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LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 02.10.2009, 6 Sa 1215/09

   
Schlagworte: Schwerbehinderung, Urlaub, Krankheit
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 6 Sa 1215/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 02.10.2009
   
Leitsätze:

Der Anspruch auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen gem. § 125 Abs. 1 Satz 1 BUrlG erlischt anders als der gesetzliche Mindesturlaub bei Arbeitsunfähigkeit, die über den Übertragungszeitraum hinaus andauert.

Vorinstanzen: Arbeitsgerichts Berlin, Urteil vom 29.04.2009, 39 Ca 8839/08
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

 

Verkündet

am 02. Ok­to­ber 2009

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)

6 Sa 1215/09
6 Sa 1536/09

39 Ca 8839/08
Ar­beits­ge­richt Ber­lin

H.
VA
als Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le


Im Na­men des Vol­kes

 

Ur­teil

In dem Rechts­streit

pp 

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Kam­mer 6,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 02. Ok­to­ber 2009
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt C.
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter B. und S.

für Recht er­kannt:

1. Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 29.04.2009 - 39 Ca 8839/08 - wird zurück­ge­wie­sen.

2. Auf die An­schluss­be­ru­fung der Be­klag­ten wird das an­ge­foch­te­ne Ur­teil in­so­weit geändert, wie die Be­klag­te zur Zah­lung von mehr als 3.706,29 € brut­to nebst Zin­sen ver­ur­teilt wor­den ist, und die Kla­ge auch in­so­weit ab­ge­wie­sen.

3. Die Kos­ten des Rechts­streits ers­ter In­stanz ha­ben bei ei­nem Streit­wert von 29.435,98 € die Kläge­rin zu 87,41 % und die Be­klag­te zu 12,59 % zu tra­gen, während die Kos­ten der Be­ru­fungs­in­stanz bei ei­nem Streit­wert von 6.309,31 € der Kläge­rin al­lein auf­er­legt wer­den.

4. Die Re­vi­si­on wird in­so­weit zu­ge­las­sen, wie die Kla­ge hin­sicht­lich des Zu­satz­ur­laubs für schwer­be­hin­der­te Men­schen ab­ge­wie­sen wor­den ist.

 

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T a t b e s t a n d

Die am ….. 1946 ge­bo­re­ne Kläge­rin ist schwer­be­hin­dert. Sie stand seit dem 01. Ju­ni 1994 als So­zi­al­ar­bei­te­rin in den Diens­ten der Be­klag­ten. Auf ihr Ar­beits­verhält­nis fand auf­grund ar­beits­ver­trag­li­cher Be­zug­nah­me (Abl. Bl. 49 und 50 d. A.) der BAT-O mit Stand 31. De­zem­ber 2002 An­wen­dung. Das Mo­nats­ge­halt der Kläge­rin be­lief sich zu­letzt auf 2.974,13 € brut­to.

In der Zeit vom 05. Ju­li 2006 bis 26. Sep­tem­ber 2007 und vom 01. Ok­to­ber 2007 bis 26. Mai 2008 war die Kläge­rin ar­beits­unfähig krank­ge­schrie­ben. Mit Schrei­ben vom 23. Ju­li 2007 (Abl. Bl. 36 d. A.) hat­te sie der Be­klag­ten mit­ge­teilt, schon lan­ge krank zu sein, da sie aus­ge­brannt sei. Durch ein mit „Kündi­gung“ über­schrie­be­nes Schrei­ben vom 12. April 2008 (Abl. Bl. 12 d. A.) teil­te die Kläge­rin der Be­klag­ten mit, we­gen ei­ner Knie­ope­ra­ti­on wei­ter­hin ar­beits­unfähig zu sein. Da ihr die Be­klag­te kei­nen be­hin­der­ten­ge­rech­ten Ar­beits­platz ein­rich­ten könne, wer­de sie ihr Ar­beits­verhält­nis am 30. April 2008 be­en­den. Ei­nen der Kläge­rin dar­auf­hin von der Be­klag­ten über­sand­ten Ent­wurf ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges (Abl. Bl. 23 d. A.) un­ter­zeich­ne­te die Kläge­rin nicht.

Gemäß ei­ner Be­schei­ni­gung vom 29. Ju­li 2008 (Abl. Bl. 48 d. A.) be­zieht die Kläge­rin seit 01. Ju­ni 2008 Al­ters­ren­te für schwer­be­hin­der­te Men­schen. Durch Schrei­ben ih­res späte­ren Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten vom 25. Ju­li 2008 (Abl. Bl. 35 d. A.) ließ sie „das … be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis“ zum 31. Ju­li 2008 kündi­gen.

Nach Ab­wei­sung wei­ter­ge­hen­der Ansprüche durch Teil­ur­teil vom 10. Sep­tem­ber 2008 mit ei­nem Streit­wert von 19.420,38 € rich­tet sich das Be­geh­ren der Kläge­rin zu­letzt noch auf Ab­gel­tung von je 35 Ur­laubs­ta­gen für 2007 und 2008 in Höhe von ins­ge­samt 10.015,60 € brut­to.

Das Ar­beits­ge­richt Ber­lin hat die Be­klag­te durch Schlus­s­ur­teil ver­ur­teilt, an die Kläge­rin 4.576,00 € nebst Rechtshängig­keits­zin­sen zu zah­len, und das wei­ter­ge­hen­de Zah­lungs­be­geh­ren ab­ge­wie­sen. Zur Be­gründung hat es im We­sent­li­chen aus­geführt, der Kläge­rin ste­he für 33,33 Ur­laubs­ta­ge aus 2007 und 2008 ein Ab­gel­tungs­an­spruch zu. Die­ser set­ze sich aus dem jähr­li­chen Min­des­t­ur­laub von vier Wo­chen und fünf Ta­gen Zu­satz­ur­laub für schwer­be­hin­der­te Men­schen zu­sam­men, wo­bei sich für 2008 nur ein an­tei­li­ger An­spruch er­ge­be, weil die Kläge­rin ihr Ar­beits­verhält­nis durch Ei­genkündi­gung vom 12. April 2008 zum 30. April 2008 gelöst ha­be. Wei­ter­ge­hen­de ver­trag­li­che Ur­laubs­ansprüche sei­en nicht ab­zu­gel­ten, weil der ar­beits­ver­trag­lich in Be­zug ge­nom­me­ne BAT-O ei­ne ei­genständi­ge

 

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Ver­fall­re­ge­lung ent­hal­te, die Erfüll­bar­keit und da­mit Ar­beitsfähig­keit des Ar­beits­neh­mers vor­aus­set­ze. Ei­ne sol­che Erfüll­bar­keit sei nicht er­sicht­lich, weil die Kläge­rin un­strei­tig bis 26. Mai 2008 und wie­der ab 01. Ju­ni 2008 ar­beits­unfähig ge­we­sen sei, was den An­schein durch­ge­hen­der Ar­beits­unfähig­keit be­gründet ha­be, zu­mal die Kläge­rin an den drei Ta­gen zwi­schen dem 26. Mai und 01. Ju­ni 2008 kei­ne Ar­beits­leis­tung er­bracht und kei­ne An­ga­ben zu den ih­ren Er­kran­kun­gen zu­grun­de lie­gen­den Krank­heits­bil­dern ge­macht ha­be.

Ge­gen die­ses ihr am 22. Mai 2009 zu­ge­stell­te Ur­teil rich­tet sich die am 17. Ju­ni 2009 ein­ge­leg­te und be­gründe­te Be­ru­fung der Kläge­rin. Sie meint, mit ih­rem Schrei­ben vom 12. April 2008 le­dig­lich ei­ne künf­ti­ge Be­en­di­gungs­erklärung in Aus­sicht ge­stellt zu ha­ben. Dies ha­be die Be­klag­te auch so ver­stan­den, weil die­se ihr sonst nicht ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag an­ge­bo­ten hätte. Wäre den Par­tei­en bei der ar­beits­ver­trag­li­chen Ge­stal­tung der Ur­laubs­ansprüche die Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs be­kannt ge­we­sen, hätten sie für die­se ei­ne ent­spre­chen­de Re­ge­lung ge­trof­fen.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

die Be­klag­te un­ter Ände­rung des an­ge­foch­te­nen Ur­teils zu ver­ur­tei­len, an sie wei­te­re 5.439,60 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 09. Au­gust 2008 zu zah­len.

Die Be­klag­ten be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen,

und im We­ge der An­schluss­be­ru­fung,

un­ter Ände­rung des an­ge­foch­te­nen Ur­teils die Kla­ge hin­sicht­lich ei­nes Be­tra­ges ab­zu­wei­sen, der 3.706,29 Eu­ro über­stei­ge.

Sie tritt den An­grif­fen der Be­ru­fung ent­ge­gen und meint, der Zu­satz­ur­laub für schwer­be­hin­der­te Men­schen un­ter­lie­ge den bis­her gel­ten­den Re­geln zum Ver­fall von Ur­laubs­ansprüchen, weil er nicht von der Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs er­fasst wer­de. Zu­min­dest be­ste­he in­so­weit Ver­trau­ens­schutz, weil der Vor­la­ge­be­schluss zum Eu­ropäischen Ge­richts­hof nur den ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laub be­trof­fen ha­be.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Par­tei­vor­brin­gens wird auf den Tat­be­stand des an­ge­foch­te­nen Ur­teils und die in der Be­ru­fungs­in­stanz ge­wech­sel­ten Schriftsätze Be­zug ge­nom­men.

 

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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1. Die Be­ru­fung ist un­be­gründet.

1.1 Die Kläge­rin kann für 2007 und 2008 le­dig­lich Ab­gel­tung von ins­ge­samt 27 Ur­laubs­ta­gen gem. § 7 Abs. 4 BUrlG ver­lan­gen.

1.1.1 Während der Kläge­rin für 2007 der vol­le Jah­res­ur­laub von 24 Werk- bzw. um­ge­rech­net 20 Ar­beits­ta­gen gem. § 3 Abs. 1 BUrlG zu­steht, hat sie für 2008 le­dig­lich An­spruch auf Teil­ur­laub im Um­fang von 4/12 des Jah­res­ur­laubs gem. § 5 Abs. 1 lit. c BUrlG. Sie ist durch Ei­genkündi­gung vom 12. April 2008 in der ers­ten Hälf­te des Ka­len­der­jah­res aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­ge­schie­den, wie das Ar­beits­ge­richt mit zu­tref­fen­der Be­gründung dar­ge­legt hat (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

1.1.1.1 Das mit „Kündi­gung“ über­schrie­be­ne Schrei­ben der Kläge­rin vom 12. April 2008 war gem. § 133 BGB vom ob­jek­ti­ven Empfänger­ho­ri­zont aus nicht als bloße Ankündi­gung ei­ner Kündi­gungs­erklärung zu ver­ste­hen, wofür es über­haupt kei­nen Grund ge­ge­ben hätte. Die For­mu­lie­rung, das Ar­beits­verhält­nis am 30. April 2008 zu be­en­den, ließ sich oh­ne wei­te­res da­hin ver­ste­hen, dass dies das End­da­tum des aus ge­sund­heit­li­chen Gründen oh­ne­hin nicht mehr durchführ­ba­ren Ar­beits­verhält­nis­ses hat­te sein sol­len.

1.1.1.2 Das Er­geb­nis nor­ma­ti­ver Aus­le­gung hat­te nicht hin­ter ei­nem da­von ab­wei­chen­den übe­rein­stim­men­den Wil­len der Par­tei­en zurück­zu­tre­ten, der auch bei ein­sei­ti­gen Rechts­geschäften Vor­rang ge­nießt (da­zu BAG Ur­teil vom 28.08.2003 – 2 AZR 377/02 – BA­GE 107, 221 = AP Be­trVG 1972 § 102 Nr. 134 zu B I 4 d bb der Gründe). Dass die Be­klag­te der Kläge­rin auf de­ren Schrei­ben vom 12. April 2008 den Ent­wurf ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges zum En­de die­ses Mo­nats über­sandt hat, ließ nicht zwin­gend dar­auf schließen, dass sie das Schrei­ben nicht als Kündi­gung ver­stan­den hat­te. Dies ist von ihr auch un­ter Hin­weis dar­auf in Ab­re­de ge­stellt wor­den, da­von aus­ge­gan­gen zu sein, die Kündi­gung we­gen Nicht­ein­hal­tung der Kündi­gungs­frist an­neh­men zu müssen.

1.1.1.3 Dass die Kläge­rin mit ih­rer Kündi­gung die ih­rer Beschäfti­gungs­zeit ent­spre­chen­de Frist des § 53 Abs. 2 BAT-O von sechs Mo­na­ten zum Schluss ei­nes Ka­len­der­vier­tel­jah­res nicht ge­wahrt und auch das An­ge­bot der Be­klag­ten zum Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­trags nicht an­ge­nom­men hat, änder­te nichts dar­an, dass ihr Ar­beits­verhält­nis am 30. April 2008 ge­en­det hat. Eben­so wie die Gel­tend­ma­chung der Un­wirk­sam­keit ei­ner oh­ne Drängen des Ar­beit­ge­bers schrift­lich ab­ge­ge­be­nen frist­lo­sen Ei­genkündi­gung re­gelmäßig treu­wid­rig ist (da­zu BAG, Ur­teil vom 12.03.2009 - 2 AZR 894/07 – NZA 2009,

 

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840 R 18), ist es ei­nem Ar­beit­neh­mer nach Treu und Glau­ben ver­sagt, sich auf die Nicht­ein­hal­tung der Kündi­gungs­frist zu be­ru­fen, was die Kläge­rin zu­dem noch nicht ein­mal ge­tan hat.

1.1.2 Der über den ge­setz­li­chen Ur­laub von 24 Werk­ta­gen bzw. um­ge­rech­net 20 Ar­beits­ta­gen gem. § 3 Abs. 1 BUrlG hin­aus­ge­hen­de ar­beits­ver­trag­li­che Ur­laub für die Jah­re 2007 und 2008 ist er­lo­schen, weil die Kläge­rin bis zum 30. April 2008 bzw. 2009 ar­beits­unfähig krank war und ih­ren Ur­laub auch nicht in der je­wei­li­gen Fol­ge­zeit bis zum 30. Ju­ni 2008 bzw. 2009 an­ge­tre­ten hat. Dies er­gab sich aus der ei­genständi­gen Re­ge­lung des ar­beits­ver­trag­lich in Be­zug ge­nom­me­nen § 47 Abs. 7 BAT-O, wie das Ar­beits­ge­richt eben­falls zu­tref­fen näher dar­ge­legt hat (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Für ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung gem. § 157 BGB im Sin­ne der Vor­stel­lung der Kläge­rin war da­mit schon von vorn­her­ein kein Raum. Den Ausführun­gen des Ar­beits­ge­richts zu ih­rer durch­ge­hen­den und fort­be­ste­hen­den Ar­beits­unfähig­keit ist die Kläge­rin mit ih­rer Be­ru­fungs­be­gründung nicht ent­ge­gen­ge­tre­ten.

1.2 Die 4/12 Jah­res­ur­laub für 2008 er­ga­ben (20 : 12 x 4 =) 6,68 Ta­ge, die gem. § 5 Abs. 2 BUrlG auf sie­ben Ta­ge auf­zu­run­den wa­ren. Zu­sam­men mit den 20 Ta­gen aus 2007 er­rech­ne­te sich dar­aus ein als Ur­laubs­ab­gel­tung zu zah­len­der Be­trag von (2.974,13 x 3 : 13 : 5 x 27 =) 3.706,29 brut­to.

2. Die An­schluss­be­ru­fung ist be­gründet.

2.1 Der Kläge­rin steht für 2007 und 2008 kein Zu­satz­ur­laub für schwer­be­hin­der­te Men­schen gem. § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zu. Ih­re Ansprüche auf Gewährung in Na­tur bzw. Ab­gel­tung we­gen Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses sind viel­mehr ent­spre­chend § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG er­lo­schen, weil die Kläge­rin bis zum Ab­lauf der Über­tra­gungs­zeiträume ar­beits­unfähig krank ge­we­sen ist und da­mit ei­ne Ur­laubs­gewährung bzw. ei­ne an ih­re Stel­le tre­ten­de Ab­gel­tung nicht möglich war. Denn auf den Zu­satz­ur­laub für schwer­be­hin­der­te Men­schen sind die Re­ge­lun­gen für den ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laub ent­spre­chend an­wend­bar (BAG, Ur­teil vom 26.06.1986 – 8 AZR 266/84 – BA­GE 52, 258 = AP SchwbG § 4 Nr. 6 zu I 2a der Gründe), und der Ab­gel­tungs­an­spruch un­ter­liegt eben­so der Be­fris­tung wie der Ur­laubs­an­spruch, an des­sen Stel­le er gem. § 7 Abs. 4 mit Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­tre­ten ist (BAG, Ur­teil vom 19.01.1993 – 9 AZR 8/92 – AP BUrlG § 7 Ab­gel­tung Nr. 63 zu 2 der Gründe).

2.2 Dar­an hat sich durch das Ur­teil des EuGH vom 20.01.2009 (Rs. C-350/06 – AP Richt­li­nie 2003/88/EG Nr. 1) nichts geändert. Da­nach soll zwar Art. 7 Abs. 1 RiL 2003/88/EG

 

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da­hin aus­zu­le­gen sein, dass er ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten ent­ge­gen­steht, wo­nach der An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub bei Ab­lauf des Be­zugs­zeit­rau­mes oder ei­nes im na­tio­na­len Recht fest­ge­leg­ten Über­tra­gungs­zeit­raums auch dann er­lischt, wenn der Ar­beit­neh­mer sei­nen An­spruch we­gen fort­dau­ern­der Ar­beits­unfähig­keit bis zum En­de sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses nicht ausüben konn­te, was das Bun­des­ar­beits­ge­richt ver­an­lasst hat, sei­ne ge­gen­tei­li­ge Recht­spre­chung un­ter ge­mein­schafts­kon­for­mer Fort­bil­dung des § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG in­so­weit auf­zu­ge­ben (Ur­teil vom 24.03.2009 – 9 AZR 983/07 – AP BUrlG § 7 Nr. 39 R 47 ff.). Die da­bei vor­ge­nom­me­ne Über­la­ge­rung der Ent­schei­dung des deut­schen Ge­setz­ge­bers be­schränkt sich je­doch auf den von der Richt­li­nie ga­ran­tier­ten Min­des­t­ur­laub. Da­ge­gen be­steht kei­ne Ver­an­las­sung, den Zu­satz­ur­laub für schwer­be­hin­der­te Men­schen im Fal­le fort­dau­ern­der Ar­beits­unfähig­keit der­sel­ben eu­ro­pa­recht­lich be­gründe­ten Aus­nah­me zu un­ter­wer­fen (a.A. LAG Düssel­dorf, Ur­teil vom 02.02.2009 – 12 Sa 486/06 – NZA-RR 2009, 242 zu B III 3 der Gründe; Rum­mel AuR 2009, 160, 163). Dass auf den Zu­satz­ur­laub für schwer­be­hin­der­te Men­schen die Vor­schrif­ten des BUrlG ent­spre­chend an­ge­wandt wer­den, zwingt nicht da­zu, ei­ne eu­ro­pa­recht­lich be­ding­te Aus­nah­me über die Reich­wei­te der eu­ro­pa­recht­li­chen Re­ge­lung hin­aus auf da­von nicht er­fass­te Fälle des ma­te­ri­el­len Rechts aus­zu­deh­nen.

Zu­min­dest er­scheint es ge­bo­ten, in­so­weit Ver­trau­ens­schutz bis zu ei­ner ent­spre­chen­den Ände­rung der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zu gewähren, weil sich die zur Ent­schei­dung des EuGH führen­de Vor­la­ge des LAG Düssel­dorf (Be­schluss vom 02.08.2006 – 12 Sa 486/06 – NZA-RR 2006, 628) auf den ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laub be­schränkt hat­te.

3. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Re­vi­si­on war gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­fra­ge der Be­hand­lung des Zu­satz­ur­lau­bes für schwer­be­hin­der­te Men­schen im Fal­le an­dau­ern­der Ar­beits­unfähig­keit zu­zu­las­sen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von der Kläge­rin beim

Bun­des­ar­beits­ge­richt,

Hu­go-Preuß-Platz 1, 99084 Er­furt,

Post­adres­se: 99113 Er­furt,

im zu­ge­las­se­nen Um­fang Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­den. Dies hat in­ner­halb ei­ner

Not­frist von ei­nem Mo­nat

 

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schrift­lich zu ge­sche­hen. Die Re­vi­si­on ist gleich­zei­tig oder in­ner­halb ei­ner

Frist von zwei Mo­na­ten

schrift­lich zu be­gründen.

Bei­de Fris­ten be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­setz­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach des­sen Verkündung.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss die Be­zeich­nung des Ur­teils, ge­gen wel­ches die Re­vi­si­on ge­rich­tet wird, und die Erklärung ent­hal­ten, dass ge­gen die­ses Ur­teil Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­de.

Die Re­vi­si­ons­schrift und die Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als sol­che sind außer Rechts­anwälten nur fol­gen­de Stel­len zu­ge­las­sen, die zu­dem durch Per­so­nen mit Befähi­gung zum Rich­ter­amt han­deln müssen:

• Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,

• ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der vor­ge­nann­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­rer Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

Der Schrift­form wird auch durch Ein­rei­chung ei­nes elek­tro­ni­schen Do­ku­ments i.S.d. § 46b ArbGG genügt. Nähe­re In­for­ma­tio­nen da­zu fin­den sich auf der In­ter­net­sei­te des Bun­des­ar­beits­ge­richts un­ter www.bun­des­ar­beits­ge­richt.de.

 

C.

B.

B. S.

 

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