HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Düs­sel­dorf, Be­schluss vom 09.03.2010, 8 TaBV 140/09

   
Schlagworte: Betriebsrat, Mitbestimmung, Vergütung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Aktenzeichen: 8 TaBV 140/09
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 09.03.2010
   
Leitsätze: Der weiterhin tarifgebundene Arbeitgeber ist rechtlich nicht gehindert, nach einem Stichtag neu einzustellende Arbeitnehmer, die nicht gewerkschaftlich organisiert sind, nach entweder keinem oder einem einseitig neu festgesetzten Vergütungsschema zu entlohnen, selbst wenn bis zum Stichtag allen neu eingestellten Arbeitnehmern unabhängig von einer Gewerkschaftsmitgliedschaft der Tariflohn gewährt wurde. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates aus § 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG im Hinblick auf die Abänderung einer bestehenden Vergütungsordnung scheidet wegen der Regelungssperre des § 87 Abs 1 Eingangssatz BetrVG aus (im Anschluss an BAG, Beschluss vom 30.01.1990 - 1 ABR 98/88, NZA 1990, 493).
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Duisburg, Beschluss vom 16.09.2009, 5 BV 65/09
Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18.10.2011, 1 ABR 25/10
   

8 TaBV 140/09

5 BV 65/09
Ar­beits­ge­richt Duis­burg  

Verkündet

am 09. März 2010

Fägenstädt,
Ur­kunds­be­am­ter der Geschäfts­stel­le

 

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT DÜSSEL­DORF

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

In dem einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren

un­ter Be­tei­li­gung

1. des Be­triebs­rat der Fir­ma T. E., ver­tre­ten durch die Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de S. M., Am G. 11, E.,

- An­trag­stel­ler und Be­schwer­deführer -

Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­ter: Rechts­an­walt S. P.,
Vom-S.-Str. 10, E.,

2. der Fir­ma B. T., ver­tre­ten durch den In­ha­ber B. T., Ver­triebsbüro E., L. 21, E.,

- An­trags­geg­ne­rin und Be­schwer­de­geg­ne­rin -

Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­te: Rechts­anwälte L. L. u.a.,
X. 22, T.,

hat die 8. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 09.03.2010
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Schnei­der als Vor­sit­zen­den so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Bau­er und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Bal­nis

für R e c h t er­kannt:

1. Die Be­schwer­de des Be­triebs­rats (An­trag­stel­lers) ge­gen den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Duis­burg vom 16.09.2009 – 5 BV 65/09 – wird zurück­ge­wie­sen.

2. Die Rechts­be­schwer­de wird zu­ge­las­sen.

 

- 2 -

G r ü n d e :

I.

Die Be­tei­lig­ten strei­ten darüber, ob der Ar­beit­ge­ber ver­pflich­tet ist, auch bei Neu­ein­stel­lun­gen von nicht ge­werk­schaft­lich or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mern die­se nach dem Lohn- bzw. Ge­halts­ta­rif­ver­trag für den Ein­zel­han­del ein­zu­grup­pie­ren.

Der Ar­beit­ge­ber (Be­tei­lig­ter zu 2.) be­treibt ein Un­ter­neh­men des Ein­zel­han­dels mit Fi­lia­len im ge­sam­ten Bun­des­ge­biet. Der An­trag stel­len­de Be­tei­lig­te zu 1) ist der für den Be­zirk E. I ge­bil­de­te Be­triebs­rat.

Der Ar­beit­ge­ber ist über ei­nen mit der Ge­werk­schaft ver.di bzw. de­ren Rechts­vorgänge­rin­nen (Ge­werk­schaf­ten DAG und hbv) ab­ge­schlos­se­nen An­er­ken­nungs­ta­rif­ver­trag aus dem Jahr 2000 an die je­weils gülti­gen Ta­rif­verträge für den Ein­zel­han­del in NRW ge­bun­den. Es exis­tiert ei­ne un­gekündig­te „Be­triebs­ver­ein­ba­rung Stel­len­aus­schrei­bun­gen gemäß § 93 Be­trVG“, in der un­ter an­de­rem wie folgt be­stimmt ist:

„Die Aus­schrei­bung be­inhal­tet fol­gen­de An­for­de­run­gen und Grundsätze:

a) Be­zeich­nung und Be­schrei­bung der zu be­set­zen­den Po­si­ti­on  

...

e) Hin­weis Vergütung gemäß Ta­rif­ansprüche“

Ab dem 01.01.2009 lehnt es der Ar­beit­ge­ber im Ge­gen­satz zur zu­vor geübten Be­triebs­pra­xis ab, neu ein­zu­stel­len­de Ar­beit­neh­mer – egal wel­cher Funk­ti­on – nach Maßga­be des ein­schlägi­gen Lohn- und Ge­halts­ta­rif­ver­trags ein­zu­grup­pie­ren, so­weit die­se nicht persönlich ta­rif­ge­bun­den sind. Statt­des­sen wer­den der Lohn­fin­dung in­di­vi­du­el­le Kri­te­ri­en wie et­wa die zu­vor er­wor­be­ne Be­rufs­er­fah­rung zu­grun­de ge­legt. Der Ar­beit­ge­ber hört den Be­triebs­rat in die­sen Fällen nicht mehr zur Ein­grup­pie­rung an, son­dern teilt ihm le­dig­lich die ab­so­lu­te Höhe des (un­ter­ta­rif­li­chen) Ent­gelts des ein­zu­stel­len­den Mit­ar­bei­ters mit.

Der Be­triebs­rat hat ge­meint, der Ar­beit­ge­ber sei an die durch die Ent­gelt­ta­rif­verträge des Ein­zel­han­dels NRW ge­prägte Vergütungs­ord­nung ge­bun­den. Je­de Ab­wei­chung

 

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hier­von be­inhal­te ei­nen Ver­s­toß ge­gen das Mit­be­stim­mungs­recht des § 87 Abs. 1 Nr.10 Be­trVG.

Der Be­triebs­rat be­an­tragt,

1. der Ar­beit­ge­be­rin auf­zu­ge­ben, es zu un­ter­las­sen, bei Neu­ein­stel­lun­gen von Ar­beit­neh­mern kei­ne Ein­grup­pie­rung nach dem Ge­halts­ta­rif­ver­trag Ein­zel­han­del NRW vor­zu­neh­men,

2. für je­den Fall der Zu­wi­der­hand­lung ge­gen die Ver­pflich­tung aus Zif­fer 1 ein Ord­nungs­geld an­zu­dro­hen, des­sen Höhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird.

Die Ar­beit­ge­be­rin be­an­tragt,

die Anträge zurück­zu­wei­sen.

Der Ar­beit­ge­ber hat das Be­ste­hen ei­nes Un­ter­las­sungs­an­spruchs be­strit­ten, weil es kei­ne ge­ne­rel­le Vergütungs­ord­nung im Be­trieb ge­be. Das Be­geh­ren des Be­triebs­rats be­tref­fe im Übri­gen die Mit­be­stim­mung in per­so­nel­len An­ge­le­gen­hei­ten.

Mit Be­schluss vom 16.09.2009 hat das Ar­beits­ge­richt die Anträge des Be­triebs­rats zurück­ge­wie­sen. Der An­trag zu 1) sei be­reits un­zulässig, da der Be­triebs­rat das Un­ter­las­sen ei­nes Un­ter­las­sens gel­tend ma­che. Als Leis­tungs­an­trag aus­ge­legt sei die­ser un­be­gründet. Ein Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­rats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 Be­trVG be­ste­he im vor­lie­gen­den Fall we­gen der Re­ge­lungs­sper­re des Ein­gangs­sat­zes des § 87 Abs. 1 Be­trVG nicht, denn der Ar­beit­ge­ber sei über den An­er­ken­nungs­ta­rif­ver­trag wei­ter­hin ta­rif­ge­bun­den. Auch auf § 23 Abs. 3 Be­trVG könne sich der Be­triebs­rat nicht stützen. Zum ei­nen er­fas­se der Glo­balan­trag des Be­triebs­rats Fall­kon­stel­la­tio­nen, in de­nen – wie et­wa bei der Neu­ein­stel­lung von AT-Mit­ar­bei­tern – der An­spruch des Be­triebs­rats von vorn­her­ein ins Lee­re gin­ge. Zum zwei­ten be­ste­he ge­ne­rell kei­ne Ver­pflich­tung ei­nes Ar­beit­ge­bers, auch al­le künf­tig ein­tre­ten­den Ar­beit­neh­mer ta­rif­lich ein­zu­grup­pie­ren, nur weil dies in der Ver­gan­gen­heit bei al­len Mit­ar­bei­tern, or­ga­ni­sier­ten wie nicht or­ga­ni­sier­ten, ge­ne­rell so prak­ti­ziert wor­den sei.

 

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We­der der Grund­satz der Gleich­be­hand­lung der Mit­ar­bei­ter noch ei­ne be­ste­hen­de be­trieb­li­che Übung noch die Be­triebs­ver­ein­ba­rung aus dem Jah­re 2001 hin­de­re den Ar­beit­ge­ber dar­an, über ei­ne Stich­tags­re­ge­lung sei­ne bis­he­ri­ge Hand­ha­bung zu
ändern. Ta­rif­li­che Rech­te sei­en im Er­geb­nis nur dem­je­ni­gen ga­ran­tiert, der
Ge­werk­schafts­mit­glied sei. Über ei­nen Bei­tritt zur Ge­werk­schaft könne ein je­der neu ein­ge­stell­ter Mit­ar­bei­ter am ta­rif­li­chen Schutz teil­ha­ben.

Ge­gen den ihm am 07.10.2009 zu­ge­stell­ten Be­schluss des Ar­beits­ge­richts hat der Be­triebs­rat mit am 20.10.2009 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen An­walts­schrift­satz Be­schwer­de ein­ge­legt und die­se mit ei­nem wei­te­ren, am 04.12.2009 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz auch be­gründet.

Der Be­triebs­rat meint, der Ar­beit­ge­ber müsse die bei ihm herr­schen­de Vergütungs­ord­nung be­ach­ten. Wo­her die­se rühre, ob sie auf Ta­rif­verträgen, ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung oder ein­zel­ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen be­ru­he, spie­le kei­ne Rol­le. Es sei an­er­kannt, dass ei­ne durch Ta­rif­bin­dung ge­schaf­fe­ne Vergütungs­ord­nung den Aus­tritt des Ar­beit­ge­bers aus dem ta­rif­sch­ließen­den Ver­band über­daue­re und nur ge­mein­sam mit dem Be­triebs­rat mo­di­fi­ziert wer­den könne. Dann aber könne der wei­ter­hin ta­rif­ge­bun­de­ne Ar­beit­ge­ber nicht frei­er in der An­wen­dung ei­ner be­ste­hen­den Vergütungs­ord­nung sein. Weil vor­lie­gend der Ar­beit­ge­ber sei­ne Ver­pflich­tung zur Ein­grup­pie­rung – wo­mit kei­ne Ver­pflich­tung zur Zah­lung des Ta­rif­ge­hal­tes ge­meint sei – be­harr­lich ne­gie­re, sei ein Fall des § 23 Abs. 3 Be­trVG ge­ge­ben. Die Ausführun­gen des Ar­beits­ge­richts zur Fra­ge der Zulässig­keit ei­ner Stich­tags­re­ge­lung hülfen nicht, weil es nicht um In­di­vi­dual­ansprüche auf Ba­sis des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes oder ei­ner be­trieb­li­chen Übung ge­he.

Der Be­triebs­rat be­an­tragt,

1. den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Duis­burg vom 16.09.2009 – 5 BV 65/09 – ab­zuändern und der Ar­beit­ge­be­rin auf­zu­ge­ben, es zu un­ter­las­sen, bei Neu­ein­stel­lun­gen von Ar­beit­neh­mern (Ver­kaufs­per­so­nal) die im Be­trieb gülti­ge Vergütungs­ord­nung nach dem Ge­halts­ta­rif­ver­trag für den Ein­zel­han­del in NRW nicht an­zu­wen­den, aus­ge­nom­men sind AT-An­ge­stell­te so­wie Leih­ar­beit­neh­mer;

2. für je­den Fall der Zu­wi­der­hand­lung ge­gen die Ver­pflich­tung
zur Ein­grup­pie­rung ein Ord­nungs­geld an­zu­dro­hen, des­sen Höhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird;

 

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3. hilfs­wei­se, dem Ar­beit­ge­ber auf­zu­ge­ben, bei Ein­stel­lun­gen von Mit­ar­bei­tern (Ver­kaufs­per­so­nal) die­se nach dem Ge­halts­ta­rif­ver­trag für den Ein­zel­han­del NRW ein­zu­grup­pie­ren, aus­ge­nom­men sind AT-An­ge­stell­te so­wie Leih­ar­beit­neh­mer;

4. äußerst hilfs­wei­se fest­zu­stel­len, dass der Ar­beit­ge­ber ver­pflich­tet ist, bei Ein­stel­lun­gen von Mit­ar­bei­tern (Ver­kaufs­per­so­nal) die­se nach dem Ge­halts­ta­rif­ver­trag für den Ein­zel­han­del NRW ein­zu­grup­pie­ren, aus­ge­nom­men sind AT-An­ge­stell­te so­wie Leih­ar­beit­neh­mer.

Die Ar­beit­ge­be­rin be­an­tragt,

die Be­schwer­de, auch in Form der zu­letzt ge­stell­ten Anträge zurück­zu­wei­sen.

Der Ar­beit­ge­ber hält die Anträge des Be­triebs­rats nach wie vor für un­zulässig. Ab­ge­se­hen da­von feh­le es an ei­ner An­spruchs­grund­la­ge für des­sen Be­geh­ren. § 23 Abs. 3 Be­trVG schei­de aus, weil der Ar­beit­ge­ber kei­ne Pflich­ten aus dem Be­trVG ver­let­ze, schon gar nicht grob. Dass § 87 Abs.1 Nr. 10 Be­trVG ein­schlägig sei, ver­tre­te nicht ein­mal der Be­triebs­rat selbst mit sei­ner Be­schwer­de. An­sons­ten be­ste­he kei­ner­lei Ver­pflich­tung für den Ar­beit­ge­ber, nicht ta­rif­ge­bun­de­ne Mit­ar­bei­ter in die ta­rif­li­che Vergütungs­struk­tur ein­zu­glie­dern und die­sen Ta­rif­lohn zu zah­len. Im Hin­blick auf die Aus­hil­fen sei im Übri­gen zu be­strei­ten, dass die­se bis zum Jah­re 2008 ge­ne­rell nach den Ent­gelt­ta­rif­verträgen für den Ein­zel­han­del NRW ein­grup­piert wur­den.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf die zwi­schen den Be­tei­lig­ten ge­wech­sel­ten Schriftsätze, die zu den Ak­ten ge­reich­ten Un­ter­la­gen so­wie die Pro­to­kol­le der Anhörungs­ter­mi­ne bei­der Rechtszüge ver­wie­sen.

 

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II.

1

Die Be­schwer­de des Be­triebs­rats ist zulässig. Sie ist gemäß §§ 87 Abs. 1 ArbGG statt­haft und im Übri­gen form- und frist­gemäß ein­ge­legt und be­gründet wor­den, §§ 87 Abs. 2, 64 Abs. 6, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO).

2.

Die Be­schwer­de ist je­doch un­be­gründet.

a.

Ge­gen­stand der Be­schwer­de sind die Anträge, die der Be­triebs­rat im Anhörungs­ter­min vom 09.03.2010 ge­stellt hat. So­weit der Be­triebs­rat die Anträge mit Be­gründung sei­ner Be­schwer­de um Hilfs­anträge auf Leis­tung bzw. im Anhörungs­ter­min auf Fest­stel­lung ergänzt hat, liegt hier­in kei­ne un­zulässi­ge An­trags­er­wei­te­rung. Der Hilfs­an­trag zu 3) trägt al­lein den Be­den­ken des Ar­beits­ge­richts Rech­nung, wel­ches den Haupt­an­trag des Be­triebs­rats auf „Un­ter­las­sen ei­ner Nicht­ein­grup­pie­rung“ für un­zulässig ge­hal­ten hat, und the­ma­ti­siert oh­ne Mo­di­fi­zie­rung des An­trags­ge­gen­stan­des die spie­gel­bild­li­che po­si­ti­ve Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers zur Vor­nah­me ei­ner Ein­grup­pie­rung bei Neu­ein­stel­lun­gen. Glei­ches gilt für den sub­si­diären Hilfs­an­trag zu 4), mit dem der Be­triebs­rat die Fest­stel­lung der ent­spre­chen­den Ein­grup­pie­rungs­ver­pflich­tung be­gehrt. Ab­ge­se­hen da­von hat sich der Ar­beit­ge­ber im Anhörungs­ter­min vom 09.03.2010 vor­be­halt­los auf die ergänz­ten Anträge ein­ge­las­sen, so dass er nach §§ 87 Abs. 2 Satz 3, 81 Abs. 3 Satz 1, 2 ArbGG ei­ner et­wai­gen An­tragsände­rung zu­ge­stimmt hätte.

Das glei­che gölte im Übri­gen, woll­te man in der Be­schränkung der Anträge durch Her­aus­nah­me der AT-An­ge­stell­ten und der Leih­ar­beit­neh­mer ei­ne An­tragsände­rung er­ken­nen.

b.

Die Anträge sind nur teil­wei­se zulässig.

 

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aa) Das Ar­beits­ge­richt hat den Haupt­an­trag des Be­triebs­rats zu Recht für un­zulässig ge­hal­ten. Über §§ 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, 890 ZPO kann schon dem Norm­wort­laut nach aus­sch­ließlich das Un­ter­las­sen ei­ner Hand­lung, nicht aber das Un­ter­las­sen ei­nes Un­ter­las­sens ver­langt wer­den. An­dern­falls würden die durch das 8. Buch der ZPO ge­zo­ge­nen Gren­zen zwi­schen der Zwangs­voll­stre­ckung zur Er­zwin­gung ei­ner (un­ver­tret­ba­ren) Hand­lung gemäß § 888 ZPO und ei­ner Un­ter­las­sung, § 890 ZPO, ver­wischt wer­den. Dass die­se Zwei­tei­lung ins­be­son­de­re auch für die Ver­pflich­tun­gen des Ar­beit­ge­bers aus dem Be­trVG gel­ten muss, er­gibt sich un­zwei­fel­haft aus § 23 Abs. 3 Be­trVG, der in Satz 2 und 3 aus­drück­lich zwi­schen der Zwangs­voll­stre­ckung zur Er­zwin­gung des Un­ter­las­sens ei­ner Hand­lung (dann Ord­nungs­geld) bzw. der Vor­nah­me ei­ner Hand­lung (dann Zwangs­geld) un­ter­schei­det. Es be­steht mit Blick auf die iden­ti­sche Höchst­gren­ze von 10.000,00 € für Ord­nungs- und Zwangs­geld (§ 23 Abs. 3 Satz 5 Be­trVG) auch gar kein Be­darf für ei­ne Zu­las­sung des vom Be­triebs­rat ge­stell­ten Haupt­an­trags.

Nicht zur Ent­schei­dung an fällt da­mit auch der Ord­nungs­geld­an­trag zu 2).

bb) Zulässig sind hin­ge­gen die Hilfs­anträge zu 3) und 4). Sie sind ins­be­son­de­re hin­rei­chend be­stimmt im Sin­ne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

(1) Ein An­trag im Be­schluss­ver­fah­ren muss eben­so be­stimmt sein wie ein sol­cher im Ur­teils­ver­fah­ren. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist auf das Be­schluss­ver­fah­ren ent­spre­chend an­zu­wen­den. Der Streit­ge­gen­stand muss so ge­nau be­zeich­net wer­den, dass die ei­gent­li­che Streit­fra­ge mit Rechts­kraft­wir­kung zwi­schen den Be­tei­lig­ten ent­schie­den wer­den kann (BAG, Be­schluss vom 29.09.2004, AP Nr. 112 zu § 87 Be­trVG 1972 Ar­beits­zeit, un­ter B I 1 der Gründe). Bei ei­nem Ver­pflich­tungs­an­trag muss zu­verlässig er­kenn­bar sein, wel­che Hand­lun­gen der An­trags­geg­ner zu er­brin­gen hat. Un­klar­hei­ten über den In­halt der Ver­pflich­tung dürfen nicht aus dem Er­kennt­nis- in das Voll­stre­ckungs­ver­fah­ren ver­la­gert wer­den (BAG, Be­schluss vom 28.02.2006, AP Nr. 127 zu § 87 Be­trVG 1972 Lohn­ge­stal­tung).

 

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(2) Die­sen Vor­aus­set­zun­gen tra­gen die Anträge hin­rei­chend Rech­nung. Es geht dem Be­triebs­rat um die Klärung der Fra­ge, ob der Ar­beit­ge­ber ihm ge­genüber be­triebs­ver­fas­sungs­recht­lich ver­pflich­tet ist, wei­ter­hin al­le neu ein­zu­stel­len­den Ar­beit­neh­mer, auf die sich in­so­weit die Mit­be­stim­mungs­rech­te des Be­triebs­rats be­zie­hen, nach Maßga­be ei­ner bis En­de 2008 be­ach­te­ten Vergütungs­ord­nung – nämlich der durch die Vergütungs­ta­rif­verträge des Ein­zel­han­dels NRW ge­schaf­fe­nen – ein­zu­grup­pie­ren oder nicht. Mit Ein­grup­pie­rung ist da­bei nicht die Fest­set­zung der ab­so­lu­ten Höhe des Ent­gelts auf Ta­rif­ni­veau ge­meint (ei­ne der­ar­ti­ge Ab­si­che­rung könn­te der Be­triebs­rat aus ei­ge­nem Recht un­zwei­fel­haft nicht er­rei­chen, vgl. zu­letzt et­wa BAG, Be­schluss vom 28.04.2009 – 1 ABR 97/07, NZA 2009, 1102), son­dern die erst­ma­li­ge Ein­rei­hung ei­nes Ar­beit­neh­mers in das Ent­gelt­sche­ma, wie es durch die Vergütungs­grup­pen des Ta­rif­ver­tra­ges und de­ren abs­trak­tes Verhält­nis zu­ein­an­der ge­prägt wird. Für ei­ne sol­che Aus­le­gung des An­trags spre­chen nicht nur die Ausführun­gen auf Blatt 5 der Be­schwer­de­schrift (dort 2. Ab­satz); der Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­te des Be­triebs­rats auch auf Nach­fra­ge des Ge­richts anläss­lich des Anhörungs­ter­mins vom 09.03.2010 bestätigt.

(3) Ob die Anträge zu 3) und 4) als sog. Glo­balanträge an­sons­ten al­le ma­te­ri­ell-recht­li­chen Vor­ga­ben an ei­ne et­wai­ge Ein­grup­pie­rungs­ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers berück­sich­ti­gen, ist kei­ne Fra­ge der Zulässig­keit der Anträge, son­dern ih­rer Be­gründet­heit. Es ist da­her an die­ser Stel­le nicht zu prüfen, ob die Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers et­wa bei er­teil­ter, als er­teilt gel­ten­der oder ge­richt­lich er­setz­ter Zu­stim­mung des Be­triebs­rats ent­fal­len könn­te.

c.

Die Anträge des Be­triebs­rats sind un­be­gründet. Der Ar­beit­ge­ber ist be­triebs­ver­fas­sungs­recht­lich nicht ver­pflich­tet, ta­rif­lich nicht ge­bun­de­ne Ar­beit­neh­mer nach Maßga­be ei­ner im Be­trieb be­ste­hen­den Vergütungs­ord­nung auf Ba­sis der Vergütungs­ta­rif­verträge für den Ein­zel­han­del NRW ein­zu­grup­pie­ren. Der Be­triebs­rat kann sein Be­geh­ren nicht auf § 23 Abs. 3 Be­trVG (oder an­der­wei­ti­ge An­spruchs­grund­la­gen) stützen, weil das Ver­hal­ten des Ar­beit­ge­bers ab Be­ginn des

 

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Jah­res 2009 nicht nur kei­nen gro­ben, son­dern gar kei­nen Ver­s­toß ge­gen des­sen Pflich­ten aus dem Be­trVG dar­stellt. Es kommt auch nicht auf ei­ne Zu­stim­mung des Be­triebs­rats an. Im Ein­zel­nen gilt fol­gen­des:

aa.

Wie das Ar­beits­ge­richt zu Recht und mit zu­tref­fen­der Be­gründung an­ge­nom­men hat, liegt kei­ne Ver­let­zung des Mit­be­stim­mungs­rechts des Be­triebs­rats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 Be­trVG vor. Zwar weist der Be­triebs­rat zu Recht dar­auf hin, dass über die ge­ne­rel­le An­wen­dung ei­ner ta­rif­li­chen Vergütungs­ord­nung auf al­le Mit­ar­bei­ter be­trieb­li­che Ent­loh­nungs­grundsätze ge­schaf­fen wer­den können, de­ren Ände­rung und Ab­schaf­fung nach Maßga­be der vor­be­zeich­ne­ten Norm der Mit­be­stim­mung des Be­triebs­rats un­ter­liegt. Es kommt für das Be­tei­li­gungs­recht des Be­triebs­rats nämlich in der Tat nicht dar­auf an, auf wel­cher recht­li­chen Grund­la­ge die An­wen­dung der bis­he­ri­gen Ent­loh­nungs­grundätze er­folg­te, ob et­wa auf Ba­sis bin­den­der Ta­rif­verträge, ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung, ein­zel­ver­trag­li­cher Ab­spra­chen oder ei­ner vom Ar­beit­ge­ber ein­sei­tig prak­ti­zier­ten Vergütungs­ord­nung (BAG, Be­schluss vom 28.02.2006 – 1 ABR 4/05, NZA 2006, 1426; Ur­teil vom 02.03.2004 – 1 AZR 271/03, NZA 2004, 852; LAG Düssel­dorf, Be­schluss vom 03.11.2008 – 14 TaBV 151/08, LA­GE § 87 Be­trVG 2001 Be­trieb­li­che Lohn­ge­stal­tung Nr. 3). Wei­ter­hin ist fest­zu­stel­len, dass der Ar­beit­ge­ber bis En­de 2008 be­ste­hen­de Ent­loh­nungs­grundsätze abänder­te, wenn er ei­ne be­stimm­te Grup­pe neu ein­zu­stel­len­der Ar­beit­neh­mer (nämlich al­le nicht ta­rif­ge­bun­de­nen) künf­tig an­ders oder gar nicht mehr ein­grup­pier­te. Den­noch fehlt es vor­lie­gend gemäß § 87 Abs. 1 Ein­gangs­satz Be­trVG an ei­nem Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­rats, weil die über den An­er­ken­nungs­ta­rif­ver­trag ver­mit­tel­te nor­ma­ti­ve Bin­dung des Ar­beit­ge­bers an die Ta­rif­verträge des Ein­zel­han­dels NRW nach wie vor be­steht. Für die Sperr­wir­kung des § 87 Abs. 1 Ein­gangs­satz Be­trVG reicht nämlich die ein­sei­ti­ge Ta­rif­bin­dung des Ar­beit­ge­bers aus, auf ei­ne Ta­rif­bin­dung al­ler Ar­beit­neh­mer kommt es nicht an (BAG, et­wa Be­schluss vom 24.02.1987 – 1 ABR 18/85, AP Nr. 21 zu § 77 Be­trVG 1972, Fit­ting u.a., Be­trVG, 25. Auf­la­ge, § 87 Rdz. 42). Ließe man in der vor­lie­gen­den Kon­stel­la­ti­on ein Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­rats gleich­wohl zu, bestünde die Ge­fahr, dass in ei­nem Be­trieb un­ter­schied­li­che Vergütungs­ord­nun­gen herrsch­ten, nämlich die durch Ta­rif­ver­trag ge­schaf­fe­ne für die Ge­werk­schafts­mit­glie­der, während die von Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat ge­trof­fe­nen Re­ge­lun­gen für al­le nicht or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mer gölten. Ge­nau das woll­te der Ge­setz­ge­ber durch § 87 Abs. 1 Ein­gangs­satz Be­trVG ver­mei­den (BAG, Be­schluss vom 30.01.1990 – 1 ABR 98/88,

 

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NZA 1990, 493). Ein Schutz­de­fi­zit – so das BAG im vor­be­zeich­ne­ten Be­schluss – be­ste­he nicht, weil der nicht ta­rif­ge­bun­de­ne Ar­beit­neh­mer den un­ab­ding­ba­ren Schutz der ta­rif­li­chen Re­ge­lung je­der­zeit durch Bei­tritt zur ta­rif­ver­trag­schließen­den Ge­werk­schaft er­lan­gen könn­te. Die Kam­mer schließt sich die­ser dog­ma­tisch rich­ti­gen Ar­gu­men­ta­ti­on an, oh­ne aber zu ver­ken­nen, dass in der Le­bens­wirk­lich­keit der durch Bei­tritt zur Ge­werk­schaft und der not­wen­di­gen Mit­tei­lung die­ser Tat­sa­che ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber ge­schaf­fe­ne Ent­gelt­schutz durch Schutz­de­fi­zi­te an an­de­rer Stel­le re­la­ti­viert wird. Ließe man je­doch un­ter fall­abhängi­gen Wer­tungs­ge­sichts­punk­ten Aus­nah­men im Be­reich von § 87 Abs. 1 Ein­gangs­satz Be­trVG zu, würde jeg­li­che Rechts­si­cher­heit im Hin­blick auf die vom Ge­setz­ge­ber ge­woll­te Rang­fol­ge und Gel­tung der mögli­chen Rechts­quel­len in Fra­ge ge­stellt.

bb.

Die Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers zu ei­ner Ein­grup­pie­rung neu ein­zu­stel­len­der, ta­ri­fun­ge­bun­de­ner Ar­beit­neh­mer folgt auch nicht aus § 99 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG. Zwar ver­pflich­tet die­se Norm den Ar­beit­ge­ber in Be­trie­ben mit mehr als wahl­be­rech­tig­ten Ar­beit­neh­mern ge­genüber dem Be­triebs­rat be­triebs­ver­fas­sungs­recht­lich zur Vor­nah­me ei­nes auf erst­ma­li­ge Ein­rei­hung des Mit­ar­bei­ters ge­rich­te­ten Rechts­an­wen­dungs­ak­tes. § 99 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG be­inhal­tet als Ver­fah­rens­norm aber nicht selbst ma­te­ri­ell-recht­li­che Vor­ga­ben im Hin­blick auf die Schaf­fung oder Per­pe­tu­ie­rung von Ent­gelt­grup­pen, son­dern setzt sei­ner­seits vor­aus, dass der Ar­beit­ge­ber zu ei­ner Ein­grup­pie­rung we­gen ei­ner be­ste­hen­den Vergütungs­ord­nung über­haupt ver­pflich­tet ist (BAG, Be­schluss vom 11.11.2008 – 1 ABR 68/07, NZA 2009, 450). Vor­lie­gend war der Ar­beit­ge­ber ma­te­ri­ell-recht­lich ge­ra­de nicht dar­an ge­hin­dert, für al­le nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer ab dem Jah­re 2009 von ei­ner Ein­grup­pie­rung nach Maßga­be der Vergütungs­ta­rif­verträge für den Ein­zel­han­del NRW ab­zu­se­hen. Das Ar­beits­ge­richt Duis­burg hat im an­ge­foch­te­nen Be­schluss vom 16.09.2009 hier­zu wie folgt aus­geführt:

„Ein ge­ne­rel­ler An­spruch auf Ein­grup­pie­rung nach dem Ge­halts­ta­rif­ver­trag Ein­zel­han­del NRW schei­det ins­be­son­de­re aber auch des­halb aus, weil kei­ne Ver­pflich­tung der Ar­beit­ge­be­rin zur ta­rif­li­chen Ein­grup­pie­rung ta­ri­fun­ge­bun­de­ner Mit­ar­bei­ter be­steht. Ta­rif­li­che Re­ge­lun­gen bie­ten nur dem­je­ni­gen un­ab­ding­ba­ren Schutz, der sich mit sei­nem Bei­tritt die­ses Schut­zes be­die­nen will (BAG, Be­schluss vom 30.01.1990 – 1 ABR 98/88 – NZA 1990, S. 493). Dies be­deu­tet, dass der ta­rif­ge­bun­de­ne Ar­beit­ge­ber grundsätz­lich in sei­ner Ent­schei­dung frei ist, ob er mit ta­ri­fun­ge­bun­de­nen Mit­ar­bei­tern – et­wa durch Auf­nah­me ei­ner Be­zug­nah­me­klau­sel im

 

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Ar­beits­ver­trag – die Gel­tung des Ta­rif­ver­tra­ges ver­ein­ba­ren oder ob er ei­ne hier­von ab­wei­chen­de Re­ge­lung tref­fen will.

Ei­ne Aus­nah­me von die­sem Grund­satz ord­net § 3 Abs. 2 TVG an, der vor­lie­gend al­ler­dings nicht ein­schlägig ist. Denn die in ei­ner ta­rif­li­chen Vergütungs­ord­nung zum Aus­druck kom­men­den Ent­loh­nungs­grundsätze sind kei­ne Nor­men über be­trieb­li­che Fra­gen im Sin­ne die­ser Vor­schrift (BAG, Be­schluss vom 11.11.2008 - 1 ABR 68/07 - NZA 2009, S. 450).

Ein ge­ne­rel­ler An­spruch auf Ein­grup­pie­rung nach dem Ta­rif­ver­trag könn­te sich al­len­falls aus dem all­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz er­ge­ben. Mit die­ser Be­gründung hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt zu­letzt die Pflicht zur ta­rif­li­chen Vergütung von Stu­den­ten an­er­kannt (BAG, Be­schluss vom 11.11.2008 - 1 ABR 68/07 - NZA 2009, S. 450). Die der Ent­schei­dung zu­grun­de­lie­gen­den Erwägun­gen las­sen sich je­doch nicht auf den vor­lie­gen­den Fall über­tra­gen. Denn an­ders als in dem ent­schie­de­nen Fall will die Ar­beit­ge­be­rin vor­lie­gend ge­ra­de nicht ei­ne be­stimm­te Grup­pe un­ter den ta­ri­fun­ge­bun­de­nen Mit­ar­bei­tern von der An­wen­dung des Ta­rif­ver­trags aus­neh­men. Viel­mehr hat die Ar­beit­ge­be­rin, so be­haup­tet der Be­triebs­rat, ab dem Stich­tag 01.01.2009 ge­ne­rell die ta­rif­li­che Be­zah­lung von (ge­werk­schaft­lich nicht or­ga­ni­sier­ten) neu­ein­ge­stell­ten Ar­beit­neh­mern ab­ge­lehnt.

Ei­ne der­ar­ti­ge Dif­fe­ren­zie­rung ist nach Über­zeu­gung der Kam­mer auch zulässig. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat in an­de­ren Zu­sam­menhängen be­reits mehr­fach ent­schie­den, dass die Be­stim­mung ei­nes Stich­ta­ges für die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung von Ar­beit­neh­mern grundsätz­lich un­be­denk­lich ist (vgl. nur BAG, Ur­teil vom 15.04.2008 - 9 AZR 111/07 - NZA-RR 2008, S. 547; BAG, Ur­teil vom 19.02.2008 - 1 AZR 1004/06 - ZIP 2008, S. 1087; BAG, Ur­teil vom 28.07.2004 - 10 AZR 19/04 - NZA 2004, S. 1152). Es hält Stich­tags­re­ge­lun­gen als "Ty­pi­sie­rung in der Zeit" un­ge­ach­tet der da­mit ver­bun­de­nen Härten zur Ab­gren­zung des begüns­tig­ten Per­so­nen­krei­ses für zulässig, so­fern sich die Wahl des Zeit­punk­tes am zu re­geln­den Sach­ver­halt ori­en­tiert und die In­ter­es­sen­la­ge der Be­trof­fe­nen an­ge­mes­sen er­fasst (BAG, Ur­teil vom 28.07.2004 - 10 AZR 19/04 - NZA 2004, S. 1152). Ei­nem Ar­beit­ge­ber steht es da­nach grundsätz­lich frei, bis­her gewähr­te Leis­tun­gen, zu de­ren Er­brin­gung er kol­lek­tiv­recht­lich nicht ver­pflich­tet ist, für neu ein­ge­stell­te Beschäftig­te aus­zu­sch­ließen, wo­bei die Wahl ei­nes in der Zu­kunft lie­gen­den Stich­ta­ges grundsätz­lich kei­ner Be­gründung be­darf (BAG, Ur­teil vom 25.10.2001 - 6 AZR 560/00 – Fund­stel­le: Ju­ris-On­line). Die­ser Ar­gu­men­ta­ti­on fol­gend hält die Kam­mer es für zulässig, wenn die Ar­beit­ge­be­rin sich be­gin­nend mit ei­nem be­stimm­ten Stich­tag ge­gen ei­ne glei­che Ent­loh­nung von ta­rif­ge­bun­de­nen und ta­ri­fun­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mern ent­schei­det.

Auf die Grundsätze der be­trieb­li­chen Übung kann sich der Be­triebs­rat eben­falls nicht stützen. Nach der vom Bun­des­ar­beits­ge­richt ent­wi­ckel­ten Ver­trags­theo­rie wird ein An­spruch aus be­trieb­li­cher Übung be­gründet, wenn das wie­der­hol­te Ver­hal­ten des Ar­beit­ge­bers als kon­klu­den­te Wil­lens­erklärung an­zu­se­hen ist, ei­ne be­stimm­te Leis­tung auch zukünf­tig zu gewähren, und wenn der Ar­beit­neh­mer die­se Wil­lens­erklärung durch eben­falls schlüssi­ges Ver­hal­ten an­nimmt (BAG, Ur­teil vom 18.03.2003 – 3 AZR 101/02 – NZA 2004, S. 1099; BAG, Ur­teil vom 04.05.1999 – 10 AZR 290/98 – NZA 99, S. 1162; BAG, Ur­teil vom 14.08.1996 - 10 AZR 69/96 - NZA 1996, S. 1323). Ei­ne der­ar­ti­ge kon­klu­den­te Ver­ein­ba­rung schei­det bei neu ein­tre­ten­den Ar­beit­neh­mern je­doch

 

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aus, wenn das bis­he­ri­ge Ver­hal­ten des Ar­beit­ge­bers ih­nen ge­genüber noch gar kei­ne Wir­kung ent­fal­ten und auch kein ent­spre­chen­des Ver­trau­en be­gründen konn­te. Je­den­falls kann ei­ne be­trieb­li­che Übung durch ein­deu­ti­ge ein­sei­ti­ge Erklärung des Ar­beit­ge­bers be­sei­tigt wer­den (BAG, Ur­teil vom 14.11.2001 – 10 AZR 152/01 – AiB 2003, S. 46; ErfKomm/Preis, 9. Auf­la­ge, 2009, § 611 BGB Rd­nr. 226; an­ders of­fen­bar BAG, Be­schluss vom 23.11.1993 - 1 ABR 34/93 - AP Nr. 111 zu § 99 Be­trVG 1972).

Woll­te man dem­ge­genüber dem Be­triebs­rat in sei­ner Ar­gu­men­ta­ti­on fol­gen, so hieße dies, dass der­je­ni­ge Ar­beit­ge­ber, der ta­rif­ver­trags­ge­bun­den ist oder war und in der Ver­gan­gen­heit (auch) ta­ri­fun­ge­bun­de­nen Mit­ar­bei­tern den Ta­rif­lohn ge­zahlt hat, für al­le Zei­ten zu ei­ner ent­spre­chen­den Ein­grup­pie­rung ver­pflich­tet wäre. Ei­ne der­art weit­ge­hen­de Ver­pflich­tung würde je­doch die grundsätz­li­che Wer­tent­schei­dung der §§ 3 Abs. 1,4 Abs. 1 TVG un­ter­lau­fen (Wie­de­mann/Oet­ker/Wank, TVG, 7. Auf­la­ge, 2007, § 4 Rd­nr. 420).“

Die­ser zu­tref­fen­den und um­fas­sen­den Dar­stel­lung ver­mag die Kam­mer nichts hin­zu­zufügen.

cc.

Kei­ne taug­li­che An­spruchs­grund­la­ge stellt schließlich Zif­fer 2.e) der „Be­triebs­ver­ein­ba­rung über Stel­len­aus­schrei­bun­gen gemäß § 93 Be­trVG“ vom 24.07.2001 dar. Auf die Ausführun­gen des Ar­beits­ge­richts un­ter Zif­fer II.3.c. des an­ge­foch­te­nen Be­schlus­ses wird Be­zug ge­nom­men. Die Be­schwer­de hat in­so­weit auch kei­ne Ein­wen­dun­gen er­ho­ben.

3.

Das Ge­richt hat der Rechts­sa­che grundsätz­li­che Be­deu­tung bei­ge­mes­sen und die Rechts­be­schwer­de an das Bun­des­ar­beits­ge­richt gemäß §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zu­ge­las­sen.

RECH­TSMIT­TEL­BE­LEH­RUNG

Ge­gen die­sen Be­schluss kann von dem Be­triebs­rat

R E C H T S B E S C H W E R D E

ein­ge­legt wer­den.

Für den Ar­beit­ge­ber ist ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben.

 

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Die Rechts­be­schwer­de muss

in­ner­halb ei­ner Not­frist* von ei­nem Mo­nat

nach der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Be­schlus­ses schrift­lich beim

Bun­des­ar­beits­ge­richt

Hu­go-Preuß-Platz 1

99084 Er­furt

Fax: 0361 2636 2000

ein­ge­legt wer­den.

Die Not­frist be­ginnt mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Be­schlus­ses, spätes­tens mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die Rechts­be­schwer­de­schrift muss von ei­nem Be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als Be­vollmäch­tig­te sind nur zu­ge­las­sen:

1. Rechts­anwälte,
2. Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,
3. Ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der in Num­mer 2 be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder ei­nes an­de­ren Ver­ban­des oder Zu­sam­men­schlus­ses mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

In den Fällen der Zif­fern 2 und 3 müssen die Per­so­nen, die die Rechts­be­schwer­de­schrift un­ter­zeich­nen, die Befähi­gung zum Rich­ter­amt ha­ben.

Ei­ne Par­tei, die als Be­vollmäch­tig­ter zu­ge­las­sen ist, kann sich selbst ver­tre­ten.

* ei­ne Not­frist ist un­abänder­lich und kann nicht verlängert wer­den.

 

gez.: Schnei­der

gez.: Bau­er

gez.: Bal­nis

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