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ARBEITSRECHT AKTUELL // 17/302

Ver­gü­tung ex­ter­ner Bei­sit­zer der Ei­ni­gungs­stel­le

Auch bei sach­wid­ri­ger Be­stel­lung ei­nes ex­ter­nen Bei­sit­zers durch den Be­triebs­rat hat der Bei­sit­zer ei­nen An­spruch auf Ver­gü­tung: Lan­des­ar­beits­ge­richt Nürn­berg, Be­schluss vom 19.09.2017, 2 TaBV 75/16
Betriebsratssitzung, Versammlung, Konferenz, Meeting

06.12.2017. Steht die An­zahl der Bei­sit­zer ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le rechts­ver­bind­lich fest, z.B. als ge­richt­li­cher Be­schluss in ei­nem Ei­ni­gungs­stel­len­be­set­zungs­ver­fah­ren oder als Be­triebs­ver­ein­ba­rung, dann ist der Be­triebs­rat in sei­ner Ent­schei­dung dar­über frei, wen er in die Ei­ni­gungs­stel­le ent­sen­det.

Be­nennt der Be­triebs­rat be­triebs­ex­ter­ne Bei­sit­zer für die Ei­ni­gungs­stel­le, muss der Ar­beit­ge­ber de­ren Tä­tig­keit ver­gü­ten, wäh­rend be­triebs­in­ter­ne Bei­sit­zer kei­ne Zu­satz­kos­ten für den Ar­beit­ge­ber ver­ur­sa­chen.

In ei­nem ak­tu­el­len Be­schluss hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Nürn­berg klar­ge­stellt, dass der ge­setz­li­che An­spruch ex­ter­ner Ei­ni­gungs­stel­len­bei­sit­zer auf Ver­gü­tung ih­rer Tä­tig­keit un­ab­hän­gig von der Fra­ge ist, ob der Ent­sen­dungs­be­schluss des Be­triebs­rats mög­li­cher­wei­se treu­wid­rig ist: LAG Nürn­berg, Be­schluss vom 19.09.2017, 2 TaBV 75/16.

Lässt die Be­stel­lung ei­nes ex­ter­nen Bei­sit­zers, die dem Grund­satz der ver­trau­ens­vol­len Zu­sam­men­ar­beit wi­der­spricht, des­sen Vergütungs­an­spruch ent­fal­len?

Gemäß § 76a Abs.1 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) trägt der Ar­beit­ge­ber die Kos­ten der Ei­ni­gungs­stel­le. Da­her kann er sich über je­den be­triebs­an­gehöri­gen Bei­sit­zer der Ei­ni­gungs­stel­le freu­en, denn Be­triebs­an­gehöri­ge er­hal­ten für ih­re Tätig­keit in der Ei­ni­gungs­stel­le kei­ne ge­son­der­te Vergütung (§ 76a Abs.2 Satz 1 Be­trVG).

Be­triebs­ex­ter­ne Bei­sit­zer sind da­ge­gen für den Ar­beit­ge­ber mit Kos­ten ver­bun­den, weil sie ei­nen An­spruch auf Be­zah­lung ha­ben (§ 76a Abs.3 Be­trVG). Prak­tisch sind dies vor al­lem der Ei­ni­gungs­stel­len­vor­sit­zen­de, der in der Re­gel ein (ehe­ma­li­ger) Ar­beits­rich­ter ist, so­wie Anwälte und an­de­re Be­ra­ter des Be­triebs­rats.

Da­bei gilt nach der Recht­spre­chung der Ar­beits­ge­rich­te ei­ne 70-Pro­zent-Re­gel: Der Vor­sit­zen­de stellt dem Ar­beit­ge­ber ei­ne Rech­nung auf der Grund­la­ge ei­nes vor­her ver­ein­bar­ten St­un­den- oder Ta­ges­sat­zes, und 70 Pro­zent die­ses Rech­nungs­be­tra­ges er­hal­ten die ex­ter­nen Bei­sit­zer. Strei­ten Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat darüber, ob die Ei­ni­gungs­stel­le für ein be­stimm­tes Kon­flikt­the­ma zuständig ist, geht es da­her im­mer auch um die An­zahl der Bei­sit­zer auf bei­den Sei­ten.

Wenn der Be­triebs­rat mit ei­nem ge­richt­li­chen Ei­ni­gungs­stel­len­be­set­zungs­ver­fah­ren gemäß § 100 Ar­beits­ge­richts­ge­setz (ArbGG) Er­folg hat, kann er im Nor­mal­fall zwei Bei­sit­zer pro Sei­te durch­set­zen. Dann sit­zen auf der Be­triebs­rats­bank gewöhn­lich der/die Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de und der/die an­walt­li­che Ver­trau­te des Be­triebs­rats. Drei oder mehr Bei­sit­zer be­wil­li­gen die Ar­beits­ge­rich­te meist nur dann, wenn die An­ge­le­gen­heit, mit der sich die Ei­ni­gungs­stel­le be­fas­sen muss, recht­lich und/oder tatsächlich kom­pli­ziert ist und wenn da­her ne­ben dem An­walt des Be­triebs­rats ein Ar­beits­zeit- oder Ar­beits­schutz­ex­per­te be­tei­ligt wer­den soll­te.

Hat der Be­triebs­rat (wie im Re­gel­fall) nur zwei Bei­sit­zer durch­set­zen können, möch­te er aber ne­ben ei­nem An­walt auch ei­nen ge­werk­schaft­li­chen Be­ra­ter hin­zu­zie­hen, kann er dar­auf ver­zich­ten, sei­ne/n Vor­sit­zen­den in die Ei­ni­gungs­stel­le zu ent­sen­den. Denn die Ver­hand­lun­gen der Ei­ni­gungs­stel­le sind für die Be­triebs­par­tei­en (Be­triebs­rat und Ar­beit­ge­ber) öffent­lich, d.h. sie sind „par­teiöffent­lich“.

In ei­nem sol­chen Fall können der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de und wei­te­re Mit­glie­der des Be­triebs­rats an den Ver­hand­lun­gen teil­neh­men, und sie ha­ben auch ein Re­de­recht, wenn der Vor­sit­zen­de es ih­nen er­teilt. Dass sie bei ei­ner förm­li­chen Ab­stim­mung der Ei­ni­gungs­stel­le kein Stimm­recht ha­ben, ist prak­tisch kein Pro­blem, denn auch die vom Be­triebs­rat ent­sand­ten ex­ter­nen Bei­sit­zer wer­den im Sin­ne des Be­triebs­rats ab­stim­men.

Frag­lich ist, ob der An­spruch ex­ter­ner Bei­sit­zer auf Vergütung ih­rer Tätig­keit mögli­cher­wei­se entfällt, wenn der Be­triebs­rat bei ih­rer Ent­sen­dung über­zo­gen hat, d.h. den Ar­beit­ge­ber mut­wil­lig und ent­ge­gen dem Grund­satz der ver­trau­ens­vol­len Zu­sam­men­ar­beit (§ 2 Abs.1 Be­trVG) in die Kos­ten ge­trie­ben hat.

Im Streit: Kos­ten für zwei Anwälte als ex­ter­ne Bei­sit­zer auf der Be­triebs­rats­bank ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le

In dem Fall des LAG Nürn­berg ver­lang­te der Be­triebs­rat ei­nes Eis­her­stel­lers im Jah­re 2014 die Er­rich­tung ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le zu ver­schie­de­nen The­men, u.a. in Be­zug auf die Um­klei­de­zei­ten, die für das An­le­gen von Schutz­klei­dung und Si­cher­heits­schu­hen im Kühl­haus er­for­der­lich wa­ren.

In dem Ei­ni­gungs­stel­len­be­set­zungs­ver­fah­ren vor dem Ar­beits­ge­richt Nürn­berg ei­nig­te man sich im De­zem­ber 2014 per Ver­gleich auf die Ein­set­zung ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le zu die­sem The­ma, auf die Per­son des Vor­sit­zen­den so­wie dar­auf, dass die An­zahl der vom Be­triebs­rat und vom Ar­beit­ge­ber je­weils zu be­nen­nen­den Bei­sit­zer auf drei fest­ge­setzt wird. Da­bei ging der Ar­beit­ge­ber da­von aus, dass der Be­triebs­rat ei­nen Ver­tre­ter der Ge­werk­schaft NGG, ei­nen Rechts­an­walt so­wie ein Be­triebs­rats­mit­glied in die Ei­ni­gungs­stel­le ent­sen­den würde. Dies hat­te der Ar­beit­ge­ber dem Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den mit­ge­teilt, der dar­auf­hin nicht wi­der­spro­chen hat­te.

Später fass­te der Be­triebs­rat den Be­schluss, in die Ei­ni­gungs­stel­le zwei Rechts­anwälte der­sel­ben Kanz­lei so­wie ei­ne Ge­werk­schafts­ver­tre­te­rin zu ent­sen­den, d.h. drei be­triebs­ex­ter­ne Bei­sit­zer. An die­sem Be­schluss hielt der Be­triebs­rat fest, ob­wohl der Ar­beit­ge­ber da­ge­gen pro­tes­tier­te. Die Ei­ni­gungs­stel­le tag­te in die­ser Be­set­zung und en­de­te mit dem Ab­schluss ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung.

Der Vor­sit­zen­de der Ei­ni­gungs­stel­le stell­te für 17 St­un­den Tätig­keit ei­ne Ho­no­rar­rech­nung über 5.100,00 EUR net­to. Außer­dem stell­te er Fahrt­kos­ten von 282,80 EUR net­to so­wie 19 Pro­zent Um­satz­steu­er in Rech­nung, ins­ge­samt al­so (5.382,80 x 1,19 =) 6.405,53 EUR. Die bei­den Rechts­anwälte stell­ten je­weils ei­ne Rech­nung in Höhe von 70 Pro­zent des Vor­sit­zen­den-Ho­no­rars, d.h. über (6.405,53 EUR x 0,7 =) 4.483,87 EUR.

Von die­sen bei­den An­walts­rech­nun­gen be­zahl­te der Ar­beit­ge­ber nur ei­ne, und zwar abzüglich der Rei­se­kos­ten. Dar­auf­hin zog der an­de­re An­walt vor Ge­richt und ver­lang­te Be­zah­lung sei­ner Gebühren­rech­nung, wo­mit er vor dem Ar­beits­ge­richt Nürn­berg im We­sent­li­chen Er­folg hat­te (Ar­beits­ge­richt Nürn­berg, Be­schluss vom 27.10.2016, 9 BV 157/15).

Der Ar­beit­ge­ber leg­te Be­schwer­de zum LAG Nürn­berg ein und ar­gu­men­tier­te, dass die Be­stel­lung meh­re­rer be­triebs­frem­der Bei­sit­zer nicht er­for­der­lich ge­we­sen sei. Auch bei der Be­stel­lung von Bei­sit­zern sei der im be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Kos­ten­recht gel­ten­de Grund­satz der Er­for­der­lich­keit zu be­ach­ten.

LAG Nürn­berg: Auch bei sach­wid­ri­ger Be­stel­lung ei­nes Bei­sit­zers durch den Be­triebs­rat hat der Bei­sit­zer ei­nen An­spruch auf Vergütung

Das LAG Nürn­berg gab dem An­walt im We­sent­li­chen Recht, das heißt es zog nur die Rei­se­kos­ten ab, da die­se in sei­nem Fall nicht ent­stan­den wa­ren, so­wie Ver­zugs­zin­sen, da die bis­he­ri­ge Rech­nung nicht (völlig) kor­rekt ge­we­sen war.

Zur Be­gründung ver­weist das LAG Nürn­berg dar­auf, dass im vor­lie­gen­den Fall zwar ei­ne sach- bzw. treu­wid­ri­ge Be­set­zung der Ei­ni­gungs­stel­le durch den Be­triebs­rat na­he­liegt, dass aber auch in ei­nem sol­chen Fall der in der Ei­ni­gungs­stel­le täti­ge ex­ter­ne Bei­sit­zer An­spruch auf Be­zah­lung sei­ner Tätig­keit hat.

Denn der Vergütungs­an­spruch des ex­ter­nen Bei­sit­zers gemäß § 76a Abs.3 Satz 1 Be­trVG ist nicht auf die Frei­stel­lung des Be­triebs­rats von Kos­ten ge­rich­tet, son­dern be­steht un­mit­tel­bar als ge­setz­li­cher An­spruch des Ei­ni­gungs­stel­len­mit­glieds ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber (Ur­teil, Rn.72).

Außer­dem ist es, so die Nürn­ber­ger Rich­ter, dem ex­ter­nen Ei­ni­gungs­stel­len­mit­glied nicht zu­zu­mu­ten, be­triebs­rats­in­ter­ne Vorgänge auf­zuklären, d.h. ei­ne mögli­cher­wei­se be­ste­hen­de Treu- bzw. Sach­wid­rig­keit ei­nes Ent­sen­dungs­be­schlus­ses zu er­mit­teln (Ur­teil, Rn.73).

Sch­ließlich wäre die Funk­ti­onsfähig­keit der Ei­ni­gungs­stel­le be­ein­träch­tigt, wenn der Vergütungs­an­spruch ex­ter­ner Bei­sit­zer un­ter dem Vor­be­halt ei­ner nicht sach­wid­ri­gen Ent­sen­de­ent­schei­dung des Be­triebs­rats stünde.

Fa­zit: Das LAG Nürn­berg stärkt mit sei­ner (zu­tref­fen­den) Ent­schei­dung die Rechts­si­cher­heit bei der Durchführung von Ver­fah­ren vor der Ei­ni­gungs­stel­le. Dass der Ar­beit­ge­ber hier im Streit­fall von dem Ver­hal­ten des Be­triebs­rats enttäuscht war, hat­te er sich letzt­lich selbst zu­zu­schrei­ben, denn er hätte im Ei­ni­gungs­stel­len­be­set­zungs­ver­fah­ren ei­ner An­zahl von drei Bei­sit­zern pro Be­triebs­par­tei ja nicht zu­stim­men müssen. Al­ter­na­tiv hätte er die­se Zu­sa­ge da­von abhängig ma­chen können, dass ei­ner der drei vom Be­triebs­rat zu be­nen­nen­den Bei­sit­zer dem Be­trieb an­gehören muss.

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Letzte Überarbeitung: 9. Oktober 2020

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