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Sozialplan-Abfindung bei Behinderung
28.12.2012. Viele Sozialpläne sehen vor, dass "rentennahe" Arbeitnehmer eine geringere Abfindung erhalten als Arbeitnehmer, die noch eine lange Wegstrecke hin bis zur Berentung zurücklegen müssen.
Diese Unterscheidung wird dabei meist so umgesetzt, dass der Sozialplan zwei verschiedene Formeln für die Abfindungsberechnung enthält: Nach der normalen Formel steigt die Abfindung mit der Dauer der Beschäftigung, d.h. die Abfindung wird vergangenheitsbezogen berechnet. Dagegen wird die Abfindung für "rentennahe" Arbeitnehmer gemäß einer zukunftsbezogenen Sonderformel so berechnet, dass die Einkommensverluste bis zum Rentenbeginn maßgeblich sind.
Da Sonderformeln für "Rentennahe" viel geringere Abfindungen zur Folge haben als gemäß der "normalen Formel", sehen sich viele "rentennahe" Arbeitnehmer dadurch wegen ihres Alters bei der Abfindungsberechnung diskriminiert.
Über eine besondere Form der Benachteiligung rentennaher Arbeitnehmer hat vor kurzem der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden. Hier ging es um die Frage, ob schwerbehinderte Arbeitnehmer wegen ihrer Behinderung bei der Abfindungsberechnung diskriminiert werden, wenn die finanziell ungünstige Sonderformel auf sie deshalb angewandt wird, weil sie behinderungsbedingt früher in Rente gehen können: EuGH, Urteil vom 06.12.2012, C-152/11 - Odar gg. Baxter.
- Dürfen schwerbehinderte Arbeitnehmer aufgrund einer früheren Rentenberechtigung geringere Sozialplanabfindungen erhalten?
- Der Fall des EuGH: Dr. Odar gegen Baxter
- EuGH: Sozialpläne dürfen geringere Abfindungen für "rentennahe" Arbeitnehmer vorsehen, aber dabei nicht auf die frühere Rentenberechtigung von schwerbehinderten Arbeitnehmern abstellen
Dürfen schwerbehinderte Arbeitnehmer aufgrund einer früheren Rentenberechtigung geringere Sozialplanabfindungen erhalten?
Infolge von Betriebsänderungen werden betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen, was zu finanziellen Einbußen für die betroffenen Arbeitnehmer führt. Daher sollen Sozialpläne solche Nachteile mit Abfindungsansprüchen abfedern (§ 112 Abs. 1 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG).
Weil aber "rentennahe" Arbeitnehmer wegen ihrer Rentenansprüche von Entlassungen weniger hart betroffen sind, erhalten sie nach den meisten Sozialplänen deutlich geringere Abfindungen als jüngere Kollegen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) steht seit Jahren auf dem Standpunkt, dass dies keine altersbedingte Diskriminierung beim Thema Abfindung darstellt, denn das Gesetz erlaubt solche Schlechterstellungen rentennaher Arbeitnehmer bei Abfindungen ausdrücklich (§ 10 Satz 3 Nr. 6 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG).
Und nicht nur das: Dem BAG zufolge können geringere Abfindungen auch mit dem Anspruch eines schwerbehinderten Arbeitnehmers auf eine Erwerbsminderungsrente begründet werden. Auch dann soll keine behinderungsbedingte Abfindungsdiskriminierung vorliegen, so das BAG (Urteil vom 07.06.2011, 1 AZR 34/10 - wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell: 11/130 Keine Diskriminierung aufgrund geringerer Abfindung bei Erwerbsminderungsrente).
Diese BAG-Rechtsprechung ist "konsequent", denn wenn man sagt, dass die "nahe" Möglichkeit eines Rentenbezugs dazu führt, dass betriebsbedingt gekündigte Arbeitnehmer von dem Verlust des Arbeitsplatzes nicht mehr so hart betroffen sind wie jüngere Kollegen, gilt das auch für schwerbehinderte Arbeitnehmer, wenn diese noch etwas früher als andere eine Rente in Anspruch nehmen können.
Allerdings bleibt hier ein schaler Beigeschmack, weil der rechtliche Vorteil einer früheren Rentenberechtigung ein sozialer Ausgleich für behinderungsbedingte Nachteile sein soll, und dieser Ausgleich verpufft möglicherweise, wenn schwerbehinderte Arbeitnehmer deutlich geringere Sozialplanabfindungen erhalten als ihre nicht behinderten Altersgenossen. Daher bleibt die Frage, ob hier nicht doch eine behinderungsbedingte Diskriminierung vorliegt.
Der Fall des EuGH: Dr. Odar gegen Baxter
Im Streitfall ging es um einen 1950 geborenen schwerbehinderten Marketing-Manager, Herrn Dr. Odar, der nach fast 30jähriger Betriebszugehörigkeit infolge einer Betriebsänderung von seiner Firma, der Baxter Deutschland GmbH, im Jahre 2008 gekündigt worden war. Nach einer kurzzeitigen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses kündigte Herr Dr. Odar selbst per Ende 2009, nachdem er mit Baxter vereinbart hatte, dass diese Kündigung seinen Abfindungsanspruch gemäß Sozialplan nicht schmälern würde.
Der Sozialplan sah hohe Abfindungen vor, die bei Anwendung der regulären Abfindungsformel im Falle von Herrn Dr. Odar eine Abfindung 616.506,63 EUR ergeben hätte. Allerdings gab es nach dem Sozialplan eine Sonderregelung für Arbeitnehmer über 54 Jahren. Sie sollten "nur" 0,85 Monatsgehälter für jeden Monat in der Zeit zwischen der Entlassung und dem frühstmöglichen Rentenbeginn erhalten. Und da Dr. Odar als Schwerbehinderter bereits mit 60 Jahren rentenberechtigt war, wandte Baxter die ungünstige Formel auf ihn an. Da diese Formel zu einer Abfindung von weniger als der Hälfte der regulären Abfindung geführt hätte, war gemäß dem Sozialplan diese Hälfte als Mindestabfindung zu zahlen, immerhin (616.506,63 EUR : 2 =) 308.253,32 EUR.
Herr Dr. Odar wollte sich damit aber nicht zufrieden geben und klagte vor dem Arbeitsgericht München eine weitere Abfindung von 271.988,22 EUR ein. Dieser Betrag entspricht der Differenz zwischen der ihm tatsächlich gezahlten Abfindung und dem Betrag, den er erhalten hätte, wenn er bei gleicher Dauer der Betriebszugehörigkeit zum Zeitpunkt der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses 54 Jahre alt gewesen wäre.
Das Arbeitsgericht München setzte den Prozess aus und legte dem EuGH u.a. die Frage vor, ob der Sozialplan zu einer behinderungsbedingten Diskriminierung führt (Beschluss vom 17.02.2011, 22 Ca 8260/10).
EuGH: Sozialpläne dürfen geringere Abfindungen für "rentennahe" Arbeitnehmer vorsehen, aber dabei nicht auf die frühere Rentenberechtigung von schwerbehinderten Arbeitnehmern abstellen
Der EuGH hat einerseits klargestellt, dass Sozialpläne geringere Abfindungen für "rentennahe" Arbeitnehmer vorsehen dürfen, da diese sich in einer anderen Situation als jüngere Arbeitnehmer befinden, die noch eine lange Wegstrecke hin zur Altersrente zurücklegen müssen. Eine solche Schlechterstellung älterer rentennaher Arbeitnehmer ist mit Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78 zu vereinbaren, so der EuGH.
Andererseits hat der EuGH entschieden, dass die besonders frühe Rentenberechtigung schwerbehinderter Arbeitnehmer dabei nicht berücksichtigt werden darf. Denn andernfalls liegt eine unzulässige Diskriminierung wegen einer Behinderung vor. Denn der "Vorteil" einer um einige Jahre früher einsetzenden Rentenberechtigung kann, so der Gerichtshof, nicht als Rechtfertigung dafür dienen, schwerbehinderten Arbeitnehmern eine geringere Abfindung als gleich alten nicht behinderten Arbeitnehmern zu gewähren.
Denn andernfalls würde man die praktische Wirksamkeit des früheren Rentenanspruchs den Schwerbehinderten wieder nehmen oder sie zumindest beeinträchtigen. Mit dem früheren Rentenanspruch sollen die Schwierigkeiten und besonderen Risiken ausgeglichen werden, mit denen schwerbehinderte Arbeitnehmer konfrontiert sind, so der EuGH. Hier verweist der Gerichtshof auf die größere Schwierigkeiten von Schwerbehinderten, sich wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern, und auf ihre höheren finanziellen Aufwendungen aufgrund ihrer Behinderung, die mit zunehmendem Alter sogar noch steigen können.
Das heißt im Ergebnis: Der EuGH akzeptiert zwar die Zukunftsbezogenheit von Abfindungszahlungen, mit den allermeisten Sozialplänen und auch der ständigen Rechtsprechung des BAG zugrundeliegt, und das heißt, dass schlechtere Sonderformeln zulasten "rentennaher" Arbeitnehmer auch künftig rechtens sind.
Anders als das BAG sieht der EuGH diese Zukunftsbezogenheit von Abfindungen allerdings weniger als eine finanzielle Möglichkeit an, nach der Entlassung "zu Hause sitzen zu können". Im Vordergrund steht für den EuGH vielmehr die Chance, mit Hilfe einer Abfindung wieder beruflich Fuß zu fassen, und sei es auch "nur" für wenige Jahre bis zur Rente.
Daher hat der EuGH bereits mit Urteil vom 12.10.2010, C-499/08 (Ingeniørforeningen i Danmark ./. Region Syddanmark) betont, dass der völlige Ausschluss rentennaher Arbeitnehmer von Abfindungen nicht in Ordnung wäre, wenn die betroffenen Arbeitnehmer dadurch in die vorzeitige Rente gedrängt würden (wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell: 11/004 Auch rentennahe Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Abfindungszahlung).
In dieselbe Richtung geht auch das Urteil des EuGH vom 18.11.2010, C-356/09 („Kleist“), mit dem der Gerichtshof entschieden hat, dass eine bereits mit 60 bestehende Rentenberechtigung von Frauen gegenüber der Regelaltersgrenze von 65 für Männer kein ausreichender Grund dafür ist, Frauen auf der Grundlage einer Rentenaltersklausel bereits fünf Jahre früher als ihre männlichen Kollegen zwangsweise in den Ruhestand zu schicken (wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell: 11/107 Tarifvertragliche Altersgrenze kann Diskriminierung von Frauen sein).
Fazit: Rentennahe schwerbehinderte Arbeitnehmer müssen bei Sozialplanabfindungen künftig gleich behandelt werden wie ihre nicht schwerbehinderten Kollegen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 06.12.2012, C-152/11 - Odar gg. Baxter
- Arbeitsgericht München, Beschluss vom 17.02.2011, 22 Ca 8260/10
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 18.11.2010, C-356/09 („Kleist“)
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung nach § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung und Diskriminierung
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung und Diskriminierung - Alter
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindungshöhe, Berechnung und Höhe der Abfindung
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsänderung
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Behinderung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - betriebsbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Schwerbehinderung, schwerbehinderter Mensch
- Handbuch Arbeitsrecht: Sozialplan
- Arbeitsrecht aktuell: 20/085 Wirtschaftliche Vertretbarkeit eines Sozialplans
- Arbeitsrecht aktuell: 20/056 Einigungsstelle kann Rentennahe von Sozialplanleistungen ausschließen
- Arbeitsrecht aktuell: 17/149 Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung gemäß § 1a KSchG
- Arbeitsrecht aktuell: 15/327 Benachteiligung wegen Behinderung bei Sozialplanabfindung
- Arbeitsrecht aktuell: 14/084 Sozialplan und befristete Arbeitsverträge
- Arbeitsrecht aktuell: 13/314 Altersdiskriminierung beim Übergang in den Ruhestand
- Arbeitsrecht aktuell: 13/012 Die zehn wichtigsten Entscheidungen zum Arbeitsrecht 2012
- Arbeitsrecht aktuell: 11/130 Keine Diskriminierung aufgrund geringerer Abfindung bei Erwerbsminderungsrente
- Arbeitsrecht aktuell: 11/107 Tarifvertragliche Altersgrenze kann Diskriminierung von Frauen sein
- Arbeitsrecht aktuell: 11/004 Auch rentennahe Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Abfindungszahlung
- Arbeitsrecht aktuell: 10/045 Aufhebungsvertrag mit Abfindung: Ältere Arbeitnehmer dürfen ausgenommen werden
- Arbeitsrecht aktuell: 09/149 Lebensalter und Betriebszugehörigkeit dürfen bei Sozialplanabfindung den Ausschlag geben
- Arbeitsrecht aktuell: 09/035 Sozialpläne dürfen niedrigere Abfindungen für rentennahe Arbeitnehmer vorsehen
Letzte Überarbeitung: 2. November 2020
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