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BAG, Ur­teil vom 26.04.1995, 7 AZR 936/94

   
Schlagworte: Arbeitsvertrag, Einstellungsanspruch, Befristung, Zeitvertrag
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 7 AZR 936/94
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 26.04.1995
   
Leitsätze:

Eine Nebenbestimmung im Zuweisungsbescheid, die eine Förderung im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme von einer späteren Übernahme des zugewiesenen Arbeitnehmers in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis abhängig macht, begründet keine Rechte des Arbeitnehmers auf Abschluß eines unbefristeten Arbeitsvertrages mit dem Maßnahmeträger.

Das schließt es nicht aus, daß der Maßnahmeträger bei dem Arbeitnehmer die berechtigte Erwartung geweckt hat, mit ihm nach Abschluß der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme das Arbeitsverhältnis unbefristet fortzusetzen. Hierzu kann er wegen eines von ihm geschaffenen Vertrauenstatbestandes verpflichtet sein.

Vorinstanzen: ArbG Köln LAG Köln
   

7 AZR 936/94
1 Sa 415/94 Köln


Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

26. April 1995

Ur­teil

Sie­gel

Amts­in­spek­to­rin,

als Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le 

In Sa­chen

pp

hat der Sieb­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 26. April 1995 durch den Rich­ter Prof. Dr. Steck­han als Vor­sit­zen­den, die Rich­te­rin Schmidt und den Rich­ter Bröhl so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Stap­pert und Met­zin­ger für Recht er­kannt:


Auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Köln vom 16. Au­gust 1994 - 1 Sa 415/94 - auf­ge­ho­ben.

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Der Rechts­streit wird zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung - auch über die Kos­ten der Re­vi­si­on - an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ver­wie­sen.


Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten über den Fort­be­stand ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses.


Der 1958 ge­bo­re­ne Kläger ist Dipl.-In­ge­nieur (FH) für En­er­gie- und Wärme­tech­nik und verfügt über ei­ne Zu­satz­aus­bil­dung als Um­welt- und Tech­no­lo­gie­be­ra­ter. Er wur­de bei der be­klag­ten Stadt mit Ar­beits­ver­trag vom 28. April 1990 als Ab­fall­be­ra­ter für die Zeit vom 1. Mai 1990 bis zum 31. De­zem­ber 1991 im Rah­men ei­ner für die­sen Zeit­raum be­wil­lig­ten Ar­beits­be­schaf­fungs­maßnah­me (ABM) beschäftigt. Nach de­ren Verlänge­rung bis zum 30. April 1992 war der Kläger be­fris­tet bis zu die­sem Zeit­punkt wei­ter­hin für die Be­klag­te tätig. Durch den Ergänzungs­be­scheid vom 24. April 1992 wur­de die ABM auch für den Kläger bis zum 30. April 1993 verlängert. Der Be­scheid ent­hielt ei­ne Ne­ben­be­stim­mung, wo­nach die zu­ge­wie­se­nen Ar­beit­neh­mer im An­schluß an die Maßnah­me in ein un­be­fris­te­tes Dau­er­ar­beits­verhält­nis zu über­neh­men sei­en; an­sons­ten sei der für die­se Ar­beit­neh­mer zu­letzt ge­zahl­te Förde­rungs­be­trag zu er­stat­ten. Im Hin­blick dar­auf wur­de das Ar­beits­verhält­nis durch den vom Kläger am 19. Mai 1992 un­ter­zeich­ne­ten Ar­beits­ver­trag für die Zeit vom 1. Mai 1992 bis zum 30. April 1993 verlän-
 

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gert. Zu­vor hat­te der Rat der Stadt K am 25. Fe­bru­ar 1992 be­schlos­sen, meh­re­re Ar­beits­be­schaf­fungs­maßnah­men, wo­zu auch die des Klägers gehörte, zu verlängern und ins­ge­samt neun Plan­stel­len im Stel­len­plan für das Haus­halts­jahr 1993 aus­zu­wei­sen.


Nach Ab­schluß des letz­ten Ar­beits­ver­tra­ges er­hielt der Kläger im No­vem­ber 1992 und März 1993 ei­ne Leis­tungs­be­ur­tei­lung, de­ren Er­geb­nis zwi­schen den Par­tei­en strei­tig ist. Mit Schrei­ben vom 5. April 1993 wur­de ihm von der Be­klag­ten mit­ge­teilt, das Ar­beits­verhält­nis en­de mit Ab­lauf des 30. April 1993.

Der Kläger hält die Be­fris­tung sei­nes letz­ten Ar­beits­ver­tra­ges für un­wirk­sam. Die Be­klag­te sei auf­grund der Be­din­gung im Zu-wei­sungs­be­scheid nach Ab­lauf des drit­ten ABM-Jah­res ver­pflich­tet ge­we­sen, ihn in ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis zu über­neh­men. Außer ihm sei­en sämt­li­che mit ABM-Verträgen aus­ge­stat­te­ten Ab­fall­be­ra­ter nach Ab­lauf der ABM in ein Dau­er­ar­beits­verhält­nis über­nom­men wor­den. Auch bei ihm sei die Er­war­tung ge­weckt wor­den, daß er in ei­nem Dau­er­ar­beits­verhält­nis beschäftigt wer­de. Wie al­len an­de­ren Ab­fall­be­ra­tern auch sei ihm im Herbst 1992 an­ge­bo­ten wor­den, ei­ne frei­ge­wor­de­ne hal­be Plan­stel­le dau­er­haft zu be­set­zen. In Gesprächen mit Vor­ge­setz­ten sei mehr­fach da­von die Re­de ge­we­sen, daß al­le Ab­fall­be­ra­ter un­be­fris­te­te Ar­beits­verträge er­hal­ten soll­ten. Dem­zu­fol­ge sei­en auch für ihn dienst­li­che Ter­mi­ne bis weit über das Be­fris­tungs­en­de hin­aus fest­ge­legt wor­den. Sei­ne Leis­tun­gen sei­en nicht schlech­ter als die der an­de­ren Kol­le­gen. Die von der Be­klag­ten er­stell­ten Leis­tungs­be­ur­tei­lun­gen be­ruh­ten auf sach­frem­den und willkürli­chen Erwägun­gen. Die Be­klag­te sei aus Gründen des Ver­trau­ens­schut­zes zur Über­nah­me in
 

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ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis ver­pflich­tet. Im übri­gen sei die zuständi­ge Per­so­nal­ver­tre­tung we­der bei der Verlänge­rung der ABM noch beim Ab­schluß des letz­ten be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges be­tei­ligt wor­den.

Der Kläger hat be­an­tragt,

1. fest­zu­stel­len, daß das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis über den 30. April 1993 hin­aus un­be­fris­tet und un­gekündigt fort­be­steht,

hilfs­wei­se,
die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, mit ihm ab 1. Mai 1993 ein un­be­fris­te­tes Dau­er­ar­beits­verhält­nis als Ab­fall­be­ra­ter mit der Vergütungs­grup­pe IV b BAT ab­zu­sch­ließen;

2. im Fal­le des Ob­sie­gens mit dem Haupt­an­trag zu 1. oder dem Hilfs­an­trag zu 2., die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihn als Ab­fall­be­ra­ter mit der Vergütungs­grup­pe IV b BAT über den 1. Mai 1993 hin­aus zu beschäfti­gen.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te ist der An­sicht, dem Kläger sei kei­ne Über­nah­me in ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis ver­bind­lich zu­ge­sagt wor­den. Durch Ne­ben­be­stim­mun­gen des Förde­rungs- und/oder Zu­wei­sungs­be­schei­des könne sie nicht zum Ab­schluß ei­nes un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges ge­zwun­gen wer­den. Die Aus­wei­sung meh­re­rer Plan­stel­len durch den Rat der Stadt K ver­pflich­te sie nicht da­zu, ge­ra­de mit dem Kläger ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis ein­zu­ge­hen.
 


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Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Auf die Be­ru­fung des Klägers hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt die erst­in­stanz­li­che Ent­schei­dung ab­geändert und die Be­klag­te an­trags­gemäß ver­ur­teilt. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on er­strebt die Be­klag­te die Wie­der­her­stel­lung der erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung. Der Kläger be­an­tragt die Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on.

Ent­schei­dungs­gründe:

Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ist be­gründet. Sie führt zur Auf­he­bung des an­ge­foch­te­nen Ur­teils und zur Zurück­ver­wei­sung des Rechts­streits an das Be­ru­fungs­ge­richt. Es be­darf wei­te­rer Sach­ver­halts­fest­stel­lun­gen um ab­sch­ließend ent­schei­den zu können, ob die Be­klag­te we­gen ei­nes von ihr ge­schaf­fe­nen Ver­trau­en­stat­be­stan­des zur Über­nah­me des Klägers in ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis ver­pflich­tet ist.

I. Zu Un­recht hat das Be­ru­fungs­ge­richt das Vor­lie­gen ei­nes sach­li­chen Grun­des für die Be­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses für die Zeit vom 1. Mai 1992 bis zum 30. April 1993 ver­neint.

1. Zu­tref­fend hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt den letz­ten Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en, der ei­ne Be­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum 30. April 1993 vor­ge­se­hen hat, der Be­fris­tungs­kon­trol­le un­ter­zo­gen. Im Rah­men ar­beits­ge­richt­li­cher Be­fris­tungs­kon­trol­le ist nach ständi­ger Recht­spre­chung des Se­nats (BAG Ur­teil

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vom 8. Mai 1985 - 7 AZR 191/84 - BA­GE 49, 73, 79 = AP Nr. 97 zu 620 BGB Be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trag) bei meh­re­ren un­mit­tel­bar auf­ein­an­der fol­gen­den Ar­beits­verhält­nis­sen nur die Be­fris­tung des letz­ten Ar­beits­ver­tra­ges auf ih­re sach­li­che Recht­fer­ti­gung hin zu prüfen. Denn durch den vor­be­halt­lo­sen Ab­schluß ei­nes wei­te­ren be­fris­te­ten Ver­tra­ges stel­len die Par­tei­en ihr Ar­beits­verhält­nis auf ei­ne neue Rechts­grund­la­ge, die künf­tig für ih­re Ver­trags­be­zie­hun­gen maßgeb­lich sein soll (BAG Ur­teil vom 31. Ja­nu­ar 1990 - 7 AZR 125/89 - BA­GE 65, 16 ff.).

2. Die Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges ist nach § 620 BGB zwar grundsätz­lich möglich, sie darf dem Ar­beit­neh­mer je­doch nicht den Schutz zwin­gen­der Kündi­gungs­schutz­be­stim­mun­gen neh­men. In­so­weit be­darf die Be­fris­tung ei­nes sie recht­fer­ti­gen­den Grun­des. Fehlt es dar­an, liegt ei­ne ob­jek­tiv funk­ti­ons­wid­ri­ge und da­mit ob­jek­tiv rechts­mißbräuch­li­che Ver­trags­ge­stal­tung vor, mit der Fol­ge, daß sich der Ar­beit­ge­ber auf die Be­fris­tung nicht be­ru­fen kann (BAG Ur­teil vom 12. Ok­to­ber 1960 - GS 1/59 - BA­GE 10, 65 = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trag, st. Rechtspr.).

a) Der von den Par­tei­en vor­be­halt­los ab­ge­schlos­se­ne letz­te Ar­beits­ver­trag vom 28. April 1992, den der Kläger am 19. Mai 1992 un­ter­zeich­net hat, ist ent­ge­gen der An­sicht des Lan­des­ar­beits­ge­richts recht­wirk­sam be­fris­tet.


Es ent­spricht ständi­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts, daß die Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges durch ei­nen

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sach­li­chen Grund ge­recht­fer­tigt ist, wenn ein Ar­beit­neh­mer dem Ar­beit­ge­ber im Rah­men ei­ner ABM nach den §§ 91 ff. Ar­beitsförde­rungs­ge­setz (AFG) zu­ge­wie­sen ist und die Dau­er der Be­fris­tung mit der Dau­er der Zu­wei­sung übe­rein­stimmt. Die­se Recht­spre­chung be­ruht auf der Erwägung, daß der Ar­beit­ge­ber die Ein­stel­lung des ihm von der Ar­beits­ver­wal­tung zu­ge­wie­se­nen Ar­beit­neh­mers im Ver­trau­en auf die zeit­lich be­grenz­te Förde­rungs­zu­sa­ge vor­ge­nom­men hat, oh­ne die er ent­we­der kei­nen oder ei­nen leis­tungsfähi­ge­ren Ar­beit­neh­mer ein­ge­stellt hätte. Dem­ge­genüber kommt es nicht mehr auf die noch in der Ent­schei­dung vom 3. De­zem­ber 1982 (- 7 AZR 622/80 - BA­GE 41, 110) zur Be­gründung an­geführ­ten Par­al­le­len mit ei­ner Be­fris­tung aus Haus­halts­gründen und im Be­reich der Dritt­mit­tel­fi­nan­zie­rung an. Da­nach be­schränkt sich, von Fällen der Nich­tig­keit ab­ge­se­hen, die ar­beits­ge­richt­li­che Be­fris­tungs­kon­trol­le von ABM-Verträgen al­lein dar­auf, ob die Lauf­zeit des Ar­beits­ver­tra­ges am kon­kre­ten Förde­rungs­zeit­raum ori­en­tiert ist. Nach die­sen Maßstäben lag in der bis zum 30. April 1993 be­fris­te­ten Zu­wei­sung und Förde­rung des Klägers durch die Ar­beits­ver­wal­tung ein sach­li­cher Grund, den letz­ten Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en bis zu die­sem Zeit­punkt zu be­fris­ten.


b) Dem­ge­genüber ver­tritt das Lan­des­ar­beits­ge­richt die Auf­fas­sung, die Be­fris­tung ei­nes ABM-Ver­tra­ges sei sach­lich nicht ge­recht­fer­tigt, wenn der Be­scheid der Ar­beits­ver­wal­tung die Zu­wei­sung da­von abhängig ma­che, den Ar­beit­neh­mer im An­schluß an die Maßnah­me in ei­nem Dau­er­ar­beits­verhält­nis zu beschäfti­gen und im Fal­le der Nicht­ein­hal­tung der Be­din­gung den für die­sen Ar­beit­neh­mer zu­letzt ge­zahl­ten Förde­rungs­be­trag zu er­stat­ten. Ein sol­cher

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Be­scheid las­se ei­ne Be­fris­tung nur noch für den Fall zu, daß Haus­halts­mit­tel für die naht­lo­se Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses noch nicht zur Verfügung ste­hen.


Die­ser An­sicht schließt sich der Se­nat nicht an. Zweck der SS 91 ff. AFG ist die zu­min­dest zeit­wei­se Schaf­fung zusätz­li­cher Ar­beitsplätze und die Eröff­nung we­nigs­tens vorüber­ge­hen­der Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten für zu­meist leis­tungs­schwäche­re Ar­beit­neh­mer (BAG Ur­teil vom 11. De­zem­ber 1991 - 7 AZR 170/91 - AP Nr. 145 zu § 620 BGB Be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trag). Um die­ses Ziel zu er­rei­chen, erhält der Maßnah­meträger auf sei­nen An­trag hin (S 95 Abs. 1 Satz 1 AFG) ei­ne fi­nan­zi­el­le Un­terstützung dafür, Ar­beitsplätze für Ar­beits­lo­se be­reit­zu­stel­len. Die­se Un­terstützung ist ei­ne Leis­tung der Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung. Durch den Förder­be­scheid für die ABM kommt zwi­schen dem Träger der Maßnah­men und der Bun­des­an­stalt für Ar­beit ein so­zi­al­recht­li­ches Leis­tungs­verhält­nis zu­stan­de (BSG Ur­teil vom 12. De­zem­ber 1985 - 7 RAr 24/84 - SozR 4100 § 92 AFG Nr. 1, st. Rechtspr.). Kon­kre­ti­siert wird das So­zi­al­rechts­verhält­nis durch den Zu­wei­sungs­be­scheid. Un­ter der Be­din­gung, daß ein Ar­beits­ver­trag mit ei­nem zu­ge­wie­se­nen Ar­beit­neh­mer zu­stan­de kommt, legt die Zu­wei­sung Höhe und Dau­er der Förde­rung fest. Zu­gleich enthält sie ge­genüber dem Maßnah­meträger die Fest­stel­lung, daß der zu­ge­wie­se­ne Ar­beit­neh­mer die persönli­chen Förde­rungs­vor­aus­set­zun­gen nach dem AFG erfüllt und der Ar­beit­ge­ber des­halb im Rah­men des so­zi­al­recht­li­chen Leis­tungs­verhält­nis­ses zur Bun­des­an­stalt be­rech­tigt ist, die­sen Ar­beit­neh­mer zu beschäfti­gen (BAG Ur­teil vom 15. Fe­bru­ar 1995 - 7 AZR 680/94 - zur Veröffent­li­chung in der Fach­pres­se vor­ge­se­hen). Im Verhält­nis zum Ar­beit­neh­mer be­gründet der Zu­wei­sungs­be-

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scheid kein sub­jek­tiv öffent­li­ches Recht auf Ab­schluß ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges mit dem Maßnah­meträger. De­ren Rechts­be­zie­hun­gen rich­ten sich, von Son­der­re­ge­lun­gen des § 93 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 AFG ab­ge­se­hen, al­lein nach den Vor­schrif­ten des Ar­beits­rechts (5 93 Abs. 2 Satz 1 AFG). Da­nach kommt das Ar­beits­verhält­nis erst durch ei­nen ge­son­der­ten Ver­trags­schluß zwi­schen Ar­beit­neh­mer und Maßnah­meträger zu­stan­de. Der Ar­beit­ge­ber ist we­der ver­pflich­tet, mit ei­nem zu­ge­wie­se­nen Ar­beit­neh­mer ei­nen Ar­beits­ver­trag zu schließen noch durch die In­an­spruch­nah­me öffent­lich-recht­li­cher Mit­tel die Vor­aus­set­zun­gen für die Fortführung des Ar­beits­verhält­nis­ses über ei­nen wirk­sa­men Be­fris­tungs­zeit­raum hin­aus zu. schaf­fen (BAG Ur­teil vom 14. Sep­tem­ber 1994 - 7 AZR 186/94 - n.v.). Si­chert die Bun­des­an­stalt ih­re ar­beits- und so­zi­al­po­li­ti­schen Ziel­vor­stel­lun­gen im drit­ten ABM-Jahr durch ge­eig­ne­te Ne­ben­be­stim­mun­gen im Ver­wal­tungs­akt ab (5 3 Abs. 4 ABM-An­ord­nung), in­dem sie die Förde­rung letzt­lich von der an­sch­ließen­den Über­nah­me in ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis abhängig macht, gilt nichts an­de­res. Ne­ben­be­stim­mun­gen in Form ei­ner Auf­la­ge oder auflösen­den Be­din­gung be­gründen Pflich­ten nur im Verhält­nis zur Bun­des­an­stalt, nicht aber ge­genüber dem zu­ge­wie­se­nen Ar­beit­neh­mer. Ihm gewährt der Ver­wal­tungs­akt kein Recht auf Ab­schluß ei­nes un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges. Dem­nach war die Be­klag­te auf­grund des Förde­rungs­be­schei­des nicht ver­pflich­tet, den Kläger in ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis zu über­neh­men.


II. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat, von sei­nem Stand­punkt aus kon­se­quent, nicht ge­prüft, ob die Be­klag­te aus an­de­ren recht­li­chen Gründen ver­pflich­tet ist, das Ar­beits­verhält­nis mit dem Kläger auf un­be­stimm­te Zeit fort­zu­set­zen.


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1. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt wird zunächst zu prüfen ha­ben, ob die zu­letzt ver­ein­bar­te Be­fris­tung un­wirk­sam ist, weil die für die Be­fris­tung von Ar­beits­verhält­nis­sen nach § 66 Abs. 1 i.V.m. § 72 Abs. 1 Nr. 1 LBVG NW er­for­der­li­che Zu­stim­mung der Per­so­nal­ver­tre­tung fehlt (BAG Ur­teil vom 13. April 1994 - 7 AZR 651/93 - AP Nr. 9 zu § 72 LPVG-NW). Im er­neu­ten Be­ru­fungs­ver­fah­ren wird der Be­klag­ten Ge­le­gen­heit zu ge­ben sein, die von ihr be­haup­te­te Zu­stim­mungs­erklärung des Ge­samt­per­so­nal­rats vor­zu­le­gen.


2. In der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ist an­er­kannt, daß dem Ar­beit­ge­ber die Be­ru­fung auf ei­ne an sich wirk­sa­me Be­fris­tung nicht nur bei Vor­lie­gen der.• Vor­aus­set­zun­gen des § 226 BGB oder bei ei­nem Ver­s­toß ge­gen die gu­ten Sit­ten ver­wehrt ist (BAG Ur­teil vom 12. Ok­to­ber 1960, aaO), son­dern auch, wenn der be­fris­tet ein­ge­stell­te Ar­beit­neh­mer auf­grund des Ver­hal­tens des Ar­beit­ge­bers da­mit rech­nen konn­te, im An­schluß an den Zeit­ver­trag wei­ter­beschäftigt zu wer­den (BAG Ur­tei­le vom 13. De­zem­ber 1962 - 2 AZR 38/62 - AP Nr. 24 zu § 620 BGB Be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trag; 28. No­vem­ber 1963 - 2 AZR 140/62 - AP Nr. 26 zu § 620 BGB Be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trag; 16. März 1989 - 2 AZR 325/88 - AP Nr. 8 zu § 1 BeschFG :L985). Das setzt vor­aus, daß der Ar­beit­ge­ber bei Ab­schluß ei­nes Zeit­ver­tra­ges in Aus­sicht stellt, er wer­de den Ar­beit­neh­mer bei ent­spre­chen­der Eig­nung und Bewährung an­sch­ließend un­be­fris­tet wei­ter­beschäfti­gen und er da­durch Er­war­tun­gen des Ar­beit­neh­mers auf Über­nah­me in ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis weckt oder die­se Vor­stel­lun­gen auch noch während der Dau­er des Zeit­ver­tra­ges bestärkt. Dafür genügt je­doch nicht, daß

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der Ar­beit­neh­mer sub­jek­tiv er­war­tet, der Ar­beit­ge­ber wer­de ihn nach Frist­ab­lauf schon wei­ter­beschäfti­gen, so­weit die für die Be­fris­tung maßgeb­li­chen sach­li­chen Gründe bis da­hin be­deu­tungs­los ge­wor­den sind (BAG Ur­teil vom 16. März 1989, aaO, zu II 3 c der Gründe; KR-Hil­le­brecht, 3. Aufl., § 620 BGB Rz 220). Er­for­der­lich ist viel­mehr, daß der Ar­beit­ge­ber den Ar­beit­neh­mer in die­ser Er­war­tungs­hal­tung durch sein Ver­hal­ten bei Ver­trags­schluß oder während der Dau­er des Ver­tra­ges ein­deu­tig bestärkt. Erfüllt dann der Ar­beit­ge­ber die ei­gen­ge­setz­te Ver­pflich­tung nicht, ist er nach Maßga­be der Grundsätze ei­nes Ver­schul­dens bei Ver­trags­schluß zum Scha­den­er­satz ver­pflich­tet. Er hat mit dem Ar­beit­neh­mer ei­nen un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag zu schließen, weil der nach § 249 BGB aus­zu­glei­chen­de Scha­den in dem un­ter­blie­be­nen Ab­schluß ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses liegt.


Nach dem Vor­brin­gen des Klägers ist ei­ne der­ar­ti­ge Selbst­bin­dung der Be­klag­ten und ein da­durch her­vor­ge­ru­fe­ner Ver­trau­en­stat­be­stand nicht aus­zu­sch­ließen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat zunächst fest­ge­stellt, daß die vom Rat der be­klag­ten Stadt am 25. Fe­bru­ar 1992 be­schlos­se­nen neun Plan­stel­len im Be­reich der Ab­fall­wirt­schaft ein­ge­rich­tet wur­den, um ei­nen naht­lo­sen Über­gang der ABM-Verträge nach Ab­lauf des drit­ten Förder­jah­res in ein Dau­er­ar­beits­verhält­nis zu ermögli­chen. Ent­spre­chen die­se neun Plan-stel­len der An­zahl der durch die Ar­beits­ver­wal­tung in den je­wei­li­gen ABM zu­ge­wie­se­nen Ab­fall­be­ra­ter, so ist es na­he­lie­gend, dar­in ei­ne ge­ne­rel­le Be­reit­schaft der Be­klag­ten zu se­hen, nach Ab­lauf des drit­ten ABM-Jah­res mit al­len geförder­ten Ar­beit­neh­mern ei­nen Ar­beits­ver­trag auf Dau­er ab­zu­sch­ließen, um da­mit ei­ner we-


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gen § 3 Abs. 4 ABM-An­ord­nung zu er­war­ten­den Be­din­gung zu ent­spre­chen und die Förde­rung für das drit­te ABM-Jahr auch zu si­chern. In die­sem Zu­sam­men­hang wird das Lan­des­ar­beits­ge­richt auch das wei­te­re Vor­brin­gen des Klägers zu berück­sich­ti­gen ha­ben, wo­nach al­le seit 1986 bei der be­klag­ten Stadt ein­ge­stell­ten Ab­fall­be­ra­ter zunächst drei Jah­re als ABM-Kräfte zeit­beschäftigt wa­ren und an­sch­ließend in ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis über­nom­men wur­den. Ent­ge­gen der An­sicht der Re­vi­si­on ist es von Be­deu­tung, ob dem Kläger von sei­nen un­mit­tel­ba­ren Dienst­vor­ge­setz­ten die Über­nah­me we­gen der be­reits be­wil­lig­ten neun Plan­stel­len in Aus­sicht ge­stellt und da­durch bei ihm die be­rech­tig­te Hoff­nung ge­weckt wor­den ist, daß in sei­nem Fall eben­so ver­fah­ren wer­de. Die­sem Vor­brin­gen kann sich die Be­klag­te nicht al­lein mit dem Hin­weis auf die feh­len­de Be­vollmäch­ti­gung der Dienst­vor­ge­setz­ten in per­so­nel­len An­ge­le­gen­hei­ten ent­zie­hen. In die­sem Zu­sam­men­hang wird das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu prüfen ha­ben, in­wie­weit sich die Per­so­nal­ab­tei­lung der Be­klag­ten die Äußerun­gen der Dienst­vor­ge­setz­ten des Klägers zu­rech­nen las­sen muß (vgl. BAG Ur­teil vom 20. Ju­li 1994 - 5 AZR 627/93 - DB 1994, 2502).


Ein da­nach mögli­ches Ver­trau­en auf Über­nah­me in ein un­be­fris­te­tes Dau­er­ar­beits­verhält­nis nach Ab­lauf des drit­ten ABM-Jah­res kann auch durch die wei­te­ren Umstände bei der Be­ur­tei­lung im No­vem­ber 1992 und 1993 bestätigt wor­den sein. Die Be­klag­te hat über den Kläger sechs bzw. zwei Mo­na­te vor Ab­lauf des be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­ses zum 30. April 1993 ei­ne Be­ur­tei­lung sei­ner Leis­tungsfähig­keit und -be­reit­schaft an­ge­ord­net. Das deu­tet auf ei­ne zu dem da­ma­li­gen Zeit­punkt noch vor­han­de­ne Be­reit­schaft hin,


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den Kläger bei ent­spre­chen­der Eig­nung und Befähi­gung wei­ter­zu­beschäfti­gen. Ei­nen an­de­ren Sinn kann die Be­ur­tei­lung ei­nes Ar­beit­neh­mers kurz vor En­de des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses auch un­ter Berück­sich­ti­gung der dem Ar­beit­ge­ber ob­lie­gen­den Pflicht zur Zeug­nis­er­tei­lung nicht ha­ben. Dafür spricht auch, daß die Leis­tungs­be­ur­tei­lung vom 1. März 1993 als Be­ur­tei­lungs­grund "Über­nah­me in ein fes­tes Ar­beits­verhält­nis" an­gibt und schon die Be­darfs­be­ur­tei­lung vom 16. No­vem­ber 1992 mit Blick auf ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers er­folgt ist.


Al­ler­dings ist nicht aus­ge­schlos­sen, daß die Be­klag­te ih­re Be­reit­schaft auf Über­nah­me in ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis für den Kläger er­kenn­bar von ei­ner ent­spre­chen­den Leis­tungsfähig­keit und -be­reit­schaft abhängig ge­macht hat. Die wei­te­re Aufklärung des Sach­ver­halts kann er­ge­ben, daß der Kläger den be­rech­tigt ge­stell­ten Leis­tungs­an­for­de­run­gen nicht genügt hat. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt wird da­her dem Vor­trag der Be­klag­ten nach­zu­ge­hen ha­ben, wo­nach der Kläger den An­for­de­run­gen an die Tätig­keit ei­nes Ab­fall­be­ra­ters in persönli­cher Hin­sicht nicht ent­spro­chen hat. Der Be­klag­ten wird Ge­le­gen­heit zu ge­ben sein, die in den Leis­tungs­be­ur­tei­lun­gen an­ge­deu­te­ten Leis­tungs­de­fi­zi­te zu präzi­sie­ren. Er­gibt die wei­te­re Aufklärung des Lan­des­ar­beits­ge­richts, daß die ge­genüber dem Kläger er­ho­be­nen Vorwürfe ei­ner man­geln­den Leis­tungs­be­reit­schaft be­rech­tigt sind, konn­te der Kläger nicht er­war­ten, oh­ne ei­ne ent­spre­chen­de Leis­tungs­stei­ge­rung wei­ter­beschäftigt zu wer­den. In die­sem Zu­sam­men­hang ist auch von Be­deu­tung, daß die Be­klag­te den Kläger in den bei­den ers­ten ABM-Jah­ren aus­rei­chend er­pro­ben konn­te und in­so­weit kei­nen An­laß zu Be­an­stan­dun­gen ge­se­hen hat­te.


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III. So­weit sich die Re­vi­si­on auch da­ge­gen wen­det, den Kläger wei­ter­beschäfti­gen zu müssen, ist sie nicht des­we­gen un­zulässig, weil es an ei­ner ent­spre­chen­den Re­vi­si­onsrüge fehlt. Nach ständi­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ist ei­ne auf den ge­son­der­ten Streit­ge­gen­stand des Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruchs be­zo­ge­ne Re­vi­si­ons­be­gründung ent­behr­lich, wenn der Ar­beit­ge­ber dar­legt, aus wel­chen Gründen die Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts zur Un­wirk­sam­keit der Be­fris­tung un­rich­tig sein soll (BAG Ur­tei­le vom 13. Ju­ni 1985 - 2 AZR 410/84 - AP Nr. 19 zu § 611 BGB Beschäfti­gungs­pflicht; 2. April 1987 - 2 AZR 418/86 - AP Nr. 96 zu § 626 BGB, zu B I 1 der Gründe).


Wird die Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts auf­ge­ho­ben, be­steht kein Ur­teil mehr, das die Un­wirk­sam­keit der Be­fris­tung fest­stellt. Ein Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch des Klägers kann nach den vom Großen Se­nat ent­wi­ckel­ten Grundsätzen nur ent­ste­hen, wenn das Lan­des­ar­beits­ge­richt auf­grund er­neu­ter Ver­hand­lung zu dem Er­geb­nis kommt, daß die Be­fris­tung man­gels Anhörung des Ge­samt­per­so­nal­rats un­wirk­sam ist. Denn nur für die­sen Fall über­wiegt ein ar­beits­ver­trag­li­cher Beschäfti­gungs­an­spruch des Ar­beit­neh­mers schützens­wer­te In­ter­es­sen des Ar­beits­ge­bers (BAG Ur­teil vom 13. Ju­ni 1985, aaO, zu B II 5 der Gründe), An der ar­beits­ver­trag­li­chen Grund­la­ge für die Zu­er­ken­nung ei­nes Wei­ter­beschäfti­gungs­an­pruchs fehlt es, so­fern der Ar­beit­ge­ber trotz der Wirk­sam-

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keit ei­ner Be­fris­tung auf­grund ei­nes von ihm ge­schaf­fe­nen und un­ter­hal­te­nen Ver­trau­en­stat­be­stan­des erst zum Ab­schluß ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges ver­pflich­tet wird.

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