HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 20/082

Un­zu­läs­si­ge An­ru­fung der Ei­ni­gungs­stel­le

Ver­bin­dung ei­nes Ei­ni­gungs­stel­len­ver­lan­gens mit Auf­for­de­rung zur Kos­ten­über­nah­me für Be­triebs­rats­walt durch Ar­beit­ge­ber ist rechts­miss­bräuch­lich: LAG Düs­sel­dorf, Be­schluss vom 16.07.2019, 3 TaBV 36/19
Streit und Konflikt am Arbeitsplatz, zwei Geschäftsmänner streiten, Konfliktkosten

21.07.2020. Bei Strei­tig­kei­ten zwi­schen Be­triebs­rat und Ar­beit­ge­ber über An­ge­le­gen­hei­ten, bei de­nen der Be­triebs­rat ein Mit­be­stim­mungs­recht be­sitzt, ent­schei­det ei­ne Ei­ni­gungs­stel­le. Vor­aus­set­zung da­für ist, dass die Ver­hand­lun­gen ge­schei­tert sind und ei­ne Be­triebs­par­tei die Tä­tig­keit der Ei­ni­gungs­stel­le ver­langt.

Aber ist ein An­trag auf ge­richt­li­che Ein­set­zung der Ei­ni­gungs­stel­le auch dann zu­läs­sig, wenn im Hin­ter­grund ei­ne an­walt­li­che Ho­no­rar­ver­ein­ba­rung steht, die der Ar­beit­ge­ber ab­lehnt?

Ei­ne sol­che "Kopp­lung" ist rechts­miss­bräuch­lich, so das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Düs­sel­dorf, Be­schluss vom 16.07.2019, 3 TaBV 36/19.

Wie lan­ge müssen die Be­triebs­par­tei­en vor ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le mit­ein­an­der ver­han­deln?

Wenn sich Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat in ei­ner An­ge­le­gen­heit ei­nig wer­den können, bei der der Be­triebs­rat ein Mit­be­stim­mungs­recht gemäß § 87 Abs.1 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) hat, können bei­de Be­triebs­par­tei­en ei­ne Ent­schei­dung durch die Ei­ni­gungs­stel­le her­beiführen (§ 87 Abs.2 Be­trVG). Be­steht auch über die Zuständig­keit und/oder über die Be­set­zung der Ei­ni­gungs­stel­le (z.B. über die Per­son des Vor­sit­zen­den) Streit, ent­schei­det das Ar­beits­ge­richt gemäß § 76 Abs.2 Satz 2 und 3 Be­trVG.

Nicht ein­deu­tig im Ge­setz ge­re­gelt ist die Fra­ge, ob die Par­tei­en vor An­ru­fung des Ge­richts oh­ne Er­folg ei­ne Ei­ni­gung ver­sucht ha­ben müssen. In die­sem Sin­ne hat sich das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) ein­mal geäußert (BAG, Be­schluss vom 18.03.2015, 7 ABR 4/13, Rn.17), doch hal­ten sich nicht al­le Ar­beits- und Lan­des­ar­beits­ge­rich­te (LAG) dar­an, denn Ei­ni­gungs­stel­len­be­set­zungs­ver­fah­ren en­den beim LAG als letz­ter In­stanz (§ 100 Abs.2 Satz 4 ArbGG).

Vie­le Ar­beits­ge­rich­te und LAGs ver­lan­gen den Par­tei­en kei­ne außer­ge­richt­li­che Ver­hand­lun­gen ab. An­geb­lich sol­len Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat selbst ent­schei­den können, ob sie mit der Ge­gen­sei­te ver­han­deln oder die Ver­hand­lun­gen an die Ei­ni­gungs­stel­le de­le­gie­ren wol­len, so je­den­falls das LAG Nie­der­sach­sen (Be­schluss vom 25.10.2005, 1 TaBV 48/05, Leit­satz 1).

Ei­nem sol­chen „Op­ti­ons­mo­dell“ hat das LAG Düssel­dorf ei­ne Ab­sa­ge er­teilt (LAG Düssel­dorf, Be­schluss vom 16.07.2019, 3 TaBV 36/19).

Im Streit: Be­triebs­rat möch­te ei­ne Ei­ni­gungs­stel­le zum The­ma Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung, schlägt aber kei­ne Re­ge­lun­gen ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung vor

Im Streit­fall for­der­te der Be­triebs­rat den Ar­beit­ge­ber mit ei­ner Frist von we­ni­gen Ta­gen da­zu auf, sei­ne Be­reit­schaft zu Ver­hand­lun­gen über ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung zur „psy­chi­schen und phy­si­schen Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung“ zu erklären, und außer­dem ei­ne Vergütungs­ver­ein­ba­rung des Be­triebs­rats­an­walts ab­zu­zeich­nen, der zu­fol­ge der An­walt als Sach­verständi­ger den Be­triebs­rat zu ei­nem St­un­den­satz von 300,00 EUR be­ra­ten soll­te. In dem Schrei­ben des Be­triebs­rats hieß es:

„Wir for­dern Sie auf, uns bis zum 10.04.2019 die grundsätz­li­che Be­reit­schaft zur so­for­ti­gen Ver­hand­lung ei­ner BV Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung schrift­lich mit­zu­tei­len und die Vergütungs­ver­ein­ba­rung der Kanz­lei bin­nen vor­ge­nann­ter Frist ge­gen­zu­zeich­nen. An­dern­falls wer­den wir die Ver­hand­lun­gen für ge­schei­tert erklären und die Ei­ni­gungs­stel­le an­ru­fen.“

Der Ar­beit­ge­ber erklärte frist­gemäß, dass er zu Ver­hand­lun­gen be­reit sei und die Vor­schläge des Be­triebs­rats für ei­ne sol­che Be­triebs­ver­ein­ba­rung er­war­te. Die Vergütungs­ver­ein­ba­rung der Kanz­lei woll­te er aber nicht un­ter­zeich­nen. Denn er konn­te nicht nach­voll­zie­hen, war­um der Be­triebs­rat von vorn­her­ein ex­ter­nen Sach­ver­stand benöti­gen soll­te.

Dar­auf­hin be­an­trag­te der Be­triebs­rat die ge­richt­li­che Er­rich­tung und Be­set­zung ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le. Das Ar­beits­ge­richt So­lin­gen gab dem An­trag statt, setz­te die An­zahl der Bei­sit­zer aber - statt der vom Be­triebs­rat gewünsch­ten vier Bei­sit­zer - auf nur zwei pro Sei­te fest (Be­schluss vom 29.05.2019, 3 BV 22/19).

LAG Düssel­dorf: Ver­bin­dung ei­nes Ei­ni­gungs­stel­len­ver­lan­gens mit Auf­for­de­rung zur Kos­tenüber­nah­me für Be­triebs­rats­walt durch Ar­beit­ge­ber ist rechts­miss­bräuch­lich

Vor dem LAG Düssel­dorf zog der Be­triebs­rat den Kürze­ren.

In der Be­gründung sei­ner Ent­schei­dung stützt sich das LAG (Be­schluss, Rn.45) auf die o.g. BAG-Ent­schei­dung vom 18.03.2015 (7 ABR 4/13) und lehnt die o.g. ge­gen­tei­li­ge An­sicht des LAG Nie­der­sach­sen ab. Wer ei­ne ge­richt­li­che Ein­set­zung ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le ha­ben möch­te, muss erst ein­mal mit der Ge­gen­par­tei Ver­hand­lun­gen geführt ha­ben, so das LAG Düssel­dorf. Da­zu gehören ei­ge­ne Vor­schläge zum Re­ge­lungs­the­ma (Be­schluss, Rn.47). Wer­den die Ver­hand­lun­gen verzögert oder schei­tern sie aus Sicht ei­ner Par­tei, steht der Weg zum Ge­richt of­fen.

Im vor­lie­gen­den Fall hat­te der Be­triebs­rat aber nicht ge­sagt, was in der von ihm ver­lang­ten Be­triebs­ver­ein­ba­rung ge­re­gelt wer­den soll­te (Be­schluss, Rn.51). Und der Ar­beit­ge­ber hat­te Ver­hand­lun­gen nicht ver­wei­gert, son­dern aus­drück­lich an­ge­bo­ten.

Dass der Ar­beit­ge­ber die Kos­tenüber­nah­me ab­lehn­te, war rech­tens, so das LAG. Denn der Be­triebs­rat war an die­ser Stel­le gemäß § 80 Abs.3 Be­trVG auf ei­ne Ver­ein­ba­rung mit dem Ar­beit­ge­ber an­ge­wie­sen. Ei­ne sol­che Ver­ein­ba­rung müssen Ar­beit­ge­ber aber nicht in al­len Fällen tref­fen, und schon gar nicht mit dem vom Be­triebs­rat bzw. sei­nem An­walt gewünsch­ten In­halt (Be­schluss, Rn.53).

Ins­ge­samt be­wer­te­te das Ge­richt das Ver­hal­ten des Be­triebs­rats als rechts­miss­bräuch­lich (Be­schluss, Rn.54). Der Be­triebs­rat hätte die Ab­leh­nung der Vergütungs­ver­ein­ba­rung nicht von vorn­her­ein als Schei­tern der Ver­hand­lun­gen an­se­hen dürfen.

Fa­zit: Vor ei­nem An­trag auf ge­richt­li­che Ein­set­zung der Ei­ni­gungs­stel­le in den An­ge­le­gen­hei­ten des § 87 Abs.1 Be­trVG soll­ten Be­triebsräte vor­sichts­hal­ber ei­nen ei­ge­nen Vor­schlag für ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung un­ter­brei­ten. Das muss kei­ne kom­plet­te Re­ge­lung mit al­lein Ein­zel­hei­ten sein, son­dern ei­ne Spie­gel­strich­lis­te mit Stich­punk­ten. Je­den­falls soll­te aber in gro­ben Um­ris­sen deut­lich wer­den, was der Be­triebs­rat in­halt­lich re­geln möch­te.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 16. November 2021

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de
Bewertung: 5.0 von 5 Sternen (1 Bewertung)

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de