te der Be­triebs­rat mit dem am 21. Ju­ni 2004 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­lei­te­ten Be­schluss­ver­fah­ren die Be­reit­stel­lung ei­nes In­ter­net­zu­gangs von der Ar­beit­ge­be­rin.


Der Be­triebs­rat hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, zur sach­ge­rech­ten Erfüllung der ihm ob­lie­gen­den Auf­ga­ben sei ein In­ter­net­an­schluss er­for­der­lich. Er könne sei­ne be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Pflich­ten nur ord­nungs­gemäß er­le­di­gen, wenn er die ak­tu­el­le Ge­setz­ge­bung und Recht­spre­chung im Be­reich des Ar­beits- und Be­triebs­ver­fas­sungs­rechts ken­ne. Bei der Fülle von Ge­set­zes­no­vel­lie­run­gen sei ei­ne schnel­le Ak­tua­li­sie­rung er­for­der­lich, die aus­sch­ließlich über das In­ter­net gewähr­leis­tet sei. Die Ein­rich­tung ei­nes In­ter­net­an­schlus­ses sei kos­ten­neu­tral, da die Ar­beit­ge­be­rin über ei­nen Flat­rate­ver­trag verfüge und da­her un­abhängig von der Dau­er der Nut­zung des In­ter­net ei­nen Pau­schal­be­trag ent­rich­te. Wei­te­re Kos­ten entstünden durch die Ein­rich­tung ei­nes In­ter­net­zu­gangs für den Be­triebs­rat nicht.
 


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Der Be­triebs­rat hat be­an­tragt, 


1. die Ar­beit­ge­be­rin zu ver­pflich­ten, ei­nen In­ter­net­zu­gang zur Verfügung zu stel­len, in­dem die Ar­beit­ge­be­rin auf dem zen­tra­len Ser­ver im un­ter­neh­mens­wei­ten Netz­werk des Com­pu­ter­sys­tems ei­nen neu­en User (Be­triebs­rat H ) ein­rich­tet,

2. dem Be­triebs­rat die Zu­gangs­be­rech­ti­gung zum In­ter­net durch Be­kannt­ga­be des Kenn­worts, wel­ches im Zu­sam­men­hang mit der Ein­rich­tung des neu­en Users (Be­triebs­rat H ) ver­ge­ben wor­den ist, ein­zuräum­en.

Die Ar­beit­ge­be­rin hat die Zurück­wei­sung der Anträge be­an­tragt. 

Das Ar­beits­ge­richt hat den Anträgen des Be­triebs­rats ent­spro­chen. Auf die Be­schwer­de der Ar­beit­ge­be­rin hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt den erst­in­stanz­li­chen Be­schluss ab­geändert und die Anträge des Be­triebs­rats ab­ge­wie­sen. Mit der Rechts­be­schwer­de be­gehrt der Be­triebs­rat die Wie­der­her­stel­lung des ar­beits­ge­richt­li­chen Be­schlus­ses. Die Ar­beit­ge­be­rin be­an­tragt die Zurück­wei­sung der Rechts­be­schwer­de.

II. Die Rechts­be­schwer­de ist nicht be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Anträge des Be­triebs­rats zu Recht ab­ge­wie­sen. Der Be­triebs­rat hat nach § 40 Abs. 2 Be­trVG kei­nen An­spruch ge­genüber der Ar­beit­ge­be­rin auf Be­reit­stel­lung ei­nes In­ter­net­zu­gangs.

1. Nach § 40 Abs. 2 Be­trVG hat der Ar­beit­ge­ber dem Be­triebs­rat für die Sit­zun­gen, die Sprech­stun­den und die lau­fen­de Geschäftsführung in er­for­der­li­chem Um­fang Räume, sach­li­che Mit­tel, Büro­per­so­nal so­wie In­for­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­nik zur Verfügung zu stel­len. Die Prüfung, ob ein vom Be­triebs­rat ver­lang­tes Sach­mit­tel zur Er­le­di­gung von Be­triebs­rats­auf­ga­ben er­for­der­lich und vom Ar­beit­ge­ber zur Verfügung zu stel­len ist, ob­liegt dem Be­triebs­rat. Die Ent­schei­dung hierüber darf der Be­triebs­rat nicht al­lein an sei­nen sub­jek­ti­ven Bedürf­nis­sen aus­rich­ten. Von ihm wird viel­mehr ver­langt, dass er bei sei­ner Ent­schei­dungs­fin­dung die be­trieb­li­chen Verhält­nis­se und die sich ihm stel­len­den Auf­ga­ben berück­sich­tigt. Da­bei hat er die In­ter­es­sen der Be­leg­schaft an ei­ner sach­ge­rech­ten Ausübung des Be­triebs­rats­amts ei­ner­seits und be­rech­tig­te In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers, auch so­weit sie auf ei­ne Be­gren­zung der Kos­ten­tra­gungs­pflicht ge­rich­tet sind, ge­gen­ein­an­der ab­zuwägen (st. Rspr., vgl. et­wa BAG 3. Sep­tem­ber 2003 - 7 ABR 12/03 - AP Be­trVG 1972 § 40 Nr. 78 = EzA Be­trVG 2001 § 40 Nr. 5, zu B I 1 der Gründe; 3. Sep­tem­ber 2003 - 7 ABR 8/03 - BA­GE 107, 231 = AP Be­trVG 1972 § 40 Nr. 79 = EzA Be­trVG 2001 § 40 Nr. 6, zu B I der Gründe;
 


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1. De­zem­ber 2004 - 7 ABR 18/04 - AP Be­trVG 1972 § 40 Nr. 82 = EzA Be­trVG 2001 § 40 Nr. 8, zu B I 1 der Gründe). Die­se Grundsätze gel­ten auch für das Ver­lan­gen des Be­triebs­rats auf Über­las­sung von In­for­ma­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­nik (BAG 3. Sep­tem­ber 2003 - 7 ABR 8/03 - aaO, zu B II 2 a aa der Gründe).

Die Ent­schei­dung des Be­triebs­rats über die Er­for­der­lich­keit des ver­lang­ten Sach­mit­tels un­ter­liegt der ar­beits­ge­richt­li­chen Kon­trol­le. Die­se ist auf die Prüfung be­schränkt, ob das ver­lang­te Sach­mit­tel auf Grund der kon­kre­ten be­trieb­li­chen Si­tua­ti­on der Er­le­di­gung der ge­setz­li­chen Auf­ga­ben des Be­triebs­rats dient und der Be­triebs­rat bei sei­ner Ent­schei­dung nicht nur die In­ter­es­sen der Be­leg­schaft berück­sich­tigt, son­dern auch be­rech­tig­ten In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers Rech­nung ge­tra­gen hat. Dient das je­wei­li­ge Sach­mit­tel der Er­le­di­gung be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­cher Auf­ga­ben und hält sich die In­ter­es­sen­abwägung des Be­triebs­rats im Rah­men sei­nes Be­ur­tei­lungs­spiel­raums, kann das Ge­richt die Ent­schei­dung des Be­triebs­rats nicht durch sei­ne ei­ge­ne er­set­zen (BAG 11. No­vem­ber 1998 - 7 ABR 57/97 - AP Be­trVG 1972 § 40 Nr. 64, zu B 2 der Gründe; 1. De­zem­ber 2004 - 7 ABR 18/04 - AP Be­trVG 1972 § 40 Nr. 82 = EzA Be­trVG 2001 § 40 Nr. 8, zu B I 2 der Gründe). Die Be­ur­tei­lung des Be­schwer­de­ge­richts, ob ein Sach­mit­tel zur Er­le­di­gung der Auf­ga­ben des Be­triebs­rats er­for­der­lich und des­halb vom Ar­beit­ge­ber zur Verfügung zu stel­len ist, un­ter­liegt ih­rer­seits nur ei­ner ein­ge­schränk­ten rechts­be­schwer­de­recht­li­chen Über­prüfung dar­auf, ob das Tat­sa­chen­ge­richt den Rechts­be­griff der Er­for­der­lich­keit ver­kannt, Denk­ge­set­ze oder all­ge­mei­ne Er­fah­rungssätze ver­letzt oder we­sent­li­che Umstände bei der Würdi­gung außer Acht ge­las­sen hat (BAG 9. Ju­ni 1999 - 7 ABR 66/97 - BA­GE 92, 26 = AP Be­trVG 1972 § 40 Nr. 66, zu B II 2 der Gründe).


2. Zu den sach­li­chen Mit­teln der In­for­ma­ti­ons­tech­nik iSd. § 40 Abs. 2 Be­trVG gehört grundsätz­lich auch das In­ter­net. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat je­doch in rechts-be­schwer­de­recht­lich nicht zu be­an­stan­den­der Wei­se er­kannt, dass der Be­triebs­rat an­ge­sichts der kon­kre­ten be­trieb­li­chen Verhält­nis­se und der sich ihm stel­len­den ge­setz­li­chen Auf­ga­ben ei­nen In­ter­net­zu­gang nicht für er­for­der­lich hal­ten durf­te.


a) Zu den Sach­mit­teln iSd. § 40 Abs. 2 Be­trVG gehören die Hilfs­mit­tel, die ge­eig­net sind, dem Be­triebs­rat die zur Erfüllung sei­ner ge­setz­li­chen Auf­ga­ben not­wen­di­gen In­for­ma­tio­nen zu ver­mit­teln. Da­zu zählen ua. ar­beits­recht­li­che Ge­set­zes­tex­te, ent­spre­chen­de Kom­men­ta­re, Fach­li­te­ra­tur und Zeit­schrif­ten. Die dem Be­triebs­rat nach dem Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz ob­lie­gen­den Auf­ga­ben las­sen sich sach­ge­recht re­gelmäßig nur durch lau­fen­de und ak­tu­el­le Un­ter­rich­tung über ar­beits- und be­triebs­ver-
 


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fas­sungs­recht­li­che Ent­wick­lun­gen in Ge­setz­ge­bung und Recht­spre­chung so­wie ins­be­son­de­re durch die dar­aus ge­won­ne­nen Er­kennt­nis­se über mögli­che Hand­lungs­spielräume lösen. Sol­che In­for­ma­tio­nen kann sich ein Be­triebs­rat nicht al­lein durch Un­ter­rich­tung in den ein­schlägi­gen Ge­set­zen oder de­ren Erläute­run­gen in Kom­men­ta­ren ver­schaf­fen. Viel­mehr ist er zur ver­ant­wort­li­chen Wahr­neh­mung sei­ner Be­fug­nis­se auch auf die Un­ter­rich­tung durch an­de­re Veröffent­li­chun­gen an­ge­wie­sen, in de­nen die­se The­men nach neu­es­tem Stand fach­lich dar­ge­stellt wer­den (BAG 21. April 1983 - 6 ABR 70/82 - BA­GE 42, 259 = AP Be­trVG 1972 § 40 Nr. 20 = EzA Be­trVG 1972 § 40 Nr. 53, zu III 3 a der Gründe; 29. No­vem­ber 1989 - 7 ABR 42/89 - AP Be­trVG 1972 § 40 Nr. 32 = EzA Be­trVG 1972 § 40 Nr. 63, zu II 2 a der Gründe; 26. Ok­to­ber 1994 - 7 ABR 15/94 - AP Be­trVG 1972 § 40 Nr. 43 = EzA Be­trVG 1972 § 40 Nr. 72, zu B 1 der Gründe). Da der Be­triebs­rat sei­ne Geschäfte ei­genständig und ei­gen­ver­ant­wort­lich führt, ist er grundsätz­lich in der Ent­schei­dung darüber frei, auf wel­che Wei­se er sich die zur Erfüllung sei­ner Auf­ga­ben not­wen­di­gen In­for­ma­tio­nen ver­schafft (BAG 25. Ja­nu­ar 1995 - 7 ABR 37/94 - AP Be­trVG 1972 § 40 Nr. 46 = EzA Be­trVG 1972 § 40 Nr. 73, zu B 4 der Gründe; 3. Sep­tem­ber 2003 - 7 ABR 8/03 - BA­GE 107, 231 = AP Be­trVG 1972 § 40 Nr. 79 = EzA Be­trVG 2001 § 40 Nr. 6, zu B II 1 der Gründe). Der Be­triebs­rat kann je­doch nicht oh­ne Rück­sicht auf be­trieb­li­che Be­lan­ge oder be­triebs­rats­be­zo­ge­ne Not­wen­dig­kei­ten den Zu­gang zu je­der In­for­ma­ti­ons­quel­le ver­lan­gen, die sich mit The­men sei­ner ge­setz­li­chen Auf­ga­ben­stel­lun­gen be­fasst. Die nor­ma­ti­ve Wer­tung des § 40 Abs. 2 Be­trVG ver­langt viel­mehr ei­ne sach­ge­rech­te Abwägung der Be­lan­ge bei­der Be­triebs­par­tei­en.

b) Auch wenn es sich bei dem In­ter­net al­so um ei­ne Quel­le han­delt, die ge­eig­net ist, ei­nem Be­triebs­rat zur Erfüllung sei­ner Auf­ga­ben not­wen­di­ge In­for­ma­tio­nen zu ver­mit­teln, durf­te der an­trag­stel­len­de Be­triebs­rat an­ge­sichts der kon­kre­ten be­trieb­li­chen Verhält­nis­se und der sich ihm stel­len­den Auf­ga­ben ei­nen In­ter­net­zu­gang nicht für er­for­der­lich hal­ten.


aa) Der Be­triebs­rat kann den An­spruch auf Be­reit­stel­lung ei­nes In­ter­net­zu­gangs nicht al­lein auf die fort­schrei­ten­de tech­ni­sche Ent­wick­lung und den all­ge­mei­nen Ver­brei­tungs­grad der Nut­zung des In­ter­net stützen. Die all­ge­mei­ne Üblich­keit der Nut­zung ei­nes tech­ni­schen Hilfs­mit­tels be­sagt nichts über die Not­wen­dig­keit, die­ses auch zur Bewälti­gung der ge­setz­li­chen Auf­ga­ben des Be­triebs­rats ein­zu­set­zen. Die fort­schrei­ten­de tech­ni­sche Ent­wick­lung und die Üblich­keit der Nut­zung tech­ni­scher Mit­tel ist im Rah­men von § 40 Abs. 2 Be­trVG nur von Be­deu­tung, wenn sie sich in den kon-
 


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kre­ten be­trieb­li­chen Verhält­nis­sen nie­der­ge­schla­gen hat, die der Be­triebs­rat im Rah­men sei­ner Prüfung, ob ein Sach­mit­tel für die Er­le­di­gung sei­ner Auf­ga­ben er­for­der­lich ist, zu berück­sich­ti­gen hat (BAG 3. Sep­tem­ber 2003 - 7 ABR 8/03 - BA­GE 107, 231 = AP Be­trVG 1972 § 40 Nr. 79 = EzA Be­trVG 2001 § 40 Nr. 6, zu B II 2 a der Gründe).


bb) Der Be­triebs­rat kann ei­nen In­ter­net­zu­gang auch nicht al­lein des­we­gen ver­lan­gen, weil der Markt­lei­ter und des­sen Stell­ver­tre­ter über ei­nen In­ter­net­zu­gang verfügen. Der er­for­der­li­che Um­fang ei­nes Sach­mit­tels be­stimmt sich nicht aus­sch­ließlich nach dem Aus­stat­tungs­ni­veau des Ar­beit­ge­bers. We­der aus § 40 Abs. 2 Be­trVG noch aus dem Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot des § 78 Be­trVG oder aus dem Grund­satz der ver­trau­ens­vol­len Zu­sam­men­ar­beit (§ 2 Be­trVG) folgt die Pflicht des Ar­beit­ge­bers, dem Be­triebs­rat die­sel­ben Sach­mit­tel zur Verfügung zu stel­len, die er selbst be­nutzt (BAG 15. Fe­bru­ar 1993 - 7 ABR 19/92 - BA­GE 72, 274 = AP Be­trVG 1972 § 40 Nr. 37 = EzA Be­trVG 1972 § 40 Nr. 69, zu B II 2 e der Gründe). Die Geschäfts­lei­tung ei­nes Be­triebs ver­folgt an­de­re Zie­le als die lau­fen­de Geschäftsführung des Be­triebs­rats. Le­dig­lich so­weit sich die Auf­ga­ben von Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat berühren, et­wa bei der be­trieb­li­chen Mit­wir­kung und Mit­be­stim­mung, kann der Ein­satz mo­der­ner In­for­ma­ti­ons-und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­nik auf Ar­beit­ge­ber­sei­te den er­for­der­li­chen Um­fang der dem Be­triebs­rat zur Verfügung zu stel­len­den Sach­mit­tel be­ein­flus­sen (BAG 11. März 1998 - 7 ABR 59/96 - BA­GE 88, 188 = AP Be­trVG 1972 § 40 Nr. 57 = EzA Be­trVG 1972 § 40 Nr. 81, zu B I 3 c der Gründe).


cc) Un­ter Berück­sich­ti­gung der kon­kre­ten be­trieb­li­chen Verhält­nis­se und der sich ihm stel­len­den Auf­ga­ben durf­te im Streit­fall der Be­triebs­rat den Zu­gang zum In­ter­net zum Zwe­cke der In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung nicht für er­for­der­lich hal­ten. Dies hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt oh­ne Rechts­feh­ler er­kannt. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat bei sei­ner Würdi­gung we­der den Rechts­be­griff der Er­for­der­lich­keit ver­kannt, noch Denk­ge­set­ze oder all­ge­mei­ne Er­fah­rungssätze ver­letzt oder we­sent­li­che Umstände außer Acht ge­las­sen.

Nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts verfügt der Be­triebs­rat über ei­nen Per­so­nal­com­pu­ter mit Netz­werk­an­schluss, der es ihm ermöglicht, das un­ter­neh­mens­wei­te In­tra­net zu nut­zen und E-mails zu ver­schi­cken und zu emp­fan­gen, wo-durch die Kom­mu­ni­ka­ti­on mit an­de­ren Be­triebsräten, mit an­de­ren Märk­ten in­ner­halb des Un­ter­neh­mens und der Zen­tra­le der Ar­beit­ge­be­rin gewähr­leis­tet ist. Die Nut­zung des In­ter­net ist nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts im Be­trieb der Ar­beit­ge­be­rin zum Zwe­cke der In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung nicht all­ge­mein üblich. Die bei­den ein­zi-
 


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gen Mit­ar­bei­ter in dem Markt H , die über ei­nen In­ter­net­zu­gang verfügen, sind der Markt­lei­ter und des­sen Stell­ver­tre­ter. Über die vor­ge­hal­te­nen Da­ten­lei­tun­gen wird der Da­ten­trans­fer mit der Zen­tra­le ein­sch­ließlich der Kun­den­kar­ten­trans­ak­tio­nen ab­ge­wi­ckelt. An­de­re im Markt H beschäftig­te Ar­beit­neh­mer ha­ben nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts kei­nen In­ter­net­zu­gang. Der Be­triebs­rat hat nicht vor­ge­tra­gen und folg­lich hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt nicht fest­ge­stellt, dass das In­ter­net von der Ar­beit­ge­be­rin zum Zwe­cke der In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung im Zu­sam­men­hang mit be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Auf­ga­ben­stel­lun­gen ge­nutzt wird. Eben­so we­nig hat der Be­triebs­rat kon­kre­te, sich ihm stel­len­de be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Auf­ga­ben dar­ge­legt, zu de­ren Er­le­di­gung er In­for­ma­tio­nen aus dem In­ter­net benötigt.


Ent­ge­gen der vom Be­triebs­rat ver­tre­te­nen Auf­fas­sung er­gibt sich die Er­for­der­lich­keit ei­nes In­ter­net­zu­gangs nicht aus § 80 Abs. 2 Be­trVG, weil das In­ter­net ta­ges­ak­tu­el­le In­for­ma­tio­nen über Ge­set­zesände­run­gen und neue Vor­schrif­ten ver­mit­telt, de­ren Ein­hal­tung der Be­triebs­rat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG zu über­wa­chen hat. Die all­ge­mei­ne Über­wa­chungs­pflicht er­for­dert kei­nen ta­ges­ak­tu­el­len Zu­griff auf Da­ten­ban­ken, in de­nen zB Vor­schrif­ten des Be­triebs­ver­fas­sungs­rechts, des In­di­vi­dual­ar­beits­rechts und des Ar­beits­schutz­rechts do­ku­men­tiert sind. Re­gelmäßig ist le­dig­lich die Möglich­keit der zeit­na­hen Be­schaf­fung der Tex­te er­for­der­lich. Des­halb kann der Be­triebs­rat ei­nen In­ter­net­zu­gang zum Zwe­cke der In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung im Zu­sam­men­hang mit der Er­le­di­gung der ihm nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG ob­lie­gen­den Über­wa­chungs­auf­ga­ben nur ver­lan­gen, wenn dies auf Grund kon­kre­ter be­trieb­li­cher Ge­ge­ben­hei­ten er­for­der­lich ist, zB weil der Ar­beit­ge­ber re­gelmäßig den Be­trieb be­tref­fen­de Ände­run­gen der Rechts­la­ge miss­ach­tet oder nur zöger­lich be­ach­tet hat. Dies hat der Be­triebs­rat im Streit­fall nicht dar­ge­legt.

Die Er­for­der­lich­keit ei­nes In­ter­net­zu­gangs zur In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung folgt ent­ge­gen der vom Be­triebs­rat in der Rechts­be­schwer­de ver­tre­te­nen Auf­fas­sung nicht aus den ihm nach §§ 96 ff. Be­trVG ob­lie­gen­den Auf­ga­ben im Zu­sam­men­hang mit der Be­rufs­bil­dung. Der Be­triebs­rat kann sich über Be­rufs­bil­dungsmöglich­kei­ten und Be­rufs­bil­dungs­maßnah­men bei der Bun­des­agen­tur für Ar­beit auch außer­halb des von die­ser be­wor­be­nen In­ter­net­por­tals in­for­mie­ren. Er kann sich schrift­lich oder per E-mail an die Bun­des­agen­tur für Ar­beit wen­den und sich auf die­se Wei­se die er­for­der­li­chen In­for­ma­tio­nen be­schaf­fen.



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Der Be­triebs­rat kann die Er­for­der­lich­keit ei­nes In­ter­net­zu­gangs auch nicht mit Er­folg auf die in der Ver­gan­gen­heit zwi­schen ihm und der Ar­beit­ge­be­rin statt­ge­fun­de­nen be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Aus­ein­an­der­set­zun­gen stützen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat zu Recht dar­auf hin­ge­wie­sen, dass der Be­triebs­rat in der­ar­ti­gen Fällen - je­den­falls wenn es sich um ge­richt­li­che Aus­ein­an­der­set­zun­gen han­delt - die Ein­schal­tung ei­nes Rechts­an­walts zur Ver­tre­tung sei­ner In­ter­es­sen nach § 40 Abs. 1 Be­trVG für er­for­der­lich hal­ten darf. So­weit der Be­triebs­rat in die­sem Zu­sam­men­hang dar­auf ver­weist, dass er ge­hal­ten sei, zunächst sämt­li­che Möglich­kei­ten der in­ter­nen In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung zu nut­zen, be­vor er ex­ter­nen, kos­ten­ver­ur­sa­chen­den Sach­ver­stand hin­zu­zie­he (vgl. zur Hin­zu­zie­hung aus Sach­verständi­gen nach § 80 Abs. 3 Be­trVG: BAG 26. Fe­bru­ar 1992 - 7 ABR 51/90 - BA­GE 70, 1 = AP Be­trVG 1972 § 80 Nr. 48 = EzA Be­trVG 1972 § 80 Nr. 40, zu B III 1 b der Gründe), ver­kennt er, dass die Vor­aus­set­zun­gen, un­ter de­nen der Be­triebs­rat die Hin­zu­zie­hung ei­nes Rechts­an­walts zur Ver­tre­tung sei­ner In­ter­es­sen auf Kos­ten des Ar­beit­ge­bers nach § 40 Abs. 1 Be­trVG für er­for­der­lich hal­ten darf, an­de­re sind als für die Hin­zu­zie­hung ei­nes Sach­verständi­gen nach § 80 Abs. 3 Be­trVG. Im Übri­gen hängt die Ver­pflich­tung zur in­ter­nen In­for­ma­ti­ons­be­schaf­fung von den dem Be­triebs­rat hier­zu zur Verfügung ste­hen­den Möglich­kei­ten ab. Die­se sind bei ei­nem Be­triebs­rat, dem kein In­ter­net­zu­gang zur Verfügung steht, be­grenz­ter als bei ei­nem Be­triebs­rat, der über ei­nen In­ter­net­zu­gang verfügt.

Dörner 

Gräfl 

Koch

W. Bea 

Ger­scher­mann

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