HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 14/084

So­zi­al­plan und be­fris­te­te Ar­beits­ver­trä­ge

Kön­nen be­fris­tet be­schäf­tig­te Ar­beit­neh­mer von So­zi­al­plan­ab­fin­dun­gen aus­ge­nom­men wer­den?: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 19.02.2014, 13 Sa 61/13
Gelbgekleidete Person im Vordergrund, acht von ihr abwandte rotgekleidete Personen im Hintergrund Kei­ne Ab­fin­dung we­gen Be­fris­tung - Dis­kri­mi­nie­rung oder per­sön­li­ches Pech?

12.03.2014. Gibt es bei ei­ner grö­ße­ren Kün­di­gungs­wel­le ei­nen So­zi­al­plan und da­her So­zi­al­plan­ab­fin­dun­gen, gibt es auch oft Streit, näm­lich über die Fra­ge, ob die Ab­fin­dungs­re­ge­lun­gen ge­recht sind oder nicht.

Be­son­ders hei­kel sind Re­ge­lun­gen, die be­stimm­te Ar­beit­neh­mer von Ab­fin­dun­gen völ­lig aus­schlie­ßen oder ih­nen nur deut­lich ge­rin­ge­re Ab­fin­dun­gen zu­ge­ste­hen als an­de­ren, mög­li­cher­wei­se ver­gleich­ba­ren Ar­beit­neh­mern.

In ei­nem ak­tu­el­len Fall hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ba­den-Würt­tem­berg ent­schie­den, dass es recht­lich in Ord­nung ist, be­fris­tet be­schäf­tig­te Ar­beit­neh­mer von So­zi­al­plan­ab­fin­dun­gen aus­zu­neh­men, wenn ihr Ver­trag oh­ne­hin kur­ze Zeit nach der Ent­las­sungs­wel­le aus­ge­lau­fen wä­re: LAG Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 19.02.2014, 13 Sa 61/13.

Können So­zi­alpläne be­fris­tet beschäftig­te Ar­beit­neh­mer von Ab­fin­dun­gen aus­neh­men?

Ver­han­deln Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat auf­grund ei­ner Be­triebsände­rung über ei­nen So­zi­al­plan, müssen sie bei der Fest­le­gung der Ab­fin­dungs­re­ge­lun­gen den ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz be­ach­ten. Er ver­bie­tet es, ein­zel­ne Ar­beit­neh­mer oder Ar­beit­neh­mer­grup­pen des Be­triebs bei all­ge­mein gewähr­ten Vergüns­ti­gun­gen oh­ne sach­li­chen Grund schlech­ter zu stel­len.

Die­se Pflicht folgt aus § 75 Abs. 1 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG). Da­nach müssen Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat darüber wa­chen, dass al­le im Be­trieb täti­gen Per­so­nen "nach den Grundsätzen von Recht und Bil­lig­keit" be­han­delt. Dis­kri­mi­nie­ren­de Un­gleich­be­hand­lun­gen müssen da­her ver­mie­den wer­den.

Für Teil­zeit­beschäftig­te und für Ar­beit­neh­mer, die ei­nen zeit­lich be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag ha­ben, gilt darüber hin­aus noch ein spe­zi­el­les Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot. Es ist in § 4 Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz (Tz­B­fG) ent­hal­ten.

So stellt sich z.B. bei Ab­fin­dun­gen, die auf der Grund­la­ge ei­nes zu­letzt ver­rin­ger­ten Ar­beits­zeit­um­fangs be­rech­net wer­den, die Fra­ge, ob nicht auch ei­ne zu­vor lan­ge Jah­re voll­zei­tig aus­geübte Tätig­keit berück­sich­tigt wer­den soll­te. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) hat zwar da­zu im Grund­satz ent­schie­den, dass So­zi­alpläne im All­ge­mei­nen nur auf das zu­letzt be­zo­ge­ne Ge­halt ab­stel­len dürfen (wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 09/237 Be­rech­nung ei­ner Ab­fin­dung nach So­zi­al­plan), doch ist es mitt­ler­wei­le üblich, die Ab­fin­dung zu­guns­ten von Teil­zeit­kräften auf­zu­bes­sern, wenn die Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung erst kurz vor der be­triebs­be­ding­ten Ent­las­sung ver­ein­bart wor­den war.

Ei­ne ähn­li­che Fra­ge stellt sich bei be­fris­tet beschäftig­ten Ar­beit­neh­mern: Wenn de­ren Ver­trag oh­ne­hin in­fol­ge der Be­fris­tung kurz nach ei­ner be­triebs­be­ding­ten Kündi­gungs­wel­le ausläuft oder aus­ge­lau­fen wäre, ist die Be­las­tung durch die Be­triebsände­rung nicht so stark wie bei un­be­fris­tet beschäftig­ten Ar­beit­neh­mern. Das heißt aber noch nicht, dass Teil­zeit­kräfte ge­ne­rell durch Ent­las­sungs­wel­len nicht be­las­tet wären. Denn oh­ne die Kündi­gungs­wel­le wäre ihr Ver­trag viel­leicht (viel) später aus­ge­lau­fen oder verlängert wor­den.

Der Fall des LAG Ba­den-Würt­tem­berg: Be­fris­tet beschäftig­ter Ar­beit­neh­mer kündigt kurz vor ei­ner be­triebs­be­ding­ten Ent­las­sungs­wel­le und ver­langt so­dann ei­ne So­zi­al­plan­ab­fin­dung

Im Streit­fall war ein ge­werb­li­cher Ar­beit­neh­mer zunächst von An­fang Ju­li 2011 bis En­de Ju­ni 2012 be­fris­tet beschäftigt. Der Ver­trag wur­de so­dann bis En­de Mai 2013 verlängert.

Da zu En­de April 2013 die Ab­tei­lung, in der der Ar­beit­neh­mer tätig war, ge­schlos­sen wer­den soll­te, gab es ei­nen So­zi­al­plan, der für un­ter drei Jah­re lang beschäftig­te Ar­beit­neh­mer ei­ne pau­scha­le Ab­fin­dung von 5.000,00 EUR vor­sah. Gleich­zei­tig al­ler­dings wa­ren Mit­ar­bei­ter mit be­fris­te­ten Verträgen von So­zi­al­plan­ab­fin­dun­gen ge­ne­rell aus­ge­nom­men.

Der Ar­beit­neh­mer tat das ein­zig Rich­ti­ge: Er such­te sich bei­zei­ten ei­nen an­de­ren Job, den er auch fand, und kündig­te dar­auf­hin selbst zu En­de Ja­nu­ar 2013. Die So­zi­al­plan­ab­fin­dung von 5.000,00 EUR woll­te er aber ha­ben, und da der Ar­beit­ge­ber sie nicht zah­len woll­te, klag­te er sie vor dem Ar­beits­ge­richt Karls­ru­he ein.

Das Ar­beits­ge­richt wies die Kla­ge ab (Ur­teil vom 06.09.2013, 9 Ca 120/13), weil es mein­te, hier läge kei­ne un­ge­recht­fer­tig­te Dis­kri­mi­nie­rung ei­nes be­fris­tet beschäftig­ten Ar­beit­neh­mers vor. Da­ge­gen ging der Ar­beit­neh­mer in Be­ru­fung.

LAG Stutt­gart: Kei­ne Ab­fin­dung für Ar­beit­neh­mer, de­ren Ar­beits­verhält­nis in zeit­li­cher Nähe zur Teil­be­triebs­still­le­gung so oder so in­fol­ge ei­ner Be­fris­tung ge­en­det hätte

Das LAG wies die Be­ru­fung zurück. Denn die Kündi­gung war nach An­sicht des LAG nicht durch die be­vor­ste­hen­de Still­le­gung der Be­triebs­ab­tei­lung ver­ur­sacht, in der der Kläger ge­ar­bei­tet hat­te. Viel­mehr lag sie al­lein in sei­nem ei­ge­nen In­ter­es­se, weil er zum Zeit­punkt der Kündi­gung be­reits ei­ne An­schluss­beschäftigt ge­fun­den hat­te.

Ent­schei­dend für das LAG war die zeit­li­che Nähe zwi­schen der Be­triebs­teil­sch­ließung (En­de April 2013) und dem Aus­lau­fen des Zeit­ver­trags (En­de Mai 2013). Vor die­sem Hin­ter­grund war es na­he­lie­gend, dass der Ar­beit­ge­ber den be­fris­te­ten Ver­trag gar nicht vor­ab kündi­gen, son­dern ein­fach aus­lau­fen las­sen würde (was der Ar­beit­ge­ber vor Ge­richt auch vor­trug). Muss­te der Ar­beit­neh­mer aber nicht mit ei­ner be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung in­fol­ge der Be­triebsände­rung rech­nen, son­dern mit dem kurz dar­auf so­wie­so ein­tre­ten­den Aus­lau­fen sei­nes Zeit­ver­trags, war sei­ne ei­ni­ge Mo­na­te zu­vor erklärte Ei­genkündi­gung auch nicht durch die Be­triebsände­rung be­dingt.

Das LAG konn­te bei sei­ner Ent­schei­dung of­fen las­sen, ob der im So­zi­al­plan fest­ge­schrie­be­ne ge­ne­rel­le Aus­schluss be­fris­tet beschäftig­ter Ar­beit­neh­mer von Ab­fin­dun­gen rech­tens war oder nicht. Al­ler­dings meint das Ge­richt, die­se Re­ge­lung sei we­gen des Ver­bots der Dis­kri­mi­nie­rung von be­fris­tet beschäftig­ten Ar­beit­neh­mern (§ 4 Abs.2 Tz­B­fG) "durch­aus be­denk­lich". Denn die­se Re­ge­lung kann auch Ar­beit­neh­mer tref­fen, de­ren Zeit­ver­trag noch lan­ge Zeit nach der Ent­las­sungs­wel­le be­stan­den hätten.

Fa­zit: Ob Ar­beit­neh­mer mit Zeit­verträgen all­ge­mein von So­zi­al­plan­ab­fin­dun­gen aus­ge­schlos­sen wer­den können oder nicht, ist in der Li­te­ra­tur um­strit­ten. Das LAG hat die­se Fra­ge zwar nicht ent­schie­den, aber zu­recht Be­den­ken an­ge­mel­det. Je­den­falls dann, wenn ei­ne Be­triebsände­rung zu ei­ner Verkürzung der ver­ein­bar­ten Lauf­zeit ei­nes Zeit­ver­trags führt, steht be­fris­tet Beschäftig­ten auch ei­ne So­zi­al­plan­ab­fin­dung zu. Da­bei kommt es nicht dar­auf an, ob der Ar­beit­ge­ber be­triebs­be­dingt kündigt, ob die Par­tei­en mit Blick auf die Be­triebsände­rung ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag ab­sch­ließen oder ob der Ar­beit­neh­mer dem durch ei­ne Ei­genkündi­gung zu­vor­kommt.

Wei­te­re In­for­ma­tio­nen fin­den sie hier:

Letzte Überarbeitung: 12. September 2018

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Bewertung:

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de