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ARBEITSRECHT AKTUELL // 20/056

Ei­ni­gungs­stel­le kann Ren­ten­na­he von So­zi­al­plan­leis­tun­gen aus­schlie­ßen

Ren­ten­na­he Ar­beit­neh­mer kön­nen durch ei­nen So­zi­al­plan-Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le von Ab­fin­dun­gen aus­ge­schlos­sen wer­den, auch wenn jün­ge­re Kol­le­gen Ab­fin­dun­gen er­hal­ten.: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Be­schluss vom 07.05.2019, 1 ABR 54/17
Zwei Männchen mit Euro

22.04.2020. Bei Be­triebs­schlie­ßun­gen in Un­ter­neh­men mit mehr als 20 wahl­be­rech­tig­ten Ar­beit­neh­mern kann der Be­triebs­rat ei­nen So­zi­al­plan ver­lan­gen.

So­zi­al­plä­ne sol­len die wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le aus­glei­chen oder zu­min­dest mil­dern, die den Ar­beit­neh­mern in­fol­ge der ge­plan­ten Be­trieb­s­än­de­rung ent­ste­hen.

So­zi­al­plä­ne ha­ben die Wir­kung ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung, d.h. sie gel­ten un­mit­tel­bar und zwin­gend für al­le un­ter sie fal­len­den Ar­beit­neh­mer. Au­ßer­dem kön­nen die Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat hier auch fi­nan­zi­el­le An­sprü­che re­geln, für die nor­ma­ler­wei­se ge­mäß § 77 Abs.3 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) ex­klu­siv die Ge­werk­schaf­ten bzw. Ta­rif­ver­trä­ge zu­stän­dig sind (§ 112 Abs.1 Satz 4 Be­trVG).

Kön­nen sich Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat nicht auf ei­nen So­zi­al­plan ei­ni­gen, stellt die Ei­ni­gungs­stel­le ge­mäß § 112 Abs.4 Be­trVG un­ter dem Vor­sitz ei­nes neu­tra­len Vor­sit­zen­den durch Spruch ei­nen So­zi­al­plan auf. Der Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le kann mit der Be­grün­dung ge­richt­lich an­ge­foch­ten wer­den, dass die Ei­ni­gungs­stel­le ihr Er­mes­sen über­schrit­ten ha­be (§ 77 Abs.5 Satz 4 Be­trVG).

In ei­nem vom Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) ent­schie­de­nen Fall hat­te der Be­triebs­rat ei­nen von der Ei­ni­gungs­stel­le durch Spruch auf­ge­stell­ten So­zi­al­plan an­ge­foch­ten, da die­ser acht sog. ren­ten­na­he Ar­beit­neh­mer von Ab­fin­dun­gen aus­klam­mer­te. Die­se acht Ar­beit­neh­mer soll­ten we­gen der Mög­lich­keit, dem­nächst ei­ne Al­ters­ren­te in An­spruch zu neh­men, kei­ne Ab­fin­dun­gen er­hal­ten. Da­mit war der Be­triebs­rat nicht ein­ver­stan­den, vor al­lem des­halb, weil der Aus­schluss von Ab­fin­dungs­an­sprü­chen auch dann gel­ten soll­te, wenn die Ar­beit­neh­mer in­fol­ge ei­ner vor­ge­zo­ge­nen Ren­te mit Ren­ten­kür­zun­gen rech­nen müss­ten.

Das Ar­beits­ge­richt Ham­burg er­klär­te die Re­ge­lung für wirk­sam (Be­schluss vom 02.02.2017, 29 BV 23/16), das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ham­burg da­ge­gen für un­wirk­sam (Be­schluss vom 16.11.2017, 7 TaBV 3/17). Aus Sicht des LAG Ham­burg hat­te die Ei­ni­gungs­stel­le hier ih­ren Er­mes­sens­spiel­raum über­schrit­ten und ei­ne Re­ge­lung ge­schaf­fen, die die be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer we­gen ih­res Al­ters dis­kri­mi­nier­te und da­her ge­gen das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) ver­stieß (§§ 1, 3, 7 AGG).

Zwar er­laubt § 10 Satz 3 Nr.6, 2. Alt AGG aus­drück­lich den Aus­schluss sol­cher Ar­beit­neh­mer von So­zi­al­plan­leis­tun­gen, "die wirt­schaft­lich ab­ge­si­chert sind, weil sie, ge­ge­be­nen­falls nach Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld, ren­ten­be­rech­tigt sind", doch mein­te das LAG, dass ei­ne Ren­ten­be­rech­ti­gung im Sin­ne die­ser Vor­schrift bei ei­ner ver­kürz­ten Ren­te und da­mit hier im Streit­fall nicht vor­lag.

Das BAG ent­schied da­ge­gen wie das Ar­beits­ge­richt Ham­burg, dass die um­strit­te­nen So­zi­al­plan-Re­ge­lung rech­tens war. Denn die acht ren­ten­na­hen Ar­beit­neh­mer konn­ten we­gen ih­rer recht ho­hen Löh­ne und auf­grund der lan­gen Be­schäf­ti­gungs­dau­er gu­te Ren­ten er­war­ten. Das traf auch auf die­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer zu, die bei ei­nem vor­zei­ti­ger Ren­ten­an­trag von Ren­ten­kür­zun­gen be­trof­fen wä­ren, was bei sechs der acht ren­ten­na­hen Ar­beit­neh­mer der Fall war (BAG, Be­schluss, Rn.44).

Denn, so das BAG: Ren­ten­na­he Ar­beit­neh­mer kön­nen bei ei­ner Be­triebs­still­le­gung durch Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le von Ab­fin­dungs­zah­lung voll­stän­dig aus­ge­schlos­sen und da­mit al­ters­be­dingt schlech­ter be­han­delt wer­den als ver­gleich­ba­re nicht ren­ten­na­he Ar­beit­neh­mer, die ei­nen Ab­fin­dungs­an­spruch ge­mäß dem Ei­ni­gungs­stel­len-So­zi­al­plan ha­ben.

Ein sol­cher Aus­schluss von Ab­fin­dun­gen ist auch zu­las­ten der­je­ni­gen ren­ten­na­hen Ar­beit­neh­mer mög­lich, die in­fol­ge ei­ner vor­ge­zo­ge­nen Al­ters­ren­te Ren­ten­kür­zun­gen in Kauf neh­men müs­sen.

Fa­zit: Ei­ne laut BAG zu­läs­si­ge For­mu­lie­rung des An­spruchs­aus­schlus­ses in ei­nem So­zi­al­plan kann lau­ten:

"Kei­ne Leis­tun­gen nach den Be­stim­mun­gen die­ses So­zi­al­plans er­hal­ten Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer (Aus­schluss­tat­be­stän­de), (...) die ent­we­der un­mit­tel­bar nach dem Aus­schei­den aus dem Ar­beits­ver­hält­nis oder im An­schluss an ei­ne mög­li­che Be­zug­nah­me von Ar­beits­lo­sen­geld I (un­ab­hän­gig von der tat­säch­li­chen Be­zug­nah­me des Ar­beits­lo­sen­gel­des) ei­ne Al­ters­ren­te (ge­kürzt oder un­ge­kürzt) aus der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung in An­spruch neh­men kön­nen (sog. >ren­ten­na­he Ar­beit­neh­mer<), wo­bei ei­ne Al­ters­ren­te für schwer­be­hin­der­te Men­schen ge­mäß §§ 37, 236a SGB VI so­wie ei­ne Al­ters­ren­te für Frau­en gem. § 237a SGB VI au­ßer Be­tracht bleibt.“.

Nä­he­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 16. November 2021

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