HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BFH, Vor­la­ge­be­schluss vom 10.01.2008, VI R 17/07

   
Schlagworte: Pendlerpauschale , Entfernungspauschale, Arbeitsweg
   
Gericht: Bundesfinanzhof
Aktenzeichen: VI R 17/07
Typ: Vorlagebeschluss
Entscheidungsdatum: 10.01.2008
   
Leitsätze: Es wird eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des StÄndG 2007 insoweit mit dem GG vereinbar ist, als danach Aufwendungen des Arbeitnehmers für seine Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte keine Werbungskosten sind und keine weiteren einkommensteuerrechtlichen Regelungen bestehen, nach denen die vom Abzugsverbot betroffenen Aufwendungen ansonsten die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage mindern.
Vorinstanzen: Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 07.03.2007, 13 K 283/06
   

Bun­des­fi­nanz­hof, Be­schluss vom 10.01.2008 VI R 17/07

 

Gründe

I.

A. Ge­gen­stand der Vor­la­ge (Sach­ver­halt, Ent­schei­dung des Fi­nanz­ge­richts (FG) und Vor­trag der Be­tei­lig­ten)

I. *7 Sach­ver­halt

Der ver­hei­ra­te­te Kläger und Re­vi­si­onskläger (Kläger) er­zielt als an­ge­stell­ter Bäcker­meis­ter Einkünf­te aus nicht­selbständi­ger Ar­beit. Er wohnt mit sei­ner Fa­mi­lie in X und ar­bei­tet im 70 km ent­fern­ten Y. Sei­ne Ehe­frau be­zieht eben­falls Einkünf­te aus nicht­selbständi­ger Ar­beit. Nach den An­ga­ben des Klägers beträgt die Ent­fer­nung zwi­schen der Woh­nung und der Ar­beitsstätte sei­ner Ehe­frau in Z 37 km.

Mit sei­nem An­trag auf Lohn­steu­er-Ermäßigung für das Jahr 2007 be­an­trag­te der Kläger, sei­ne Auf­wen­dun­gen für die We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte in Höhe von 4 620 € als Frei­be­trag auf der Lohn­steu­er­kar­te ein­zu­tra­gen (220 Ta­ge x 70 km x 0,30 €). Der Be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te (das Fi­nanz­amt --FA--) er­mit­tel­te den Frei­be­trag ent­spre­chend der ab 2007 geänder­ten Ge­set­zes­la­ge nach der um 20 km gekürz­ten Ent­fer­nung (220 Ta­ge x 50 km x 0,30 € = 3 300 € abzüglich Ar­beit­neh­mer-Pausch­be­trag = 2 380 €). Ge­gen den in­so­weit ab­leh­nen­den Be­scheid über die Lohn­steu­er-Ermäßigung 2007 leg­te der Kläger er­folg­los Ein­spruch ein.

II. Ent­schei­dung des FG

Das FG wies die Kla­ge ab und ließ die Re­vi­si­on zu. Das Ur­teil des FG vom 7. März 2007 13 K 283/06 ist in Deut­sches Steu­er­recht/Ent­schei­dungs­dienst (DSt­RE) 2007, 538 veröffent­licht. Das FG führ­te im We­sent­li­chen Fol­gen­des aus:

Durch das Steu­erände­rungs­ge­setz vom 19. Ju­li 2006 (BGBl I 2006, 1652, BSt­Bl I 2006, 432 --StÄndG 2007--) sei hin­sicht­lich der Auf­wen­dun­gen für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte ei­ne Sys­tem­um­stel­lung vor­ge­nom­men wor­den. Der Ge­setz­ge­ber ge­he nun­mehr

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da­von aus, dass die Be­rufs­sphäre erst am "Werks­tor" be­gin­ne. Die Zu­ord­nung der Fahrt­kos­ten zur Pri­vat­sphäre sei mit dem Grund­ge­setz (GG) ver­ein­bar. Dem Ge­setz­ge­ber sei es von Ver­fas­sungs we­gen nicht ver­wehrt, Auf­wen­dun­gen für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte vom Wer­bungs­kos­ten­ab­zug aus­zu­sch­ließen. Denn bei die­sen Auf­wen­dun­gen han­de­le es sich nicht um ori­ginäre Wer­bungs­kos­ten. Sie sei­en im Ein­kom­men­steu­er­ge­setz (EStG) bis­her le­dig­lich den Wer­bungs­kos­ten gleich­ge­stellt wor­den.

Be­reits der Reichs­fi­nanz­hof (RFH) ha­be in ei­nem Ur­teil aus dem Jahr 1923 zum da­ma­li­gen § 13 Nr. 1d EStG 1920 die Fahrt­kos­ten zur Ar­beitsstätte als Pri­vat­aus­ga­ben be­trach­tet und aus­geführt: "Nach der Ent­ste­hungs­ge­schich­te des Ge­set­zes ist die An­er­ken­nung der Fahrt­aus­la­gen als Wer­bungs­kos­ten als Aus­nah­me von dem Grund­satz er­folgt, dass Aus­ga­ben nicht ab­zieh­bar sind, die kei­nen spe­zi­fi­schen Be­rufs­auf­wand dar­stel­len" (RFH-Ur­teil vom 17. Ja­nu­ar 1923 III A 421/22, zit. nach Kirch­hof, Deut­sches Steu­er­recht --DStR-- 2003, Bei­hef­ter 5, 4 Fn. 36; Ol­bertz, Be­triebs-Be­ra­ter --BB-- 1996, 2489).

Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) ha­be die Her­ab­set­zung der frühe­ren Ki­lo­me­ter­pau­scha­le von 0,50 DM auf 0,36 DM als mit dem GG ver­ein­bar erklärt. Es ha­be aus­geführt, der Ge­setz­ge­ber ha­be bei dem "Ab­bau ei­ner Steu­er­vergüns­ti­gung" weit­ge­hen­de Ge­stal­tungs­frei­heit (Be­schluss vom 2. Ok­to­ber 1969 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58, BSt­Bl II 1970, 140).

Der Bun­des­fi­nanz­hof (BFH) sei im Ur­teil vom 20. De­zem­ber 1982 VI R 64/81 (BFHE 137, 463, BSt­Bl II 1983, 306) zu der Er­kennt­nis ge­langt, "dass Aus­ga­ben für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte ih­rer Na­tur nach an sich so­ge­nann­te ge­misch­te Auf­wen­dun­gen i.S. des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG sind, da sie teils be­ruf­lich und teils pri­vat ver­an­lasst sind". So fal­le das Woh­nen und die Wahl der Woh­nung grundsätz­lich in den Be­reich der pri­va­ten Le­bensführung (BFH-Ur­teil vom 10. No­vem­ber 1978 VI R 21/76, BFHE 126, 511, BSt­Bl II 1979, 219). Wei­ter führe der BFH in der Ent­schei­dung in BFHE 137, 463, BSt­Bl II 1983, 306 aus: "Wie sich aus der Ent­wick­lungs­ge­schich­te des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG er­gibt, will der Ge­setz­ge­ber aber grundsätz­lich nicht mehr wie früher da­nach dif­fe­ren­zie­ren, ob und in­wie­weit Aus­ga­ben für sol­che Fahr­ten zur Ar­beitsstätte hin und zurück be­ruf­lich oder pri­vat ver­an­lasst sind. Er sieht viel­mehr seit dem Jahr 1967 sol­che Auf­wen­dun­gen im all­ge­mei­nen ty­pi­sie­rend als Wer­bungs­kos­ten an mit der Fol­ge, dass § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG in­so­weit als lex spe­cia­lis zum Ab­zugs­ver­bot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG zu wer­ten ist."

Das BVerfG führe im Be­schluss vom 4. De­zem­ber 2002 2 BvR 400/98, 1735/00 (BVerfGE 107, 27, BSt­Bl II 2003, 534) aus, es sei "tra­di­tio­nel­ler Teil" der Grund­ent­schei­dung des deut­schen Ein­kom­men­steu­er­rechts, die steu­er­recht­lich er­heb­li­che Be­rufs­sphäre nicht erst "am Werks­tor" be­gin­nen zu las­sen. Auch im Schnitt­be­reich von be­ruf­li­cher Sphäre und pri­va­ter Le­bensführung lie­gen­de Mo­bi­litätskos­ten würden als Wer­bungs­kos­ten oder

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Be­triebs­aus­ga­ben an­er­kannt. Da­nach gehörten vor al­lem Fahrt­kos­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte zu den im Rah­men des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips ab­zugsfähi­gen be­ruf­li­chen Auf­wen­dun­gen, "ob­wohl sol­che Auf­wen­dun­gen we­gen der pri­va­ten Wahl des Wohn­orts zwangsläufig auch pri­vat mit­ver­an­lasst sind."

Die­se vom BVerfG be­schrie­be­ne "Tra­di­ti­on" be­inhal­te kei­ne "Ewig­keits­ga­ran­tie" auf Bei­be­hal­tung die­ser Tra­di­ti­on. Der Ge­setz­ge­ber ha­be bei der Schaf­fung ein­fach­ge­setz­li­chen Rechts auch die Be­fug­nis, ei­ne ein­fach­ge­setz­li­che "Tra­di­ti­on" zu ändern, zu­mal die bis­he­ri­ge steu­er­li­che An­er­ken­nung der Fahrt­kos­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte als Aus­nah­me vom Ab­zugs­ver­bot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG und da­mit als Steu­er­vergüns­ti­gung (Sub­ven­ti­on) zu wer­ten ge­we­sen sei.

An­ge­sichts die­ser Rechts­la­ge sei der Ge­setz­ge­ber zu­tref­fend da­von aus­ge­gan­gen, dass es sich we­gen der Ver­bin­dung der Fahrt­kos­ten nicht nur zur Ar­beit, son­dern auch zur Woh­nung um ge­misch­te Auf­wen­dun­gen han­de­le. Bei ge­misch­ten Auf­wen­dun­gen sei es dem Ge­setz­ge­ber möglich, über den Um­fang der Ab­zieh­bar­keit und Nicht­ab­zieh­bar­keit zu ent­schei­den. Mit der Neu­re­ge­lung des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG 2007 ha­be der Ge­setz­ge­ber fol­ge­rich­tig al­le Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte als pri­vat ver­an­lasst qua­li­fi­ziert.

Mit die­ser Neu­re­ge­lung sei das Prin­zip der Be­steue­rung nach der Leis­tungsfähig­keit so­wie das ob­jek­ti­ve Net­to­prin­zip ge­wahrt wor­den. Da­nach un­ter­lie­ge der Ein­kom­men­steu­er grundsätz­lich nur das Net­to­ein­kom­men. Da­ge­gen min­der­ten gemäß § 12 Nr. 1 Satz 1 EStG Auf­wen­dun­gen für die Le­bensführung außer­halb des Rah­mens von Son­der­aus­ga­ben und außer­gewöhn­li­chen Be­las­tun­gen die ein­kom­men­steu­er­li­che Be­mes­sungs­grund­la­ge nicht; dies gel­te gemäß Satz 2 der Vor­schrift auch für sol­che Le­bensführungs­kos­ten, die die wirt­schaft­li­che oder ge­sell­schaft­li­che Stel­lung des Steu­er­pflich­ti­gen mit sich brin­ge, auch wenn sie zur Förde­rung des Be­rufs oder der Tätig­keit des Steu­er­pflich­ti­gen er­folg­ten. Mit der Auf­he­bung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als "lex spe­cia­lis" zu § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG gel­te die­ses Ab­zugs­ver­bot wie­der für die Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte, so dass das ob­jek­ti­ve Net­to­prin­zip da­mit nicht be­trof­fen sei. Im Übri­gen ha­be das BVerfG bis­her of­fen ge­las­sen, ob die Gel­tung die­ses Prin­zips auch ver­fas­sungs­recht­lich ge­bo­ten sei. Je­den­falls ste­he dem Ge­setz­ge­ber bei der Re­ge­lung ei­ner Steu­er­vergüns­ti­gung (Sub­ven­ti­on) ei­ne wei­te Be­ur­tei­lungs- und Ge­stal­tungs­frei­heit zu. Mit der Grund­ent­schei­dung, die Ar­beitsstätte "am Werks­tor" be­gin­nen zu las­sen, ha­be der Ge­setz­ge­ber zwar ei­ne "Tra­di­ti­on" be­en­det, je­doch ei­ne fol­ge­rich­ti­ge neue Be­las­tungs­ent­schei­dung ge­trof­fen. Dies hal­te sich im Rah­men des ver­fas­sungs­recht­lich an­er­kann­ten Ge­stal­tungs­spiel­raums des Ge­setz­ge­bers.

III. Vor­trag der Be­tei­lig­ten im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren

Mit der Re­vi­si­on rügt der Kläger die Ver­let­zung ma­te­ri­el­len Rechts. Er trägt im We­sent­li­chen vor, die Kos­ten für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte sei­en Auf­wen­dun­gen "zur

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Er­wer­bung, Si­che­rung und Er­hal­tung der Ein­nah­men" und da­mit Wer­bungs­kos­ten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Die Fahrt­kos­ten sei­en aus­sch­ließlich be­ruf­lich ver­an­lasst. Oh­ne die Fahrt zur Ar­beitsstätte könne we­der die be­ruf­li­che Tätig­keit aus­geübt noch könn­ten be­ruf­li­che Ein­nah­men er­zielt wer­den. Dies könne auch nicht mit Blick auf die Rück­fahrt zur pri­va­ten Woh­nung in­fra­ge ge­stellt wer­den. Die pri­va­te Wahl des Wohn­or­tes sei ein der be­ruf­lich ver­an­lass­ten Fahrt vor­ge­la­ger­ter, vor­ge­ge­be­ner Sach­ver­halt, der iso­liert zu be­trach­ten sei und kei­nen Ein­fluss auf die Ein­ord­nung der Fahrt­auf­wen­dun­gen als aus­sch­ließlich be­ruf­lich ver­an­lass­te Auf­wen­dun­gen ha­be. Die Fahrt­auf­wen­dun­gen berühr­ten ent­ge­gen der Auf­fas­sung des FG nicht den Be­reich der pri­va­ten Le­bensführung. In der steu­er­li­chen Ab­zugsfähig­keit könne dem­zu­fol­ge auch kei­ne Steu­er­vergüns­ti­gung bzw. Sub­ven­ti­on ge­se­hen wer­den. Im Übri­gen han­de­le es sich bei der dem "Werkstor­prin­zip" zu Grun­de lie­gen­den Über­le­gung, dass der Steu­er­pflich­ti­ge sei­nen Wohn­sitz in die Nähe sei­ner Ar­beits­stel­le ver­le­gen könne, um ei­ne rei­ne Fik­ti­on. In den Bal­lungsräum­en und in größeren Be­trie­ben könne aus rein tatsächli­chen Gründen re­gelmäßig nur ein ge­rin­ger Teil der Ar­beit­neh­mer sei­nen pri­va­ten Wohn­sitz un­mit­tel­bar ne­ben dem "Werks­tor" neh­men.

Das sog. Werkstor­prin­zip sei nicht als neu­es all­ge­mei­nes Prin­zip in das Sys­tem der Ein­kom­mens­be­steue­rung ein­geführt, son­dern nur punk­tu­ell fis­ka­lisch ein­ge­setzt wor­den: Nach wie vor sei der Steu­er­ab­zug der Fahrt­kos­ten ab dem 21. Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG möglich. Zwar stell­ten die­se Kos­ten nach dem Wort­laut der Vor­schrift kei­ne Wer­bungs­kos­ten dar, da sie nur "wie" Wer­bungs­kos­ten zu be­han­deln sei­en. Hier­bei han­de­le es sich je­doch le­dig­lich um ei­ne se­man­ti­sche, nicht um ei­ne in­halt­li­che Verände­rung. Die fort­be­ste­hen­de Ab­zugsmöglich­keit der Fahrt­kos­ten für Fern­pend­ler las­se sich mit dem an­geb­li­chen Über­gang zum Werkstor­prin­zip we­der erklären noch recht­fer­ti­gen.

Der Ab­zug der Fahrt­kos­ten ab dem 21. Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter sei wei­ter­hin auf den Ar­beit­neh­mer-Pausch­be­trag an­zu­rech­nen, was sys­te­ma­tisch un­zu­tref­fend sei, wenn es sich nicht um Wer­bungs­kos­ten han­de­le.

Auch die fort­be­ste­hen­de Ab­zugsmöglich­keit der Kos­ten für Fa­mi­li­en­heim­fahr­ten im Rah­men ei­ner dop­pel­ten Haus­haltsführung sei mit der be­haup­te­ten Gel­tung des Werkstor­prin­zips nicht zu ver­ein­ba­ren.

Die grundsätz­li­che Ab­zugs­be­schränkung gel­te gemäß § 9 Abs. 2 Satz 11 EStG nicht für be­hin­der­te Men­schen. Auch dies sei in­kon­se­quent.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG sei­en die Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Be­triebsstätte so­wie die Fa­mi­li­en­heim­fahr­ten im Rah­men der Er­mitt­lung des be­trieb­li­chen Nut­zungs­um­fangs ei­nes Kraft­fahr­zeugs nicht als pri­va­te, son­dern als be­trieb­li­che Nut­zung zu wer­ten. Auch dies sei mit dem Werkstor­prin­zip nicht ver­ein­bar.

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Im Hin­blick auf die Re­ge­lung des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG sei das Werkstor­prin­zip nicht um­ge­setzt wor­den: Wenn die Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte pri­vat ver­an­lasst sei­en, müsse die Nut­zung des Fahr­zeugs mit dem pau­scha­len An­satz von 1 % des Lis­ten­prei­ses pro Mo­nat ab­ge­deckt sein.

Der Ab­zug von Kin­der­be­treu­ungs­kos­ten als (bzw. wie) Er­werbs­auf­wen­dun­gen gemäß § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4f EStG wi­der­spre­che dem Werkstor­prin­zip. Dies gel­te ent­spre­chend für den teil­wei­sen Ab­zug von Be­wir­tungs­auf­wen­dun­gen gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG.

Die ge­nann­ten Wer­tungs­wi­dersprüche mach­ten deut­lich, dass mit der Neu­re­ge­lung des § 9 Abs. 2 EStG und der Auf­he­bung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ein Werkstor­prin­zip als all­ge­mei­ne Grund­ent­schei­dung der Ein­kom­mens­be­steue­rung noch nicht ge­schaf­fen wor­den sei.

Da die Auf­wen­dun­gen für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte aus­sch­ließlich be­ruf­lich ver­an­lasst sei­en, sei ein Ab­zug die­ser Er­werbs­auf­wen­dun­gen auf­grund des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips zwin­gend ge­bo­ten. Auf­grund des all­ge­mei­nen Gleich­heits­sat­zes (Art. 3 Abs. 1 GG), des­sen spe­zi­el­le Aus­prägung das Ge­bot der Be­steue­rung nach der Leis­tungsfähig­keit sei, sei es dem Staat ver­wehrt, aus rein fis­ka­li­schen Gründen be­stimm­te Er­werbs­auf­wen­dun­gen, de­nen sich der Steu­er­pflich­ti­ge zur Er­zie­lung der Er­werbs­ein­nah­men nicht ent­zie­hen könne, vom Ab­zug aus­zu­sch­ließen.

Selbst wenn man die Auf­wen­dun­gen für die We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte als ge­mischt ver­an­lasst be­trach­te, ver­s­toße die Neu­re­ge­lung ge­gen ver­fas­sungs­recht­li­che Vor­ga­ben, nämlich ge­gen das sub­jek­ti­ve Net­to­prin­zip, das eben­falls Aus­fluss des Grund­sat­zes der Be­steue­rung nach der Leis­tungsfähig­keit sei. Nach der Recht­spre­chung des BVerfG sei­en auch pri­vat ver­an­lass­te Auf­wen­dun­gen, die dem Steu­er­pflich­ti­gen zwangsläufig und im Hin­blick auf grund­recht­lich geschütz­te Wer­te entständen, dem Zu­griff der Ein­kom­mens­be­steue­rung im Rah­men der Be­steue­rung nach der Leis­tungsfähig­keit ent­zo­gen. Es ste­he nicht oh­ne wei­te­res zur Dis­po­si­ti­on des Ge­setz­ge­bers, ob er pri­vat ver­an­lass­ten Auf­wand steu­er­lich berück­sich­ti­ge oder nicht. Viel­mehr ha­be der Ge­setz­ge­ber die un­ter­schied­li­chen Gründe, die den Auf­wand ver­an­lass­ten, auch dann im Lich­te der be­trof­fe­nen Grund­rech­te dif­fe­ren­zie­rend zu würdi­gen, wenn sie der Sphäre der all­ge­mei­nen pri­va­ten Le­bensführung zu­zu­ord­nen sei­en. Des­halb kom­me es auf die Un­ter­schei­dung, ob die Auf­wen­dun­gen für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte in vol­lem Um­fang durch die Be­rufstätig­keit ver­an­lasst sei­en oder ob hier auch ei­ne pri­va­te Mit­ver­an­las­sung ge­ge­ben sei, nicht ent­schei­dend an. Denn die Auf­wen­dun­gen entständen dem Steu­er­pflich­ti­gen zwangsläufig. Die Fahrt­kos­ten könn­ten nur da­durch ver­mie­den wer­den, dass die Ar­beit­neh­mer ständig zum Werks­tor zögen. Ei­ne sol­che For­de­rung sei je­doch un­rea­lis­tisch und mit dem grund­recht­lich verbürg­ten Schutz von Ehe und Fa­mi­lie (Art. 6 Abs. 1 GG) und dem Grund­recht der Freizügig­keit (Art. 11 GG) nicht ver­ein­bar.

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Die Neu­re­ge­lung ver­s­toße fer­ner ge­gen das Ge­bot der fol­ge­rich­ti­gen Um­set­zung. Nach der Recht­spre­chung des BVerfG stel­le es ei­ne Grund­ent­schei­dung des deut­schen Ein­kom­men­steu­er­rechts dar, die steu­er­recht­lich er­heb­li­che Be­rufs­sphäre nicht erst am Werks­tor be­gin­nen zu las­sen. Tra­di­tio­nell er­ken­ne das deut­sche Ein­kom­men­steu­er­recht Mo­bi­litätskos­ten, die im Schnitt­be­reich von Be­ruf und pri­va­ter Le­bensführung lägen, als Wer­bungs­kos­ten oder Be­triebs­aus­ga­ben an. Da­nach gehörten, so das BVerfG in sei­nem Be­schluss in BVerfGE 107, 27, BSt­Bl II 2003, 534, vor al­lem Fahrt­kos­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte zu den im Rah­men des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips ab­zugsfähi­gen be­ruf­li­chen Auf­wen­dun­gen, ob­wohl sol­che Auf­wen­dun­gen we­gen der pri­va­ten Wahl des Wohn­orts zwangsläufig auch pri­vat mit­ver­an­lasst sei­en. Zwar ge­nieße die­se Tra­di­ti­on des deut­schen Ein­kom­men­steu­er­rechts kei­ne "Ewig­keits­ga­ran­tie". Des­halb könne sie der Ge­setz­ge­ber im Rah­men ei­ner neu­en Kon­zep­ti­on auch auf­ge­ben. Da­zu bedürfe es je­doch ei­nes be­son­de­ren sach­li­chen Grun­des. Ein sol­cher sei hier nicht ge­ge­ben. Die rein fis­ka­li­schen Erwägun­gen, die für die ge­setz­li­che Neu­re­ge­lung aus­schlag­ge­bend ge­we­sen sei­en, stell­ten je­den­falls ei­nen sol­chen be­son­de­ren sach­li­chen Grund nicht dar. Zu­dem ha­be der Ge­setz­ge­ber das Werkstor­prin­zip nur im Hin­blick auf die Fahr­ten von der Woh­nung zur Ar­beitsstätte bis zum 20. Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter ein­geführt. Bei ei­ner fol­ge­rich­ti­gen Um­set­zung des Werkstor­prin­zips hätten auch die grundsätz­li­chen Re­ge­lun­gen zur Ab­zugsfähig­keit von Wer­bungs­kos­ten (§ 9 Abs. 1 EStG) und Be­triebs­aus­ga­ben (§ 4 Abs. 4 EStG) ei­ne Ände­rung er­fah­ren müssen. Auch der Um­stand, dass der Ab­zug der Fahrt­kos­ten ab dem 21. Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter und der Auf­wen­dun­gen für Fa­mi­li­en­heim­fahr­ten im Rah­men der dop­pel­ten Haus­haltsführung wei­ter­hin un­ein­ge­schränkt möglich sei, sei ein Ver­s­toß ge­gen das Ge­bot der fol­ge­rich­ti­gen Um­set­zung ei­ner (an­geb­lich) neu­en Grund­ent­schei­dung des Ge­setz­ge­bers.

Sch­ließlich ver­s­toße die ge­setz­li­che Neu­re­ge­lung in den Fällen bei­der­seits be­rufstäti­ger Ehe­gat­ten auch ge­gen den grund­ge­setz­lich ga­ran­tier­ten Schutz von Ehe und Fa­mi­lie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG. Der Ge­setz­ge­ber müsse Re­ge­lun­gen ver­mei­den, die ge­eig­net sei­en, in die freie Ent­schei­dung der Ehe­gat­ten über ih­re Auf­ga­ben­ver­tei­lung in der Ehe ein­zu­grei­fen. Im Streit­fall sei­en bei­de Ehe­gat­ten be­rufstätig und ar­bei­te­ten an un­ter­schied­li­chen Or­ten. Ei­nen "auf­wands­neu­tra­len" ge­mein­sa­men Fa­mi­li­en­wohn­sitz könne es nicht ge­ben. Die Ver­la­ge­rung des Fa­mi­li­en­wohn­sit­zes in die Nähe des Ar­beits­plat­zes ei­nes Ehe­gat­ten würde ei­nen deut­lich erhöhten Zeit­auf­wand des an­de­ren Ehe­gat­ten zur Fol­ge ha­ben. Wenn Art. 6 Abs. 1 GG den Ehe­gat­ten ei­nen ge­mein­sa­men Fa­mi­li­en­wohn­sitz ga­ran­tie­re, dann stell­ten die Kos­ten der Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte für bei­de Ehe­gat­ten ei­nen zwangsläufi­gen Auf­wand für die Ver­ein­bar­keit von Fa­mi­lie und Be­ruf dar.

Der Kläger be­an­tragt, das an­ge­foch­te­ne Ur­teil so­wie den Be­scheid vom 23. Ok­to­ber 2006 in Ge­stalt der Ein­spruchs­ent­schei­dung vom 14. No­vem­ber 2006 auf­zu­he­ben und das FA zu ver­pflich­ten, ei­nen wei­te­ren Frei­be­trag in Höhe von 1 320 € auf der Lohn­steu­er­kar­te 2007 ein­zu­tra­gen. Vor­sorg­lich be­an­tragt er fest­zu­stel­len, dass

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die Ab­leh­nung des FA, ei­nen wei­te­ren Frei­be­trag in Höhe von 1 320 € auf der Lohn­steu­er­kar­te 2007 ein­zu­tra­gen, rechts­wid­rig ist.

Das FA be­an­tragt, die Re­vi­si­on zurück­zu­wei­sen.

Nach Auf­fas­sung des FA verstößt die ge­setz­li­che Neu­re­ge­lung nicht ge­gen die Ver­fas­sung. Aus dem all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz lei­te­ten sich im Steu­er­recht das Prin­zip der Steu­er­ge­rech­tig­keit, das Willkürver­bot und das Leis­tungsfähig­keits­prin­zip ab. Kon­kre­ti­sie­run­gen des Leis­tungsfähig­keits­prin­zips sei­en das ob­jek­ti­ve und das sub­jek­ti­ve Net­to­prin­zip. Der Ge­setz­ge­ber ha­be durch die Neu­re­ge­lung den An­wen­dungs­be­reich des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips neu de­fi­niert. Da­durch, dass die­se ge­misch­ten Auf­wen­dun­gen aus­sch­ließlich der pri­va­ten Sphäre zu­ge­ord­net würden, sei­en sie nicht mehr als Wer­bungs­kos­ten an­zu­se­hen. Sie sei­en da­mit dem An­wen­dungs­be­reich des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips ent­zo­gen. Der Ge­setz­ge­ber ha­be in­so­weit sei­nen ver­fas­sungs­recht­lich an­er­kann­ten Einschätzungs- und Ge­stal­tungs­frei­raum bei der Schaf­fung ein­fach­ge­setz­li­cher Vor­schrif­ten ge­nutzt. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers sei­en die Auf­wen­dun­gen für die We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte auch nicht ver­fas­sungs­recht­lich zwangsläufig. Es sei zu berück­sich­ti­gen, dass die Wahl des Wohn­orts ein Aus­fluss der all­ge­mei­nen Hand­lungs­frei­heit des Steu­er­pflich­ti­gen sei und pri­va­te Mo­ti­ve über­wie­gend für die Wahl maßge­bend sei­en. Der Steu­er­pflich­ti­ge ha­be je­doch kei­nen An­spruch auf Förde­rung die­ser Grund­rechts­betäti­gung durch den Staat. Die Wohn­ort­fra­ge müsse auf­grund ei­nes neu­en Ar­beits­plat­zes über­prüft und even­tu­ell neu ent­schie­den wer­den. Da ein Ar­beit­neh­mer sei­nen Ar­beits­platz im Lau­fe sei­nes Be­rufs­le­bens re­gelmäßig häufi­ger wech­seln müsse, könne die Wahl des Wohn­orts auch ei­ne di­rek­te Fol­ge ei­nes Ar­beits­platz­wech­sels oder ei­ner erst­ma­li­gen Be­rufs­auf­nah­me sein.

Nach Auf­fas­sung des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Fi­nan­zen (BMF), das dem Ver­fah­ren bei­ge­tre­ten ist (§ 122 Abs. 2 Satz 1 der Fi­nanz­ge­richts­ord­nung --FGO--), hat der Ge­setz­ge­ber sei­ne bis­he­ri­ge "Grund­ent­schei­dung (...), die steu­er­recht­lich er­heb­li­che Be­rufs­sphäre nicht erst 'am Werks­tor' be­gin­nen zu las­sen", geändert und ei­nen hin­rei­chend fol­ge­rich­ti­gen, verhält­nismäßigen Über­gang zum "Werkstor­prin­zip" voll­zo­gen. Da­bei ha­be ei­ne ge­bo­te­ne Würdi­gung der Ände­rung der Grund­ent­schei­dung "im Lich­te der Grund­rech­te" den Ge­setz­ge­ber ver­an­lasst, im We­ge von Härte­re­ge­lun­gen in § 9 Abs. 2 Sätze 2 bis 10 EStG den Ab­zug der Pau­schal­beträge für Ent­fer­nun­gen ab dem 21. Ki­lo­me­ter so­wie für Fa­mi­li­en­heim­fahr­ten zu­zu­las­sen, weil be­son­de­re Härten für Fern­pend­ler ent­ste­hen könn­ten, de­ren Wohn­ort­wahl durch fa­mi­liäre Er­for­der­nis­se be­stimmt sein könne. Auch vor dem Hin­ter­grund, dass von Ar­beit­neh­mern heu­te ei­ne erhöhte Mo­bi­lität und Fle­xi­bi­lität ge­for­dert wer­de, ha­be der Ge­setz­ge­ber zur Wah­rung der so­zia­len Aus­ge­wo­gen­heit die­se Härte­re­ge­lung für sach­ge­recht ge­hal­ten.

Maßstab der ver­fas­sungs­recht­li­chen Prüfung des § 9 Abs. 2 EStG sei der für den Be­reich des Steu­er­rechts aus dem all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz des Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem So­zi­al­staats­prin­zip der Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG

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ab­ge­lei­te­te Grund­satz der Be­steue­rung nach der ob­jek­ti­ven und sub­jek­ti­ven Leis­tungsfähig­keit. In en­gem Zu­sam­men­hang mit die­sem Grund­satz sei eben­so das aus Art. 3 Abs. 1 GG ab­ge­lei­te­te ver­fas­sungs­recht­li­che Ge­bot der Fol­ge­rich­tig­keit so­wie das Ge­bot zum Schutz von Ehe und Fa­mi­lie des Art. 6 Abs. 1 GG für die Ver­fas­sungsmäßig­keit der Neu­re­ge­lung von Be­deu­tung. Die ge­nann­ten ver­fas­sungs­recht­li­chen Maßstäbe würden durch die Neu­re­ge­lung des § 9 Abs. 2 EStG ge­wahrt.

Der de­mo­kra­tisch le­gi­ti­mier­te Ge­setz­ge­ber ha­be für die We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte den An­wen­dungs­be­reich des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips de­fi­niert und da­mit ei­ne frühe­re (ein­fach­recht­li­che) Grund­ent­schei­dung zur steu­er­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­on die­ser Auf­wen­dun­gen geändert. Die ge­misch­te Ver­an­las­sung die­ser Auf­wen­dun­gen er­for­de­re zur Si­cher­stel­lung ei­ner gleichmäßigen Steu­er­er­he­bung ei­ne ein­deu­ti­ge ge­setz­ge­be­ri­sche Zu­ord­nungs­ent­schei­dung. Bei den Auf­wen­dun­gen für die We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte han­de­le es sich um ge­misch­te Auf­wen­dun­gen. Dies ha­be das BVerfG in sei­ner grund­le­gen­den Ent­schei­dung zur dop­pel­ten Haus­haltsführung in BVerfGE 107, 27, BSt­Bl II 2003, 534 so ge­se­hen. Auch der Steu­er­ge­setz­ge­ber sei für das ein­fach­ge­setz­li­che Steu­er­recht seit je­her da­von aus­ge­gan­gen, dass die Fahrt­auf­wen­dun­gen so­wohl be­ruf­lich als auch pri­vat ver­an­lasst sei­en.

Mit dem Über­gang zum sog. Werkstor­prin­zip ha­be der Ge­setz­ge­ber sei­nen ver­fas­sungs­recht­lich an­er­kann­ten Einschätzungs- und Ge­stal­tungs­frei­raum bei der Aus­wahl ei­nes Steu­er­ge­gen­stan­des und der Aus­ge­stal­tung ge­setz­ge­be­ri­scher Grund­ent­schei­dun­gen in ver­fas­sungsmäßiger Wei­se in An­spruch ge­nom­men. Das BVerfG ha­be in sei­nem Be­schluss in BVerfGE 107, 27, BSt­Bl II 2003, 534 aus­geführt, es sei ei­ne "Grund­ent­schei­dung des deut­schen Ein­kom­men­steu­er­rechts, die steu­er­recht­lich er­heb­li­che Be­rufs­sphäre nicht erst 'am Werks­tor' be­gin­nen zu las­sen." Bei sach­ge­rech­ter Würdi­gung die­ser Ausführun­gen im Kon­text der Ent­schei­dung las­se sich die­se For­mu­lie­rung nur da­hin­ge­hend ver­ste­hen, dass nach Auf­fas­sung des Ge­richts der ver­fas­sungs­recht­lich ga­ran­tier­te ge­setz­ge­be­ri­sche Einschätzungs-und Ge­stal­tungs­frei­raum ge­ra­de auch die Ent­schei­dung über die Zu­ord­nung von Auf­wen­dun­gen für We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte zur be­ruf­li­chen oder zur pri­va­ten Sphäre des Steu­er­pflich­ti­gen um­fas­se. Der wei­te Einschätzungs- und Ge­stal­tungs­frei­raum des Ge­setz­ge­bers schließe da­her den­knot­wen­dig auch die Be­fug­nis zur Ände­rung die­ser sys­tem­bil­den­den ein­fach­ge­setz­li­chen "Grund­ent­schei­dung" ein. In­dem der Ge­setz­ge­ber die ge­misch­ten Auf­wen­dun­gen für We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte nun­mehr grundsätz­lich aus­sch­ließlich und vollständig der Pri­vat­sphäre des Steu­er­pflich­ti­gen zu­ord­ne, sei­en die­se Auf­wen­dun­gen dem An­wen­dungs­be­reich des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips ent­zo­gen. In § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG re­ge­le der Ge­setz­ge­ber al­so nicht ei­ne Durch­bre­chung des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips, son­dern de­fi­nie­re des­sen An­wen­dungs­be­reich selbst, in­dem er gemäß sei­ner ori­ginären Be­fug­nis im ge­wal­ten­tei­len­den Ver­fas­sungs­staat ei­ne neue steu­er­li­che Be­las­tungs­ent­schei­dung tref­fe und ei­ne Neu­be­stim­mung von steu­er­lich als gleich zu

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be­han­deln­den Sach­ver­hal­ten vor­neh­me. Der Ge­stal­tungs­frei­raum des Ge­setz­ge­bers sei auch nicht des­halb über­schrit­ten, weil die Ände­rung der Grund­ent­schei­dung le­dig­lich fis­ka­lisch mo­ti­viert ge­we­sen sei.

Die Neu­re­ge­lung ver­let­ze auch das sub­jek­ti­ve Net­to­prin­zip nicht. We­der führe die Neu­re­ge­lung zu ei­ner ver­fas­sungs­recht­lich un­zulässi­gen Be­steue­rung des Exis­tenz­mi­ni­mums noch sei­en die Auf­wen­dun­gen für We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte im ver­fas­sungs­recht­li­chen Sin­ne zwangsläufig, so­weit nicht über­durch­schnitt­lich lan­ge Fahrt­we­ge aus über­wie­gend durch Art. 6 Abs. 1 GG geschütz­ten ehe­li­chen oder fa­mi­liären Gründen entständen. Der ein­kom­mens­min­dern­de steu­er­li­che Ab­zug die­ser Auf­wen­dun­gen sei je­den­falls nicht über die mit den Härte­re­ge­lun­gen in § 9 Abs. 2 Sätze 2 ff. EStG ge­schaf­fe­nen Ab­zugsmöglich­kei­ten hin­aus von Ver­fas­sungs we­gen ge­bo­ten:

Durch die Neu­re­ge­lung kom­me es nicht zu ei­ner Be­steue­rung des Exis­tenz­mi­ni­mums, auch nicht im un­te­ren Ein­kom­mens­be­reich. Zwar könn­ten auf­grund der Neu­re­ge­lung Fall­ge­stal­tun­gen möglich sein, in de­nen Steu­er­pflich­ti­ge in Abhängig­keit von der Länge ih­res Fahrt­we­ges und der Höhe ih­res zu ver­steu­ern­den Ein­kom­mens künf­tig nur des­halb über­haupt mit Ein­kom­men­steu­er be­las­tet würden, weil der ein­kom­mens­min­dern­de Ab­zug der Auf­wen­dun­gen für We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte für Ent­fer­nun­gen bis 20 km nicht möglich sei. Über die An­zahl der Fälle lägen kei­ne sta­tis­ti­schen Da­ten vor. Vor­aus­set­zung sei das Zu­sam­men­tref­fen von ge­rin­gem Ein­kom­men na­he dem Exis­tenz­mi­ni­mum und zu­gleich sehr ho­hen Fahrt­kos­ten in Ver­bin­dung mit ho­hen Wer­bungs­kos­ten. Das spre­che dafür, dass es sich um sel­te­ne, be­son­ders ge­la­ger­te Aus­nah­mefälle han­de­le. Im Übri­gen fol­ge dar­aus nicht, dass die Neu­re­ge­lung zu ei­ner Be­steue­rung des steu­er­frei zu stel­len­den Exis­tenz­mi­ni­mums führe. Viel­mehr wer­de die­ses in Höhe des --auf der Grund­la­ge des in den Exis­tenz­mi­ni­mum­be­rich­ten der Bun­des­re­gie­rung rea­litäts­ge­recht ty­pi­sier­ten-- le­bens­not­wen­di­gen Be­darfs ent­spre­chend den Vor­ga­ben des BVerfG durch den Grund­frei­be­trag und die Vor­schrif­ten des Fa­mi­li­en­leis­tungs­aus­gleichs in je­dem Fall von der Be­steue­rung frei­ge­stellt. Nach der Recht­spre­chung des BVerfG sei der so­zi­al­hil­fe­recht­li­che Min­dest­be­darf die Maßgröße für die Er­mitt­lung des steu­er­frei zu stel­len­den sächli­chen Exis­tenz­mi­ni­mums. Die Be­rech­nungs­me­tho­de berück­sich­ti­ge die so­zi­al­hil­fe­recht­li­chen Be­darfs­kom­po­nen­ten: Re­gelsätze so­wie Miet- und Heiz­kos­ten. Auf­wen­dun­gen für die We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte sei­en nicht Teil des exis­tenz­not­wen­di­gen sächli­chen Be­darfs.

Über die Frei­stel­lung des exis­tenz­not­wen­di­gen sächli­chen Be­darfs im Rah­men des steu­er­li­chen Exis­tenz­mi­ni­mums hin­aus könne nach der Recht­spre­chung des BVerfG der steu­er­li­che Ab­zug pri­vat ver­an­lass­ter Auf­wen­dun­gen von Ver­fas­sungs we­gen nur zwin­gend sein, so­weit die Auf­wen­dun­gen "im Lich­te der Grund­rech­te" pflicht­be­stimmt bzw. un­ver­meid­bar, al­so "ver­fas­sungs­recht­lich zwangsläufig" sei­en. Das tref­fe für die We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte grundsätz­lich nicht zu. Le­dig­lich wenn und so­weit Steu­er­pflich­ti­ge über­durch­schnitt­lich lan­ge Ar­beits­we­ge aus

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über­wie­gend ehe­li­chen oder fa­mi­liären Gründen in Kauf nähmen, er­schei­ne ein ver­fas­sungs­recht­li­cher Schutz ge­bo­ten. Den ha­be die Neu­re­ge­lung je­doch im We­ge der Härte­re­ge­lun­gen des § 9 Abs. 2 Sätze 2 ff. EStG gewähr­leis­tet.

Bei der Be­ur­tei­lung, was über­durch­schnitt­li­che Be­las­tun­gen in­fol­ge über­durch­schnitt­lich lan­ger Fahrt­we­ge sei­en, ste­he dem Ge­setz­ge­ber von Ver­fas­sungs we­gen ei­ne weit­rei­chen­de Be­fug­nis zur Ty­pi­sie­rung und Pau­scha­lie­rung zu. Da­von ha­be der Ge­setz­ge­ber durch die Härte­re­ge­lun­gen Ge­brauch ge­macht. Ins­be­son­de­re ha­be er die 20-km-Gren­ze, ab der von ei­ner über­durch­schnitt­lich wei­ten Ent­fer­nung aus­ge­gan­gen wer­den könne und da­her ein Ab­zug der Auf­wen­dun­gen für We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte als Härte­re­ge­lung ty­pi­sie­rend zu­ge­las­sen wer­de, an­hand sach­ge­rech­ter Maßstäbe be­stimmt. Die Fest­le­gung der km-Gren­ze sei nicht rea­litäts­fern oder gar willkürlich. Viel­mehr ha­be sich der Ge­setz­ge­ber an­hand sta­tis­ti­scher Da­ten ori­en­tiert, nach de­nen 83 % der Pend­ler ei­ne Ent­fer­nung zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte von we­ni­ger als 26 km hätten.

Der Ge­setz­ge­ber ha­be auch berück­sich­tigt, dass die durch die Ände­rung der Grund­ent­schei­dung be­wirk­te Mehr­be­las­tung mit der Ent­fer­nung zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte stei­ge. Ei­ner Mo­dell­rech­nung las­se sich ent­neh­men, dass sich ins­be­son­de­re für Fern­pend­ler mit Ent­fer­nun­gen über 20 km, die et­wa 1/4 al­ler Steu­er­pflich­ti­gen (6,8 Mio.) aus­mach­ten, deut­li­che Mehr­be­las­tun­gen ergäben. Während --be­zo­gen auf die Ge­samt­heit der ver­an­lag­ten Ar­beit­neh­mer (26,6 Mio.)-- rund 42 % (11,3 Mio.) mit ei­nem Jah­res­be­trag von durch­schnitt­lich 239 € mehr­be­las­tet würden, sei­en von den Fern­pend­lern --trotz Härte­re­ge­lung-- rund 84 % (5,8 Mio.) mit ei­nem durch­schnitt­li­chen Jah­res­be­trag von 322 € mehr­be­las­tet. Der Ge­setz­ge­ber ha­be da­her ty­pi­sie­rend da­von aus­ge­hen können, dass ei­ne über­durch­schnitt­li­che Be­las­tung von Pend­lern, die im Lich­te der Grund­rech­te An­lass für ei­ne Härte­re­ge­lung ge­ben könne, erst ab ei­nem Fahrt­weg von mehr als 20 km ein­tre­ten könne. Darüber hin­aus spre­che auch viel für die An­nah­me, dass über­durch­schnitt­lich lan­ge Fahrt­we­ge durch Steu­er­pflich­ti­ge ins­be­son­de­re auch aus ehe­li­chen und fa­mi­liären Gründen in Kauf ge­nom­men würden. Schon die all­ge­mei­ne Le­bens­er­fah­rung le­ge na­he, dass über­wie­gend ehe­li­che und fa­mi­liäre Bin­dun­gen Steu­er­pflich­ti­ge ver­an­lass­ten, über­durch­schnitt­lich lan­ge Ar­beits­we­ge in Kauf zu neh­men. Sta­tis­tisch sei zu be­le­gen, dass die Mehr­zahl der sog. Fern­pend­ler, de­ren Ar­beits­weg länger als 20 km sei, ver­hei­ra­tet sei (rd. 53 %).

Die Härte­re­ge­lung be­wir­ke auch, dass bei­der­seits be­rufstäti­ge Ehe­gat­ten durch die Neu­re­ge­lung nicht be­nach­tei­ligt würden. Durch § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG sei im Zu­sam­men­hang mit der spe­zi­el­len Härte­re­ge­lung für Fa­mi­li­en­heim­fahr­ten hin­rei­chend si­cher­ge­stellt, dass je­der Ehe­gat­te un­abhängig da­von, ob und wo ein ge­mein­sa­mer Fa­mi­li­en­wohn­sitz be­gründet wer­de und ob ein Ehe­gat­te an sei­nem vom Fa­mi­li­en­wohn­sitz ab­wei­chen­den Beschäfti­gungs­ort ei­ne dop­pel­te Haus­haltsführung be­gründe, stets die Auf­wen­dun­gen für We­ge ab­zie­hen könne, die über Ent­fer­nun­gen von 20 km hin­aus­gin­gen.

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Darüber hin­aus ge­be es kein ver­fas­sungs­recht­li­ches Ge­bot, bei­der­seits be­rufstäti­ge Ehe­gat­ten ge­genüber al­len an­de­ren Steu­er­pflich­ti­gen et­wa da­hin­ge­hend zu pri­vi­le­gie­ren, dass die­se auch Auf­wen­dun­gen für We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte bis zu 20 Ent­fer­nungs­ki­lo­me­tern steu­er­lich ab­zie­hen können müss­ten.

Durch die Neu­re­ge­lung wer­de auch das ver­fas­sungs­recht­li­che Ge­bot der Fol­ge­rich­tig­keit ge­wahrt. Die­ses wer­de ins­be­son­de­re nicht da­durch ver­letzt, dass ein Ab­zug der Auf­wen­dun­gen für We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte ab dem 21. Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter ty­pi­sie­rend zu­ge­las­sen wer­de. Die­se Re­ge­lung sei viel­mehr Aus­druck der sach­ge­rech­ten Würdi­gung des Über­gangs zum Werkstor­prin­zip im Licht der Grund­rech­te und des Verhält­nismäßig­keits­prin­zips und da­mit ge­ra­de not­wen­di­ge Vor­aus­set­zung für die Ver­ein­bar­keit der Neu­re­ge­lung mit grund­le­gen­den all­ge­mei­nen Ver­fas­sungs­prin­zi­pi­en. Eben­so we­nig ver­letz­ten die Härte­re­ge­lun­gen über Fa­mi­li­en­heim­fahr­ten oder die wei­ter be­ste­hen­den Re­ge­lun­gen über den Ab­zug not­wen­di­ger Mehr­auf­wen­dun­gen bei dop­pel­ter Haus­haltsführung das Ge­bot der Fol­ge­rich­tig­keit. Die­se Auf­wen­dun­gen sei­en nach der Recht­spre­chung des BVerfG zwangsläufi­ge Mehr­auf­wen­dun­gen für die Ver­ein­bar­keit von Ehe und Be­ruf, so­weit bei­der­seits be­rufstäti­ge Ehe­gat­ten be­trof­fen sei­en. An die­ser Wer­tung ha­be sich mit dem Über­gang zum Werkstor­prin­zip nichts geändert. Denn nach der Neu­re­ge­lung sei­en bei der Be­gründung ei­ner dop­pel­ten Haus­haltsführung die We­ge­auf­wen­dun­gen des­je­ni­gen Ehe­gat­ten, der die dop­pel­te Haus­haltsführung be­gründet ha­be, vor Ort an sei­nem vom ge­mein­sa­men Fa­mi­li­en­wohn­ort ab­wei­chen­den Beschäfti­gungs­ort eben­falls nur steu­er­lich ab­zieh­bar, so­weit sie 20 km über­stie­gen. Das Werkstor­prin­zip wir­ke hier für den be­tref­fen­den Ehe­gat­ten al­so am Beschäfti­gungs­ort. Die ne­ben den We­ge­auf­wen­dun­gen am Beschäfti­gungs­ort an­fal­len­den Auf­wen­dun­gen für Fa­mi­li­en­heim­fahr­ten stell­ten darüber hin­aus­ge­hen­de Mehr­be­las­tun­gen dar, die der Ge­setz­ge­ber im Licht des Art. 6 Abs. 1 GG in zulässi­ger Wei­se ty­pi­sie­rend zum Ab­zug zu­las­se. Wenn der Ge­setz­ge­ber da­bei aus wirt­schafts- und so­zi­al­po­li­ti­schen Gründen und auch aus Ver­ein­fa­chungs­gründen le­di­gen Steu­er­pflich­ti­gen die­se Härte­re­ge­lung eben­falls gewähre, sei dies ver­fas­sungs­recht­lich nicht zu be­an­stan­den.

II.

B. Ent­schei­dung des Se­nats Die Aus­set­zung des Ver­fah­rens und die Vor­la­ge an das BVerfG sind gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 des Ge­set­zes über das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfGG) ge­bo­ten, weil der Se­nat § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des StÄndG 2007 in­so­weit mit dem GG für un­ver­ein­bar hält, als die Auf­wen­dun­gen des Ar­beit­neh­mers für die We­ge zwi­schen Woh­nung und re­gelmäßiger Ar­beitsstätte kei­ne Wer­bungs­kos­ten sind und auch nicht in an­de­rer Wei­se die ein­kom­men­steu­er­li­che Be­mes­sungs­grund­la­ge min­dern.

I. Be­ur­tei­lung am Maßstab des ein­fa­chen Rechts

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Das FA hat die Vor­schrif­ten über die Ein­tra­gung ei­nes Frei­be­trags auf der Lohn­steu­er­kar­te zu­tref­fend an­ge­wen­det. Auf der Grund­la­ge der ein­fach­ge­setz­li­chen Rechts­la­ge müss­te die Re­vi­si­on des Klägers zurück­ge­wie­sen wer­den.

Gemäß § 39a Abs. 1 Nr. 1 EStG wer­den als vom Ar­beits­lohn ab­zu­zie­hen­der Frei­be­trag die Wer­bungs­kos­ten ein­ge­tra­gen, die bei den Einkünf­ten aus nicht­selbständi­ger Ar­beit an­fal­len, so­weit sie den Ar­beit­neh­mer-Pausch­be­trag (§ 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) über­stei­gen. Auf­wen­dun­gen des Ar­beit­neh­mers für die We­ge zwi­schen Woh­nung und re­gelmäßiger Ar­beitsstätte sind in die­sem Sin­ne kei­ne Wer­bungs­kos­ten (§ 9 Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des StÄndG 2007). Sie können, wie im Streit­fall ge­sche­hen, le­dig­lich ab dem 21. Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter pau­schal "wie" Wer­bungs­kos­ten steu­er­lich berück­sich­tigt wer­den (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG).

II. Rechts­ent­wick­lung der im Streit­fall maßgeb­li­chen Vor­schrif­ten

Die im Streit­fall ein­schlägi­gen Nor­men des Ein­kom­men­steu­er­rechts ha­ben sich ent­ste­hungs­ge­schicht­lich wie folgt ent­wi­ckelt:

1. Während die Preußischen Ein­kom­men­steu­er­ge­set­ze von 1891 und 1906 --ent­ge­gen der Recht­spre­chung des Preußischen Ober­ver­wal­tungs­ge­richts-- die Kos­ten für die Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte bei Ar­beit­neh­mern nicht als Wer­bungs­kos­ten an­er­kann­ten, wur­den die­se Kos­ten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EStG vom 29. März 1920 (RGBl 1920, 359) zum Ab­zug zu­ge­las­sen, so­weit sie not­wen­dig wa­ren (BFH-Ur­teil vom 18. Fe­bru­ar 1966 VI 219/64, BFHE 86, 39, BSt­Bl III 1966, 386). Die­se Re­ge­lung wur­de oh­ne in­halt­li­che Ände­rung im EStG vom 10. Au­gust 1925 (RGBl I 1925, 189; § 16 Abs. 5 Nr. 4) so­wie im EStG vom 16. Ok­to­ber 1934 (RGBl I 1934, 1005, RSt­Bl 1934, 1261; § 9 Satz 3 Nr. 4) wei­ter­geführt. § 9 Satz 3 Nr. 4 EStG 1934 wur­de un­verändert in das EStG vom 28. De­zem­ber 1950 (BGBl I 1951, 1, BSt­Bl I 1951, 5) über­nom­men.

2. Durch das Ge­setz zur Neu­ord­nung von Steu­ern vom 16. De­zem­ber 1954 (BGBl I 1954, 373, BSt­Bl I 1954, 575) wur­de § 9 Satz 3 Nr. 4 EStG neu ge­fasst. Die Be­schränkung auf not­wen­di­ge Fahrt­kos­ten wur­de auf­ge­ge­ben. Zur Ab­gel­tung des Ab­zugs der Fahrt­kos­ten bei Be­nut­zung ei­nes ei­ge­nen Kraft­fahr­zeugs soll­te durch Rechts­ver­ord­nung je ein Pausch­be­trag für die Be­nut­zung ei­nes Kraft­wa­gens, Mo­tor­rads oder Fahr­rads mit Mo­tor fest­ge­setzt wer­den. Auf­grund die­ser Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge wur­den gemäß § 26 Abs. 2 der Ein­kom­men­steu­er-Durchführungs­ver­ord­nung (ESt­DV) vom 21. De­zem­ber 1955 (BGBl I 1955, 756, BSt­Bl I 1955, 710) bzw. gemäß § 20 Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 Satz 3 der Lohn­steu­er-Durchführungs­ver­ord­nung (LSt­DV) vom 27. Au­gust 1955 (BGBl I 1955, 542, BSt­Bl I 1955, 461) bei Be­nut­zung ei­nes ei­ge­nen Kraft­fahr­zeugs die Auf­wen­dun­gen durch Pausch­beträge li­mi­tiert (je Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter 0,50 DM für Kraft­wa­gen, 0,22 DM für Mo­tor­rad und Mo­tor­rol­ler und 0,12 DM für Fahr­rad mit Mo­tor). Darüber hin­aus konn­ten gemäß § 26 Abs. 1 ESt­DV bzw. § 20 Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 Satz 2 LSt­DV die Fahrt­kos­ten grundsätz­lich nur bis zu ei­ner Ent­fer­nung von 40 km als Wer­bungs­kos­ten in Ab­zug ge­bracht wer­den.

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3. Das Ge­setz zur Ände­rung des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes und des Körper­schaft­steu­er­ge­set­zes vom 5. Ok­to­ber 1956 (BGBl I 1956, 781, BSt­Bl I 1956, 433) er­wei­ter­te § 9 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG um die Ermäch­ti­gung zur Fest­set­zung ei­nes be­son­de­ren Pausch­be­trags für Kleinst­kraft­wa­gen. § 26 Abs. 2 ESt­DV und § 20 Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 Satz 3 LSt­DV wur­den dar­auf­hin ent­spre­chend geändert (Art. 1 Nr. 10 der Zwei­ten Ver­ord­nung zur Ände­rung der ESt­DV vom 7. Fe­bru­ar 1958, BGBl I 1958, 70, BSt­Bl I 1958, 32, bzw. § 1 Nr. 8 der Ver­ord­nung zur Ände­rung und Ergänzung der LSt­DV 1955 vom 21. De­zem­ber 1956, BGBl I 1956, 979, BSt­Bl I 1957, 34).

4. Die Ab­zieh­bar­keit der Kos­ten für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte wur­de durch das Steu­erände­rungs­ge­setz 1966 vom 23. De­zem­ber 1966 (BGBl I 1966, 702, BSt­Bl I 1967, 2) im We­sent­li­chen in der Wei­se neu­ge­stal­tet, dass die Re­ge­lun­gen in § 26 ESt­DV bzw. § 20 Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 LSt­DV mo­di­fi­ziert in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG über­nom­men wur­den. In Satz 2 der Vor­schrift wur­de die Ent­fer­nungs­be­gren­zung von 40 km für al­le Ar­ten von Ver­kehrs­mit­teln aus­nahms­los fest­ge­schrie­ben. Der Ab­zug von Fahrt­auf­wen­dun­gen mit dem ei­ge­nen Kraft­fahr­zeug wur­de in Satz 3 ge­re­gelt. Da­bei wur­den die Pausch­beträge auf zwei re­du­ziert, nämlich für sol­che bei Be­nut­zung ei­nes Kraft­wa­gens ei­ner­seits und bei Be­nut­zung ei­nes Mo­tor­rads oder Mo­tor­rol­lers an­de­rer­seits. Die­se Maßnah­me war mit ei­ner be­tragsmäßigen Her­ab­set­zung der Pausch­beträge ver­bun­den (bei Be­nut­zung ei­nes Kraft­wa­gens von 0,50 DM auf 0,36 DM und bei Be­nut­zung ei­nes Mo­tor­rads oder Mo­tor­rol­lers von 0,22 DM auf 0,16 DM je Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter). Für den Fall, dass dem Ar­beit­neh­mer vom Ar­beit­ge­ber für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte ein Kraft­fahr­zeug zur Verfügung ge­stellt wur­de, be­stimm­te Satz 4 der Vor­schrift, dass der Ar­beit­neh­mer höchs­tens die Pausch­beträge gel­tend ma­chen durf­te. Gemäß dem neu ge­schaf­fe­nen Abs. 2 des § 9 EStG wa­ren die in der Vor­schrift ge­nann­ten Körper­be­hin­der­ten von den Be­stim­mun­gen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 3 und 4 EStG aus­ge­nom­men.

Für die Her­ab­set­zung der Pau­scha­len wa­ren nach den Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en in ers­ter Li­nie all­ge­mei­ne ver­kehrs­po­li­ti­sche Erwägun­gen maßge­bend. Der Ge­setz­ge­ber er­hoff­te sich durch die Kürzung ei­ne Mil­de­rung der Ver­kehrs­schwie­rig­kei­ten in den Bal­lungsräum­en zu den Haupt­ver­kehrs­zei­ten und ei­ne ge­wis­se Ver­la­ge­rung des Be­rufs­ver­kehrs von den Kraft­fahr­zeu­gen auf die öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­tel (BT­Drucks V/1068, 23; IV/2661, 87).

5. Das Steu­erände­rungs­ge­setz 1971 vom 23. De­zem­ber 1970 (BGBl I 1970, 1856, BSt­Bl I 1971, 8) führ­te zur Auf­he­bung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG und da­mit zum Weg­fall der Ent­fer­nungs­be­gren­zung auf 40 km.
6. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG wur­de durch das Steu­er­re­form­ge­setz 1990 vom 25. Ju­li 1988 (BGBl I 1988, 1093, BSt­Bl I 1988, 224) neu­ge­fasst. Die Pausch­beträge für Fahr­ten mit ei­nem ei­ge­nen oder zur Nut­zung über­las­se­nen Kraft­fahr­zeug wur­den bei Be­nut­zung ei­nes Kraft­wa­gens auf 0,50 DM und bei Be­nut­zung ei­nes Mo­tor­rads oder Mo­tor­rol­lers auf 0,22 DM erhöht (Satz 4 der

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Vor­schrift). Für den Ver­an­la­gungs­zeit­raum 1989 be­tru­gen die Pausch­beträge 0,43 DM bzw. 0,19 DM (§ 52 Abs. 13 EStG). Nach Satz 2 des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG durf­ten ar­beitstägli­che Zwi­schen­heim­fahr­ten nur berück­sich­tigt wer­den, so­weit sie durch ei­nen zusätz­li­chen Ar­beits­ein­satz außer­halb der re­gelmäßigen Ar­beits­zeit oder durch ei­ne min­des­tens vierstündi­ge Ar­beits­zeit­un­ter­bre­chung ver­an­lasst wa­ren. Fahr­ten zur Ar­beitsstätte von der wei­ter ent­fernt lie­gen­den Woh­nung wa­ren nur zu berück­sich­ti­gen, wenn sie den Mit­tel­punkt der Le­bens­in­ter­es­sen bil­de­te und nicht nur ge­le­gent­lich auf­ge­sucht wur­de (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 3 EStG).

7. Durch das Steu­erände­rungs­ge­setz 1991 vom 24. Ju­ni 1991 (BGBl I 1991, 1322, BSt­Bl I 1991, 665) wur­den die in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG ge­nann­ten Ki­lo­me­ter-Pausch­beträge auf 0,65 DM bzw. 0,30 DM an­ge­ho­ben (für 1991 auf 0,58 DM bzw. 0,26 DM gemäß § 52 Abs. 13 EStG).

8. Das Miss­brauchs­bekämp­fungs- und Steu­er­be­rei­ni­gungs­ge­setz vom 21. De­zem­ber 1993 (BGBl I 1993, 2310, BSt­Bl I 1994, 50) hob mit Wir­kung ab 1994 die Ki­lo­me­ter-Pausch­beträge auf 0,70 DM bzw. 0,33 DM an.

9. Durch das Ge­setz zur Einführung ei­ner Ent­fer­nungs­pau­scha­le vom 21. De­zem­ber 2000 (BGBl I 2000, 1918, BSt­Bl I 2001, 36 --EntfPauschG--) wur­den § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG völlig neu ge­fasst. Die bis­he­ri­gen Ki­lo­me­ter-Pausch­beträge bei Fahr­ten mit dem ei­ge­nen oder zur Nut­zung über­las­se­nen Kraft­fahr­zeug wur­den durch ei­ne ver­kehrs­mit­tel­un­abhängi­ge ge­staf­fel­te Ent­fer­nungs­pau­scha­le von 0,70 DM für die ers­ten 10 Ki­lo­me­ter bzw. 0,80 DM für je­den wei­te­ren Ki­lo­me­ter, höchs­tens je­doch 10 000 DM, er­setzt. Auf­wen­dun­gen für die Be­nut­zung öffent­li­cher Ver­kehrs­mit­tel konn­ten in tatsäch­li­cher Höhe an­ge­setzt wer­den (§ 9 Abs. 2 Satz 2 EStG). Durch die Ent­fer­nungs­pau­scha­len wa­ren sämt­li­che Auf­wen­dun­gen ab­ge­gol­ten (§ 9 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Mit der Ge­set­zesände­rung woll­te der Ge­setz­ge­ber die so­zia­len Aus­wir­kun­gen der sei­ner­zei­ti­gen star­ken Preis­stei­ge­run­gen für Mi­ne­ralöl auf den Weltmärk­ten auf Per­so­nen und Haus­hal­te, die den da­mit ver­bun­de­nen Las­ten nicht aus­wei­chen und die­se Ent­wick­lung fi­nan­zi­ell kaum bewälti­gen konn­ten, ab­fe­dern (BT­Drucks 14/4242, 5).

Die ge­nann­ten Beträge wur­den durch Art. 1 Nr. 10 des Ge­set­zes zur Um­rech­nung und Glättung steu­er­li­cher Eu­ro-Beträge vom 19. De­zem­ber 2000 (BGBl I 2000, 1790, BSt­Bl I 2001, 3) i.d.F. des EntfPauschG auf 0,36 €, 0,40 € und 5 112 € um­ge­stellt.

10. Die er­neu­te Ände­rung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG durch das Steu­erände­rungs­ge­setz 2001 vom 20. De­zem­ber 2001 (BGBl I 2001, 3794, BSt­Bl I 2002, 4) führ­te u.a. zur Klar­stel­lung, dass sich die Gren­ze von 10 000 DM/5 112 € auf das Ka­len­der­jahr be­zog.

11. Durch das Haus­halts­be­gleit­ge­setz 2004 vom 29. De­zem­ber 2003

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(BGBl I 2003, 3076, BSt­Bl I 2004, 120) wur­de die Ent­fer­nungs­pau­scha­le in der Wei­se her­ab­ge­setzt, dass ab dem Ver­an­la­gungs­zeit­raum 2004 ein­heit­lich für al­le Ent­fer­nun­gen nur noch ei­ne Pau­scha­le von 0,30 € je Ki­lo­me­ter Ent­fer­nung zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte, höchs­tens ein Be­trag von 4 500 € jähr­lich in Ab­zug ge­bracht wer­den durf­te, es sei denn, der Ar­beit­neh­mer be­nutz­te ei­nen ei­ge­nen oder ihm zur Nut­zung über­las­se­nen Kraft­wa­gen.

12. Das StÄndG 2007 führ­te zur Auf­he­bung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Gleich­zei­tig wur­de § 9 Abs. 2 EStG neu ge­fasst. § 9 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EStG lau­ten nun­mehr wie folgt: "Kei­ne Wer­bungs­kos­ten sind die Auf­wen­dun­gen des Ar­beit­neh­mers für die We­ge zwi­schen Woh­nung und re­gelmäßiger Ar­beitsstätte und für Fa­mi­li­en­heim­fahr­ten. Zur Ab­gel­tung erhöhter Auf­wen­dun­gen für die We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte ist ab dem 21. Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter für je­den Ar­beits­tag, an dem der Ar­beit­neh­mer die Ar­beitsstätte auf­sucht, für je­den vol­len Ki­lo­me­ter der Ent­fer­nung ei­ne Ent­fer­nungs­pau­scha­le von 0,30 € wie Wer­bungs­kos­ten an­zu­set­zen, höchs­tens je­doch 4 500 € im Ka­len­der­jahr; ein höhe­rer Be­trag als 4 500 € ist an­zu­set­zen, so­weit der Ar­beit­neh­mer ei­nen ei­ge­nen oder ihm zur Nut­zung über­las­se­nen Kraft­wa­gen be­nutzt."

III. Das Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren zum StÄndG 2007
Das Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren stell­te sich --so­weit es für den Streit­fall von Be­deu­tung ist-- wie folgt dar:

1. Aus­gangs­punkt des StÄndG 2007 wa­ren text­glei­che Ge­setz­entwürfe der Frak­tio­nen der CDU/CSU und der SPD (BT­Drucks 16/1545) und der Bun­des­re­gie­rung (BT­Drucks 16/1859). In der Be­gründung be­tref­fend die Auf­he­bung der Nr. 4 von § 9 Abs. 1 Satz 3 EStG heißt es u.a. (BT­Drucks 16/1545, 13): "Nach gel­ten­dem Recht er­hal­ten Ar­beit­neh­mer, Selbständi­ge und Ge­wer­be­trei­ben­de we­gen der Auf­wen­dun­gen für die We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte/Be­triebsstätte ei­ne ver­kehrs­mit­tel­un­abhängi­ge Ent­fer­nungs­pau­scha­le von 0,30 Eu­ro für je­den vol­len Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter. Bei der Er­mitt­lung der Einkünf­te wer­den die­se Auf­wen­dun­gen nach bis­he­ri­ger Re­ge­lung als Er­werbs­auf­wen­dun­gen (Be­triebs­aus­ga­ben/Wer­bungs­kos­ten) ab­ge­zo­gen. We­gen der Ver­bin­dung nicht nur zur Ar­beit son­dern auch zur Woh­nung han­delt es sich aber nach über­wie­gen­der Auf­fas­sung um ge­misch­te Auf­wen­dun­gen, al­so um Auf­wen­dun­gen, die auch die Le­bensführung be­tref­fen. Bei ge­misch­ten Auf­wen­dun­gen ist es dem Ge­setz­ge­ber möglich, über den Um­fang der Ab­zieh­bar­keit und Nicht­ab­zieh­bar­keit zu ent­schei­den. Be­reits heu­te sind des­we­gen die Auf­wen­dun­gen für die We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte nur be­grenzt ab­zieh­bar. Es ist dem Ge­setz­ge­ber darüber hin­aus aber auch möglich, die Auf­wen­dun­gen grundsätz­lich als nicht ab­zugsfähi­ge Aus­ga­ben zu qua­li­fi­zie­ren. Die not­wen­di­ge Haus­halts­kon­so­li­die­rung er­for­dert ei­ne der­ar­ti­ge Ein­ord­nung. Die We­ge zwi­schen Woh­nung und Be­rufsstätte oder Ar­beitsstätte wer­den der Pri­vat­sphäre zu­ge­ord­net; die Neu­re­ge­lung geht da­von aus, dass die Be­rufs­sphäre erst am 'Werks­tor' be­ginnt (für die­se

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Möglich­keit be­reits: BVerfGE 107, 27 [50]). Die Num­mer 4 in § 9 Abs. 1 Satz 3 EStG wird des­halb auf­ge­ho­ben.

Da­bei soll aber nicht un­berück­sich­tigt blei­ben, dass ei­ne Rei­he von Steu­er­pflich­ti­gen über­durch­schnitt­lich wei­te We­ge zur Be­triebsstätte/Ar­beitsstätte zurück­legt. Aus dem Mi­kro­zen­sus 2004 er­gibt sich, dass rd. 83 Pro­zent der Pend­ler ei­ne Ent­fer­nung zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte von we­ni­ger als 26 km ha­ben; bei rd. 17 Pro­zent beträgt die Ent­fer­nung mehr als 25 km. ..."

Zur Ände­rung des § 9 Abs. 2 EStG heißt es u.a.: "Satz 1 sieht vor, dass die Auf­wen­dun­gen für die We­ge zwi­schen Woh­nung und Be­triebsstätte/Ar­beitsstätte grundsätz­lich nicht mehr als Er­werbs­auf­wen­dun­gen ab­ge­zo­gen wer­den dürfen. Die Ar­beits­sphäre be­ginnt nach die­ser ge­setz­ge­be­ri­schen Grund­ent­schei­dung am Werks­tor: die Auf­wen­dun­gen für die We­ge zwi­schen Woh­nung und Be­triebsstätte/Ar­beitsstätte wer­den der Pri­vat­sphäre zu­ge­rech­net .... Dem Um­stand über­durch­schnitt­li­cher Ent­fer­nung (bei den sog. Fern­pend­lern) wird da­durch Rech­nung ge­tra­gen, dass Auf­wen­dun­gen für mehr als 20 Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter in Höhe von 0,30 Eu­ro pro Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter wie Wer­bungs­kos­ten ab­ge­zo­gen wer­den können (Satz 2). Aus dem Wort 'wie' wird er­sicht­lich, dass es sich bei der Ent­fer­nungs­pau­scha­le für We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte nicht mehr um Wer­bungs­kos­ten han­delt, sie aber tech­nisch als sol­che zu be­han­deln sind. Dies hat z.B. zur Fol­ge, dass der Ar­beit­neh­mer-Pausch­be­trag von 920 Eu­ro (§ 9a Satz 1 Nr. 1 Buch­sta­be a EStG) und das Ver­fah­ren bei der Ein­tra­gung ei­nes Frei­be­trags auf der Lohn­steu­er­kar­te (§ 39a Abs. 1 Nr. 1 EStG) auf sie in glei­cher Wei­se wie bei 'ech­ten' Wer­bungs­kos­ten an­zu­wen­den ist. Das be­deu­tet: Ab­zug bei der Ein­kunfts­er­mitt­lung und Berück­sich­ti­gung im Lohn­steu­er­ermäßigungs­ver­fah­ren nur, so­weit sie zu­sam­men mit an­de­ren Wer­bungs­kos­ten den Ar­beit­neh­mer-Pausch­be­trag über­stei­gen ...."

2. In sei­ner Stel­lung­nah­me zum Ent­wurf ei­nes StÄndG 2007 hat der Bun­des­rat die Bun­des­re­gie­rung ge­be­ten, "die im Ent­wurf vor­ge­se­he­ne Re­ge­lung zur Ent­fer­nungs­pau­scha­le auf ih­re Ver­fas­sungs­fes­tig­keit ins­be­son­de­re hin­sicht­lich der Kap­pungs­gren­ze von 20 Ent­fer­nungs­ki­lo­me­tern so­wie der Ein­hal­tung des steu­er­li­chen Net­to­prin­zips zu prüfen und den Prüfbe­richt dem Bun­des­tag und Bun­des­rat zeit­nah zu­kom­men zu las­sen" (BRDrucks 330/06; BT­Drucks 16/1859 An­la­ge 2). Die Bun­des­re­gie­rung äußer­te sich da­zu wie folgt (BT­Drucks 16/1969): "... Der Ge­setz­ge­ber hat bei der Schaf­fung ein­fach­ge­setz­li­chen Rechts ei­nen wei­ten Einschätzungs- und Ge­stal­tungs­frei­raum, der grundsätz­lich auch die Ent­schei­dung mit ein­sch­ließt, ein­fach­ge­setz­li­che Grund­ent­schei­dun­gen zu ändern. Dies hat der Ge­setz­ge­ber mit dem Ge­setz­ent­wurf zum Steu­erände­rungs­ge­setz 2007 hin­sicht­lich der steu­er­recht­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­on von Auf­wen­dun­gen für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beits- bzw. Be­triebsstätte vor­ge­se­hen. Auf­wen­dun­gen für We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beits- oder Be­triebsstätte wer­den künf­tig --un­abhängig von der Ent­fer­nung-¬nicht mehr als Wer­bungs­kos­ten an­ge­se­hen. Al­le Fahr­ten zur Ar­beit gel­ten künf­tig als aus­sch­ließlich pri­vat ver­an­lasst.

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Der Ge­setz­ge­ber er­kennt je­doch, dass die Ände­rung der Grund­ent­schei­dung zu be­son­de­ren Härten für Fern­pend­ler führen kann, de­ren Wohn­ort­wahl oft durch fa­mi­liäre Er­for­der­nis­se be­stimmt wird. Die­sem Um­stand wird da­durch Rech­nung ge­tra­gen, dass im We­ge von Härte­re­ge­lun­gen der Ab­zug der Pau­schal­beträge für Ent­fer­nun­gen ab dem 21. Ki­lo­me­ter zulässig bleibt. Vor dem Hin­ter­grund, dass von Beschäftig­ten heu­te ei­ne erhöhte Mo­bi­lität und Fle­xi­bi­lität ge­for­dert wird, hält die Bun­des­re­gie­rung zur Wah­rung der so­zia­len Aus­ge­wo­gen­heit der Re­ge­lung und im Hin­blick auf Ar­ti­kel 6 Abs. 1 GG die vor­ge­schla­ge­ne Härte­fall­re­ge­lung für sach­ge­recht und im Hin­blick auf das Verhält­nismäßig­keits­prin­zip für ver­fas­sungs­recht­lich möglich.

Das aus Ar­ti­kel 3 Abs. 1 GG ab­ge­lei­te­te Prin­zip der Be­steue­rung nach der fi­nan­zi­el­len Leis­tungsfähig­keit so­wie das ob­jek­ti­ve Net­to­prin­zip wer­den ge­wahrt. Zum ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zip, bei dem es sich um ei­ne ein­fach­ge­setz­li­che, durch den Steu­er­ge­setz­ge­ber be­stimm­te Kon­kre­ti­sie­rung des ver­fas­sungs­recht­li­chen Ge­bots der Be­steue­rung nach der Leis­tungsfähig­keit han­delt, hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt bis­her of­fen ge­las­sen, ob die Gel­tung die­ses Prin­zips auch ver­fas­sungs­recht­lich ge­bo­ten ist (BVerfGE 107, 27 [48]). In­dem der Ge­setz­ge­ber al­le Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beits- bzw. Be­triebsstätte künf­tig als pri­vat ver­an­lasst an­sieht, de­fi­niert er den An­wen­dungs­be­reich des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips neu und hält sich so­mit im Rah­men sei­nes ver­fas­sungs­recht­lich an­er­kann­ten Einschätzungs- und Ge­stal­tungs­frei­raums.

Die geänder­te Grund­ent­schei­dung des Ge­setz­ge­bers wird durch den Ge­setz­ent­wurf auch fol­ge­rich­tig um­ge­setzt. Die sich aus der Ände­rung der Grund­ent­schei­dung er­ge­ben­den not­wen­di­gen Fol­geände­run­gen wur­den vor­ge­nom­men."

3. Darüber hin­aus hat die Bun­des­re­gie­rung auch in der Ant­wort auf ei­ne Klei­ne An­fra­ge ver­schie­de­ner Ab­ge­ord­ne­ter des Deut­schen Bun­des­tags ("Ver­fas­sungsmäßig­keit und Aus­wir­kun­gen der Ab­schaf­fung der Ent­fer­nungs­pau­scha­le") die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass die Zu­ord­nung der Auf­wen­dun­gen für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte zur Pri­vat­sphäre mit dem GG ver­ein­bar sei (BT­Drucks 16/1802).

IV. Recht­spre­chung zu den Ver­fas­sungs­fra­gen

1. Mit dem Be­schluss in BVerfGE 27, 58, BSt­Bl II 1970, 140 hat das BVerfG ent­schie­den, dass die Her­ab­set­zung der Ki­lo­me­ter-Pau­scha­le von 0,50 DM auf 0,36 DM auf Grund des Steu­erände­rungs­ge­set­zes 1966 mit dem GG ver­ein­bar war. Das Ge­richt ging da­von aus, dass die Ein­kom­men­steu­er als Per­so­nen­steu­er die steu­er­li­che Leis­tungsfähig­keit er­fas­sen will. Dar­aus er­ge­be sich vor al­lem das Prin­zip der Net­to­be­steue­rung des Ein­kom­mens. Da­nach dürfe bei Einkünf­ten aus nicht­selbständi­ger Ar­beit nur der Über­schuss über die Wer­bungs­kos­ten be­steu­ert wer­den. Al­le be­ruf­lich ver­an­lass­ten Auf­wen­dun­gen stell­ten grundsätz­lich auch Wer­bungs­kos­ten dar. Das BVerfG ließ es in die­ser Ent­schei­dung im Er­geb­nis da­hin­ste­hen, ob dem gel­ten­den

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Ein­kom­men­steu­er­recht ei­ne Sach­ge­setz­lich­keit der Net­to­be­steue­rung in­ne­woh­ne. Auch wenn dies zu­träfe, könne der Ge­setz­ge­ber von die­sem Prin­zip ab­wei­chen, so­fern er hierfür sach­lich ein­leuch­ten­de Gründe ha­be. Sol­che Gründe sah der Se­nat sei­ner­zeit als ge­ge­ben an, weil für die Kürzung der Pau­scha­le nach den Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en in ers­ter Li­nie all­ge­mei­ne ver­kehrs­po­li­ti­sche Erwägun­gen maßge­bend ge­we­sen sei­en. Der Se­nat be­schei­nig­te dem Ge­setz­ge­ber ei­ne weit­ge­hen­de Ge­stal­tungs­frei­heit beim Ab­bau ei­ner Steu­er­vergüns­ti­gung. Dies gel­te ins­be­son­de­re dann, wenn sie in den Rah­men ei­nes Ge­samt­pro­gramms zur Her­stel­lung ei­nes aus­ge­gli­che­nen Haus­halts ein­gefügt wer­de. Es sei nicht Sa­che des BVerfG, die vom Ge­setz­ge­ber gewähl­te Lösung dar­auf­hin zu un­ter­su­chen, ob sie die ge­rech­tes­te sei. Trotz der Kürzung der Ki­lo­me­ter­pau­scha­le sei das Prin­zip der Leis­tungsfähig­keit im Ein­kom­men­steu­er­recht er­hal­ten ge­blie­ben. Zu ei­ner rei­nen Ver­wirk­li­chung die­ses Prin­zips sei der Ge­setz­ge­ber von Ver­fas­sungs we­gen nicht ver­pflich­tet (vgl. zu dem Be­schluss Wie­land, Ver­fas­sungs­fra­gen der ge­plan­ten Strei­chung der Pend­ler­pau­scha­le im Ein­kom­men­steu­er­recht, Rechts­gut­ach­ten für die Hans-Böck­ler-Stif­tung, 8).

2. Der Be­schluss des BVerfG in BVerfGE 107, 27, BSt­Bl II 2003, 534 bringt den Stand der Recht­spre­chung des BVerfG zu den ver­fas­sungs­recht­li­chen Vor­ga­ben für die Aus­ge­stal­tung des Wer­bungs­kos­ten­ab­zugs auch der Auf­wen­dun­gen für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte zum Aus­druck (Wie­land, a.a.O.). Ge­gen­stand des Be­schlus­ses war die Be­gren­zung des Ab­zugs der Auf­wen­dun­gen für dop­pel­te Haus­haltsführung bei ei­ner Beschäfti­gung am sel­ben Ort auf ins­ge­samt zwei Jah­re durch das Jah­res­steu­er­ge­setz 1996 vom 11. Ok­to­ber 1995 (BGBl I 1995, 1250, BSt­Bl I 1995, 438).

Das Ge­richt stellt fest, dass die Ge­stal­tungs­frei­heit des Ge­setz­ge­bers im Be­reich des Ein­kom­men­steu­er­rechts durch das Ge­bot der Aus­rich­tung der Steu­er­last am Prin­zip der fi­nan­zi­el­len Leis­tungsfähig­keit und das Ge­bot der Fol­ge­rich­tig­keit be­grenzt wer­de (vgl. da­zu auch Be­schluss des BVerfG vom 8. Ju­ni 2004 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412). Der Ge­setz­ge­ber müsse im In­ter­es­se ver­fas­sungs­recht­lich ge­bo­te­ner steu­er­li­cher Last­en­gleich­heit dar­auf ab­zie­len, Steu­er­pflich­ti­ge bei glei­cher Leis­tungsfähig­keit auch gleich­hoch zu be­steu­ern und da­mit ho­ri­zon­ta­le Steu­er­ge­rech­tig­keit her­zu­stel­len. Der Ge­setz­ge­ber ha­be bei der Aus­wahl des Steu­er­ge­gen­stan­des und der Be­stim­mung des Steu­er­sat­zes ei­nen weit­rei­chen­den Ent­schei­dungs­spiel­raum, je­doch müsse er un­ter dem Ge­bot möglichst gleichmäßiger Be­las­tung al­ler Steu­er­pflich­ti­gen bei der Aus­ge­stal­tung des steu­er­recht­li­chen Aus­gangs­tat­be­stands die ein­mal ge­trof­fe­ne Be­las­tungs­ent­schei­dung fol­ge­rich­tig im Sin­ne der Be­las­tungs­gleich­heit um­set­zen. Aus­nah­men von ei­ner sol­chen fol­ge­rich­ti­gen Um­set­zung bedürf­ten ei­nes be­son­de­ren sach­li­chen Grun­des.

Das BVerfG legt dar, dass der Ge­setz­ge­ber die für die Last­en­gleich­heit maßgeb­li­che fi­nan­zi­el­le Leis­tungsfähig­keit nach dem ob­jek­ti­ven und dem sub­jek­ti­ven Net­to­prin­zip be­mes­se. Zwar lässt das BVerfG wei­ter­hin of­fen, ob das ob­jek­ti­ve Net­to­prin­zip

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über sei­ne ein­fach­recht­li­che Gel­tung hin­aus auch ver­fas­sungs­recht­lich ge­bo­ten ist. Je­den­falls dürfe der Ge­setz­ge­ber das Net­to­prin­zip beim Vor­lie­gen ge­wich­ti­ger Gründe durch­bre­chen. In­so­weit ent­fal­te das ob­jek­ti­ve Net­to­prin­zip Be­deu­tung vor al­lem im Zu­sam­men­hang mit den An­for­de­run­gen an ei­ne hin­rei­chen­de Fol­ge­rich­tig­keit bei der nähe­ren Aus­ge­stal­tung der ge­setz­ge­be­ri­schen Grund­ent­schei­dun­gen: Zu ih­nen gehöre die Be­schränkung des steu­er­li­chen Zu­griffs nach Maßga­be des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips als Aus­gangs­tat­be­stand der Ein­kom­men­steu­er; Aus­nah­men von der fol­ge­rich­ti­gen Um­set­zung der mit dem ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zip ge­trof­fe­nen Be­las­tungs­ent­schei­dung bedürf­ten ei­nes be­son­de­ren, sach­lich recht­fer­ti­gen­den Grun­des.

In Ab­gren­zung zum ein­fach­ge­setz­li­chen Ab­zugs­ver­bot des § 12 Nr. 1 EStG stellt das BVerfG klar, dass es für die ver­fas­sungs­recht­lich ge­bo­te­ne Be­steue­rung nach fi­nan­zi­el­ler Leis­tungsfähig­keit nicht nur auf die Un­ter­schei­dung zwi­schen be­ruf­li­chem oder pri­va­tem Ver­an­las­sungs­grund der Auf­wen­dun­gen an­kom­me, son­dern auch auf die Un­ter­schei­dung zwi­schen frei­er oder be­lie­bi­ger Ein­kom­mens­ver­wen­dung ei­ner­seits und zwangsläufi­gem, pflicht­be­stimm­tem Auf­wand an­de­rer­seits. Die Berück­sich­ti­gung pri­vat ver­an­lass­ten Auf­wands ste­he nicht oh­ne wei­te­res zur Dis­po­si­ti­on des Ge­setz­ge­bers. Die­ser ha­be die un­ter­schied­li­chen Gründe, die den Auf­wand ver­an­lass­ten, auch dann im Lich­te be­trof­fe­ner Grund­rech­te dif­fe­ren­zie­rend zu würdi­gen, wenn sol­che Gründe ganz oder teil­wei­se der Sphäre der all­ge­mei­nen (pri­va­ten) Le­bensführung zu­zu­ord­nen sei­en.

Das BVerfG be­zeich­net es als Grund­ent­schei­dung des deut­schen Ein­kom­men­steu­er­rechts, die steu­er­recht­lich er­heb­li­che Be­rufs­sphäre nicht erst "am Werks­tor" be­gin­nen zu las­sen. Auch im Schnitt­be­reich von be­ruf­li­cher Sphäre und pri­va­ter Le­bensführung lie­gen­de Mo­bi­litätskos­ten würden als Wer­bungs­kos­ten an­er­kannt. Da­nach gehörten --hin­rei­chend fol­ge­rich­tig-- vor al­lem Fahrt­kos­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte zu den im Rah­men des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips ab­zugsfähi­gen be­ruf­li­chen Auf­wen­dun­gen, ob­wohl sol­che Auf­wen­dun­gen we­gen der pri­va­ten Wahl des Wohn­or­tes zwangsläufig auch pri­vat mit­ver­an­lasst sei­en.

3. Der vor­le­gen­de Se­nat hat im Be­schluss vom 23. Au­gust 2007 VI B 42/07 (BSt­Bl II 2007, 799) ernst­li­che Zwei­fel an der Ver­fas­sungsmäßig­keit des § 9 Abs. 2 EStG n.F. geäußert. Im Übri­gen hat er, so­weit er­sicht­lich, in der Ver­gan­gen­heit zu den hier in­ter­es­sie­ren­den Ver­fas­sungs­fra­gen nicht Stel­lung ge­nom­men. Un­ter Be­zug­nah­me auf den Be­schluss des BVerfG in BVerfGE 27, 58, BSt­Bl II 1970, 140 hat er al­ler­dings die Ver­fas­sungsmäßig­keit ei­nes nicht kos­ten­de­cken­den Ki­lo­me­ter-Pausch­be­trags be­jaht (BFH-Ent­schei­dun­gen vom 15. März 1994 X R 58/91, BFHE 174, 84, BSt­Bl II 1994, 516, und vom 23. Sep­tem­ber 1999 VI B 82/99, BFH/NV 2000, 318; zur Funk­ti­on der Pausch­be­trags­re­ge­lung s. BFH-Ur­teil vom 11. Mai 2005 VI R 70/03, BFHE 209, 508, BSt­Bl II 2005, 785).

4. In der Fi­nanz­ge­richts­bar­keit hat die Fra­ge der Ver­fas­sungsmäßig­keit zu un­ter­schied­li­chen Er­geb­nis­sen geführt (s.

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da­zu BFH-Be­schluss in BSt­Bl II 2007, 799).

V. Auf­fas­sun­gen zu den ak­tu­el­len Ver­fas­sungs­fra­gen in der *7 Li­te­ra­tur

1. So­weit die der­zei­ti­ge Rechts­la­ge (zu älte­ren Äußerun­gen s. Wie­land, a.a.O., m.w.N.) als rech­tens ak­zep­tiert wird, be­ruht dies im We­sent­li­chen auf fol­gen­den Erwägun­gen: Bei den Auf­wen­dun­gen für die We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte han­de­le es sich um ge­misch­te Auf­wen­dun­gen. In­dem der Ge­setz­ge­ber die­se Auf­wen­dun­gen durch die Neu­re­ge­lung aus­sch­ließlich der Pri­vat­sphäre zu­ge­ord­net ha­be, ha­be er sei­nen ver­fas­sungs­recht­lich an­er­kann­ten Einschätzungs- und Ge­stal­tungs­frei­raum bei der Schaf­fung ein­fach­ge­setz­li­chen Rechts in ver­fas­sungs­recht­lich zulässi­ger Wei­se ge­nutzt. Die Auf­wen­dun­gen sei­en auch nicht im Sin­ne der Recht­spre­chung des BVerfG ver­fas­sungs­recht­lich zwangsläufig. Das Ge­bot der Fol­ge­rich­tig­keit sei hin­rei­chend ge­wahrt. Die steu­er­li­che Berück­sich­ti­gung des Auf­wands ab dem 21. Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter las­se sich vor Art. 3 Abs. 1 GG als Härte­re­ge­lung recht­fer­ti­gen (vgl. u.a. von Be­ckerath in Kirch­hof, EStG, 7. Aufl., § 9 Rz 352 ff.; Fuhr­mann in Korn, § 9 EStG Rz 26.2 ff.; Of­fer­haus, BB 2006, 129; ders., Fest­schrift für Bareis, 197 ff.; Werns­mann, DStR 2007, 1149; ein­schr. Leis­ner-Egen­sper­ger, BB 2007, 639; eben­so Stuhr­mann, Neue Ju­ris­ti­sche Wo­chen­schrift --NJW-- 2006, 2513).

2. Die über­wie­gen­de Mei­nung im Schrift­tum tritt dem mit un­ter­schied­li­cher Be­gründung und Ak­zen­tu­ie­rung ent­ge­gen. Im Er­geb­nis sind sich die Au­to­ren dar­in ei­nig, dass die Neu­re­ge­lung ge­gen das ver­fas­sungs­recht­li­che Ge­bot der fol­ge­rich­ti­gen Um­set­zung des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips ver­s­toße. Sie sei nicht durch den ver­fas­sungs­recht­lich ge­bo­te­nen be­son­de­ren sach­li­chen Grund ge­recht­fer­tigt (vgl. u.a. von Born­haupt, in: Kirch­hof/ Söhn/Mel­ling­hoff, EStG, § 9 Rz F 40 ff.; Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz 541; Zim­mer in Litt­mann/Bitz/Pust, Das Ein­kom­men­steu­er­recht, Kom­men­tar, § 9 Rz 972; Schmidt/Drens­eck, EStG, 26. Aufl., § 9 Rz 110; Berg­kem­per in Herr­mann/Heu­er/Rau­pach --HHR--, § 9 EStG Rz 633; Bren­ner, Deut­sches Au­to­recht --DAR--2007, 441; Wie­land, a.a.O.; Tip­ke, BB 2007, 1525; Lang, Steu­er und Wirt­schaft --StuW-- 2007, 3; Kar­ren­brock/Fehr, DStR 2006, 1303; Mi­cker, DStR 2007, 1145; Eli­cker, Der Steu­er­be­ra­ter --StB--2005, 209; Henn­richs, BB 2004, 584; Stahl­schmidt, Fi­nanz-Rund­schau --FR-- 2006, 818; Lenk, BB 2006, 1305; Drens­eck, Der Be­trieb --DB-- 2007, Bei­la­ge 2/2007, 7 ff.; ders., FR 2006, 1; Brandt, Da­ten­ver­ar­bei­tung in Steu­er, Wirt­schaft und Recht --DSWR-- 2006, 168; We­ber, Deut­sche Steu­er-Zei­tung --DStZ-- 2007, 736; Dzi­ad­kow­ski, Zeit­schrift für Steu­ern und Recht 2007, 477).

VI. Rechts­auf­fas­sung des be­sch­ließen­den Se­nats zur Ver­fas­sungs-*4 mäßig­keit der ge­setz­li­chen Re­ge­lung

Prüfungs­maßstäbe sind, wie sich vor al­lem aus der Ent­schei­dung des BVerfG in BVerfGE 107, 27, BSt­Bl II 2003, 534 er­gibt, der all­ge­mei­ne Gleich­heits­satz (Art. 3 Abs. 1 GG), und, so­weit bei­der­seits beschäftig­te Ehe­gat­ten be­trof­fen sind, Art. 6 Abs. 1

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GG.

1. Nach der Über­zeu­gung des vor­le­gen­den Se­nats ist § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht mit der be­reichs­spe­zi­fi­schen Aus­prägung des all­ge­mei­nen Gleich­heits­sat­zes im Ein­kom­men­steu­er­recht ver­ein­bar.

Nach der Recht­spre­chung des BVerfG er­ge­ben sich aus dem all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz (Art. 3 Abs. 1 GG) ver­fas­sungs­recht­li­che Ein­schränkun­gen bei der Be­stim­mung der Be­steue­rungs­tat­bestände des Ein­kom­men­steu­er­rechts, die der Ge­setz­ge­ber zu be­ach­ten hat. Da­zu zählen vor al­lem das Ge­bot der Aus­rich­tung der Steu­er­last am Prin­zip der fi­nan­zi­el­len Leis­tungsfähig­keit und das eng da­mit ver­bun­de­ne Ge­bot der Fol­ge­rich­tig­keit (BVerfG-Be­schluss in BVerfGE 107, 27, BSt­Bl II 2003, 534; vgl. da­zu auch Ky­rill-A. Schwarz in "Staat im Wort", Fest­schrift für Jo­sef Isen­see, Hei­del­berg 2007).

a) Im In­ter­es­se der ver­fas­sungs­recht­lich ge­bo­te­nen Last­en­gleich­heit (vgl. Ur­tei­le des BVerfG vom 27. Ju­ni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BSt­Bl II 1991, 654; vom 7. De­zem­ber 1999 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297, BSt­Bl II 2000, 162) hat sich der Ge­setz­ge­ber dafür ent­schie­den, im Ein­kom­men­steu­er­recht die ob­jek­ti­ve fi­nan­zi­el­le Leis­tungsfähig­keit nach dem Sal­do aus den Er­werbs­ein­nah­men ei­ner­seits und den be­ruf­li­chen Er­werbs­auf­wen­dun­gen an­de­rer­seits zu be­mes­sen (ob­jek­ti­ves Net­to­prin­zip; vgl. Be­schluss des BVerfG vom 11. No­vem­ber 1998 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, BSt­Bl II 1999, 502; BFH-Ur­tei­le vom 11. Mai 2005 VI R 7/02, BFHE 209, 502, BSt­Bl II 2005, 782; vom 4. De­zem­ber 2002 VI R 120/01, BFHE 201, 156, BSt­Bl II 2003, 403; zur Be­deu­tung und Dog­ma­tik des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips vgl. u.a. Deut­scher Ju­ris­ten­tag 1988, Sit­zungs­be­richt N, 214; Lang, StuW 2007, 3; Tip­ke, Die Steu­er­rechts­ord­nung, Band II, 762 ff; ders., BB 2007, 1525; ders. in Fest­schrift für Rau­pach, 177; Werns­mann, Ver­hal­tens­len­kung in ei­nem ra­tio­na­len Steu­er­sys­tem, 317 ff.; Drens­eck, FR 2006, 1; Jach­mann in Brandt, Deut­scher Fi­nanz­ge­richts­tag 2005, 59, je­weils m.w.N.). Zwar ist wei­ter­hin of­fen, ob die Gel­tung des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips im Ein­kom­men­steu­er­recht ver­fas­sungs­recht­lich ge­bo­ten ist. Selbst wenn dem so wäre, könn­te der Ge­setz­ge­ber die­ses Prin­zip beim Vor­lie­gen ge­wich­ti­ger Gründe durch­bre­chen. Bei der Nor­mie­rung sol­cher Aus­nah­men ist der Ge­setz­ge­ber al­ler­dings nicht völlig frei. Ins­be­son­de­re muss er dar­auf ach­ten, dass sich die Fälle, in de­nen er ei­ne be­ruf­lich ver­an­lass­te Auf­wen­dung nicht als ab­setz­ba­ren Er­werbs­auf­wand an­er­kennt, so weit­ge­hend von al­len übri­gen Fällen un­ter­schei­den, dass die­se un­ter­schied­li­che Be­hand­lung im Hin­blick auf den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz sach­lich ge­recht­fer­tigt ist (BVerfG-Be­schluss vom 23. Ja­nu­ar 1990 1 BvL 4, 5, 6, 7/87, BVerfGE 81, 228, BSt­Bl II 1990, 483). Außer­dem kann er sich --wie stets bei der Ord­nung von Mas­sen­er­schei­nun­gen-- bei der Aus­ge­stal­tung ge­ne­ra­li­sie­ren­der, ty­pi­sie­ren­der und pau­scha­lie­ren­der Re­ge­lun­gen be­die­nen.

Das ob­jek­ti­ve Net­to­prin­zip wird durch das Ge­bot der Fol­ge­rich­tig­keit im Ein­kom­men­steu­er­recht ge­prägt. Zu den ge­setz­ge­be­ri­schen Grund­ent­schei­dun­gen, die im ge­sam­ten

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Ein­kom­men­steu­er­recht fol­ge­rich­tig um­ge­setzt wer­den müssen, gehört die Be­schränkung des steu­er­li­chen Zu­griffs nach Maßga­be des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips als Aus­gangs­tat­be­stand der Ein­kom­men­steu­er. Hat der Ge­setz­ge­ber, wie im Ein­kom­men­steu­er­recht, den Steu­er­ge­gen­stand aus­gewählt und in ei­ner Be­mes­sungs­grund­la­ge de­fi­niert, so muss er die ein­mal ge­trof­fe­ne Be­las­tungs­ent­schei­dung fol­ge­rich­tig im Sin­ne der Be­las­tungs­gleich­heit um­set­zen (Wie­land, a.a.O.). Zu­min­dest über den Ge­dan­ken der Fol­ge­rich­tig­keit er­langt da­mit das ob­jek­ti­ve Net­to­prin­zip auch ver­fas­sungs­recht­lich im Rah­men des Art. 3 Abs. 1 GG Be­deu­tung und zeigt da­mit trotz sei­ner zunächst nur ein­fach­ge­setz­li­chen Ver­an­ke­rung Kon­se­quen­zen für den ver­fas­sungs­recht­li­chen Prüfungs­maßstab auf (Bren­ner, DAR 2007, 441).

b) Das ob­jek­ti­ve Net­to­prin­zip als Grund­ent­schei­dung des deut­schen Ein­kom­men­steu­er­rechts ist durch die ge­setz­li­che Neu­re­ge­lung der Be­hand­lung der Fahrt­kos­ten nicht auf­ge­ho­ben bzw. mo­di­fi­ziert wor­den. Zwar lässt sich der Ge­set­zes­be­gründung ent­neh­men, dass die Neu­re­ge­lung Aus­druck ei­ner Auf­he­bung der Grund­ent­schei­dung und ih­rer Er­set­zung durch das sog. Werkstor­prin­zip sei (BT­Drucks 16/1545, 8, 13). In der Un­ter­rich­tung des Bun­des­rats durch die Bun­des­re­gie­rung heißt es zu­dem (BT­Drucks 16/1969, 1): "In­dem der Ge­setz­ge­ber al­le Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beits- bzw. Be­triebsstätte künf­tig als pri­vat ver­an­lasst an­sieht, de­fi­niert er den An­wen­dungs­be­reich des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips neu ...." (vgl. auch BMF-Schrei­ben vom 4. Mai 2007, DB 2007, 1053).

Nach Auf­fas­sung des be­sch­ließen­den Se­nats kann dar­aus je­doch nicht auf die Ab­sicht des Ge­setz­ge­bers ge­schlos­sen wer­den, die Grund­ent­schei­dung des Ein­kom­men­steu­er­rechts zu Guns­ten des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips auf­zu­he­ben. Viel­mehr ist da­mit die Ent­schei­dung des Ein­kom­men­steu­er­rechts für die Ab­zieh­bar­keit der Kos­ten der Fahrt zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte an­ge­spro­chen, die das BVerfG in sei­nem Be­schluss in BVerfGE 107, 27, BSt­Bl II 2003, 534 selbst als Grund­ent­schei­dung des Ein­kom­men­steu­er­rechts qua­li­fi­ziert hat. Denn die Grund­ent­schei­dung des Ein­kom­men­steu­er­rechts zu Guns­ten des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips wird durch die Neu­re­ge­lung in ih­rem Kern nicht in Fra­ge ge­stellt. Nach wie vor un­ter­liegt der Ein­kom­men­steu­er nur das Net­to­ein­kom­men, nämlich der Sal­do aus dem Er­werbs­ein­kom­men ei­ner­seits und den Er­werbs­auf­wen­dun­gen an­de­rer­seits. Da­her sind Auf­wen­dun­gen für die Er­werbstätig­keit ent­spre­chend § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 9 EStG steu­er­lich ab­zieh­bar.

Im Übri­gen ist das Net­to­prin­zip dem Werkstor­prin­zip auch in sei­ner Be­deu­tung als "Grund­ent­schei­dung" vor­ran­gig. Das Werkstor­prin­zip kann nicht den In­halt des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips be­stim­men oder die­sem sei­ne Ge­stalt ge­ben. Zu prüfen ist viel­mehr, ob das Werkstor­prin­zip mit dem ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zip ver­ein­bar ist (Tip­ke, BB 2007, 1525; Kar­ren­brock/Fehr, DStR 2006, 1303).

c) Kos­ten für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte sind die ein­kom­men­steu­er­li­che Be­mes­sungs­grund­la­ge min­dern­de

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Er­werbs­aus­ga­ben. Sie gehören des­halb zu den im Rah­men des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips ab­zugsfähi­gen Auf­wen­dun­gen (BVerfG-Be­schluss in BVerfGE 107, 27, BSt­Bl II 2003, 534). Sie sind nicht we­sent­lich pri­vat mo­ti­viert. Es han­delt sich um Wer­bungs­kos­ten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG.

aa) Das Ver­an­las­sungs­prin­zip kon­kre­ti­siert das ob­jek­ti­ve Net­to­prin­zip (Lang, StuW 2007, 3). § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG de­fi­niert Wer­bungs­kos­ten zwar als Auf­wen­dun­gen zur Er­wer­bung, Si­che­rung und Er­hal­tung der Ein­nah­men. Die Recht­spre­chung hat den Wer­bungs­kos­ten­be­griff al­ler­dings dem Be­griff der Be­triebs­aus­ga­ben nach § 4 Abs. 4 EStG an­ge­gli­chen. Wer­bungs­kos­ten lie­gen da­nach vor, wenn sie durch den Be­ruf bzw. durch die Er­zie­lung steu­er­pflich­ti­ger Ein­nah­men ver­an­lasst sind. Ei­ne be­ruf­li­che Ver­an­las­sung ist ge­ge­ben, wenn ein ob­jek­ti­ver Zu­sam­men­hang mit dem Be­ruf be­steht und die Auf­wen­dun­gen sub­jek­tiv zur Förde­rung des Be­rufs getätigt wer­den (BFH-Ent­schei­dun­gen vom 20. Ju­li 2006 VI R 94/01, BFHE 214, 354, BSt­Bl II 2007, 121; in BFHE 201, 156, BSt­Bl II 2003, 403; vom 28. No­vem­ber 1980 VI R 193/77, BFHE 132, 431, BSt­Bl II 1981, 368; vom 20. No­vem­ber 1979 VI R 25/78, BFHE 129, 149, BSt­Bl II 1980, 75; vom 28. No­vem­ber 1977 GrS 2-3/77, BFHE 124, 43, BSt­Bl II 1978, 105; vom 27. No­vem­ber 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BSt­Bl II 1979, 213; vgl. auch von Born­haupt, in: Kirch­hof/Söhn/Mel­ling­hoff, EStG, § 9 Rz B 152 ff.; HHR/Kreft, § 9 EStG Rz 115 ff.; Schmidt/Drens­eck, EStG, 26. Aufl., § 9 Rz 7 ff.; Jach­mann in Brandt, a.a.O.; vgl. auch zur Qua­li­fi­ka­ti­on der Auf­wen­dun­gen nach dem Ver­an­las­sungs­prin­zip Tip­ke in Fest­schrift für Rau­pach, 177; Lang, StuW 2007, 3; Jüpt­ner, Leis­tungsfähig­keit und Ver­an­las­sung, Diss. Augs­burg, Hei­del­berg 1989). Da­bei kommt es grundsätz­lich nicht dar­auf an, ob die Auf­wen­dun­gen not­wen­dig, üblich oder zweckmäßig sind (BFH-Ur­teil vom 12. Ja­nu­ar 1990 VI R 29/86, BFHE 159, 341, BSt­Bl II 1990, 423; HHR/Kreft, § 9 EStG Rz 201).

bb) Nach die­sen Grundsätzen sind Kos­ten für die We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte al­lein be­ruf­lich ver­an­lasst (BFH-Ent­schei­dun­gen vom 2. März 1962 VI 79/60 S, BFHE 74, 513, BSt­Bl III 1962, 192; vom 13. Fe­bru­ar 1970 VI R 236/69, BFHE 98, 350, BSt­Bl II 1970, 391; in BFHE 124, 43, BSt­Bl II 1978, 105; vom 14. Fe­bru­ar 1975 VI R 125/74, BFHE 115, 322, BSt­Bl II 1975, 607; vom 11. Ju­li 1980 VI R 55/79, BFHE 131, 67, BSt­Bl II 1980, 655; vom 25. März 1988 VI R 207/84, BFHE 153, 337, BSt­Bl II 1988, 706; gl.A. FG Saar­land, Be­schluss vom 22. März 2007 2 K 2442/06, Ent­schei­dun­gen der Fi­nanz­ge­rich­te --EFG-- 2007, 853; Schmidt/Drens­eck, EStG, 26. Aufl., § 9 Rz 110; von Born­haupt, in: Kirch­hof/Söhn/Mel­ling­hoff, EStG, § 9 Rz F 2a; Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz 250 f.; HHR/Berg­kem­per, § 9 EStG Rz 632; Tip­ke, BB 2007, 1525; ders., Fest­schrift für Rau­pach, 177; Lang, StuW 2007, 3; Drens­eck, DB 1987, 2483; ders., FR 2006, 1; Eli­cker, Ent­wurf ei­ner pro­por­tio­na­len Net­to-Ein­kom­men­steu­er, 219 ff.; Henn­richs, BB 2004, 584; Stahl­schmidt, FR 2006, 818; Kar­ren­brock/Fehr, DStR 2006, 1303; Jach­mann, DAR 1997, 185). So­weit der Se­nat in der Ent­schei­dung in BFHE 137, 463, BSt­Bl II 1983, 306 ei­ne an­de­re Auf­fas­sung ver­tre­ten hat, hält er dar­an nicht mehr fest.

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Der Weg zur Ar­beitsstätte ist not­wen­di­ge Vor­aus­set­zung zur Er­zie­lung von Einkünf­ten. Da der Ar­beit­neh­mer re­gelmäßig nicht am Ort sei­ner be­ruf­li­chen Tätig­keit wohnt und auch nicht woh­nen kann, kann er nur tätig wer­den, wenn er sich zur Ar­beitsstätte be­gibt. Denkt man sich die Er­werbstätig­keit weg, ent­fal­len die für den Weg zur Ar­beitsstätte er­for­der­li­chen Auf­wen­dun­gen. Der be­ruf­lich be­ding­te Ver­an­las­sungs­zu­sam­men­hang wird nicht da­durch in Fra­ge ge­stellt, dass die Er­werbstätig­keit grundsätz­lich erst in der Ar­beitsstätte aus­geübt wird. Denn auch Auf­wen­dun­gen, die, wie die Fahrt­kos­ten, der Vor­be­rei­tung der Er­werbstätig­keit die­nen, sind zwei­fel­los Wer­bungs­kos­ten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Selbst wenn der Steu­er­pflich­ti­ge noch kei­ne Ein­nah­men er­zielt, lie­gen (vor­ab ent­stan­de­ne) Wer­bungs­kos­ten vor, so­fern die Auf­wen­dun­gen in ei­nem hin­rei­chend kon­kre­ten, ob­jek­tiv fest­stell­ba­ren Zu­sam­men­hang mit späte­ren Ein­nah­men ste­hen (BFH-Ur­teil in BFHE 201, 156, BSt­Bl II 2003, 403; vgl. da­zu auch Tip­ke in Fest­schrift für Rau­pach, 177).

Als Wer­bungs­kos­ten ha­ben die Fahrt­auf­wen­dun­gen ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Vor­in­stanz und des BMF nicht den Cha­rak­ter ei­ner steu­er­li­chen Förde­rung (so aber wohl Of­fer­haus, Fest­schrift für Bareis, 197). Kon­se­quen­ter­wei­se ist § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F. in den Sub­ven­ti­ons­be­rich­ten der Bun­des­re­gie­rung für die Jah­re 2001 bis 2006 nicht als Steu­er­vergüns­ti­gung auf­geführt (19. Sub­ven­ti­ons­be­richt vom 1. Ok­to­ber 2003, BT­Drucks 15/1635; 20. Sub­ven­ti­ons­be­richt vom 22. März 2006, BT­Drucks 16/1020). Auch der Wort­laut des § 9 Abs. 1 Satz 3 EStG ("Wer­bungs­kos­ten sind auch") lässt nicht den Schluss zu, dass die­ser Satz kei­ne ech­ten Wer­bungs­kos­ten er­fas­se. Viel­mehr macht die For­mu­lie­rung deut­lich, dass hier nur ein­zel­ne Fälle von Wer­bungs­kos­ten be­son­ders auf­gezählt bzw. ex­em­pli­fi­ziert wer­den sol­len (BFH-Ur­teil vom 16. No­vem­ber 1971 VI R 347/69, BFHE 103, 520, BSt­Bl II 1972, 152; Tip­ke, BB 2007, 1525). An­dern­falls müss­te für al­le in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 bis 7 EStG auf­geführ­ten Po­si­tio­nen Sub­ven­ti­ons­cha­rak­ter an­ge­nom­men wer­den (Tip­ke, FR 2007, 962). Das ist je­doch ein­deu­tig nicht der Fall.

cc) Bei den Auf­wen­dun­gen für die We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte han­delt es sich auch nicht um sog. ge­misch­te Auf­wen­dun­gen (so aber u.a. von Be­ckerath in Kirch­hof, EStG, 7. Aufl., § 9 Rz 352; Zim­mer in Litt­mann/Bitz/Pust, Das Ein­kom­men­steu­er­recht, Kom­men­tar, § 9 Rz 810 f.; Of­fer­haus, BB 2006, 129; Söhn, FR 1997, 245; Ol­bertz, BB 1996, 2489; Mi­cker, DStR 2007, 1145, 1146; Werns­mann, DStR 2007, 1149; Kirch­hof, DStR 2003, Bei­hef­ter 5 zu Heft 37).

(1) Ei­ne er­heb­li­che pri­va­te Mit­ver­an­las­sung kann nicht schon dar­auf gestützt wer­den, dass das Woh­nen grundsätz­lich in den Be­reich der pri­va­ten Le­bensführung fällt. Maßgeb­lich kann in die­sem Zu­sam­men­hang zunächst nur sein, ob die Wahl des Wohn­orts aus­sch­ließlich oder über­wie­gend pri­vat mo­ti­viert ist. Das kann nicht un­dif­fe­ren­ziert mit der Be­gründung be­jaht wer­den, die Ar­beit­neh­mer könn­ten in der Nähe der Ar­beitsstätte ih­re Woh­nun­gen neh­men. Die­ser rea­litäts­fer­ne Zu­stand darf vom Ge­setz­ge­ber nicht un­ter­stellt bzw. ein­ge­for­dert wer­den (Tip­ke, BB 2007, 1525; vgl.

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auch von Born­haupt, in: Kirch­hof/Söhn/ Mel­ling­hoff, EStG, § 9 Rz F 44; Henn­richs, BB 2004, 584; Kar­ren­brock/Fehr, DStR 2006, 1303). Es gilt das Ge­bot rea­litäts­ge­rech­ter Tat­be­stands­ge­stal­tung (BVerfG-Ent­schei­dun­gen vom 6. März 2002 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73, BSt­Bl II 2002, 618; in BVerfGE 107, 27, BSt­Bl II 2003, 534). Auf­wen­dun­gen für We­ge zur Ar­beitsstätte sind un­umgäng­lich, selbst wenn der Ar­beit­neh­mer zufällig na­he der Ar­beitsstätte wohnt. Die be­ruf­li­che Ver­an­las­sung der Fahrt­auf­wen­dun­gen wird erst recht in den Fällen deut­lich, in de­nen dem Ar­beit­neh­mer, der bis­her in der Nähe des Ar­beits­plat­zes ge­wohnt hat, nach Ver­le­gung des Be­triebs­sit­zes oder Ver­lus­tes des Ar­beits­plat­zes nun­mehr erhöhte We­ge­kos­ten zum Er­rei­chen sei­nes neu­en Ar­beits­plat­zes ent­ste­hen (von Born­haupt, in: Kirch­hof/Söhn/Mel­ling­hoff, EStG, § 9 Rz F 41).

Nach Auf­fas­sung des Se­nats kann ei­ne Fahrt zwi­schen Woh­nung und re­gelmäßiger Ar­beitsstätte ty­pi­scher­wei­se nicht als pri­vat ver­an­lasst qua­li­fi­ziert wer­den, wenn sich der Wohn­sitz im Ein­zugs­be­reich der Ar­beitsstätte be­fin­det. In­ner­halb ei­ner Dis­tanz von bis zu 20 km kann schwer­lich da­von aus­ge­gan­gen wer­den, ein Ar­beit­neh­mer hätte, würde er al­lein be­ruf­li­chen Be­lan­gen Rech­nung tra­gen, ei­nen der Ar­beitsstätte nähe­ren Wohn­sitz wählen können (vgl. da­zu Jach­mann, DAR 1997, 185; vgl. da­zu auch BFH-Ur­teil vom 10. Ok­to­ber 1994 VI R 2/92, BFHE 175, 553, BSt­Bl II 1995, 137).

Auch dann, wenn nen­nens­wer­te pri­va­te Gründe die Wohn­ort­wahl be­ein­flus­sen, kann dar­aus nicht auf ei­ne pri­va­te Mit­ver­an­las­sung der Fahrt­auf­wen­dun­gen ge­schlos­sen wer­den. Denn die der pri­va­ten Le­bensführung zu­zu­rech­nen­de Wahl des Wohn­orts ist ein der An­wen­dung des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG vor­ge­la­ger­ter Sach­ver­halt, der den Ver­an­las­sungs­zu­sam­men­hang zwi­schen Ein­nah­men und Auf­wen­dun­gen nicht we­sent­lich be­ein­flusst (Blümich/ Thürmer, § 9 EStG Rz 251; HHR/Berg­kem­per, § 9 EStG Rz 632; Drens­eck, DB 1987, 2483; Tip­ke, BB 2007, 1525; FG Saar­land in EFG 2007, 853). Je­den­falls ist der Um­stand, dass über­haupt Fahrt­kos­ten an­fal­len, nicht durch das Woh­nen be­dingt. Durch die pri­vat mo­ti­vier­te Woh­nungs­wahl wer­den die dar­aus re­sul­tie­ren­den Aus­ga­ben für den Weg zur Ar­beitsstätte noch nicht zu pri­va­ten Auf­wen­dun­gen. Der Zu­gehörig­keit des Woh­nens an sich zur pri­va­ten Le­bensführung wird da­durch Rech­nung ge­tra­gen, dass die Kos­ten des Woh­nens nicht als Wer­bungs­kos­ten ab­zieh­bar sind (Jach­mann, DAR 1997, 185). Bei der je­wei­li­gen Fahrt steht das "be­ruf­li­che" Er­for­der­nis im Vor­der­grund, den tägli­chen Weg zur Ar­beitsstätte zu bewälti­gen (BFH-Ur­teil vom 2. De­zem­ber 1981 VI R 167/79, BFHE 135, 37, BSt­Bl II 1982, 297). Die Fahrt­auf­wen­dun­gen ste­hen in aus­sch­ließli­cher Kau­sal­re­la­ti­on zum Be­ruf und nicht zum Woh­nen. Durch die Fahrt zur Ar­beitsstätte wird je­weils ei­ne nur be­ruf­li­che Ur­sa­chen­ket­te in Gang ge­setzt, die zur Ver­drängung an­de­rer Ur­sa­chen führt.

Zwar lässt sich nicht leug­nen, dass das Woh­nen außer­halb der Ar­beitsstätte auch ei­ne Be­din­gung ("con­di­tio si­ne qua non") für das Ent­ste­hen der Fahrt­auf­wen­dun­gen ist. Al­ler­dings kann die sog. Be­din­gungs­leh­re im Steu­er­recht nur ein­ge­schränkt zur An­wen­dung kom­men. Sie ist zur Ab­gren­zung von be­ruf­li­cher und pri­va­ter

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Sphäre un­ge­eig­net. Würde man sie nicht ein­schränken, würde das Net­to­prin­zip auf­gelöst. Denn lo­gisch-na­tur­wis­sen­schaft­lich be­steht zwi­schen Er­werbs­auf­wen­dun­gen und der pri­va­ten Le­bensführung stets ein ent­fern­ter Zu­sam­men­hang (Tip­ke, Fest­schrift für Rau­pach, 177; Lang in Tip­ke/Lang, Steu­er­recht, 18. Aufl., § 9 Rz 219; ders., StuW 2007, 3).

Da für den Steu­er­zu­griff das Net­to­ein­kom­men maßge­bend ist, muss sich die Ab­zieh­bar­keit der Er­werbs­auf­wen­dun­gen an den tatsächli­chen Kos­ten ori­en­tie­ren. Der Ab­zug von er­werbs­be­ding­ten Fahrt­kos­ten kann da­her nicht mit der Be­gründung ver­neint wer­den, dass dem Ar­beit­neh­mer die­se Kos­ten nicht ent­stan­den wären, wenn er sei­ne Woh­nung an der Ar­beitsstätte ge­nom­men hätte. Es bleibt grundsätz­lich dem Steu­er­pflich­ti­gen über­las­sen, über die Ge­eig­net­heit, Not­wen­dig­keit, Vernünf­tig­keit und An­ge­mes­sen­heit ei­ner Er­werbs­hand­lung zu ent­schei­den. Das Ein­kom­men­steu­er­recht ver­pflich­tet die Steu­er­pflich­ti­gen nicht zu möglichst spar­sa­men Er­werbs­auf­wen­dun­gen und kennt auch kei­ne Ob­lie­gen­heit, spar­sam zu sein (Wie­land, a.a.O.; Henn­richs, BB 2004, 584; Eli­cker, StB 2005, 209; Tip­ke, BB 2007, 1525 mit Hin­weis auf RFH-Ur­teil vom 12. De­zem­ber 1923 III A 362/23, RF­HE 13, 166).

(2) Ei­ne er­heb­li­che pri­va­te Mit­ver­an­las­sung kann auch nicht da­mit be­gründet wer­den, dass zwar die Hin­fahrt zur Ar­beitsstätte be­ruf­lich, die Rück­fahrt zur Woh­nung da­ge­gen aus pri­va­tem An­lass er­fol­ge (Kirch­hof, DStR 2003, Bei­hef­ter 5 zu Heft 37). Denn zum Ei­nen müss­ten da­nach zu­min­dest die Kos­ten für die Hin­fahrt zum Ab­zug zu­ge­las­sen wer­den. Zum An­de­ren ist die Rück­fahrt le­dig­lich die Um­keh­rung ei­nes be­ruf­lich ver­an­lass­ten Zu­stands und des­halb eben­falls er­werbs­be­dingt (Tip­ke, Fest­schrift für Rau­pach, 177; Drens­eck, Gedächt­nis­schrift für Trz­as­ka­lik, 283; BFH-Ur­teil in BFHE 159, 341, BSt­Bl II 1990, 423 zu Rei­se­kos­ten). Wer aus Er­werbs­gründen zu sei­ner Ar­beit fährt, der muss --an­ders als der Nichter­werbstäti­ge-- auch zurück­fah­ren (Tip­ke, FR 2007, 962). Dies be­trifft nicht nur Fahr­ten im Rah­men ei­ner Auswärtstätig­keit (vgl. da­zu un­ter B. VI. 1. d bb), son­dern auch die We­ge zu ei­ner re­gelmäßigen Ar­beitsstätte. Im Übri­gen wur­den nach der bis Ver­an­la­gungs­zeit­raum 2006 gel­ten­den Rechts­la­ge le­dig­lich die Auf­wen­dun­gen für die ein­fa­che Stre­cke (Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter) berück­sich­tigt (Henn­richs, BB 2004, 584).

(3) Zu­dem hat das BVerfG in sei­ner Ent­schei­dung zur steu­er­li­chen An­er­ken­nung häus­li­cher Ar­beits­zim­mer, die nach An­sicht des Ge­richts we­gen de­ren pri­va­ter Nut­zung zu­min­dest nicht aus­sch­ließlich ein­kom­mens­wirk­sam mo­ti­viert sind, klar­ge­stellt, dass der Ge­setz­ge­ber we­nigs­tens nicht vollständig ei­ne An­er­ken­nung als Wer­bungs­kos­ten ab­leh­nen darf, wenn ein we­sent­li­cher Teil er­werbs­mo­ti­viert ge­nutzt wird. An­dern­falls würden de­ren Cha­rak­ter und Im­pli­ka­tio­nen für die Leis­tungsfähig­keit nicht ent­spre­chend ge­nutzt (BVerfG-Ur­teil in BVerfGE 101, 297, BSt­Bl II 2000, 162; Bren­ner, DAR 2007, 441).

dd) Für den Se­nat folgt dar­aus, dass das Ab­zugs­ver­bot von Fahrt­kos­ten gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG ei­ne Aus­nah­me von der fol­ge­rich­ti­gen Um­set­zung der mit dem ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zip

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ge­trof­fe­nen Be­las­tungs­ent­schei­dung dar­stellt.

Die sich in­so­weit er­ge­ben­de Un­gleich­be­hand­lung über­schrei­tet die Gren­ze zulässi­ger Ty­pi­sie­rung, auch wenn nach Auf­fas­sung des BMF ei­ne "über­durch­schnitt­li­che" Be­las­tung von Pend­lern erst ab ei­nem Fahrt­weg von mehr als 20 km ein­tre­ten kann. Der Gleich­heits­satz for­dert nach ständi­ger Recht­spre­chung des BVerfG zwar nicht, dass der Ge­setz­ge­ber stets ge­willkürten Auf­wand berück­sich­ti­gen muss; viel­mehr kann es der ma­te­ri­el­len Gleich­heit auch genügen, wenn der Ge­setz­ge­ber für be­stimm­te Ar­ten von Auf­wen­dun­gen nur den Ab­zug ei­nes ty­pi­siert fest­ge­leg­ten Be­tra­ges ge­stat­tet (BVerfG-Ent­schei­dun­gen vom 10. April 1997 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, BSt­Bl II 1997, 518; in BVerfGE 101, 297, BSt­Bl II 2000, 162; zur Ty­pi­sie­rungs­be­fug­nis des Ge­setz­ge­bers nach der Recht­spre­chung des BVerfG vgl. auch Kirch­hof, StuW 2006, 3, 15; kri­tisch da­zu Lang, StuW 2007, 1). § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG enthält je­doch kei­ne quan­ti­fi­zie­ren­de Re­ge­lung in die­sem Sin­ne. Ei­ne (qua­li­fi­zie­ren­de) Be­stim­mung, die den Ab­zug von Er­werbs­auf­wand schon dem Grun­de nach ver­bie­tet, ist durch die dem Ge­setz­ge­ber zu­ste­hen­de Be­fug­nis zur Ty­pi­sie­rung nach Auf­fas­sung des Se­nats nicht ge­deckt. Es kommt hin­zu, dass für ei­ne sol­che Ty­pi­sie­rung kein er­kenn­ba­res Bedürf­nis be­steht (vgl. da­zu BVerfG-Be­schluss vom 6. No­vem­ber 1985 1 BvL 47/83, BVerfGE 71, 146), da die durch die Re­ge­lung ein­tre­ten­de un­ge­recht­fer­tig­te Be­las­tung nicht nur ei­ne klei­ne Zahl, son­dern die große Mehr­heit der Pend­ler be­trifft und nicht er­kenn­bar ist, dass die Härte nur un­ter Schwie­rig­kei­ten zu ver­mei­den wäre (BVerfG-Be­schluss vom 8. Ok­to­ber 1991 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348).

d) Das Werkstor­prin­zip wird nicht hin­rei­chend fol­ge­rich­tig um­ge­setzt.

Nach der Ent­schei­dung des BVerfG in BVerfGE 107, 27, BSt­Bl II 2003, 534 wer­den auf­grund der tra­di­tio­nel­len Grund­ent­schei­dung des deut­schen Ein­kom­men­steu­er­rechts, die steu­er­recht­lich er­heb­li­che Be­rufs­sphäre nicht erst "am Werks­tor" be­gin­nen zu las­sen, auch im Schnitt­be­reich von be­ruf­li­cher Sphäre und pri­va­ter Le­bensführung lie­gen­de Mo­bi­litätskos­ten als Wer­bungs­kos­ten oder Be­triebs­aus­ga­ben an­er­kannt. Des­halb "gehören --hin­rei­chend fol­ge­rich­tig-- vor al­lem Fahrt­kos­ten zu den im Rah­men des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips ab­zugsfähi­gen Auf­wen­dun­gen, ob­wohl sol­che Auf­wen­dun­gen we­gen der pri­va­ten Wahl des Wohn­orts zwangsläufig auch pri­vat mit­ver­an­lasst sind." Die­se Grund­ent­schei­dung ist durch die ge­setz­li­che Neu­re­ge­lung zu­min­dest nicht fol­ge­rich­tig auf­ge­ho­ben bzw. geändert wor­den.

aa) Nach der Ge­set­zes­be­gründung soll mit der Neu­re­ge­lung grundsätz­lich dem Werkstor­prin­zip Gel­tung ver­schafft wer­den, das aus­sch­ließlich die Ar­beitsstätte der Be­rufs­sphäre, das Woh­nen da­ge­gen dem Pri­vat­be­reich zu­ord­net (BT­Drucks 16/1545, 8, 13). Der Se­nat lässt da­hin­ste­hen, ob der Ge­setz­ge­ber mit der Neu­re­ge­lung tatsächlich ei­ne in­halt­li­che und nicht nur be­haup­te­te Hin­wen­dung zum sog. Werkstor­prin­zip vor­ge­nom­men hat (vgl. da­zu Wie­land, a.a.O.; FG Nie­der­sach­sen, Be­schluss vom 27. Fe­bru­ar 2007 8 K 549/06, EFG 2007, 690). Denn die­se (neue) Grund­ent­schei­dung

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un­ter­liegt dem ver­fas­sungs­recht­li­chen Ge­bot der Fol­ge­rich­tig­keit. Dem wird sie nicht ge­recht. Der Ge­setz­ge­ber hat das sog. Werkstor­prin­zip al­len­falls par­ti­ell um­ge­setzt. Die mit der be­haup­te­ten Grund­ent­schei­dung not­wen­di­ger­wei­se ver­bun­de­nen Fol­geände­run­gen sind aus­ge­blie­ben.

(1) Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG sind die Auf­wen­dun­gen des Ar­beit­neh­mers für die We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte und für Fa­mi­li­en­heim­fahr­ten kei­ne Wer­bungs­kos­ten. In Ab­wei­chung da­von sind nach § 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG "zur Ab­gel­tung erhöhter Auf­wen­dun­gen" für die We­ge ab dem 21. Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter ei­ne Ent­fer­nungs­pau­scha­le oder die tatsächli­chen Kos­ten "wie" Wer­bungs­kos­ten an­zu­set­zen. Das be­deu­tet, dass die Fahrt­auf­wen­dun­gen ab dem 21. Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter im Rah­men der Einkünf­teer­mitt­lung (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG) in Ab­zug ge­bracht wer­den dürfen, die Auf­wen­dun­gen bis zu ei­ner Ent­fer­nung von 20 Ki­lo­me­tern da­ge­gen steu­er­lich un­berück­sich­tigt blei­ben müssen. Ei­ne sol­che Dif­fe­ren­zie­rung ist mit dem be­haup­te­ten Über­gang zum sog. Werkstor­prin­zip nicht ver­ein­bar, nicht erklärbar und nicht ge­recht­fer­tigt. Im Er­geb­nis führt die Neu­re­ge­lung zu ei­ner Un­gleich­be­hand­lung der Ar­beit­neh­mer, die bis zu 20 Ki­lo­me­ter von ih­rer Ar­beitsstätte ent­fernt woh­nen, ge­genüber den wei­ter ent­fernt woh­nen­den. Im Schrift­tum wird zu Recht dar­auf hin­ge­wie­sen, dass nun­mehr dem­je­ni­gen, der bis zu ei­ner Ent­fer­nung von 20 Ki­lo­me­tern von sei­ner Ar­beitsstätte ent­fernt wohnt, der Ab­zug sämt­li­cher Fahrt­auf­wen­dun­gen ab­ge­schnit­ten ist, während dem Mit­glied ei­ner Fern­pend­ler-Fahr­ge­mein­schaft der Ab­zug ei­ner Ent­fer­nungs­pau­scha­le zu­ge­bil­ligt wird, die mögli­cher­wei­se sei­ne tatsächli­chen Kos­ten über­steigt (Drens­eck, DB 2007, Beil. 2/2007, 8 f.; vgl. auch von Born­haupt, in: Kirch­hof/ Söhn/Mel­ling­hoff, EStG, § 9 Rz F 47). Ein kon­se­quen­ter Über­gang --sei­ne Ver­ein­bar­keit mit dem ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zip un­ter­stellt-- läge nur vor, wenn die Kos­ten der Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte ge­ne­rell nicht mehr einkünf­temin­dernd berück­sich­tigt wer­den dürf­ten. Ei­ne Re­ge­lung, die nur für ei­ne Teil­grup­pe von Ar­beit­neh­mern gilt, ist kei­ne Grund­satz­ent­schei­dung des Ein­kom­men­steu­er­rechts (Wie­land, a.a.O.).

Die­sem Be­fund kann nicht ent­ge­gen ge­hal­ten wer­den, dass die Be­stim­mung in § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG als Härte­re­ge­lung (BT­Drucks 16/1545, 13; BT­Drucks 16/1802, 3) bzw. Bil­lig­keits­maßnah­me zu ver­ste­hen sei. Die Un­ter­schei­dung zwi­schen "Wer­bungs­kos­ten" und "Wie"-Wer­bungs­kos­ten ist le­dig­lich ter­mi­no­lo­gi­scher Na­tur. Ma­te­ri­ell ein­kom­men­steu­er­lich be­ste­hen zwi­schen bei­den For­men des steu­er­li­chen Ab­zugs kei­ne Un­ter­schie­de (Stuhr­mann, NJW 2006, 2513). Steu­er­sys­te­ma­tisch han­delt es sich in bei­den Fällen um Er­werbs­auf­wen­dun­gen i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG. In­so­weit kon­se­quent wer­den die "Wie"-Wer­bungs­kos­ten bei­spiels­wei­se auf die Wer­bungs­kos­ten-Pau­scha­le nach § 9a Satz 1 Nr. 1a EStG an­ge­rech­net. Hätte der Ge­setz­ge­ber die Fahrt­auf­wen­dun­gen für Fern­pend­ler als un­ver­meid­ba­re Pri­vat­auf­wen­dun­gen an­ge­se­hen, wäre sys­te­ma­tisch kor­rekt ein Ab­zug vom Ge­samt­be­trag der Einkünf­te (vgl. § 2 Abs. 4 EStG) als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen in Be­tracht ge­kom­men. Wenn, wie vom Ge­setz­ge­ber an­ge­nom­men,

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Auf­wen­dun­gen für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte kei­ne Wer­bungs­kos­ten sind, können sie bei Über­schrei­ten ei­ner be­stimm­ten Höhe nicht zu Wer­bungs­kos­ten ver­gleich­ba­ren Auf­wen­dun­gen er­star­ken.

(2) Die ent­spre­chen­den Über­le­gun­gen gel­ten für die nach wie vor be­ste­hen­de Ab­zugsmöglich­keit der Kos­ten bei Fa­mi­li­en­heim­fahr­ten im Rah­men ei­ner dop­pel­ten Haus­haltsführung in glei­cher Wei­se (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 8 EStG). Die­se schon ab dem 1. Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter be­ste­hen­de Ab­zugsmöglich­keit ist mit dem Über­gang zum sog. Werkstor­prin­zip nicht ver­ein­bar. Auch hier ist nicht er­kenn­bar, war­um die Fa­mi­li­en­heim­fahr­ten ge­genüber an­de­ren Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte pri­vi­le­giert wer­den. Hin­sicht­lich der Mo­bi­litätskos­ten für die ers­ten 20 Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter be­steht zwi­schen bei­den Fällen kein sach­lich be­gründe­ter Un­ter­schied. Das vom BMF zur Be­gründung die­ser un­ter­schied­li­chen Be­hand­lung an­geführ­te Ar­gu­ment, das Werkstor­prin­zip fin­de auch auf den Steu­er­pflich­ti­gen mit dop­pel­ter Haus­haltsführung An­wen­dung, so­weit die­ser von sei­ner Woh­nung am Beschäfti­gungs­ort zur Ar­beitsstätte fah­re, über­zeugt nicht. Viel­mehr zeigt die­ser Ein­wand ei­nen wei­te­ren Bruch in der fol­ge­rich­ti­gen Um­set­zung des Werkstor­prin­zips. Ist nämlich ei­ne Zweit­woh­nung am Beschäfti­gungs­ort aus be­ruf­li­chem An­lass be­gründet (vgl. BFH-Ur­tei­le vom 9. Au­gust 2007 VI R 10/06, BSt­Bl II 2007, 820, und VI R 23/05, BFH/NV 2007, 1994), so ist für die An­nah­me ei­ner pri­va­ten Sphäre zwi­schen Zweit­woh­nung und Ar­beitsstätte kein Raum. Des­halb können bei kon­se­quen­ter Be­fol­gung des Werkstor­prin­zips ge­ra­de die Fahr­ten von der be­ruf­lich ver­an­lass­ten Zweit­woh­nung am Beschäfti­gungs­ort zur Ar­beitsstätte nicht von dem zur Prüfung ge­stell­ten Ab­zugs­ver­bot be­trof­fen sein.

(3) Nach § 9 Abs. 2 Satz 11 EStG können Be­hin­der­te im Sin­ne der Vor­schrift die tatsächli­chen Auf­wen­dun­gen für die We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte und für Fa­mi­li­en­heim­fahr­ten an­set­zen. Auch die­se Re­ge­lung ist, wie das FG Saar­land in sei­nem Be­schluss in EFG 2007, 853 zu Recht ausführt, un­ter der Gel­tung des Werkstor­prin­zips nicht ge­recht­fer­tigt.

(4) Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG sind not­wen­di­ge Mehr­auf­wen­dun­gen, die ei­nem Ar­beit­neh­mer we­gen ei­ner aus be­ruf­li­chem An­lass be­gründe­ten dop­pel­ten Haus­haltsführung ent­ste­hen, Wer­bungs­kos­ten. Ei­ne fol­ge­rich­ti­ge Ver­wirk­li­chung des sog. Werkstor­prin­zips müss­te zum Aus­schluss die­ser Kos­ten führen (FG Saar­land in EFG 2007, 853; Lang, StuW 2007, 3; Tip­ke, BB 2007, 1525; Paus, DStZ 2006, 518).

Nach dem Be­schluss des BVerfG in BVerfGE 107, 27, BSt­Bl II 2003, 534 ist die grundsätz­li­che Ab­zugsfähig­keit der Kos­ten ei­ner be­ruf­lich be­gründe­ten dop­pel­ten Haus­haltsführung als Wer­bungs­kos­ten tra­di­tio­nel­ler Teil der Grund­ent­schei­dung des deut­schen Ein­kom­men­steu­er­rechts, die steu­er­recht­lich er­heb­li­che Be­rufs­sphäre nicht erst am sog. Werks­tor be­gin­nen zu las­sen. Des­halb wer­den Mo­bi­litätskos­ten wie vor al­lem Fahrt­kos­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte als Wer­bungs­kos­ten an­er­kannt.

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Wenn der Ge­setz­ge­ber, wie be­haup­tet, die­se tra­di­tio­nel­le Grund­ent­schei­dung zu Guns­ten des sog. Werkstor­prin­zips auf­gibt, sind da­von zu­min­dest sämt­li­che Mo­bi­litätskos­ten be­trof­fen. Da­zu zählen ne­ben den Kos­ten für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte ins­be­son­de­re auch die Mehr­auf­wen­dun­gen we­gen dop­pel­ter Haus­haltsführung. Nach der Neu­re­ge­lung ist aber der Ab­zug die­ser Mehr­auf­wen­dun­gen als Wer­bungs­kos­ten bzw. "Wie"-Wer­bungs­kos­ten (Fa­mi­li­en­heim­fahr­ten gemäß § 9 Abs. 2 Satz 7 EStG) wei­ter­hin möglich (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG; vgl. da­zu Schmidt/Drens­eck, EStG, 26. Aufl., § 9 Rz 155), der Ab­zug des nach Mei­nung des Ge­setz­ge­bers auch be­ruf­lich mit­ver­an­lass­ten Mehr­auf­wands we­gen der Fahr­ten zur Ar­beitsstätte da­ge­gen nicht (§ 9 Abs. 2 Satz 1 EStG). Die­se un­ter­schied­li­che steu­er­li­che Be­hand­lung ist, wie die zi­tier­te Ent­schei­dung des BVerfG be­reits hin­rei­chend deut­lich macht, sach­lich nicht ge­recht­fer­tigt. Es han­delt sich um Auf­wen­dun­gen glei­cher Ver­an­las­sung. In­fol­ge­des­sen hat­te bis­lang der Ar­beit­neh­mer nach ständi­ger Recht­spre­chung des Se­nats ein Wahl­recht, ent­we­der die Auf­wen­dun­gen für sämt­li­che Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte oder die not­wen­di­gen Mehr­auf­wen­dun­gen aus An­lass der dop­pel­ten Haus­haltsführung (nur ei­ne Fa­mi­li­en­heim­fahrt pro Wo­che, Un­ter­kunfts­kos­ten etc.) als Wer­bungs­kos­ten gel­tend zu ma­chen (BFH-Ur­teil vom 2. Ok­to­ber 1992 VI R 11/91, BFHE 169, 190, BSt­Bl II 1993, 113, m.w.N.).

(5) Die vom Ge­setz­ge­ber be­ab­sich­tig­te Zu­ord­nung der Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte zum Pri­vat­be­reich be­trifft nicht nur die Auf­wands-, son­dern auch die Ein­nah­men­sei­te. Dies ist bei der ge­setz­li­chen Neu­re­ge­lung nicht aus­rei­chend be­ach­tet wor­den.

Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG ist für die Be­wer­tung des geld­wer­ten Vor­teils, der dem Ar­beit­neh­mer aus der Pri­vat­nut­zung ei­nes be­trieb­li­chen Kraft­fahr­zeugs erwächst, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ent­spre­chend an­zu­wen­den. Da­nach ist die pri­va­te Nut­zung ei­nes Kraft­fahr­zeugs für je­den Ka­len­der­mo­nat mit 1 % des inländi­schen Lis­ten­prei­ses im Zeit­punkt der Erst­zu­las­sung zuzüglich der Kos­ten für Son­der­aus­stat­tun­gen ein­sch­ließlich der Um­satz­steu­er an­zu­set­zen. Kann vom Ar­beit­neh­mer das Kraft­fahr­zeug auch für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte ge­nutzt wer­den, erhöht sich der so er­mit­tel­te Nut­zungs­wert mo­nat­lich für je­den Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte um 0,03 % des Lis­ten­prei­ses (§ 8 Abs. 2 Satz 3 EStG).

Der Zu­schlag nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG ist nur ge­recht­fer­tigt, wenn die Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte der Er­werbs­sphäre zu­ge­ord­net wer­den. Bei ei­ner Zu­ord­nung der Fahr­ten zur Pri­vat­sphäre greift die Ab­gel­tungs­wir­kung der 1 %-Re­ge­lung. Der Ge­setz­ge­ber hätte des­halb zur Ver­mei­dung ei­ner Über­be­steue­rung kon­se­quen­ter­wei­se die Zu­schlag­re­ge­lung in § 8 Abs. 2 EStG be­tref­fend Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte auf­he­ben müssen. Das ist je­doch un­ter­blie­ben. Nach wie vor un­ter­schei­det die Vor­schrift, wie auf­ge­zeigt, zwi­schen Pri­vat­fahr­ten ei­ner­seits und sol­chen zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte an­de­rer­seits. Es ent­spricht nicht dem Ge­bot der Fol­ge­rich­tig­keit, auf der Ein­nah­men­sei­te ei­ne an­de­re

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sys­te­ma­ti­sche Ein­ord­nung der Fahrt­kos­ten zu­grun­de zu le­gen als auf der Aus­ga­ben­sei­te (HHR/Birk/Kis­ter, § 8 EStG Rz 96; Blut, DStR 2007, 572).

Nicht fol­ge­rich­tig ist nach Auf­fas­sung des Se­nats die durch das StÄndG 2007 ein­geführ­te Vor­schrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG (FG Saar­land in EFG 2007, 853). Da­nach gel­ten bei der Nut­zungs­wert­er­mitt­lung i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG die Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Be­triebsstätte und Fa­mi­li­en­heim­fahr­ten als be­trieb­li­che und nicht als pri­va­te Fahr­ten (zur Be­gründung vgl. BT­Drucks 16/1545, 12; vgl. auch HHR/Hick, Jah­res­band 2007, § 6 EStG Rz J 06-3 ff.).

bb) Mit der Be­gründung, die Be­rufs­sphäre be­gin­ne erst am Werks­tor, müss­ten auch an­de­re außer­halb die­ser Sphäre an­fal­len­de, dem Er­werb die­nen­de Aus­ga­ben vom Wer­bungs­kos­ten­ab­zug aus­ge­schlos­sen wer­den. Die­se Kon­se­quenz hat der Ge­setz­ge­ber je­doch nicht ge­zo­gen. Viel­mehr stel­len sol­che Auf­wen­dun­gen un­ter den Vor­aus­set­zun­gen des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG nach wie vor Wer­bungs­kos­ten dar. § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG nimmt aus­drück­lich nur die Auf­wen­dun­gen des Ar­beit­neh­mers für die We­ge zwi­schen Woh­nung und re­gelmäßiger Ar­beitsstätte und für Fa­mi­li­en­heim­fahr­ten vom Wer­bungs­kos­ten­ab­zug i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG aus. Ei­ne ein­schränken­de Aus­le­gung die­ser Grund­norm "im Lich­te" des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG schei­det aus.

(1) Zu den nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG ab­zieh­ba­ren Mo­bi­litätskos­ten zählen Auf­wen­dun­gen für sons­ti­ge Fahr­ten des Steu­er­pflich­ti­gen von sei­ner Woh­nung zum Ort der Er­werbstätig­keit und zurück. Das kann et­wa bei Fahrt­kos­ten im Zu­sam­men­hang mit ei­ner Rei­setätig­keit der Fall sein. Ent­spre­chen­des gilt bei­spiels­wei­se für von der Woh­nung an­ge­tre­te­ne Fahr­ten zu Vor­stel­lungs­gesprächen, Fort­bil­dungs­ver­an­stal­tun­gen oder Kon­gres­sen. Zu den als Wer­bungs­kos­ten zu berück­sich­ti­gen­den Mo­bi­litätskos­ten gehören auch die Auf­wen­dun­gen für be­ruf­lich ver­an­lass­te auswärti­ge Über­nach­tun­gen am Ort der re­gelmäßigen Ar­beitsstätte (BFH-Ur­teil vom 5. Au­gust 2004 VI R 40/03, BFHE 207, 225, BSt­Bl II 2004, 1074).

Als Rei­se­kos­ten können Fahrt­auf­wen­dun­gen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG pau­schal oder in tatsäch­li­cher Höhe un­ein­ge­schränkt gel­tend ge­macht wer­den. Die Ein­schränkun­gen des Wer­bungs­kos­ten­ab­zugs gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F. kom­men bei Auswärtstätig­kei­ten nicht zur An­wen­dung. Dies gilt auch, so­weit es hier von Be­deu­tung ist, für die We­ge zwi­schen Woh­nung und auswärti­ger Tätig­keitsstätte und zurück (BFH-Ur­tei­le in BFHE 209, 508, BSt­Bl II 2005, 785; vom 11. Mai 2005 VI R 15/04, BFHE 209, 515, BSt­Bl II 2005, 788; zu Zwi­schen­heim­fahr­ten vgl. BFH-Ur­teil vom 11. Fe­bru­ar 1993 VI R 50/92, BFH/NV 1993, 716; Schmidt/Drens­eck, EStG, 26. Aufl., § 9 Rz 120). Die Fi­nanz­ver­wal­tung teilt die­se Auf­fas­sung (vgl. R 9.5 i.V.m. H 9.5 (All­ge­mei­nes) des Amt­li­chen Lohn­steu­er-Hand­buchs 2008). Der Ein­wand, es han­de­le sich in­so­weit nicht um Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte, ist un­ter dem As­pekt der Fol­ge­rich­tig­keit nicht re­le­vant (Tip­ke, BB 2007, 1525). Denn auch

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hier ist wie im Fall des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG die nach dem Wil­len des Ge­setz­ge­bers dem Pri­vat­be­reich zu­zu­ord­nen­de Woh­nung Aus­gangs­punkt der je­wei­li­gen Fahrt.

(2) Eben­falls nicht ver­ein­bar mit der ge­nann­ten The­se ist der Ab­zug be­ruf­lich be­ding­ter Um­zugs­kos­ten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG.

Nach ständi­ger Recht­spre­chung sind Um­zugs­kos­ten Wer­bungs­kos­ten, wenn der Um­zug dienst­lich ver­an­lasst ist. Ein dienst­li­cher An­lass liegt nicht nur beim erst­ma­li­gen An­tritt ei­ner Stel­lung oder beim Wech­sel des Ar­beit­ge­bers vor, son­dern auch, wenn durch den Um­zug der er­for­der­li­che Zeit­auf­wand für die We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte we­sent­lich ver­min­dert wird (BFH-Ur­teil vom 21. Fe­bru­ar 2006 IX R 79/01, BFHE 212, 456, BSt­Bl II 2006, 598, m.w.N.; Schmidt/Drens­eck, EStG, 26. Aufl., § 19 Rz 60, Stich­wort "Um­zugs­kos­ten").

Wer­den die Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte un­ter Be­ru­fung auf das Werkstor­prin­zip dem Pri­vat­be­reich zu­ge­ord­net, müss­ten kon­se­quen­ter­wei­se auch die Kos­ten für den Um­zug in die Nähe des Werks­to­res vom Ab­zug aus­ge­schlos­sen sein (Paus, DStZ 2006, 518). Die­se Kon­se­quenz hat der Ge­setz­ge­ber je­doch nicht ge­zo­gen. Viel­mehr ist in den ge­nann­ten Fällen der Wer­bungs­kos­ten­ab­zug gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG möglich.

(3) Da die Reich­wei­te des Werkstor­prin­zips nicht al­lein auf die bis­lang be­han­del­ten Kos­ten der Mo­bi­lität ei­nes Ar­beits­neh­mers be­schränkt sein kann, er­ge­ben sich hin­sicht­lich der fol­ge­rich­ti­gen Um­set­zung die­ses Prin­zips noch wei­ter ge­hen­de Zwei­fel. Im Schrift­tum wird zu Recht dar­auf hin­ge­wie­sen, dass über die ge­nann­ten Bei­spielsfälle hin­aus die Ver­all­ge­mei­ne­rung der The­se, die Be­rufs­sphäre be­gin­ne am Werks­tor ("job in­si­de, pri­va­cy outs­ide"), letzt­lich auch zur Kon­se­quenz hat, dass ent­ge­gen § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sämt­li­che vor­weg­ge­nom­me­nen und nachträgli­chen Er­werbs­auf­wen­dun­gen nicht mehr er­werbs­min­dernd berück­sich­tigt wer­den dürf­ten (Tip­ke, BB 2007, 1525).

cc) Selbst wenn die Auf­wen­dun­gen für die We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte als ge­mischt ver­an­lasst zu wer­ten wären, wird die Ent­schei­dung, im Schnitt­be­reich von be­ruf­li­cher Sphäre und pri­va­ter Le­bensführung lie­gen­de Auf­wen­dun­gen aus­sch­ließlich dem Be­reich der Pri­vat­sphäre zu­zu­ord­nen, nur dann im Sin­ne ei­ner Be­las­tungs­gleich­heit fol­ge­rich­tig um­ge­setzt, wenn sie sich auf sämt­li­che ge­mischt ver­an­lass­ten Auf­wen­dun­gen er­streckt. Dies hat der Ge­setz­ge­ber nicht be­ach­tet. Er hat nur die nach sei­ner Auf­fas­sung ge­mischt ver­an­lass­ten Kos­ten für die We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte als nicht (mehr) er­werbs­ver­an­lasst qua­li­fi­ziert. Für die steu­er­li­che Be­hand­lung sons­ti­ger ge­mischt ver­an­lass­ter Auf­wen­dun­gen ist die Rechts­la­ge da­ge­gen un­verändert ge­blie­ben.

Zwar ver­bie­tet § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nach der Aus­le­gung, die die­se Vor­schrift durch die Recht­spre­chung des Großen Se­nats des BFH bis­her er­fah­ren hat (Be­schlüsse vom 19. Ok­to­ber 1970 GrS

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2/70, BFHE 100, 309, BSt­Bl II 1971, 17; in BFHE 126, 533, BSt­Bl II 1979, 213), den Ab­zug von Auf­wen­dun­gen, die so­wohl der pri­va­ten Le­bensführung die­nen als auch den Be­trieb fördern. Die Recht­spre­chung des BFH hat das sog. Auf­tei­lungs- und Ab­zugs­ver­bot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG al­ler­dings seit je­her ein­schränkend da­hin aus­ge­legt, dass es nicht an­zu­wen­den ist, wenn das Hin­ein­spie­len der Le­bensführung un­be­deu­tend ist und nicht ins Ge­wicht fällt oder wenn und so­weit sich der dem Be­ruf die­nen­de Teil der Auf­wen­dun­gen nach ob­jek­ti­ven Maßstäben mit Si­cher­heit und leicht --ge­ge­be­nen­falls im We­ge der Schätzung-- ab­gren­zen lässt (vgl. im Ein­zel­nen BFH-Be­schluss in BFHE 214, 354, BSt­Bl II 2007, 121 mit Hin­weis auf die über­wie­gend ge­gen­tei­li­gen Auf­fas­sun­gen im Schrift­tum; zu Bei­spielsfällen vgl. Schmidt/Drens­eck, EStG, 26. Aufl., § 12 Rz 13).

Dar­aus folgt, dass un­ter den ge­nann­ten ein­schränken­den Vor­aus­set­zun­gen der Wer­bungs­kos­ten­ab­zug (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) auch ge­mischt ver­an­lass­ter Auf­wen­dun­gen ganz oder teil­wei­se zulässig ist (zu Kraft­fahr­zeug-Kos­ten vgl. BFH-Be­schluss in BFHE 100, 309, BSt­Bl II 1971, 17). Es er­scheint nicht sach­ge­setz­lich, von die­ser Ab­zugsmöglich­keit al­lein die Auf­wen­dun­gen für die We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte aus­zu­neh­men.

2. § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG stellt ei­ne Aus­nah­me von der fol­ge­rich­ti­gen Um­set­zung der mit dem ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zip ge­trof­fe­nen Be­las­tungs­ent­schei­dung dar. Die­se Aus­nah­me ist nicht durch ei­nen be­son­de­ren, sach­li­chen Grund ge­recht­fer­tigt (FG Nie­der­sach­sen und Saar­land in EFG 2007, 690 bzw. 853).

Die Neu­re­ge­lung wird in der Ge­set­zes­be­gründung le­dig­lich fi­nanz­po­li­tisch ("Haus­halts­kon­so­li­die­rung") ge­recht­fer­tigt (BT­Drucks 16/1545, 8, 13). Len­kungs­ef­fek­te wer­den als Recht­fer­ti­gung nicht ge­nannt und sind auch nicht tat­be­stand­lich vor­ge­zeich­net (vgl. BVerfG-Be­schluss in BVerfGE 27, 58, BSt­Bl II 1970, 140; zur Be­deu­tung von Förde­rungs- und Len­kungs­zwe­cken vgl. auch BVerfG-Be­schluss vom 21. Ju­ni 2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164). Sie sind zu­dem nicht er­sicht­lich. Ins­be­son­de­re kom­men ver­kehrs- oder um­welt­po­li­ti­sche Gründe nicht in Be­tracht (vgl. da­zu FG Saar­land in EFG 2007, 853; Wie­land, a.a.O.).

Die Haus­halts­kon­so­li­die­rung al­lein lie­fert für sich ge­nom­men noch kei­nen sach­li­chen Grund für Un­gleich­be­hand­lun­gen (Os­ter­loh, in Sachs, Grund­ge­setz, 4. Aufl., Art. 3 Rz 145) und recht­fer­tigt des­halb die Son­der­be­las­tung der Pend­ler nicht (Tip­ke, BB 2007, 1525; vgl. auch BVerfG-Be­schluss in BVerfGE 116, 164). Zwar kann die Ver­rin­ge­rung der pau­scha­lier­ten Wer­bungs­kos­ten und da­mit die ent­spre­chen­de Erhöhung der Erträge der Ein­kom­men­steu­er ge­recht­fer­tigt sein, wenn die­se Maßnah­me im Rah­men ei­nes in­halt­li­chen Ge­samt­pro­gramms zur Her­stel­lung ei­nes aus­ge­gli­che­nen Haus­halts ei­ne Kon­so­li­die­rungs­rol­le ein­nimmt (BVerfG-Be­schluss in BVerfGE 27, 58, BSt­Bl II 1970, 140). Fis­ka­li­sche Erwägun­gen die­ser Art recht­fer­ti­gen je­doch kein Son­der­op­fer der Ar­beit­neh­mer durch Nicht­ab­zieh­bar­keit der Auf­wen­dun­gen für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte (von Born­haupt, in: Kirch­hof/Söhn/Mel­ling­hoff, EStG, § 9 Rz F 46; Wie­land, a.a.O.).

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3. Geht man mit dem Ge­setz­ge­ber da­von aus, dass die Auf­wen­dun­gen für die We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte kei­ne Wer­bungs­kos­ten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind, verstößt die Neu­re­ge­lung nach Auf­fas­sung des Se­nats ge­gen den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz (Art. 3 Abs. 1 GG) in der Aus­prägung des Grund­sat­zes der Be­steue­rung nach der sub­jek­ti­ven Leis­tungsfähig­keit. Die­ser Grund­satz ver­langt, dass un­ver­meid­ba­re Aus­ga­ben, die in der pri­va­ten Sphäre an­fal­len, die Be­mes­sungs­grund­la­ge der Ein­kom­men­steu­er min­dern (BFH-Be­schluss vom 14. De­zem­ber 2005 X R 20/04, BFHE 211, 351, BSt­Bl II 2006, 312). Auf­wen­dun­gen, die nicht nur in ob­jek­ti­vem Zu­sam­men­hang mit ei­ner steu­er­ba­ren Tätig­keit ste­hen, son­dern zur Ein­nah­men­er­zie­lung er­for­der­lich sind (not­wen­di­ge Er­werbs­auf­wen­dun­gen), sind un­ver­meid­ba­re Aus­ga­ben in die­sem Sin­ne. Durch sie wird die wirt­schaft­li­che Leis­tungsfähig­keit des Steu­er­pflich­ti­gen ge­min­dert (Jach­mann, DAR 1997, 185).

a) Für den Be­reich des sub­jek­ti­ven Net­to­prin­zips ist das Ver­fas­sungs­ge­bot der steu­er­li­chen Ver­scho­nung des Exis­tenz­mi­ni­mums des Steu­er­pflich­ti­gen und sei­ner un­ter­halts­be­rech­tig­ten Fa­mi­lie zu be­ach­ten. Wie weit über den Schutz des Exis­tenz­mi­ni­mums hin­aus auch sons­ti­ge un­ver­meid­ba­re oder zwangsläufi­ge pri­va­te Auf­wen­dun­gen bei der Be­mes­sungs­grund­la­ge ein­kom­mens­min­dernd zu berück­sich­ti­gen sind, ist zwar ver­fas­sungs­recht­lich bis­lang noch nicht ab­sch­ließend geklärt. Ent­schie­den ist je­doch, dass es für die ver­fas­sungs­recht­lich ge­bo­te­ne Be­steue­rung nach fi­nan­zi­el­ler Leis­tungsfähig­keit nicht nur auf die Un­ter­schei­dung zwi­schen be­ruf­li­chem oder pri­va­tem Ver­an­las­sungs­grund für Auf­wen­dun­gen an­kommt, son­dern je­den­falls auch auf die Un­ter­schei­dung zwi­schen frei­er oder be­lie­bi­ger Ein­kom­mens­ver­wen­dung ei­ner­seits und zwangsläufi­gem, pflicht­be­stimm­tem Auf­wand an­de­rer­seits. Die Berück­sich­ti­gung pri­vat ver­an­lass­ten Auf­wands steht nicht oh­ne wei­te­res zur Dis­po­si­ti­on des Ge­setz­ge­bers. Die­ser hat die un­ter­schied­li­chen Gründe, die den Auf­wand ver­an­las­sen, auch dann im Lich­te be­trof­fe­ner Grund­rech­te dif­fe­ren­zie­rend zu würdi­gen, wenn sol­che Gründe ganz oder teil­wei­se der Sphäre der all­ge­mei­nen (pri­va­ten) Le­bensführung zu­zu­ord­nen sind (BVerfG-Be­schluss in BVerfGE 107, 27, BSt­Bl II 2003, 534, m.w.N.).

b) Nach die­sen Grundsätzen ent­ste­hen die Kos­ten, die für die We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte auf­zu­brin­gen sind, den Ar­beit­neh­mern zwangsläufig (FG Nie­der­sach­sen in EFG 2007, 690; FG Saar­land in EFG 2007, 853; Lang, StuW 2007, 3; Tip­ke, Fest­schrift für Rau­pach, 177; ders., BB 2007, 1525; Bren­ner, DAR 2007, 441; Henn­richs, BB 2004, 584; Kar­ren­brock/Fehr, DStR 2006, 1303; Drens­eck, Gedächt­nis­schrift für Trz­as­ka­lik, 283, 292; ders. in Schmidt, EStG, 26. Aufl., § 9 Rz 110). Be­trof­fen sind ins­be­son­de­re die Grund­rech­te aus Art. 11, 12 und Art. 6 Abs. 1 GG.

aa) Fahrt­auf­wen­dun­gen ent­ste­hen zwar nicht mit der glei­chen Zwangsläufig­keit wie der Si­che­rung des Exis­tenz­mi­ni­mums die­nen­de Leis­tun­gen. Den­noch können sich ih­nen die Steu­er­pflich­ti­gen nicht be­lie­big ent­zie­hen, wie dies bei an­de­ren pri­va­ten Auf­wen­dun­gen

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der Fall ist. Denn oh­ne Fahrt zur Ar­beitsstätte kann der Steu­er­pflich­ti­ge re­gelmäßig nicht ar­bei­ten und folg­lich kei­ne Ein­nah­men er­zie­len. Die Fahrt­kos­ten sind so­mit zur Exis­tenz­si­che­rung un­ver­meid­lich. Sie können nur da­durch ver­mei­den wer­den, dass die er­werbstäti­gen Steu­er­pflich­ti­gen stets dort­hin zie­hen, wo sie ei­ne Er­werbstätig­keit ge­fun­den ha­ben. Das zu er­war­ten und zu­zu­mu­ten, ver­letzt das Grund­recht der Freizügig­keit (Art. 11 GG; Tip­ke, Fest­schrift für Rau­pach, 177, 185; Eli­cker, Ent­wurf ei­ner pro­por­tio­na­len Net­to-Ein­kom­men­steu­er, 221 ff.); er­war­tet wird da­durch auch ei­ne Unmöglich­keit (zur Be­deu­tung des Ge­bots der rea­litäts­ge­rech­ten Tat­be­stands­ge­stal­tung vgl. BVerfG-Ent­schei­dun­gen in BVerfGE 105, 73, BSt­Bl II 2002, 618; in BVerfGE 107, 27, BSt­Bl II 2003, 534). Es kann nicht je­der in oder in der Nähe sei­ner Ar­beitsstätte woh­nen (FG Nie­der­sach­sen in EFG 2007, 690). Des­halb stellt auch das Werkstor­prin­zip le­dig­lich ei­ne Fik­ti­on dar. Zu­min­dest bis zu ei­ner ge­wis­sen Ent­fer­nung sind Auf­wen­dun­gen für die We­ge zur Ar­beit im Re­gel­fall un­umgäng­lich.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des FA und des BMF kann der Wohn­ort nicht re­gelmäßig frei gewählt wer­den. Zu berück­sich­ti­gen sind der Woh­nungs­markt, die fi­nan­zi­el­len Verhält­nis­se, die Bedürf­nis­se der Fa­mi­lie und an­de­re Zwänge (vgl. da­zu Wes­sel­baum-Neu­ge­bau­er, FR 2004, 385, 386; Tip­ke, BB 2007, 1525). Die For­de­rung, trotz die­ser Zwänge an das Werks­tor zu zie­hen, kann den Steu­er­pflich­ti­gen ver­an­las­sen, den Be­ruf oder Ar­beit­ge­ber zu wech­seln oder so­gar sei­ne Er­werbstätig­keit ein­zu­stel­len. Dies be­deu­tet je­doch ei­ne Ein­schränkung der von Art. 12 GG geschütz­ten Be­rufs­wahl­frei­heit. So­weit der Steu­er­pflich­ti­ge we­gen sei­ner Fa­mi­lie in größerer Ent­fer­nung von sei­ner Ar­beitsstätte wohnt und des­halb ent­spre­chen­de Fahrt­auf­wen­dun­gen auf sich neh­men muss, hat dem der Steu­er­ge­setz­ge­ber im Hin­blick auf Art. 6 Abs. 1 GG Rech­nung zu tra­gen. Denn Art. 6 Abs. 1 GG ist grundsätz­lich ver­letzt, wenn ei­ne steu­er­li­che Mehr­be­las­tung dar­auf ba­siert, dass ein Steu­er­pflich­ti­ger ver­hei­ra­tet ist oder ei­ne Fa­mi­lie hat (Jach­mann, DAR 1997, 185).

bb) Die Zwangsläufig­keit ist vor al­lem dann of­fen­kun­dig, wenn der Ar­beit­neh­mer meh­re­re Be­rufstätig­kei­ten an ver­schie­de­nen Or­ten ausübt (z.B. Ne­ben­er­werbs­land­wirt), wenn er sei­ne Ar­beits­stel­le ver­liert oder der Be­triebs­sitz des Ar­beit­ge­bers wech­selt und man­gels Al­ter­na­ti­ven an ei­nem auswärti­gen Ort ei­ne neue Ar­beit auf­ge­nom­men wer­den muss. Ent­spre­chen­des gilt in den Fällen be­fris­te­ter Beschäfti­gungs­verhält­nis­se oder Ket­ten­ab­ord­nun­gen (FG Nie­der­sach­sen in EFG 2007, 690; Mi­cker, DStR 2007, 1145; Lenk, BB 2006, 1305). Die Fahrt­auf­wen­dun­gen sind hier kei­ne Mit­tel, die zur Be­frie­di­gung be­lie­bi­ger Bedürf­nis­se ein­ge­setzt wer­den (vgl. da­zu BVerfG-Be­schlüsse vom 10. No­vem­ber 1998 2 BvR 1057, 1226, 980/91, BVerfGE 99, 216, BSt­Bl II 1999, 182; vom 26. Ja­nu­ar 1994 1 BvL 12/86, BVerfGE 89, 346, BSt­Bl II 1994, 307). Den Ar­beit­neh­mern ist es aus fa­mi­liären und so­zia­len Gründen nicht zu­mut­bar, ih­ren (Fa­mi­li­en-)Wohn­sitz bei je­dem Ar­beits­platz­wech­sel auf­zu­ge­ben und je­weils dau­er­haft in die Nähe des neu­en Ar­beits­plat­zes zu ver­le­gen (FG Saar­land in EFG 2007, 853; Drens­eck, Gedächt­nis­schrift für Trz­as­ka­lik, 283, 293). Hier sind die Grund­rech­te aus Art. 6 Abs. 1 und Art. 12 GG berührt.

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cc) Ins­be­son­de­re in den Fällen bei­der­seits be­rufstäti­ger Ehe­gat­ten be­darf die be­haup­te­te freie Wahl des Wohn­orts im Licht des durch Art. 6 Abs. 1 GG gewähr­leis­te­ten Schut­zes der Ehe und Fa­mi­lie ei­ner um­fas­sen­den Würdi­gung (vgl. da­zu auch un­ter B. VI. 3. der Gründe). Denn wenn die Ehe­part­ner --wie im Streit­fall-- an ver­schie­de­nen Or­ten ar­bei­ten, steht ih­nen tatsächlich nicht mehr frei, den Wohn­ort un­abhängig von fa­mi­liären Bin­dun­gen und nur abhängig von der Ar­beitsstätte zu wählen (Bren­ner, DAR 2007, 441). Den Ehe­gat­ten bleibt nur die "Wahl" zwi­schen "Fahrt oder Fahrt" (Henn­richs, BB 2004, 584). Das gilt im Hin­blick auf Art. 12 GG auch dann, wenn die Ehe­leu­te an näher zu­sam­men­lie­gen­den Or­ten ei­ne Ar­beits­stel­le fin­den könn­ten. Nach dem Ehe­bild des GG sind bei­de Ehe­part­ner gleich­be­rech­tigt und frei in der Ent­schei­dung, wel­che Rol­le je­der Ehe­part­ner im Rah­men der Ge­stal­tung des Ehe­le­bens über­nimmt (Jach­mann, DAR 1997, 185).

dd) Der Be­fund, dass Fahrt­kos­ten zwangsläufi­ger pflicht­be­stimm­ter Auf­wand sind, kann nicht mit dem Hin­weis auf die sog. Härte­re­ge­lung für die Fern­pend­ler (§ 9 Abs. 2 Satz 2 ff. EStG) in Fra­ge ge­stellt wer­den. Denn das Ein­kom­men­steu­er­recht ist auf die Leis­tungsfähig­keit des ein­zel­nen Steu­er­pflich­ti­gen hin an­ge­legt. Ob ei­ne "Härte" vor­liegt, hängt von der Höhe des Ein­kom­mens ab. Wer ein ge­rin­ges Ein­kom­men be­zieht, kann bei ei­ner Ent­fer­nung von 15 km im Hin­blick auf sein dis­po­ni­bles Ein­kom­men härter be­trof­fen sein als ein Pend­ler mit ho­hem Ein­kom­men bei ei­ner Ent­fer­nung von 25 oder 75 km (Tip­ke, BB 2007, 1525), zu­mal wenn die­sem als Mit­fah­rer ei­ner Fern­pend­ler-Fahr­ge­mein­schaft nur an­tei­li­ge oder kei­ne We­ge­kos­ten ent­ste­hen. Die vom BMF vor­ge­nom­me­ne Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen durch­schnitt­li­cher (bei Ent­fer­nung bis 20 km) und über­durch­schnitt­li­cher (ab 21. Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter) Be­las­tung von Pend­lern ist auch auf der Grund­la­ge der dem Ge­setz­ge­ber "im Rah­men der im ge­wal­ten­tei­len­den Ver­fas­sungs­staat ihm zu­ge­wie­se­nen Ty­pi­sie­rungs­be­fug­nis" nicht ge­recht­fer­tigt. Auch wenn man da­von aus­geht, dass ge­ra­de bei ex­tre­men Fern­pend­lern pri­va­te Mo­ti­ve für den Wohn­sitz­wech­sel nicht mehr von un­ter­ge­ord­ne­ter Be­deu­tung sind, er­scheint die Härte­re­ge­lung in sich wi­dersprüchlich, weil sie ge­ra­de die­je­ni­gen begüns­tigt, die sich nicht der Mühe un­ter­zie­hen, ih­ren Wohn­sitz in der Nähe ih­res Ar­beits­plat­zes zu neh­men.

c) Nach Auf­fas­sung der FG Nie­der­sach­sen und Saar­land in EFG 2007, 690 bzw. 853 kann die Neu­re­ge­lung bei Ge­ring­ver­die­nern mit hin­rei­chend ho­hen Fahrt­kos­ten zu ei­nem Ver­s­toß ge­gen das Ver­fas­sungs­ge­bot der steu­er­li­chen Ver­scho­nung des Exis­tenz­mi­ni­mums des Steu­er­pflich­ti­gen und sei­ner un­ter­halts­be­rech­tig­ten Fa­mi­li­en­an­gehöri­gen führen (vgl. da­zu BVerfG-Be­schlüsse in BVerfGE 107, 27, BSt­Bl II 2003, 534; vom 10. No­vem­ber 1998 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, BSt­Bl II 1999, 174; vom 25. Sep­tem­ber 1992 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153, BSt­Bl II 1993, 413; BFH-Be­schluss in BFHE 211, 351, BSt­Bl II 2006, 312). Die­ser An­sicht schließt sich der Se­nat an (eben­so Kar­ren­brock/Fehr, DStR 2006, 1303; Lenk, BB 2006, 1305; Mi­cker, DStR 2007, 1145; Leis­ner-Egen­sper­ger, BB 2007, 639; vgl. auch Jach­mann, DAR 1997, 185).

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Das Ver­fas­sungs­ge­bot der steu­er­li­chen Ver­scho­nung des Exis­tenz­mi­ni­mums und das Ge­bot der Fol­ge­rich­tig­keit wer­den ver­letzt, wenn durch den in Re­de ste­hen­den Pa­ra­dig­men­wech­sel Kos­ten für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte nicht mehr als Er­werbs­auf­wand, son­dern als Kos­ten der pri­va­ten Le­bensführung qua­li­fi­ziert wer­den, aber der Ge­setz­ge­ber es un­terlässt, den ein­kom­men­steu­er­recht­li­chen Grund­frei­be­trag ent­spre­chend an­zu­pas­sen. So­weit das BMF dem­ge­genüber gel­tend macht, dass Auf­wen­dun­gen für die We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte nicht Teil des exis­tenz­not­wen­di­gen sächli­chen Be­darfs sei­en, kann dem nicht ge­folgt wer­den. Denn die Fahrt­kos­ten sind nicht nur, wie be­reits aus­geführt, zur Exis­tenz­si­che­rung un­ver­meid­lich. Ih­re ein­kom­men­steu­er­li­che Berück­sich­ti­gung er­gibt sich auch aus dem So­zi­al­hil­fe­recht, das ei­ne das Exis­tenz­mi­ni­mum quan­ti­fi­zie­ren­de Ver­gleichs­ebe­ne bie­tet. Da­nach muss der Ge­setz­ge­ber dem Ein­kom­mens­be­zie­her von des­sen Er­werbs­bezügen min­des­tens das be­las­sen, was er dem Bedürf­ti­gen zur Be­frie­di­gung sei­nes exis­tenz­not­wen­di­gen Be­darfs aus öffent­li­chen Mit­teln zur Verfügung stellt (BVerfG-Be­schluss in BVerfGE 99, 246, BSt­Bl II 1999, 174).

Mit die­sem Grund­satz ist nicht in Übe­rein­stim­mung zu brin­gen, wenn ei­ner­seits das Ein­kom­men­steu­er­recht Auf­wen­dun­gen für We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte nicht (mehr) als Teil des exis­tenz­not­wen­di­gen Be­darfs be­trach­tet, aber an­de­rer­seits das der­zeit gel­ten­de So­zi­al­hil­fe­recht (wei­ter) das an­zu­rech­nen­de Ein­kom­men so­zi­al­hil­fe­recht­li­cher Leis­tungs­empfänger um die mit ih­rer Ein­kom­mens­er­zie­lung ver­bun­de­nen not­wen­di­gen Aus­ga­ben kürzt (§ 11 Abs. 2 des So­zi­al­ge­setz­buchs Zwei­tes Buch --SGB II--, § 82 Abs. 2 des So­zi­al­ge­setz­buchs Zwölf­tes Buch --SGB XII--) und zu die­sen not­wen­di­gen Aus­ga­ben --so aus­drück­lich die da­zu er­gan­ge­nen Durchführungs­ver­ord­nun­gen-- auch die Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte zählen. Denn nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b der Ver­ord­nung zur Be­rech­nung von Ein­kom­men so­wie zur Nicht­berück­sich­ti­gung von Ein­kom­men und Vermögen beim Ar­beits­lo­sen­geld II/So­zi­al­geld (BGBl I 2004, 2622) bzw. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b der ge­nann­ten Ver­ord­nung i.d.F. vom 17. De­zem­ber 2007 (BGBl I 2007, 2942) sind vom Ein­kom­men der Hil­fe­bedürf­ti­gen bei Be­nut­zung ei­nes Kraft­fahr­zeugs für die Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte 0,20 € für je­den Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter der kürzes­ten Straßen­ver­bin­dung ab­zu­set­zen.

Für das an­zu­rech­nen­de Ein­kom­men der nach SGB XII Leis­tungs­be­rech­tig­ten gilt Ent­spre­chen­des. Denn auch nach § 3 Abs. 6 Nr. 2 Buchst. a der Ver­ord­nung zur Durchführung des § 82 SGB XII (BGBl I 1962, 692, zu­letzt geändert durch Art. 11 des Ver­wal­tungs­ver­ein­fa­chungs­ge­set­zes vom 21. März 2005, BGBl I 2005, 818) ist für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte für die ers­ten 40 Ki­lo­me­ter das Ein­kom­men um mo­nat­li­che Pausch­beträge von 5,20 € für je­den vol­len Ki­lo­me­ter, den die Woh­nung von der Ar­beitsstätte ent­fernt liegt, zu kürzen. Bei 20 Ar­beits­ta­gen im Mo­nat ent­spricht dies ei­ner Ent­fer­nungs­pau­scha­le von 0,26 € je Ki­lo­me­ter.

4. Die Neu­re­ge­lung genügt im Fall bei­der­seits be­rufstäti­ger

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Ehe­gat­ten, um die es hier geht, nicht den Maßstäben des Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG (FG Saar­land in EFG 2007, 853; FG Nie­der­sach­sen in EFG 2007, 690; von Born­haupt, in: Kirch­hof/Söhn/Mel­ling­hoff, EStG, § 9 Rz F 48; Bren­ner, DAR 2007, 441; Leis­ner-Egen­sper­ger, BB 2007, 639; Mi­cker, DStR 2007, 1145; Kar­ren­brock/Fehr, DStR 2006, 1303; Henn­richs, BB 2004, 584; Stahl­schmidt, FR 2006, 818).

Der be­son­de­re ver­fas­sungs­recht­li­che Schutz von Ehe und Fa­mi­lie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG er­streckt sich auf die "Al­lein­ver­die­ner­ehe" eben­so wie auf die "Dop­pel­ver­die­ner­ehe". In der Ent­schei­dung des BVerfG in BVerfGE 107, 27, BSt­Bl II 2003, 534 heißt es:

"Den ge­bo­te­nen Schutz der 'Dop­pel­ver­die­ner­ehe' ver­fehlt der Ein­kom­men­steu­er­ge­setz­ge­ber, wenn er Auf­wen­dun­gen, die für bei­der­seits be­rufstäti­ge Ehe­gat­ten zwangsläufi­ger Auf­wand für die Ver­ein­bar­keit von Ehe und Be­ruf un­ter Be­din­gun­gen ho­her Mo­bi­lität sind, nach Ab­lauf von zwei Jah­ren mit be­lie­big dis­po­ni­bler pri­va­ter Ein­kom­mens­ver­wen­dung gleich­setzt und für die Be­mes­sung der wirt­schaft­li­chen Leis­tungsfähig­keit der Ehe­gat­ten un­berück­sich­tigt lässt. Art. 3 Abs. 1 GG in Ver­bin­dung mit Art. 6 Abs. 1 GG ge­bie­tet es, Auf­wen­dun­gen für ei­ne dop­pel­te Haus­haltsführung bei der Be­mes­sung der fi­nan­zi­el­len Leis­tungsfähig­keit zu berück­sich­ti­gen, so­weit es sich um zwangsläufi­gen Mehr­auf­wand bei­der­seits be­rufstäti­ger Ehe­gat­ten han­delt, der da­durch ent­steht, dass ein ge­mein­sa­mer Wohn­sitz bei dem Beschäfti­gungs­ort des ei­nen Ehe­gat­ten be­steht und zu­gleich die Un­ter­hal­tung ei­nes wei­te­ren Wohn­sit­zes durch die Be­rufstätig­keit des an­de­ren Ehe­gat­ten an ei­nem an­de­ren Ort ver­an­lasst ist. Aus wel­chen Gründen sich ei­ner der Ehe­gat­ten für ei­ne Be­rufstätig­keit an ei­nem vom ge­mein­sa­men Wohn­ort ab­wei­chen­den Beschäfti­gungs­ort ent­schlos­sen hat, ist da­bei auch nach Ab­lauf von zwei Jah­ren dop­pel­ter Haus­haltsführung nicht von Be­lang; es liegt im Rah­men der von Art. 6 Abs. 1 GG geschütz­ten Sphäre pri­va­ter Le­bens­ge­stal­tung, ob die­ser Ehe­part­ner in Wahr­neh­mung sei­ner Be­rufs­frei­heit (Art. 12 Abs. 1 GG) ei­nen sol­chen Ent­schluss fasst, um über­haupt ei­ne Ar­beits­stel­le zu fin­den, oder ob er da­mit bei­spiels­wei­se nur die Er­war­tung ei­ner höhe­ren Ar­beits­platz­at­trak­ti­vität oder bes­se­rer Kar­rie­re­chan­cen ver­bin­det."

Das BVerfG fährt fort: "Das aus Art. 6 Abs. 1 GG fol­gen­de Ver­bot, die Ver­ein­bar­keit von Ehe und Be­rufs­ausübung bei­der Ehe­gat­ten zu er­schwe­ren, führt da­zu, dass der Ge­setz­ge­ber bei bei­der­seits be­rufstäti­gen Ehe­gat­ten Auf­wen­dun­gen für dop­pel­te Haus­haltsführung nicht des­halb als be­lie­big dis­po­ni­bel be­trach­ten darf, weil sol­che Auf­wen­dun­gen pri­vat (mit-)ver­an­lasst sind. Wer­den Auf­wen­dun­gen für dop­pel­te Haus­haltsführung bei die­ser Fall­grup­pe zwangsläufig zur Gewähr­leis­tung der Be­rufstätig­keit bei­der Ehe­gat­ten er­bracht, so sind sie auch über ei­nen Zwei­jah­res­zeit­raum hin­aus grundsätz­lich als Min­de­rung fi­nan­zi­el­ler Leis­tungsfähig­keit steu­er­lich zu berück­sich­ti­gen."

Die­se Erwägun­gen gel­ten in glei­cher Wei­se, wenn die Ver­ein­bar­keit

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von Ehe und Be­ruf statt mit­tels ei­ner dop­pel­ten Haus­haltsführung durch tägli­ches Pen­deln vom ge­mein­sa­men Fa­mi­li­en­wohn­sitz zur je­wei­li­gen Ar­beitsstätte er­reicht wird. Die Ent­schei­dung des BVerfG in BVerfGE 110, 412 steht dem nicht ent­ge­gen (so aber wohl Werns­mann, DStR 2007, 1149). An­ders als im Streit­fall ging es dort um das Förder­ge­bot des Art. 6 Abs. 1 GG.

Die­ser, bei­der­seits er­werbstäti­ge Ehe­gat­ten tref­fen­de, Ver­s­toß ge­gen Art. 6 Abs. 1 GG kann ent­ge­gen der Auf­fas­sung des BMF auch nicht von der sog. Härte­re­ge­lung des § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG auf­ge­fan­gen wer­den, weil er be­reits die ers­ten 20 km der Fahrt­stre­cke zwi­schen der ge­mein­sa­men Ehe­woh­nung und den un­ter­schied­li­chen Ar­beitsstätten er­fasst.

VII. Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit der Vor­la­ge

Der Se­nat setzt das Ver­fah­ren aus und holt ei­ne Ent­schei­dung des BVerfG zu der Vor­la­ge­fra­ge ein, da es für die Ent­schei­dung des Streit­fal­les auf die Ver­fas­sungsmäßig­keit des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG an­kommt (Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 1 BVerfGG).
Der Kläger ist durch den nach Auf­fas­sung des be­sch­ließen­den Se­nats ver­fas­sungs­wid­ri­gen Aus­schluss der Auf­wen­dun­gen für die We­ge zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte vom Wer­bungs­kos­ten­ab­zug be­trof­fen.

1. Er­weist sich § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG als mit der Ver­fas­sung ver­ein­bar, wäre die Re­vi­si­on ge­gen das kla­ge­ab­wei­sen­de Ur­teil des FG als un­be­gründet zurück­zu­wei­sen (vgl. da­zu un­ter B. I. und BFH-Be­schluss in BSt­Bl II 2007, 799).

2. Ist die Re­ge­lung je­doch ver­fas­sungs­wid­rig, müss­te der Se­nat zu ei­ner an­de­ren Ent­schei­dung kom­men.

a) Die Re­vi­si­on ist zulässig.

Zwar wirkt sich nach Ab­lauf des Mo­nats März 2008 die Ein­tra­gung des Frei­be­trags auf der Lohn­steu­er­kar­te 2007 nicht mehr auf das Lohn­steu­er­ab­zugs­ver­fah­ren aus (§ 42b Abs. 3 Satz 1 EStG), so dass das Rechts­schutz­bedürf­nis für die An­fech­tungs­kla­ge entfällt (BFH-Ent­schei­dun­gen vom 7. April 1987 IX R 41/86, BFH/NV 1987, 714; vom 2. No­vem­ber 2000 X R 156/97, BFH/NV 2001, 476). Dies führt je­doch nicht zur Un­zulässig­keit der Re­vi­si­on. Viel­mehr kann auf An­trag das An­fech­tungs­ver­fah­ren in ein Fest­stel­lungs­ver­fah­ren nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO über­ge­lei­tet wer­den, wenn der Kläger ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se an der Fest­stel­lung der Rechts­wid­rig­keit der ab­ge­lehn­ten Ein­tra­gung auf der Lohn­steu­er­kar­te hat. Da­von ist im Hin­blick auf das Lohn­steu­er­ver­fah­ren für das Fol­ge­jahr und die das Jahr 2007 be­tref­fen­de Ver­an­la­gung zur Ein­kom­men­steu­er aus­zu­ge­hen (BFH-Ur­tei­le vom 7. Ju­ni 1989 X R 12/84, BFHE 157, 370, BSt­Bl II 1989, 976; vom 7. Au­gust 1991 X R 116/89, BFHE 165, 267, BSt­Bl II 1992, 736; Gräber/von Groll, Fi­nanz­ge­richts­ord­nung, 6. Aufl., § 100 Rz 58).

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b) Erklärt das BVerfG die kos­ten­be­gren­zen­de Vor­schrift für nich­tig, wäre dem Kla­ge­be­geh­ren (zu­min­dest teil­wei­se) statt­zu­ge­ben. Kos­ten für die Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte wären bis zum 20. Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter in tatsäch­li­cher oder pau­scha­lier­ter Höhe als Wer­bungs­kos­ten zu berück­sich­ti­gen. Im der­zei­ti­gen Sta­di­um des Ver­fah­rens kann hin­sicht­lich der Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit der Vor­fra­ge of­fen­blei­ben, in wel­cher kon­kre­ten Höhe die Fahrt­kos­ten ab­zugs­min­dernd an­zu­set­zen sind. Es kommt in die­sem Zu­sam­men­hang auch nicht dar­auf an, ob im Fall der Nich­ti­gerklärung die bis 2006 gel­ten­de Re­ge­lung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, § 9 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EStG) wie­der auf­lebt (vgl. da­zu BVerfG-Be­schluss vom 19. Ju­li 2000 1 BvR 539/96, BVerfGE 102, 197; FG Nie­der­sach­sen in EFG 2007, 690) oder § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als Grund­tat­be­stand her­an­zu­zie­hen ist (so FG Saar­land in EFG 2007, 853).

Hält das BVerfG die vollständi­ge Ver­sa­gung des Wer­bungs­kos­ten­ab­zugs für die strei­ti­gen Auf­wen­dun­gen für ver­fas­sungs­wid­rig und erklärt es die ge­nann­te Be­stim­mung für un­ver­ein­bar mit dem GG, so muss der Ge­setz­ge­ber ei­ne Neu­re­ge­lung tref­fen. In die­sem Fall müss­te das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren bis zu ei­ner Neu­re­ge­lung durch den Ge­setz­ge­ber aus­ge­setzt wer­den (BVerfG-Be­schluss in BVerfGE 107, 27, BSt­Bl II 2003, 534).

Die Möglich­keit, dass das BVerfG die Re­ge­lung trotz Ver­fas­sungs­wid­rig­keit zeit­wei­se für wei­ter­hin an­wend­bar hält, ist für die Fra­ge der Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit un­be­acht­lich (BVerfG-Be­schluss vom 22. Ju­ni 1995 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, BSt­Bl II 1995, 655).

3. Ei­ne ver­fas­sungs­kon­for­me Aus­le­gung ist in An­be­tracht des kla­ren und dem Ge­set­zes­zweck ent­spre­chen­den Wort­lauts nicht möglich (eben­so FG Saar­land in EFG 2007, 853). Die Kos­ten für die We­ge zur Ar­beitsstätte min­dern das zu ver­steu­ern­de Ein­kom­men auch nicht in sons­ti­ger Wei­se. Sie sind we­der Son­der­aus­ga­ben gemäß § 10 EStG noch "außer­gewöhn­li­che" Be­las­tun­gen. Ent­spre­chen­de Auf­wen­dun­gen ent­ste­hen der über­wie­gen­den Mehr­zahl der steu­er­pflich­ti­gen Ar­beit­neh­mer.

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