HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BGH, Ur­teil vom 17.07.2009, 5 StR 394/08

   
Schlagworte: Compliance Officer, Strafbarkeit, Haftung
   
Gericht: Bundesgerichtshof
Aktenzeichen: 5 StR 394/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 17.07.2009
   
Leitsätze:
Vorinstanzen:
   

5 StR 394/08

BUN­DES­GERICH­TSHOF

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

vom 17. Ju­li 2009

in der Straf­sa­che

ge­gen

 

we­gen Bei­hil­fe zum Be­trug

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Der 5. Straf­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat auf Grund der Haupt­ver­hand­lung vom 16. und 17. Ju­li 2009, an der teil­ge­nom­men ha­ben:

Vor­sit­zen­der Rich­ter Bas­dorf,

Rich­ter Dr. Raum, Rich­ter Dr. Brau­se,

Rich­te­rin Dr. Schnei­der,

Rich­ter Dölp

als bei­sit­zen­de Rich­ter,

Bun­des­an­walt

als Ver­tre­ter der Bun­des­an­walt­schaft,

Rechts­anwältin

als Ver­tei­di­ge­rin,

Jus­tiz­an­ge­stell­te

als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le,

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am 17. Ju­li 2009 für Recht er­kannt:

Die Re­vi­si­on des An­ge­klag­ten W. ge­gen das Ur­teil des Land­ge­richts Ber­lin vom 3. März 2008 wird ver­wor­fen.

Der An­ge­klag­te W. trägt die Kos­ten sei­nes Rechts­mit­tels.

– Von Rechts we­gen –

G r ü n d e

Das Land­ge­richt hat den An­ge­klag­ten W. we­gen Bei­hil­fe (durch Un­ter­las­sen) zum Be­trug zu ei­ner Geld­stra­fe von 120 Ta­gessätzen ver­ur­teilt und an­ge­ord­net, dass als Entschädi­gung für die über­lan­ge Ver­fah­rens­dau­er 20 Ta­gessätze als voll­streckt gel­ten. Die um­fas­send ein­ge­leg­te und mit for­mel­len und ma­te­ri­el­len Be­an­stan­dun­gen geführ­te Re­vi­si­on die­ses An­ge­klag­ten bleibt er­folg­los.

I.

Das Land­ge­richt hat fol­gen­de Fest­stel­lun­gen und Wer­tun­gen ge­trof­fen:

1. Der An­ge­klag­te war seit 1989 als Voll­ju­rist bei den Ber­li­ner Stadt­rei­ni­gungs­be­trie­ben (im Fol­gen­den: BSR) tätig und seit An­fang 1998 Lei­ter des St­abs­be­reichs Gre­mi­en­be­treu­ung so­wie Lei­ter der Rechts­ab­tei­lung. Zwi­schen 2000 und En­de 2002 war ihm zu­dem die In­nen­re­vi­si­on un­ter­stellt. Der BSR, ei­ner An­stalt des öffent­li­chen Rechts, ob­lag in ih­rem ho­heit­li­chen Be-

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reich die Straßen­rei­ni­gung mit An­schluss- und Be­nut­zungs­zwang für die Ei­gentümer der An­lie­ger­grundstücke. Die Rechts­verhält­nis­se wa­ren zwar pri­vat­recht­lich aus­ge­stal­tet; für die Be­stim­mung der Ent­gel­te gal­ten je­doch das Äqui­va­lenz- und das Kos­ten­de­ckungs­prin­zip als öffent­lich-recht­li­che Grundsätze der Gebühren­be­mes­sung.

Nach den Re­ge­lun­gen des Ber­li­ner Straßen­rei­ni­gungs­ge­set­zes hat­ten die An­lie­ger 75 % der an­ge­fal­le­nen Kos­ten für die Straßen­rei­ni­gung zu tra­gen; 25 % der Kos­ten ver­blie­ben beim Land Ber­lin (§ 7 Abs. 1). Die Auf­wen­dun­gen der Rei­ni­gung für Straßen oh­ne An­lie­ger muss­te das Land Ber­lin im vol­len Um­fang tra­gen (§ 7 Abs. 6). Die Ent­gel­te, die sich nach der Häufig­keit der Rei­ni­gung in vier Ta­rif­klas­sen un­ter­teil­ten, wur­den für den Ta­rif­zeit­raum auf der Grund­la­ge ei­ner Pro­gno­se der vor­aus­sicht­li­chen Auf­wen­dun­gen fest­ge­setzt. Die von Vor­stand und Auf­sichts­rat zu ver­ab­schie­den­de Ta­rif­be­stim­mung wur­de durch ei­ne Pro­jekt­grup­pe „Ta­rif­kal­ku­la­ti­on“ vor­be­rei­tet, die der An­ge­klag­te W. lei­te­te. In­fol­ge ei­nes Ver­se­hens wur­den bei der Be­rech­nung der Ent­gel­te der Ta­rif­pe­ri­ode 1999/2000 auch die Kos­ten für die Straßen zu 75 % ein­be­zo­gen, für die es kei­ne An­lie­ger gab; die­se hätte das Land Ber­lin vollständig tra­gen müssen. Der Be­rech­nungs­feh­ler wur­de in der Fol­ge­zeit be­merkt, aber nicht kor­ri­giert.

Für die Ta­rif­pe­ri­ode 2001/2002, den Tat­zeit­raum, wur­de vom Ge­samt­vor­stand der BSR ei­ne neue Pro­jekt­grup­pe ein­ge­setzt. Die­ser gehörte der An­ge­klag­te W. nicht mehr an. Sie wur­de von dem frühe­ren Mit­an­ge­klag­ten H. ge­lei­tet, der im St­abs­be­reich tätig und dem An­ge­klag­ten W. un­mit­tel­bar un­ter­stellt war. Der An­ge­klag­te W. nahm selbst un­re­gelmäßig an den Sit­zun­gen der neu­en Pro­jekt­grup­pe teil, die zunächst den Rech­nungs­feh­ler aus der ver­gan­ge­nen Ta­rif­pe­ri­ode be­he­ben woll­te. Auf Wei­sung des frühe­ren Mit­an­ge­klag­ten G. wur­de dies je­doch un­ter­las­sen. Der Ta­rif, in des­sen Be­rech­nungs­grund­la­ge auch die an­lie­ger­frei­en Straßen ein­be­zo­gen wor­den wa­ren, wur­de vom Vor­stand und Auf­sichts­rat der BSR ge­bil­ligt, wo­bei je­weils die Ta­ri­fe erläutert wur­den, oh­ne je­doch die

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Ent­schei­dungs­träger auf die Ein­be­zie­hung der an­lie­ger­frei­en Straßen hin­zu­wei­sen. Der An­ge­klag­te W. , der um den Be­rech­nungs­feh­ler wuss­te, war bei der Sit­zung des Ge­samt­vor­stands nicht an­we­send. Bei der Sit­zung des Auf­sichts­rats führ­te er zwar Pro­to­koll; ei­ne wei­te­re Be­tei­li­gung sei­ner­seits konn­te das Land­ge­richt je­doch nicht fest­stel­len. Der An­ge­klag­te W. un­ter­rich­te­te auch in der Fol­ge­zeit we­der sei­nen un­mit­tel­ba­ren Vor­ge­setz­ten, den Vor­stands­vor­sit­zen­den D. , noch ein Mit­glied des Auf­sichts­rats. Die Se­nats­ver­wal­tung ge­neh­mig­te den Ta­rif. Da­bei ver­pflich­te­te sie die BSR al­ler­dings im We­ge ei­ner Auf­la­ge zu ei­ner Nach­kal­ku­la­ti­on. Auf der Grund­la­ge des ge­neh­mig­ten Ta­rifs wur­den von den Ei­gentümern der An­lie­ger­grundstücke um ins­ge­samt 23 Mio. Eu­ro überhöhte Ent­gel­te ver­langt, die auch über­wie­gend be­zahlt wur­den.

2. Das Land­ge­richt hat das Ver­hal­ten des vor­ma­li­gen Mit­an­ge­klag­ten G. im Blick auf die ge­sam­te Ta­rif­pe­ri­ode 2001/2002 als (ein­heit­li­chen) Be­trug in mit­tel­ba­rer Täter­schaft ge­wer­tet. Der An­ge­klag­te W. ha­be hier­zu Bei­hil­fe ge­leis­tet. Ein ak­ti­ves Han­deln des An­ge­klag­ten W. , dem die fal­sche Ta­rif­be­rech­nung be­kannt ge­we­sen sei, las­se sich nicht zwei­fels­frei fest­stel­len. Er ha­be sich je­doch der Bei­hil­fe durch Un­ter­las­sen schul­dig ge­macht. Ei­ne Ga­ran­ten­stel­lung im Sin­ne des § 13 StGB er­ge­be sich dar­aus, dass er als Lei­ter der Ta­rif­kom­mis­si­on den Be­wer­tungs­feh­ler in der vo­ri­gen Pe­ri­ode zu ver­tre­ten ha­be und des­sen Be­he­bung in der fol­gen­den Ta­rif­pe­ri­ode hätte ver­an­las­sen müssen. Zu­dem kom­me ihm als Lei­ter der In­nen­re­vi­si­on ei­ne Ga­ran­ten­stel­lung zu. In die­ser Ei­gen­schaft, zu­mal als Be­diens­te­ter ei­ner An­stalt des öffent­li­chen Rechts, sei er nämlich ver­pflich­tet, die Ein­hal­tung der ge­setz­li­chen Re­geln auch zum Schutz der Ent­gelt­schuld­ner si­cher­zu­stel­len. Da sich der An­ge­klag­te W. dem Han­deln des frühe­ren Mit­an­ge­klag­ten G. un­ter­ge­ord­net ha­be, lie­ge bei ihm le­dig­lich ein Ge­hil­fen­vor­satz vor.

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II.

Die Re­vi­si­on des An­ge­klag­ten W. ist un­be­gründet.

1. Die Ver­fah­rensrügen blei­ben oh­ne Er­folg.

a) Die Be­set­zungsrüge zeigt kei­nen Rechts­feh­ler auf. Wie der Se­nat im Be­schluss vom 24. März 2009 (NStZ 2009, 342; hier­zu Volk­mer NStZ 2009, 371) sei­ne ei­ge­ne Be­set­zung be­tref­fend aus­geführt hat, ist Ver­letz­ter im Sin­ne des § 22 Nr. 1 i.V.m. § 338 Nr. 2 St­PO nicht be­reits ein Mie­ter, auf den – abhängig von den ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen – die Rei­ni­gungs­ent­gel­te um­ge­legt wer­den können. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on be­gründet auch der Um­stand, dass der Va­ter des Rich­ters We. an ei­nem in ei­ner Ge­sell­schaft bürger­li­chen Rechts or­ga­ni­sier­ten Fonds be­tei­ligt ist, kei­nen Aus­schluss­grund. Die­ser Fonds ist selbst nicht Ei­gentümer. Viel­mehr wird das Ei­gen­tum treuhände­risch von ei­ner GmbH ge­hal­ten. Ei­ne über den Fonds und die Treu­hand dop­pelt ver­mit­tel­te und nur in­di­rek­te Berührung der wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen des Va­ters des Rich­ters We. ist – wie das Land­ge­richt zu­tref­fend aus­geführt hat – für ei­nen Aus­schluss nach § 22 Nr. 3 St­PO nicht aus­rei­chend.

b) Das Land­ge­richt hat den An­trag auf Ver­neh­mung des Zeu­gen R. rechts­feh­ler­frei zurück­ge­wie­sen. Die Ver­tei­di­gung hat die Ver­neh­mung die­ses Zeu­gen, der Nach­fol­ger des An­ge­klag­ten als Lei­ter der In­nen­re­vi­si­on war, zum Be­weis für die Verhält­nis­se bei der In­nen­re­vi­si­on und de­ren An­bin­dung an den Vor­stand be­an­tragt. Das Land­ge­richt hat die be­an­trag­te Be­weis­er­he­bung ab­ge­lehnt, weil die Fra­ge, wie die In­nen­re­vi­si­on per­so­nell struk­tu­riert war und wel­che Prüfaufträge dort ab­ge­ar­bei­tet wer­den, für die Ga­ran­ten­stel­lung oh­ne Be­deu­tung ist.

Dies ist aus Rechts­gründen nicht zu be­an­stan­den. Für die Fra­ge ei­ner aus die­ser Stel­lung fol­gen­den Ga­ran­ten­pflicht ist es un­er­heb­lich, ob die In-

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nen­re­vi­si­on die Ta­rif­bil­dung ge­prüft hat oder die­se über­haupt auf­grund ih­rer ge­rin­gen per­so­nel­len Aus­stat­tung hätte prüfen können. Das Land­ge­richt hat nämlich die Ga­ran­ten­stel­lung nicht aus ei­ner kon­kret er­folg­ten Prüfung der Ta­ri­fe her­ge­lei­tet, son­dern sie viel­mehr dar­auf gestützt, dass der An­ge­klag­te als Lei­ter der In­nen­re­vi­si­on ei­ne be­son­de­re Pflich­ten­stel­lung in­ne­hat­te, ei­ne betrüge­ri­sche Ta­rif­bil­dung zu ver­hin­dern.

c) Oh­ne Er­folg rügt die Ver­tei­di­gung, dass das Land­ge­richt nicht sämt­li­che (ca. 170.000) Grundstücks­ei­gentümer als Zeu­gen über ih­re je­wei­li­gen Vor­stel­lun­gen bei dem Er­halt der (recht­wid­rig überhöhten) Ab­rech­nun­gen der BSR gehört hat. Die Straf­kam­mer hat die­sen An­trag als bloßen Be­weis­er­mitt­lungs­an­trag an­ge­se­hen.

aa) Die­se Auf­fas­sung ist aus Rechts­gründen nicht zu be­an­stan­den. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Ver­tei­di­gung hat das Land­ge­richt die­sen An­trag schon des­halb zu Recht nicht als ei­nen nach § 244 Abs. 3 St­PO zu be-schei­den­den Be­weis­an­trag an­ge­se­hen, weil die Zeu­gen nicht mit Na­men und vollständi­ger An­schrift ge­nannt wur­den. Dies ist aber er­for­der­lich (BGHSt 40, 3, 7; Be­schluss vom 28. Mai 2009 – 5 StR 191/09 – zur Veröffent­li­chung be­stimmt in BGHR St­PO § 244 Abs. 6 Be­weis­an­trag). Ei­ne Aus­nah­me gilt al­len­falls in­so­weit, als der An­trag­stel­ler außer­stan­de ist, die vollständi­ge An­schrift zu be­nen­nen. Dies ist nicht er­sicht­lich. Ab­ge­se­hen da­von, dass der An­ge­klag­te selbst in der La­ge ge­we­sen wäre, ei­ne Rei­he von Grundstücks­ei­gentümern mit vollständi­ger Adres­se al­lein aus sei­nem Wis­sen zu be­zeich­nen und schon dies nicht ge­tan hat, ist nicht er­kenn­bar, dass er die­se Da­ten nicht über sei­ne Ar­beit­ge­be­rin hätte be­sor­gen und dem Land­ge­richt vor­le­gen können.

bb) Auch in der Sa­che hätte das Land­ge­richt der be­an­trag­ten Be­weis­er­he­bung nicht nach­kom­men müssen. Bei ei­ner im We­sent­li­chen auf ei­ne Zah­lungs­an­for­de­rung be­schränk­ten Erklärung reich­te es – wie der Se­nat in sei­nem Be­schluss vom 9. Ju­ni 2009 bezüglich des Mit­an­ge­klag­ten G.

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in der­sel­ben Sa­che be­reits aus­geführt hat – für ei­nen Irr­tum im Sin­ne des § 263 StGB aus, wenn sich die Empfänger in ei­ner wenn­gleich all­ge­mein ge­hal­te­nen Vor­stel­lung be­fan­den, dass die Ta­rif­be­rech­nung in Ord­nung sei. Ein dif­fe­ren­zier­tes Vor­stel­lungs­bild bei den ein­zel­nen Empfängern der Rech­nun­gen liegt hier fern. In­so­weit weicht die Fall­kon­stel­la­ti­on im vor­lie­gen­den Fall von den von der Re­vi­si­on in Be­zug ge­nom­me­nen Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ge­richts­hofs (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irr­tum 9, 11) ab, die von den Geschädig­ten in­di­vi­du­ell zu be­ar­bei­ten­de Rech­nun­gen oder Über­wei­sun­gen zum Ge­gen­stand hat­ten. Die­se Fälle un­ter­schei­den sich von dem hier vor­lie­gen­den schon da­durch, dass die Ent­gelt­for­de­rung hier für den je­wei­li­gen Grundstücks­ei­gentümer ei­ne wirt­schaft­lich nicht sehr ge­wich­ti­ge und auch völlig un­auffälli­ge Erklärung dar­stell­te. Bei dem ein­zel­nen Empfänger konn­te des­halb nur das von dem sach­ge­dank­li­chen Mit­be­wusst­sein um­fass­te Vor­stel­lungs­bild ent­stan­den sein, dass die Ab­rech­nung je­den­falls nicht betrüge­risch sei.

cc) Die­ses von ihm an­ge­nom­me­ne und im We­sent­li­chen nor­ma­tiv ge­prägte Vor­stel­lungs­bild der Empfänger hat das Land­ge­richt zu­dem erhärtet, in­dem es meh­re­re Zeu­gen ein­ver­nom­men hat und in de­ren Aus­sa­gen die­ses Er­geb­nis bestätigt fand. An­ge­sichts die­ses Be­funds – zu­mal mit Blick auf die ab­ge­ur­teil­te ein­heit­li­che Tat – be­durf­te es kei­ner wei­te­ren Aufklärung durch die zusätz­li­che Ver­neh­mung wei­te­rer Zeu­gen. Dass das Land­ge­richt in den Ur­teils­gründen nur die Aus­sa­ge von drei die­ser Zeu­gen wie­der­ge­ge­ben hat, verstößt nicht ge­gen §§ 261, 267 Abs. 1 Satz 2 St­PO. Das Tat­ge­richt ist nicht ge­hal­ten, sämt­li­che Zeu­gen­aus­sa­gen zu do­ku­men­tie­ren.

2. Die Re­vi­si­on des An­ge­klag­ten zeigt auch mit der Sachrüge kei­nen durch­grei­fen­den Rechts­feh­ler auf.

a) So­weit die Re­vi­si­on die straf­recht­li­che Würdi­gung der Haupt­tat als Be­trug in mit­tel­ba­rer Täter­schaft an­greift, ver­weist der Se­nat auf sei­ne Ent­schei­dung, die er am 9. Ju­ni 2009 im Be­schluss­we­ge ge­gen den Mit­an­ge-

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klag­ten G. ge­trof­fen hat. Die Ausführun­gen der Ver­tei­di­gung ge­ben dem Se­nat kei­nen An­lass zu wei­te­ren Ausführun­gen im Hin­blick auf die Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen des Be­trugs oder zum Nicht­vor­lie­gen der spe­zi­el­len Straf­vor­schrif­ten der §§ 352, 353 StGB.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Ver­tei­di­gung ist bei dem An­ge­klag­ten auch die Kennt­nis von der Haupt­tat be­legt. Nach den Fest­stel­lun­gen des Land­ge­richts wur­de der An­ge­klag­te nämlich durch den ihm di­rekt un­ter­stell­ten H. darüber in Kennt­nis ge­setzt, dass G. den Feh­ler so „lau­fen las­sen wol­le“. Im Übri­gen führ­te der An­ge­klag­te bei der ent­schei­den­den Sit­zung des Auf­sichts­rats Pro­to­koll, in der die un­rich­tig be­rech­ne­ten Ta­ri­fe von G. vor­ge­stellt und vom Auf­sichts­rat schließlich ge­bil­ligt wur­den.

b) Die Ver­ur­tei­lung des An­ge­klag­ten we­gen Bei­hil­fe zum Be­trug hält im Er­geb­nis recht­li­cher Über­prüfung stand. Das Land­ge­richt hat bei dem An-ge­klag­ten zu Recht ei­ne Ga­ran­ten­stel­lung be­jaht.

aa) Al­ler­dings er­gibt sich die­se nicht schon dar­aus, dass der An­ge­klag­te die Ta­rif­kom­mis­si­on für die vor­he­ri­ge (nicht ver­fah­rens­ge­genständ­li­che) Ab­rech­nungs­pe­ri­ode ge­lei­tet hat­te. Zwar un­ter­lief die­ser von ihm geführ­ten Kom­mis­si­on be­reits der Feh­ler, dass die an­lie­ger­frei­en Grundstücke in den Ta­rif ein­be­zo­gen wur­den. Ei­ne Ga­ran­ten­stel­lung folgt hier­aus je­doch nicht.

In Be­tracht käme in­so­weit ei­ne Ga­ran­ten­stel­lung aus der tatsächli­chen Her­beiführung ei­ner Ge­fah­ren­la­ge (In­ge­renz). Ein (pflicht­wid­ri­ges) Vor­ver­hal­ten be­gründet aber nur dann ei­ne Ga­ran­ten­stel­lung, wenn es die na­he­lie­gen­de Ge­fahr des Ein­tritts des kon­kret un­ter­such­ten, tat­be­standsmäßigen Er­folgs ver­ur­sacht (BGHR StGB § 13 Abs. 1 Ga­ran­ten­stel­lung 14; BGH NJW 1999, 69, 71, in­so­weit in BGHSt 44, 196 nicht ab­ge­druckt; BGH NStZ 2000, 583). Ei­ne sol­che na­he Ge­fahr be­stand hier nicht. Der Um­stand, dass die vor­he­ri­ge Ta­rif­fest­set­zung feh­ler­be­haf­tet war, be­deu­tet nämlich nicht, dass

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sich die­ser Feh­ler auch in die nächs­te Ta­rif­pe­ri­ode hin­ein fort­setzt. Dies gilt je­den­falls, so­fern nicht – wofür hier nichts fest­ge­stellt ist – ei­ne ge­stei­ger­te Ge­fahr be­stand, dass die zunächst un­er­kannt feh­ler­haf­te Be­rech­nungs­grund­la­ge oh­ne er­neu­te sach­li­che Prüfung der neu­en Fest­set­zung oh­ne wei­te­res zu­grun­de ge­legt würde. Viel­mehr wird in der nächs­ten Ta­rif­pe­ri­ode der Ta­rif un­ein­ge­schränkt neu be­stimmt. Schon die aus­sch­ließli­che Ver­ant­wort­lich­keit der neu­en Ta­rif­kom­mis­si­on steht des­halb der An­nah­me ei­ner Ga­ran­ten­stel­lung aus In­ge­renz ent­ge­gen (vgl. Ro­xin, Straf­recht AT II 2003 S. 773). Zwar mag ei­ne ge­wis­se, eher psy­cho­lo­gisch ver­mit­tel­te Ge­fahr be­ste­hen, zur Ver­tu­schung des ein­mal ge­mach­ten Feh­lers die­sen zu wie­der­ho­len. Ein sol­cher mo­ti­va­to­ri­scher Zu­sam­men­hang reicht je­doch nicht für die Be­gründung ei­ner Ga­ran­ten­stel­lung aus. Der neue Ta­rif wird auf der Grund­la­ge der hierfür maßgeb­li­chen Rah­men­da­ten selbständig fest­ge­setzt. Sei­ne Fest­set­zung er­folgt oh­ne Bin­dung an den Be­rech­nungs­maßstab der Vor­pe­ri­oden, des­sen Feh­ler­haf­tig­keit nicht ein­mal zwangsläufig hätte auf­ge­deckt wer­den müssen. Auch oh­ne Ein­grei­fen des An­ge­klag­ten wäre der Feh­ler nicht au­to­ma­tisch in die fol­gen­de Ta­rif­pe­ri­ode ein­ge­flos­sen. Dies zeigt sich im Übri­gen auch dar­in, dass die neue Ta­rif­kom­mis­si­on be­reits von sich aus die­sen Feh­ler nicht wie­der­ho­len woll­te, son­dern hier­zu erst durch die Ein­fluss­nah­me des vor­ma­li­gen Mit­an­ge­klag­ten G. ver­an­lasst wur­de.

bb) Da­ge­gen hat das Land­ge­richt zu Recht aus der Stel­lung des An­ge­klag­ten W. als Lei­ter der Rechts­ab­tei­lung und der In­nen­re­vi­si­on ei­ne Ga­ran­ten­stel­lung her­ge­lei­tet.

(1) Durch die Über­nah­me ei­nes Pflich­ten­krei­ses kann ei­ne recht­li­che Ein­stands­pflicht im Sin­ne des § 13 Abs. 1 StGB be­gründet wer­den. Die Ent­ste­hung ei­ner Ga­ran­ten­stel­lung hier­aus folgt aus der Über­le­gung, dass den­je­ni­gen, dem Ob­huts­pflich­ten für ei­ne be­stimm­te Ge­fah­ren­quel­le über­tra­gen sind (vgl. Ro­xin aaO S. 712 ff.), dann auch ei­ne „Son­der­ver­ant­wort­lich­keit“ für die In­te­grität des von ihm über­nom­me­nen Ver­ant­wor­tungs­be­reichs trifft (vgl. Freund in Münch­Komm StGB § 13 Rdn. 161). Es kann da­hin­ste­hen, ob

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der ver­brei­te­ten Un­ter­schei­dung von Schutz- und Über­wa­chungs­pflich­ten in die­sem Zu­sam­men­hang we­sent­li­ches Ge­wicht zu­kom­men kann, weil die Über­wa­chungs­pflicht ge­ra­de dem Schutz be­stimm­ter Rechtsgüter dient und um­ge­kehrt ein Schutz oh­ne ent­spre­chen­de Über­wa­chung des zu schützen­den Ob­jekts kaum denk­bar er­scheint (vgl. BGHSt 48, 77, 92). Maßgeb­lich ist die Be­stim­mung des Ver­ant­wor­tungs­be­reichs, den der Ver­pflich­te­te über­nom­men hat. Da­bei kommt es nicht auf die Rechts­form der Über­tra­gung an, son­dern dar­auf, was un­ter Berück­sich­ti­gung des nor­ma­ti­ven Hin­ter­grunds In­halt der Pflich­ten­bin­dung ist (vgl. BGHSt 43, 82).

Die Recht­spre­chung hat bis­lang in ei­ner Rei­he von Fällen Ga­ran­ten­stel­lun­gen an­er­kannt, die aus der Über­nah­me von be­stimm­ten Funk­tio­nen ab­ge­lei­tet wur­den. Dies be­traf nicht nur ho­he staat­li­che oder kom­mu­na­le Re­präsen­tan­ten, de­nen der Schutz von Leib und Le­ben der ih­nen an­ver­trau­ten Bürger ob­liegt (BGHSt 38, 325; 48, 77, 91), son­dern auch Po­li­zei­be­am­te (BGHSt 38, 388), Be­am­te der Ord­nungs­behörde (BGH NJW 1987, 199) oder auch Be­diens­te­te im Maßre­gel­voll­zug (BGH NJW 1983, 462). Ei­ne Ga­ran­ten­pflicht wird wei­ter­hin da­durch be­gründet, dass der Be­tref­fen­de ei­ne ge­setz­lich vor­ge­se­he­ne Funk­ti­on als Be­auf­trag­ter über­nimmt (vgl. OLG Frank­furt NJW 1987, 2753, 2757; Böse NStZ 2003, 636), et­wa als Be­auf­trag­ter für Gewässer­schutz (§§ 21a ff. WHG), Im­mis­si­ons­schutz (§§ 53 ff. BImSchG) oder Strah­len­schutz (§§ 31 ff. Strah­len­schutz­VO).

Die Über­nah­me ent­spre­chen­der Über­wa­chungs- und Schutz­pflich­ten kann aber auch durch ei­nen Dienst­ver­trag er­fol­gen. Da­bei reicht frei­lich der bloße Ver­trags­schluss nicht aus. Maßge­bend für die Be­gründung ei­ner Ga­ran­ten­stel­lung ist viel­mehr die tatsächli­che Über­nah­me des Pflich­ten­krei­ses. Al­ler­dings be­gründet nicht je­de Über­tra­gung von Pflich­ten auch ei­ne Ga­ran­ten­stel­lung im straf­recht­li­chen Sin­ne. Hin­zu­tre­ten muss re­gelmäßig ein be­son­de­res Ver­trau­ens­verhält­nis, das den Über­tra­gen­den ge­ra­de da­zu ver­an­lasst, dem Ver­pflich­te­ten be­son­de­re Schutz­pflich­ten zu übe­r­ant­wor­ten (vgl. BGHSt 46, 196, 202 f.; 39, 392, 399). Ein bloßer Aus­tausch­ver­trag genügt

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hier eben­so we­nig wie ein Ar­beits­verhält­nis (Wei­gend in LK 12. Aufl. § 13 Rdn. 41). Im vor­lie­gen­den Fall kann nicht zwei­fel­haft sein, dass der An­ge­klag­te auf­grund des über­nom­me­nen Auf­ga­ben­be­reichs ei­ne Ga­ran­ten­stel­lung in­ne­hat­te. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Ver­tei­di­gung und des Ge­ne­ral­bun­des­an­walts be­schränk­te sich sei­ne Ein­stands­pflicht je­doch nicht nur dar­auf, Vermögens­be­ein­träch­ti­gun­gen des ei­ge­nen Un­ter­neh­mens zu un­ter­bin­den, son­dern sie kann auch die Ver­hin­de­rung aus dem ei­ge­nen Un­ter­neh­men kom­men­der Straf­ta­ten ge­gen des­sen Ver­trags­part­ner um­fas­sen.

(2) Der In­halt und der Um­fang der Ga­ran­ten­pflicht be­stim­men sich aus dem kon­kre­ten Pflich­ten­kreis, den der Ver­ant­wort­li­che über­nom­men hat. Da­bei ist auf die be­son­de­ren Verhält­nis­se des Un­ter­neh­mens und den Zweck sei­ner Be­auf­tra­gung ab­zu­stel­len. Ent­schei­dend kommt es auf die Ziel­rich­tung der Be­auf­tra­gung an, ob sich die Pflich­ten­stel­lung des Be­auf­trag­ten al­lein dar­in erschöpft, die un­ter­neh­mens­in­ter­nen Pro­zes­se zu op­ti­mie­ren und ge­gen das Un­ter­neh­men ge­rich­te­te Pflicht­verstöße auf­zu­de­cken und zukünf­tig zu ver­hin­dern, oder ob der Be­auf­trag­te wei­ter­ge­hen­de Pflich­ten der­ge­stalt hat, dass er auch vom Un­ter­neh­men aus­ge­hen­de Rechts­verstöße zu be­an­stan­den und zu un­ter­bin­den hat. Un­ter die­sen Ge­sichts­punk­ten ist ge­ge­be­nen­falls die Be­schrei­bung des Dienst­pos­tens zu be­wer­ten.

Ei­ne sol­che, neu­er­dings in Großun­ter­neh­men als „Com­p­li­an­ce“ be­zeich­ne­te Aus­rich­tung, wird im Wirt­schafts­le­ben mitt­ler­wei­le da­durch um­ge­setzt, dass so ge­nann­te „Com­p­li­an­ce Of­fi­cers“ ge­schaf­fen wer­den (vgl. BGHSt 52, 323, 335; Hausch­ka, Cor­po­ra­te Com­p­li­an­ce 2007 S. 2 ff.). De­ren Auf­ga­ben­ge­biet ist die Ver­hin­de­rung von Rechts­verstößen, ins­be­son­de­re auch von Straf­ta­ten, die aus dem Un­ter­neh­men her­aus be­gan­gen wer­den und die­sem er­heb­li­che Nach­tei­le durch Haf­tungs­ri­si­ken oder An­se­hens­ver­lust brin­gen können (vgl. Bürk­le in Hausch­ka aaO S. 128 ff.). Der­ar­ti­ge Be­auf­trag­te wird re­gelmäßig straf­recht­lich ei­ne Ga­ran­ten­pflicht im Sin­ne des § 13 Abs. 1 StGB tref­fen, sol­che im Zu­sam­men­hang mit der Tätig­keit des Un­ter­neh­mens ste­hen­de Straf­ta­ten von Un­ter­neh­mens­an­gehöri­gen zu ver-

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hin­dern. Dies ist die not­wen­di­ge Kehr­sei­te ih­rer ge­genüber der Un­ter­neh­mens­lei­tung über­nom­me­nen Pflicht, Rechts­verstöße und ins­be­son­de­re Straf-ta­ten zu un­ter­bin­den (vgl. Kraft/Wink­ler CCZ 2009, 29, 32).

Ei­ne der­art weit­ge­hen­de Be­auf­tra­gung ist bei dem An­ge­klag­ten nicht er­sicht­lich. Nach den Fest­stel­lun­gen war der An­ge­klag­te als Ju­rist Lei­ter der Rechts­ab­tei­lung und zu­gleich Lei­ter der In­nen­re­vi­si­on. Er war un­mit­tel­bar dem Vor­stands­vor­sit­zen­den un­ter­stellt. Zwar gibt es zwi­schen dem Lei­ter der In­nen­re­vi­si­on und dem so ge­nann­ten „Com­p­li­an­ce Of­fi­cer“ re­gelmäßig er­heb­li­che Über­schnei­dun­gen im Auf­ga­ben­ge­biet (vgl. Bürk­le aaO S. 139). Den­noch er­scheint es zwei­fel­haft, dem Lei­ter der In­nen­re­vi­si­on ei­nes Un­ter­neh­mens ei­ne Ga­ran­ten­stel­lung auch in­so­weit zu­zu­wei­sen, als er im Sin­ne des § 13 Abs. 1 StGB ver­pflich­tet ist, Straf­ta­ten aus dem Un­ter­neh­men zu Las­ten Drit­ter zu un­ter­bin­den.

Im vor­lie­gen­den Fall be­ste­hen in­des zwei Be­son­der­hei­ten: Das hier täti­ge Un­ter­neh­men ist ei­ne An­stalt des öffent­li­chen Rechts und die vom An­ge­klag­ten nicht un­ter­bun­de­ne Tätig­keit be­zog sich auf den ho­heit­li­chen Be­reich des Un­ter­neh­mens, nämlich die durch den An­schluss- und Be­nut­zungs­zwang ge­prägte Straßen­rei­ni­gung, die ge­genüber den An­lie­gern nach öffent­lich-recht­li­chen Gebühren­grundsätzen ab­zu­rech­nen ist. Dies hat für die Ein­gren­zung der dem An­ge­klag­ten ob­lie­gen­den Über­wa­chungs­pflich­ten Be­deu­tung. Als An­stalt des öffent­li­chen Rechts war die BSR den An­lie­gern ge­genüber zu ge­setzmäßigen Gebühren­be­rech­nun­gen ver­pflich­tet. An­ders als ein pri­va­tes Un­ter­neh­men, das le­dig­lich in­ner­halb ei­nes recht­li­chen Rah­mens, den es zu be­ach­ten hat, maßgeb­lich zur Ge­winn­erzie­lung tätig wird, ist bei ei­ner An­stalt des öffent­li­chen Rechts der Ge­set­zes­voll­zug das ei­gent­li­che Kernstück ih­rer Tätig­keit. Dies be­deu­tet auch, dass die Erfüllung die­ser Auf­ga­ben in ge­setzmäßiger Form zen­tra­ler Be­stand­teil ih­res „un­ter­neh­me­ri­schen“ Han­delns ist. Da­mit entfällt im ho­heit­li­chen Be­reich die Tren­nung zwi­schen ei­ner­seits den In­ter­es­sen des ei­ge­nen Un­ter­neh­mens und an­de­rer­seits den In­ter­es­sen außen­ste­hen­der Drit­ter. Dies wirkt sich auf die Aus­le-

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gung der Über­wa­chungs­pflicht aus, weil das, was zu über­wa­chen ist, im pri­va­ten und im ho­heit­li­chen Be­reich un­ter­schied­lich aus­ge­stal­tet ist.

Die Über­wa­chungs­pflicht kon­zen­triert sich auf die Ein­hal­tung des­sen, was Ge­gen­stand der Tätig­keit des Dienst­herrn ist, nämlich den ge­setzmäßigen Voll­zug der Straßen­rei­ni­gung, der auch ei­ne ge­setzmäßige Ab­rech­nung der an­ge­fal­le­nen Kos­ten ein­sch­ließt. Der kon­kre­te Dienst­pos­ten des An­ge­klag­ten um­fass­te die Auf­ga­be, die Straßen­an­lie­ger vor betrüge­risch überhöhten Gebühren zu schützen, und be­gründe­te so auch ei­ne ent­spre­chen­de Ga­ran­ten­pflicht. Der Zu­schnitt der vom An­ge­klag­ten zu über­neh­men­den Auf­ga­be ist da­bei – was das Land­ge­richt zu­tref­fend aus­geführt hat – vor dem Hin­ter­grund sei­ner bis­he­ri­gen Funk­tio­nen für die BSR zu se­hen. Dort galt er ins-be­son­de­re als Ta­rif­rechts­ex­per­te und als das „ju­ris­ti­sche Ge­wis­sen“ der BSR (UA S. 7, 10, 46). Die zusätz­li­che Über­tra­gung der Lei­tung der In­nen­re­vi­si­on (UA S. 5, 22) war er­sicht­lich mit die­ser Fähig­keit ver­bun­den. Der dem Vor­stands­vor­sit­zen­den un­mit­tel­bar un­ter­stell­te An­ge­klag­te soll­te ge­ra­de als Lei­ter der In­nen­re­vi­si­on ver­pflich­tet sein, von ihm er­kann­te Rechts­verstöße bei der Ta­rif­kal­ku­la­ti­on zu be­an­stan­den (UA S. 12), wo­bei die Be­ach­tung der ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen auch dem Schutz der Ent­gelt­schuld­ner die­nen soll­te (UA S. 56). Auf die­ser letzt­lich so aus­rei­chen­den Tat­sa­chen­grund­la­ge durf­te das Land­ge­richt den Schluss zie­hen, dass es zum we­sent­li­chen In­halt des Pflich­ten­krei­ses des An­ge­klag­ten gehören soll­te (vgl. Fi­scher, StGB 56. Aufl. § 13 Rdn. 17), die Er­he­bung betrüge­ri­scher Rei­ni­gungs­ent­gel­te zu ver­hin­dern.

(3) Der An­ge­klag­te war des­halb im Sin­ne des § 13 Abs. 1 StGB ver­pflich­tet, von ihm er­kann­te Feh­ler der Ta­rif­be­rech­nung zu be­an­stan­den. Dies gilt un­abhängig da­von, ob sich die­se zu Las­ten sei­nes Dienst­herrn oder zu Las­ten Drit­ter aus­ge­wirkt ha­ben. Sein pflicht­wid­ri­ges Un­ter­las­sen führt da­zu, dass ihm der Er­folg, den er hätte ver­hin­dern sol­len, straf­recht­lich zu­ge­rech­net wird (vgl. BGH NJW 1987, 199). In­so­fern liegt – wie das Land­ge­richt rechts­feh­ler­frei aus­geführt hat – Bei­hil­fe gemäß § 27 Abs.1 StGB vor, weil

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der An­ge­klag­te le­dig­lich mit Ge­hil­fen­vor­satz ge­han­delt und sich dem Haupttäter G. er­sicht­lich un­ter­ge­ord­net hat. Da der An­ge­klag­te die betrüge­ri­sche Hand­lung des Vor­stands G. oh­ne wei­te­res durch die Un­ter­rich­tung des Vor­stands­vor­sit­zen­den oder des Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­den hätte un­ter­bin­den können und ihm dies auch zu­mut­bar war, hat sich der An­ge­klag­te ei­ner Bei­hil­fe zum Be­trug durch Un­ter­las­sen straf­bar ge­macht. Da er al­le Umstände kann­te, ist hier auch die sub­jek­ti­ve Tat­sei­te zwei­fels­frei ge­ge­ben (vgl. BGHSt 19, 295, 299). Dies hat das Land­ge­richt in den Ur­teils­gründen zu­tref­fend dar­ge­legt.

c) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Ge­ne­ral­bun­des­an­walts kommt bei dem An­ge­klag­ten kei­ne Un­treue gemäß § 266 StGB zu Las­ten der BSR in Be­tracht. Zwar trifft den An­ge­klag­ten ei­ne Vermögens­be­treu­ungs­pflicht ge­genüber sei­nem Dienst­herrn. Es fehlt je­doch an ei­nem Nach­teil im Sin­ne des § 266 StGB. Der BSR ist durch die betrüge­ri­sche Ta­rif­bil­dung ein Vor­teil ent­stan­den, weil so höhe­re Rei­ni­gungs­ent­gel­te ver­ein­nahmt wur­den, als ihr nach der ge­setz­li­chen Re­ge­lung zu­stan­den.

Der Ge­ne­ral­bun­des­an­walt erwägt die Möglich­keit ei­nes sol­chen Nach­teils in den Er­satz­ansprüchen und Pro­zess­kos­ten nach Auf­de­ckung des Be­trugs. Ein sol­cher Scha­den ist aber nicht un­mit­tel­bar (BGHSt 51, 29, 33; BGH NStZ 1986, 455, 456; Fi­scher aaO § 266 Rdn. 55). Er setzt nämlich mit der Auf­de­ckung der Tat ei­nen Zwi­schen­schritt vor­aus. Der für die Nach­teils­fest­stel­lung not­wen­di­ge Ge­samt­vermögens­ver­gleich hat aber auf der Grund­la­ge des vom Täter ver­wirk­lich­ten Tat­plans zu er­fol­gen.

d) Die Straf­zu­mes­sung hält gleich­falls im Er­geb­nis re­vi­si­ons­recht­li­cher Über­prüfung stand. Die Be­den­ken ge­gen die vom Land­ge­richt vor­ge­nom­me­ne Scha­dens­be­wer­tung, die im Ver­fah­ren ge­gen den An­ge­klag­ten G. zu ei­ner Auf­he­bung des Straf­aus­spruchs in dem Se­nats­be­schluss vom 9. Ju­ni 2009 geführt ha­ben, be­ste­hen hin­sicht­lich des An­ge­klag­ten W.

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nicht. Aus­weis­lich der Ur­teils­gründe hat das Land­ge­richt bei die­sem An­ge­klag­ten der Scha­denshöhe ein ge­rin­ge­res Ge­wicht bei­ge­mes­sen.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Ver­tei­di­gung hat das Land­ge­richt sich mit der Mo­tiv­la­ge des An­ge­klag­ten aus­ein­an­der­ge­setzt. Es hat nämlich fest­ge­stellt, dass er sich aus falsch ver­stan­de­ner Loya­lität dem Vor­stand G. un­ter­ge­ord­net hat.

Eben­so we­nig ist die für die rechts­staats­wid­ri­ge Ver­fah­rens­verzöge­rung an­ge­setz­te Kom­pen­sa­ti­on von 20 Ta­gessätzen zu be­an­stan­den. Bei der vom Land­ge­richt rechts­feh­ler­frei fest­ge­stell­ten Ver­fah­rens­verzöge­rung von zehn Mo­na­ten war die­ser Ab­schlag aus­rei­chend, je­den­falls nicht rechts­feh­ler­haft.

Das Land­ge­richt war aus Rechts­gründen auch nicht ge­hal­ten, dem An­ge­klag­ten ei­ne Straf­rah­men­ver­schie­bung nach § 13 Abs. 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB zu gewähren. Die hierfür ge­ge­be­ne Be­gründung, dass er über Mo­na­te hin­weg Ge­le­gen­heit ge­habt hätte, den Kal­ku­la­ti­ons­feh­ler auf­zu­de­cken, ist tragfähig. Dies gilt ins­be­son­de­re vor dem Hin­ter­grund, dass der An­ge­klag­te in der Auf­sichts­rats­sit­zung an­we­send war und das Pro­to­koll führ­te, in der die un­zu­tref­fend be­rech­ne­ten Ta­ri­fe vor­ge­stellt wur­den.

Die von der Re­vi­si­on ver­miss­te Aus­ein­an­der­set­zung mit ei­ner zusätz­li­chen fa­kul­ta­ti­ven Straf­rah­men­ver­schie­bung nach § 17 Satz 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB war im vor­lie­gen­den Fall schon des­halb nicht er­for­der­lich, weil sich der An­ge­klag­te in kei­nem Ver­bots­irr­tum be­fand. Es kommt nicht dar­auf an, dass der An­ge­klag­te um die Straf­bar­keit sei­nes Ver­hal­tens als Be­trug wuss­te. Ein Ver­bots­irr­tum ist be­reits dann aus­ge­schlos­sen, wenn der An­ge­klag­te die Rechts­wid­rig­keit sei­nes Han­delns (hier: sei­nes Un­ter­las­sens) kennt (BGHSt 42, 123, 130; 52, 182, 190 f.; 52, 307, 313; BGHR StGB § 11 Amts­träger 14). Dem An­ge­klag­ten war nach den Ur­teils­gründen nämlich klar, dass die Be­rech­nung der Ta­ri­fe un­ter Ver­s­toß ge­gen das Ber­li­ner Straßen-

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rei­ni­gungs­ge­setz er­folg­te und er schon auf­grund sei­nes Dienst­verhält­nis­ses ver­pflich­tet war, sei­nen un­mit­tel­ba­ren Dienst­vor­ge­setz­ten, den Vor­stands­vor­sit­zen­den, zu un­ter­rich­ten.

Der vom Land­ge­richt fest­ge­setz­te Ta­ges­satz in Höhe von 75 Eu­ro ist rechts­feh­ler­frei be­stimmt (vgl. da­zu ein­ge­hend Häger in LK, 12. Aufl. § 40 Rdn. 54 ff.; fer­ner BGH wis­tra 2008, 19).

 

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