HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BVerfG, Be­schluss vom 12.12.2006, 1 BvR 2576/04

   
Schlagworte: Berufsfreiheit, Honorarvereinbarung
   
Gericht: Bundesverfassungsgericht
Aktenzeichen: 1 BvR 2576/04
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 12.12.2006
   
Leitsätze: Das Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare einschließlich des Verbotes der „quota litis“ (§ 49 b Abs. 2 BRAO a.F., § 49 b Abs. 2 Satz 1 BRAO) ist mit Art. 12 Abs. 1 GG insoweit nicht vereinbar, als es keine Ausnahme für den Fall zulässt, dass der Rechtsanwalt mit der Vereinbarung einer erfolgsbasierten Vergütung besonderen Umständen in der Person des Auftraggebers Rechnung trägt, die diesen sonst davon abhielten, seine Rechte zu verfolgen.
Vorinstanzen: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.10.2004, AnwSt (B) 11/03,
Sächsischer Anwaltsgerichtshof, Urteil vom 20.06.2003, AGH 25/02 (I),
Anwaltsgerichts im Bezirk der Rechtsanwaltskammer des Freistaat Sachsens, Urteil vom 08.10.2002, SAG II 24/01 - EV 4/00
   

BUN­DES­VER­FASSUN­GS­GERICHT

- 1 BvR 2576/04 -

 

IM NA­MEN DES VOL­KES

 

In dem Ver­fah­ren

über

die Ver­fas­sungs­be­schwer­de

 

der Frau Dr. T...

- Be­vollmäch­tig­te: Rechts­anwälte Hi­d­de­mann, Bah­ne­mann, Klei­ne-Co­sack,

Ma­ria-The­re­sia-Straße 2, 79102 Frei­burg -

 

ge­gen a) den Be­schluss des Bun­des­ge­richts­hofs vom 18. Ok­to­ber 2004 - An­wSt(B) 11/03 -,

b) das Ur­teil des Säch­si­schen An­walts­ge­richts­hofs vom 20. Ju­ni 2003 - AGH 25/02 (I) -,

c) das Ur­teil des An­walts­ge­richts im Be­zirk der Rechts­an­walts­kam­mer des Frei­staa­tes Sach­sen vom 8. Ok­to­ber 2002 - SAG II 24/01 - EV 4/00 -

 

 

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hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt - Ers­ter Se­nat - un­ter

Mit­wir­kung des Präsi­den­ten

Pa­pier, 

des Rich­ters

St­ei­ner,

der Rich­te­rin

Hoh­mann-Denn­hardt

und der Rich­ter

Hoff­mann-Riem,

Bry­de,

Gai­er,

Eich­ber­ger,

Schlu­cke­bier

 

am 12. De­zem­ber 2006 be­schlos­sen:

1.

§ 49 b Ab­satz 2 der Bun­des­rechts­an­walts­ord-nung in der Fas­sung vom 2. Sep­tem­ber 1994 (Bun­des­ge­setz­blatt I Sei­te 2278) und § 49 b Ab­satz 2 Satz 1 der Bun­des­rechts­an­walts­ord-nung in der Fas­sung vom 5. Mai 2004 (Bun­des­ge­setz­blatt I Sei­te 718) sind nach Maßga­be der Gründe in­so­weit mit Ar­ti­kel 12 Ab­satz 1 des Grund­ge­set­zes un­ver­ein­bar, als sie kei­ne Aus­nah­me vom Ver­bot an­walt­li­cher Er­folgs­ho­no­ra­re vor­se­hen.

Sie können bis zur Neu­re­ge­lung wei­ter an­ge­wen­det wer­den. Der Ge­setz­ge­ber ist ver­pflich­tet, bis zum 30. Ju­ni 2008 ei­ne Neu­re­ge­lung zu tref­fen.

2.

Im Übri­gen wird die Ver­fas­sungs­be­schwer­de zu­rück­ge­wie­sen.

3.

Die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land hat der Be­schwer­deführe­rin die Hälf­te der not­wen­di­gen Aus­la­gen zu er­stat­ten.

 

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G r ü n d e :

A.

Die Be­schwer­deführe­rin ist Rechts­anwältin und wen­det sich mit ih­rer Ver­fas­sungs­be­schwer­de ge­gen an­walts­ge­richt­li­che Maßnah­men, die ge­gen sie we­gen der Ver­ein­ba­rung ei­nes Er­folgs­ho­no­rars in Form der Streit­an­teils­vergütung (quo­ta li-tis) verhängt wur­den.

I.

1. Nach der Le­gal­de­fi­ni­ti­on in § 49 b Abs. 2 Satz 1 der Bun­des­rechts­an­walts­ord­nung (im Fol­gen­den: BRAO) ist ein Er­folgs­ho­no­rar („pal­ma­ri­um“, out­put- oder er­folgs­ba­sier­te Ver­gütung) ver­ein­bart, wenn der Vergütungs­an­spruch ei­nes Rechts­an­walts oder zu­min­dest die An­spruchshöhe vom Aus­gang der Sa­che oder vom Er­folg der an­walt­li­chen Tätig­keit abhän­gig ge­macht wird. Die Abhängig­keit kann in ver­schie­de­ner Wei­se her­ge­stellt wer­den. Möglich ist ei­ne spe­ku­la­ti­ve Ver­gütung, bei der Rechts­an­walt und Man­dant ver­ein­ba­ren, dass nur im Fall des Er­fol­ges ei­ne be­stimm­te Sum­me, im Fall des Miss­er­fol­ges hin­ge­gen kei­ne Vergütung zu ent­rich­ten ist („no win, no fee“). Auch ei­ne bloße Er­folgs­ori­en­tie­rung („no win,

 


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less fee“) kommt in Be­tracht, bei der an ein be­stimm­tes Er­geb­nis an­walt­li­cher Tätig­keit le­dig­lich ei­ne un­ter­schied­li­che Höhe der Vergütung ge­knüpft wird. Fer­ner ist die Ver­ein­ba­rung ei­nes Er­folgs­zu­schlags möglich, bei der der Rechtsan­walt im Fall des Er­fol­ges ei­ne höhe­re als die gewöhn­li­che Vergütung erhält. Ei­nen Un­ter­fall des Er­folgs­ho­no­rars in der Form der spe­ku­la­ti­ven Vergütung stellt die Streit­an­teils­ver-gütung oder quo­ta li­tis dar (vgl. Ki­li­an, Der Er­folg und die Vergütung des Rechts­an­walts, 2003, S. 19), die das Ge­setz in § 49 b Abs. 2 Satz 1 BRAO da­hin be­schreibt, dass der Rechts­an­walt ei­nen be­stimm­ten Teil des von ihm er­strit­te­nen Be­trags als Ho­no­rar erhält.

2. Seit 1994 wird Rechts­anwälten durch § 49 b Abs. 2 BRAO a.F., an des­sen Stel­le seit dem 1. Ju­li 2004 die wort­glei­che Re­ge­lung in § 49 b Abs. 2 Satz 1 BRAO ge­tre­ten ist, die Ver­ein­ba­rung von Streit­an­teils­vergütun­gen und an­de­rer For­men des Er­folgs­ho­no­rars un­ter­sagt.

a) Ein ver­gleich­ba­res reichs­ge­setz­li­ches Ver­bot gab es in Deutsch­land nach 1871 zunächst nicht. Seit 1887 gin­gen je­doch eh­ren­ge­richt­li­che Ent­schei­dun­gen zu­min­dest im Er­geb­nis von der Un­zulässig­keit an­walt­li­cher Er­folgs­ho­no­ra­re aus (vgl. Schep­ke, Das Er­folgs­ho­no­rar des Rechts­an­walts, 1998, S. 102). In der Fol­ge­zeit wur­de die Un­zulässig­keit sol­cher Vergütungs­for­men mit der Funk­ti­on des Rechts­an­walts be­grün-

 


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det. Als Or­gan der Rechts­pfle­ge dürfe sich der Rechts­an­walt nicht zum Ge­sell­schaf­ter ei­ner Par­tei im Rechts­streit her­ab­würdi­gen, wes­halb ins­be­son­de­re das pac­tum de quo­ta li­tis in der Re­gel un­zulässig sei (vgl. Friedländer, Kom­men­tar zur Rechts­an­walts­ord­nung, 2. Aufl., 1920, Ex­kurs II zu § 28 Anm. 16). Das Reichs­ge­richt be­wer­te­te in ständi­ger Recht­spre­chung die Streit­an­teils­vergütung als schwe­re Stan­des­ver-feh­lung und ih­re Ver­ein­ba­rung als sit­ten­wid­rig (vgl. RGZ 115, 141; 142, 70).

Mit der Neu­fas­sung der Gebühren­ord­nung für Rechts­anwälte (im Fol­gen­den: RA­Ge­bO) durch die Ver­ord­nung vom 21. April 1944 (RGBl I S. 104) trat am 1. Ju­ni 1944 erst­mals ein ge­setz­li­ches Ver­bot des Er­folgs­ho­no­rars für Rechts­anwälte in Kraft. § 93 Abs. 2 Satz 5 RA­Ge­bO be­stimm­te aus­drück­lich die Un­wirk­sam­keit von Ver­ein­ba­run­gen, durch die die Höhe der Vergütung vom Aus­gang der Sa­che oder sonst vom Er­folg der an­walt­li­chen Tätig­keit abhängig ge­macht wird. Die Vor­schrift wur­de 1950 in das Bun­des­recht über­nom­men und galt bis zum In-Kraft-Tre­ten der Bun­des­gebühren­ord­nung für Rechts­anwälte vom 26. Ju­li 1957 (BGBl I S. 907; im Fol­gen­den: BRA­GO) am 1. Ok­to­ber 1957. We­der in die­sem Ge­setz noch in der zwei Jah­re später in Kraft ge­tre­te­nen Bun­des­rechts­an­walts­ord­nung vom 1. Au­gust 1959 (BGBl I S. 565) wur­de ein Ver­bot des Er­folgs­ho­norars ge­re­gelt.

 


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Hin­ge­gen ent­hiel­ten die an­walt­li­chen Stan­des­richt­li­ni­en, in de­nen die Bun­des­rechts­an­walts­kam­mer gemäß § 177 Abs. 2 Nr. 2 BRAO in der Fas­sung vom 1. Au­gust 1959 die „all­ge­mei­ne Auf­fas­sung über Fra­gen der Ausübung des An­walts­be­rufs“ fest­ge­stellt hat­te, un­ter § 52 ei­ne Re­ge­lung über das Er­folgs­ho­norar. Das Ver­bot, ein Er­folgs­ho­no­rar zu ver­ein­ba­ren, soll­te nach der Über­zeu­gung der Stan­des­an­gehöri­gen den Re­gel­fall dar­stel­len (Abs. 1), von dem aber Aus­nah­men möglich sein soll­ten (Abs. 2). Aus der sys­te­ma­ti­schen Stel­lung der den Streit­an­teil be­tref­fen­den Re­gel (Abs. 3) wur­de ge­schlos­sen, dass ei­ne ent­spre­chen­de Ver­ein­ba­rung aus­nahms­los un­zulässig sein soll­te (vgl. Hum­mel, in: Lin­gen­berg/Hum­mel/Zuck/Eich, Kom­men­tar zu den Grundsätzen des an­walt­li­chen Stan­des­rechts, 2. Aufl., 1988, § 52 Rn. 23).

§ 52 in der Fas­sung der von der Bun­des­rechts­an­walts­kam­mer am 21. Ju­ni 1973 fest­ge­stell­ten „Grundsätze des an­walt­li­chen Stan­des­rechts (Richt­li­ni­en gemäß § 177 Abs. 2 Nr. 2 BRAO)“ lau­te­te:

Er­folgs­ho­no­rar und quo­ta li­tis

(1) Ver­ein­ba­run­gen, durch die die Höhe der Vergütung vom Aus­gang der Sa­che oder vom sons­ti­gen Er­folg der an­walt­li­chen Tätig­keit abhängig ge­macht wird, sind un­zulässig.

(2) Nur in Aus­nah­mefällen kann ei­ne sol­che Ver­ein­ba­rung stan­des­recht­lich zulässig sein. Bei Ver­ein­ba­run­gen die­ser Art ist aber mit be­son­de­rer Sorg­falt und Ge­wis­sen­haf­tig­keit zu

 


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prüfen, ob der Rechts­an­walt nicht Ge­fahr läuft, hier­durch sei­ne un­abhängi­ge Stel­lung zu ver­lie­ren.

(3) Ver­ein­ba­run­gen, durch die sich der Rechts­an­walt im vor­aus ei­nen Teil des er­strit­te­nen Be­tra­ges als Ho­no­rar aus­be­dingt (quo­ta li­tis), sind un­zulässig.

Der Bun­des­ge­richts­hof folg­te der frühe­ren Recht­spre­chung und hielt auch nach Außer-Kraft-Tre­ten des ge­setz­li­chen Ver­bo­tes in § 93 Abs. 2 Satz 5 RA­Ge­bO na­ment­lich die Ver­ein­ba­rung ei­ner Streit­an­teils­vergütung für stan­des­wid­rig (vgl. BGHSt 30, 22) und hier­aus fol­gend auch für sit­ten­wid­rig (vgl. BGHZ 22, 162; 34, 64; 39, 142; 133, 90 <93 f.>). Da­bei stell­te der Bun­des­ge­richts­hof die Un­abhängig­keit des Rechts­an­walts in den Vor­der­grund sei­ner Ar­gu­men­ta­ti­on. Das Ge­setz ha­be dem Rechts­an­walt Auf­ga­ben zu­ge­wie­sen, die ihn aus der Ebe­ne all­ge­mei­ner wirt­schaft­li­cher Betäti­gung her­aushöben. Die Wah­rung der Un­abhängig­keit des Rechts­an­walts sei gefähr­det, wenn bei Führung der Sa­che wirt­schaft­li­che Erwägun­gen den Aus­schlag ge­ben könn­ten (vgl. BGHZ 39, 142 <146 f.>).

b) Im Zu­ge der Neu­ord­nung des an­walt­li­chen Be­rufs­rechts, die auf Grund der Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 14. Ju­li 1987 (BVerfGE 76, 171 und 76, 196) er­folg­te, wur­de durch das am 9. Sep­tem­ber 1994 in Kraft ge­t­re­te­ne Ge­setz zur Neu­ord­nung des Be­rufs­rechts der Rechts­anwäl­te und der Pa­ten­t­anwälte vom 2. Sep­tem­ber 1994 (BGBl I S.

 


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2278) in die Bun­des­rechts­an­walts­ord­nung ein Ver­bot des an­walt­li­chen Er­folgs­ho­no­rars auf­ge­nom­men. § 49 b Abs. 2 BRAO a.F. lau­te­te:

Ver­ein­ba­run­gen, durch die ei­ne Vergütung oder ih­re Höhe vom Aus­gang der Sa­che oder vom Er­folg der an­walt­li­chen Tätig­keit abhängig ge­macht wird (Er­folgs­ho­no­rar) oder nach de­nen der Rechts­an­walt ei­nen Teil des er­strit­te­nen Be­trags als Ho­no­rar erhält (quo­ta li­tis), sind un­zulässig.

Seit dem 1. Ju­li 2004 fin­det sich die­se Re­ge­lung un­verän­dert in § 49 b Abs. 2 Satz 1 BRAO. Durch Art. 4 Abs. 18 des Ge­set­zes zur Mo­der­ni­sie­rung des Kos­ten­rechts vom 5. Mai 2004 (Kos­ten­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­setz - KostRMoG -, BGBl I S. 718) wur­de ein zwei­ter Satz an­gefügt, nach dem kein ver­bo­te­nes Er­folgs­ho­no­rar vor­liegt, wenn nur die Erhöhung von ge­setz­li­chen Gebühren ver­ein­bart wird. Nach der Be­gründung des Ge­setz­ent­wurfs soll hier­durch das grundsätz­li­che Ver­bot ei­nes Er­folgs­ho­no­rars nicht an­ge­tas­tet, son­dern nur für sol­che An­walts­gebühren ge­lo­ckert wer­den, für die das Ge­setz Er­folgs­kom­po­nen­ten vor­sieht. Es sol­le bei­spiels­wei­se zulässig sein, für die Ei­ni­gungs­gebühr ei­nen höhe­ren als den ge­setz­lich vor­ge­se­he­nen Be­trag zu ver­ein­ba­ren (vgl. BT­Drucks 15/1971, S. 232).

c) Ein Ver­bot von Er­folgs­ho­no­ra­ren gilt in Deutsch­land nicht nur für Rechts­anwälte. Ver­gleich­ba­re Re­ge­lun­gen bes­te-

 


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hen auch für Pa­ten­t­anwälte (§ 43 a Abs. 1 der Pa­tent­an­walts­ord­nung), für Steu­er­be­ra­ter und Steu­er­be­vollmäch­tig­te (§ 9 Abs. 1 des Steu­er­be­ra­tungs­ge­set­zes) so­wie für Wirt­schafts­prüfer (§ 55 a Abs. 1 der Wirt­schafts­prüfer­ord­nung).

II.

1. Mit Schrei­ben vom 24. Sep­tem­ber 1990 trat die in den USA le­ben­de Frau Han­na N. an den So­zi­us der Be­schwer­deführe­rin her­an. Sie be­ab­sich­tig­te, Ansprüche we­gen ei­nes in Dres­den ge­le­ge­nen Grundstücks gel­tend zu ma­chen, das ih­rem Groß­va­ter gehört hat­te und von den na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Macht­ha­bern ent­eig­net wor­den war. Für die Durch­set­zung ih­rer Vermögens­in­ter­es­sen bat sie um an­walt­li­che Un­terstützung. Gleich­zei­tig führ­te sie aus: „Bit­te las­sen Sie mich wis­sen, ob Sie ge­neigt sind, mich auf pro­cen­tu­el­ler Ge­winn-Be­tei­li­gung von ei­nem Drit­tel (33 1/3 %) als Ihr Ho­no­rar zu ver­tre­ten.“

Der So­zi­us der Be­schwer­deführe­rin bestätig­te die Über­nah­me des Man­dats mit Schrei­ben vom 10. Ok­to­ber 1990 und er­klärte sich mit dem un­ter­brei­te­ten Ho­no­rar­an­ge­bot ein­ver­stan­den. In der Fol­ge wur­de die An­ge­le­gen­heit al­ler­dings nicht von ihm, son­dern von der Be­schwer­deführe­rin be­ar­bei­tet. Sie er­hielt im Sep­tem­ber 1998 zusätz­lich ei­ne Voll­macht des eben­falls in den USA le­ben­den Bru­ders der Auf­trag­ge­be-

 


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rin, Herrn Jo­seph S. Von des­sen Exis­tenz hat­te die Be­schwer­deführe­rin erst kurz zu­vor durch ein Schrei­ben der Man­dan­tin N. Kennt­nis er­langt.

Zu­guns­ten von Frau N. wur­de durch die zuständi­ge Ober­fi­nanz­di­rek­ti­on im Ok­to­ber 1998 ein Entschädi­gungs­an­spruch in Höhe von knapp 262.000 DM auf der Grund­la­ge des Entschädi­gungs­ge­set­zes fest­ge­setzt. Im De­zem­ber 1998 wur­de ihr ein wei­te­rer Be­trag von 50.000 DM zu­er­kannt. Hier­von be­an­spruch­te die Be­schwer­deführe­rin auf der Grund­la­ge der ge­trof­fe­nen Gebühren­ver­ein­ba­rung ei­nen An­teil von rund 104.000 DM, den sie ein­be­hielt. Den Rest­be­trag mit Aus­nah­me ei­ner Re­ser­ve von et­wa 3.300 DM für die Vergütung ei­nes hin­zu­ge­zo­ge­nen Ar­chi­vars kehr­te sie an die Man­dan­ten N. und S. aus.

2. a) Die Ver­ein­ba­rung ei­ner Streit­an­teils­vergütung für die Man­da­te N. und S. be­wer­te­te das An­walts­ge­richt als Ver­stoß ge­gen die Grund­pflich­ten ei­nes Rechts­an­walts gemäß § 43 a Abs. 1 BRAO in Ver­bin­dung mit § 352 des Straf­ge­setz­buchs. Es er­teil­te der Be­schwer­deführe­rin des­we­gen ei­nen Ver­weis und ver­ur­teil­te sie zur Zah­lung ei­ner Geld­buße in Höhe von 25.000 €. Ei­nem Rechts­an­walt sei die Ver­knüpfung ei­ge­ner wirt­schaft­li­cher In­ter­es­sen mit der Ausübung ei­nes Man­dats be­rufs­recht­lich un­ter­sagt. Mit der Stel­lung ei­nes Rechts­an­walts als un­abhängi­ges Or­gan der Rechts­pfle­ge sei die Ver­ein­ba­rung ei­ner quo­ta li­tis un­ver­ein­bar. Die Be-

 

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schwer­deführe­rin sei mit der Ho­no­ra­rab­re­de ei­ne Bin­dung ein­ge­gan­gen, die ih­re be­ruf­li­che Un­abhängig­keit gefähr­det ha­be.

b) Auf die Be­ru­fung der Be­schwer­deführe­rin setz­te der An­walts­ge­richts­hof die Geld­buße auf 5.000 € her­ab.

Hin­sicht­lich des Man­dats S. ha­be die Be­schwer­deführe­rin ge­gen § 49 b Abs. 2 BRAO a.F. ver­s­toßen und da­mit ih­re an­walt­li­chen Be­rufs­pflich­ten ver­letzt. Mit der Be­vollmächti­gung der Be­schwer­deführe­rin durch Herrn S. sei nach In-Kraft-Tre­ten der Ver­bots­norm ein neu­es Man­dats­verhält­nis be­gründet wor­den, in das die mit Frau N. ge­trof­fe­ne Ho­no­rar­ver­ein­ba­rung kon­klu­dent ein­be­zo­gen wor­den sei. Zwei­fel an der Ver­fas­sungsmäßig­keit des Ver­bo­tes, ei­ne Streit­an­teils-vergütung zu ver­ein­ba­ren, bestünden nicht. Zwar grei­fe das Ver­bot in die Be­rufs­ausübungs­frei­heit der Be­schwer­deführe­rin ein, die Be­schränkung die­ne aber vor­ran­gi­gen In­ter­es­sen der All­ge­mein­heit. Im Vor­der­grund der an­walt­li­chen Tätig­keit sol­le nicht der Aus­gang der Sa­che als An­satz­punkt der Ho­no­rie­rung ste­hen, son­dern die ge­wis­sen­haf­te an­walt­li­che Ar­beit. Der Rechts­an­walt wer­de dafür mit be­stimm­ten Pri­vi­le­gi­en aus­ge­stat­tet. Das Ver­bot ei­ner quo­ta li­tis hin­de­re den mit­tel­lo­sen Recht­su­chen­den auch nicht an der Rechts­ver­fol­gung. Vermögens­lo­se Par­tei­en könn­ten Be­ra­tungs- und Pro­zess-kos­ten­hil­fe in An­spruch neh­men. In ei­nem ver­wal­tungs­ge­richt-

 

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li­chen Ver­fah­ren grei­fe zu­dem der Grund­satz der Amts­er­mitt­lung, der an­walt­li­che Hil­fe nicht un­be­dingt not­wen­dig ma­che.

Was das Man­dat N. an­ge­he, so sei zwar § 49 b Abs. 2 BRAO a.F. nicht an­wend­bar, weil die zu­grun­de lie­gen­de Ho­no­rar­ver­ein­ba­rung vor dem In-Kraft-Tre­ten der Vor­schrift ge­trof­fen wor­den sei. In­so­weit ha­be die Be­schwer­deführe­rin je­doch ge­gen ih­re aus § 43 BRAO fol­gen­de all­ge­mei­ne Be­rufs­pflicht ver­s­toßen. Dies gel­te un­abhängig da­von, dass Frau N. sich zunächst an den So­zi­us der Be­schwer­deführe­rin ge­wandt ha­be. Aus der Hand­ha­bung des Man­dats, das seit 1995 al­lein durch die Be­schwer­deführe­rin be­treut und von die­ser schließlich so­gar ab­ge­rech­net wor­den sei, fol­ge, dass auch mit der Be­schwer­deführe­rin ein An­walts­ver­trag un­ter Ein­be­zie­hung der streit­ge­genständ­li­chen Ho­no­rar­ver­ein­ba­rung zu­stan­de ge­kom­men sei.

Nach § 43 BRAO ha­be der Rechts­an­walt sei­nen Be­ruf ge­wis­sen­haft aus­zuüben und sich in­ner­halb und außer­halb des Be­rufs der Ach­tung und des Ver­trau­ens, wel­che die Stel­lung des Rechts­an­walts er­for­de­re, würdig zu er­wei­sen. Der Rechtsan­walt dürfe kei­ne Bin­dun­gen ein­ge­hen, die sei­ne be­ruf­li­che Un­abhängig­keit gefähr­de­ten. Er dürfe da­nach die Ausübung des Man­dats nicht mit sei­nen ei­ge­nen wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen ver­knüpfen. Dass die­se zen­tra­le Pflicht des Rechts­an­walts Grund­la­ge für das Ver­bot ei­ner quo­ta-li­tis-Ver­ein­ba­rung sei,

 


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ha­be sich für den hier maßgeb­li­chen Zeit­raum aus § 52 der an­walt­li­chen Stan­des­richt­li­ni­en er­ge­ben. Die Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 14. Ju­li 1987 (Hin­weis auf BVerfGE 76, 171) ste­he der An­wen­dung die­ser stan­des­recht­li-chen Vor­schrift nicht ent­ge­gen. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ha­be nämlich aus­geführt, dass in­ner­halb ei­ner Über­g­angs­frist auf die Stan­des­richt­li­ni­en zurück­ge­grif­fen wer­den dürfe, so­weit es zur Auf­recht­er­hal­tung ei­ner funk­ti­onsfähi­gen Rechts­pfle­ge un­erläss­lich sei. Bestätigt ha­be das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt dies nicht nur für die Ver­schwie­gen­heits­pflicht und das Ver­bot der Wahr­neh­mung wi­der­strei­ten­der In­ter­es­sen, son­dern auch für die Grundsätze der Gebühren­be­rech­nung.

Im Übri­gen ha­be der Bun­des­ge­richts­hof vor der No­vel­lie­rung der Bun­des­rechts­an­walts­ord­nung in ständi­ger Rechtsp­re­chung ent­schie­den, dass die Ver­ein­ba­rung ei­nes Er­folgs­ho­no­rars nicht nur stan­des­wid­rig sei, son­dern auch ge­gen die gu­ten Sit­ten nach § 138 BGB ver­s­toße. Rechts­anwälte sei­en nach dem ge­setz­li­chen Leit­bild nicht nur ein­sei­ti­ge Par­tei­vert­re­ter, son­dern auch un­abhängi­ges Or­gan der Rechts­pfle­ge im Sin­ne des § 1 BRAO. Der Rechts­an­walt erfülle da­mit zu­gleich öffent­lich­recht­li­che Pflich­ten. Das Ge­setz ha­be ihm Auf­ga­ben zu­ge­wie­sen, die ihn aus der Ebe­ne all­ge­mei­ner wirt­schaft­li­cher Betäti­gung her­aus­he­ben würden. Die­se her­aus­ge­ho­be­ne Stel­lung er­for­de­re es, dass sich der Rechts­an­walt die er­for­der­li­che Frei­heit ge­genüber sei­nem Auf­trag­ge­ber und des­sen

 


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Be­lan­gen be­wah­re. Die Un­abhängig­keit ge­genüber der ver­tre­te­nen Par­tei gefähr­de er, wenn er das In­ter­es­se an ei­ner an­ge­mes­se­nen Ent­loh­nung sei­ner Tätig­keit mit dem Par­tei­in­ter­es­se da­durch ver­qui­cke, dass er es in Abhängig­keit zu dem Er­folg in der recht­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung set­ze.

c) Die Be­schwer­de ge­gen die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on durch den An­walts­ge­richts­hof wies der An­walts­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs mit ein­stim­mi­gem, nicht näher be­gründe­tem Be­schluss zurück.

III.

Mit ih­rer ge­gen die­se Ent­schei­dun­gen ge­rich­te­ten Ver­fas­sungs­be­schwer­de rügt die Be­schwer­deführe­rin die Ver­let­zung ih­res Grund­rechts auf freie Be­rufs­ausübung. Zwar lie­ge mit § 49 b Abs. 2 BRAO a.F. ei­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge im Sin­ne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG vor. Die­se Vor­schrift sei je­doch zu­min­dest dann ma­te­ri­ell ver­fas­sungs­wid­rig, wenn - wie in ih­rem Fall - mit­tel­lo­se Recht­su­chen­de nur über die Ver­ein­ba­rung ei­nes Er­folgs­ho­no­rars zu ih­rem Recht kom­men könn­ten.

Dem ge­setz­li­chen Ver­bot des an­walt­li­chen Er­folgs­ho­no­rars sol­le nicht grundsätz­lich ab­ge­spro­chen wer­den, dass es Ge-mein­wohl­zwe­cken die­nen könne. Der Re­kurs auf die an­geb­lich

 


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gefähr­de­te Frei­be­ruf­lich­keit oder die Nicht­ge­werb­lich­keit des An­walts­be­rufs sei zwar ver­fehlt. Eben­so we­nig könne ernst­haft be­haup­tet wer­den, die Möglich­keit der Ver­ein­ba­rung von Er­folgs­ho­no­ra­ren führe zu ex­or­bi­tan­ten Scha­dens­er­satz­kla­gen, un­an­ge­mes­sen ho­hen An­walts­ho­no­ra­ren oder gar ei­ner erhöhten Pro­zess­lust der Bevölke­rung. Es sei je­doch denk­bar, dass die aus­sch­ließli­che an­walt­li­che Ori­en­tie­rung am Er­folg der Bemühun­gen zur Fol­ge ha­be, dass die un­abhängi­ge und kri­ti­sche Ver­tre­tung des Man­dan­ten we­ni­ger an des­sen In­te­res­sen, dem Recht als sol­chem und den Re­geln des Rechts­staats ori­en­tiert sei als viel­mehr an wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen des Rechts­an­walts.

Die Be­den­ken der Be­schwer­deführe­rin sei­en des­halb nicht ge­gen das Feh­len schützens­wer­ter Ge­mein­wohl­be­lan­ge, son­dern ge­gen den Um­fang des Ver­bo­tes von Er­folgs­ho­no­ra­ren ge­rich­tet. Die­ses sei zur Er­rei­chung der skiz­zier­ten Ge­mein­wohl-zwe­cke nicht un­ein­ge­schränkt er­for­der­lich. Ent­ge­gen der An­sicht des An­walts­ge­richts­hofs be­din­ge die be­son­de­re Stel­lung des Rechts­an­walts nicht, dass in kei­nem Fall ein Er­folgs­ho­norar oder ei­ne quo­ta li­tis ver­ein­bart wer­den dürf­ten, um die Un­abhängig­keit des Rechts­an­walts ge­genüber der von ihm ver­tre­te­nen Par­tei zu be­wah­ren. Mit der an die Rechtsp­re­chung des Bun­des­ge­richts­hofs an­ge­lehn­ten Ar­gu­men­ta­ti­on, es müsse ver­mie­den wer­den, dass der Rechts­an­walt ei­ner aus all­ge­mei­ner men­sch­li­cher Schwäche ent­sprin­gen­den Ei­gen­sucht un-

 


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ter­lie­ge, ne­gie­re der An­walts­ge­richts­hof das nach­voll­zieh­ba­re In­ter­es­se ein­zel­ner Man­dan­ten, in ei­ner un­si­che­ren und ri­si­ko­be­haf­te­ten Si­tua­ti­on für ei­ne Dienst­leis­tung nur bei ei­nem Vermögens­zu­wachs auch ein Ent­gelt zah­len zu müssen. Ein sol­ches In­ter­es­se ha­be das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt be­reits aus­drück­lich an­er­kannt (Hin­weis auf BVerfG, Be­schluss der 2. Kam­mer des Ers­ten Se­nats vom 27. Sep­tem­ber 2002 - 1 BvR 2251/01 -, NJW 2002, S. 3531). In Fällen, in de­nen ei­ne sol­che In­ter­es­sen­la­ge be­ste­he und die Recht­su­chen­den we­der Pro­zess­kos­ten­hil­fe be­an­spru­chen könn­ten noch ei­ne Rechts­schutz­ver­si­che­rung ein­tre­te, müsse es ih­nen möglich sein, ei­nen An­walt oh­ne ei­ge­nes Kos­ten­ri­si­ko auf Er­folgs­ho­no­rar­ba-sis zu man­da­tie­ren. An­de­ren­falls lie­fen sie Ge­fahr, ih­rer Rech­te ver­lus­tig zu ge­hen.

Der An­walts­ge­richts­hof ge­he ei­ner Erörte­rung der Ver­fas­sungsmäßig­keit von § 49 b Abs. 2 BRAO a.F. aus dem Weg, in­dem er zwi­schen Er­folgs­ho­no­rar und quo­ta li­tis dif­fe­ren­zie­re und sich in sei­ner Ent­schei­dung nur zu letz­te­rer ver­hal­te. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des An­walts­ge­richts­hofs könn­ten ge­genüber der quo­ta li­tis je­doch kei­ne an­de­ren Be­den­ken gel­ten als ge­genüber dem Er­folgs­ho­no­rar im All­ge­mei­nen; die Gren­zen zwi­schen bei­den sei­en fließend. Zu­min­dest im vor­lie­gen­den Fall, in dem mit­tel­lo­se Man­dan­ten auf der Ver­ein­ba­rung ei­nes Er­folgs­ho­no­rars be­stan­den hätten, sei das Er­folgs­ho­no­rar mit An­teils­be­tei­li­gung nicht zu be­an­stan­den. Der Ver­fah­rens­ge-

 


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gen­stand wie auch sein Wert hätten im We­sent­li­chen fest­ge­stan­den, so dass spe­zi­el­le Be­den­ken ge­gen ei­ne quo­ta li­tis hier nicht durch­grif­fen.

IV.

Zu der Ver­fas­sungs­be­schwer­de ha­ben Stel­lung ge­nom­men das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Jus­tiz na­mens der Bun­des­re­gie­rung, der Präsi­dent des Bun­des­ge­richts­hofs, das Mi­nis­te­ri­um der Jus­tiz des Lan­des Bran­den­burg, das Säch­si­sche Staats­mi­nis­te­ri­um der Jus­tiz, die Bun­des­rechts­an­walts­kam­mer, die Bun­des­steu­er­be­ra-ter­kam­mer, die Pa­tent­an­walts­kam­mer, die Wirt­schafts­prüfer-kam­mer, der Deut­sche An­walt­ver­ein, der Bun­des­ver­band Deut­scher Pa­ten­t­anwälte, der Bund Deut­scher Rechts­pfle­ger, das In­sti­tut der Wirt­schafts­prüfer in Deutsch­land, die Ver­brau­cher­zen­tra­le Bun­des­ver­band so­wie der Bun­des­ver­band der Deut­schen In­dus­trie ge­mein­sam mit dem Deut­schen In­dus­trie- und Han­dels­kam­mer­tag.

1. Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Jus­tiz ist der Auf­fas­sung, ein Er­folgs­ho­no­rar berühre so­wohl die Stel­lung des Rechtsan­walts als Or­gan der Rechts­pfle­ge als auch des­sen Un­abhängig­keit. Zwar ließen sich we­der dem Be­griff „Or­gan der Rechts­pfle­ge“ noch dem Prin­zip der an­walt­li­chen Un­abhängig­keit ab­schließend ver­bind­li­che, abs­trak­te Vor­ga­ben dafür ent­neh­men, wel­chem Maß an In­ter­es­sen­ver­qui­ckung bei der an­walt­li­chen

 


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Tätig­keit ent­ge­gen­ge­wirkt wer­den müsse. In­so­weit sei es je­doch Auf­ga­be des Ge­setz­ge­bers, er­for­der­li­che Abwägun­gen und Ent­schei­dun­gen zu tref­fen. Ihm müsse ein Be­ur­tei­lungs­spiel­raum zu­ste­hen, der auch die Schaf­fung ge­ne­ra­li­sie­ren­der Ver­bo­te ein­sch­ließe.

Das Gefähr­dungs­po­ten­ti­al kon­fliktträch­ti­ger In­ter­es­sen­ver­qui­ckun­gen bei ei­ner Ver­ein­ba­rung von Er­folgs­ho­no­ra­ren ein­sch­ließlich Er­folgs­be­tei­li­gung be­ru­he dar­auf, dass der An­walt mit ei­ner der­ar­ti­gen Ver­ein­ba­rung ein be­son­de­res ei­ge­nes wirt­schaft­li­ches In­ter­es­se be­gründe. Die­ses sei auf Ein­tritt des Er­fol­ges ge­rich­tet, an den nach der Vergütungs­ver­ein­ba­rung die Zah­lung des Ho­no­rars ge­knüpft sei. Hier­aus re­sul­tie­re die Ge­fahr, dass der An­walt, des­sen Auf­ga­be und Pflicht es sei, al­lein die In­ter­es­sen sei­nes Man­dan­ten wahr­zu­neh­men, ein hier­von ab­wei­chen­des ei­ge­nes wirt­schaft­li­ches In­ter­es­se ver­fol­ge, wenn auch nur un­be­wusst oder aus der sub­jek­ti­ven Sicht des Man­dan­ten.

So­weit der Ge­setz­ge­ber selbst An­rei­ze ver­fah­rens­len­ken­der Art ge­schaf­fen ha­be, un­ter­schie­den die­se sich er­heb­lich von ei­nem ver­ein­bar­ten Er­folgs­ho­no­rar. Durch die ent­spre­chen­den Gebühren würden - un­abhängig vom ma­te­ri­el­len Er­folg – vor al­lem sol­che Tätig­kei­ten des Rechts­an­walts vergütet, die wei­te­ren Auf­wand der Ge­rich­te ent­behr­lich mach­ten. Dies gel­te bei­spiels­wei­se für die im Ge­setz über die Vergütung der

 


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Rechts­anwältin­nen und Rechts­anwälte (Rechts­an­walts­vergü-tungs­ge­setz - RVG) vor­ge­se­he­nen zusätz­li­chen An­walts­gebühren in Fällen gütli­cher Ei­ni­gung.

2. Der Präsi­dent des Bun­des­ge­richts­hofs ver­weist auf die Ent­schei­dung des III. Zi­vil­se­nats des Bun­des­ge­richts­hofs vom 13. Ju­ni 1996 zur Un­zulässig­keit der Ver­ein­ba­rung ei­nes Er­folgs­ho­no­rars (BGHZ 133, 90) und nimmt im Übri­gen als Vor­sit­zen­der des Se­nats für An­walts­sa­chen Stel­lung. Der Bun­des­ge­richts­hof ha­be schon frühzei­tig die Sit­ten­wid­rig­keit von quo­ta-li­tis-Ver­ein­ba­run­gen be­jaht. Die Un­abhängig­keit des Rechts­an­walts sei gefähr­det, wenn er ein ei­ge­nes geld­wer­tes In­ter­es­se am Aus­gang des Rechts­streits ha­be. In ei­nem sol­chen Fall könn­te er sich ver­an­lasst se­hen, den Er­folg oh­ne Rück­sicht auf die wirk­li­che Sach- und Rechts­la­ge mit un­lau­te­ren Mit­teln an­zu­stre­ben. So­fern sich der Rechts­an­walt ein Er­folgs­ho­no­rar in Ge­stalt ei­nes Streit­an­teils zu­sa­gen las­se, verstärk­ten sich die Ge­fah­ren für die Rechts­pfle­ge noch er­heb­lich. Un­ter die­sen Umständen ha­be der Rechts­an­walt näm­lich nicht nur ein ei­ge­nes In­ter­es­se am Ob­sie­gen, son­dern auch an der Höhe des Er­strit­te­nen. Da­durch träten die kauf­männi­schen Erwägun­gen in ei­nem Maße in den Vor­der­grund, wie dies bei der nach an­de­ren Ge­sichts­punk­ten aus­ge­rich­te­ten Be­rufstätig­keit des Rechts­an­walts nicht angängig sei.

 


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3. Nach Auf­fas­sung des Mi­nis­te­ri­ums der Jus­tiz des Lan­des Bran­den­burg ist ei­ne In­ter­es­sen­ver­qui­ckung je­der an­walt­li­chen Tätig­keit im­ma­nent. Wel­ches Maß an In­ter­es­sen­ver­qui­ckung die Stel­lung des Rechts­an­walts als Or­gan der Rechts­pfle­ge gefähr­de, sei schwie­rig zu be­stim­men. Als ent­sch­ei­dend wer­de an­ge­se­hen, ob der Un­ter­schied zwi­schen der Ver­tre­tung frem­der In­ter­es­sen und der Par­tei­rol­le ge­wahrt blei­be. Dies sei aber dann nicht mehr der Fall, wenn die Be­zah­lung des An­walts vom Aus­gang des Rechts­streits abhänge.

Hin­zu kom­me, dass dem Man­dan­ten die sich für ihn aus der Ver­ein­ba­rung ei­nes Er­folgs­ho­no­rars er­ge­ben­den Nach­tei­le meist nicht vor Au­gen stünden. Des Wei­te­ren be­ste­he die Ge­fahr der Ein­lei­tung ei­ner Viel­zahl höchst zwei­fel­haf­ter Ver­fah­ren, für die der An­walt das ent­spre­chen­de Man­dat durch of­fen­si­ve Wer­bung mit Er­folgs­ho­no­ra­ren ak­qui­riert ha­be, und die er dann oh­ne Rück­sicht auf sach­li­che Gründe im Sin­ne ei­ner „Kon­flikt­ver­tre­tung“ durch­fech­ten müsse. Sch­ließlich sei zu befürch­ten, dass im Fall der Abhängig­keit des Ho­no­rars von ei­nem sach­li­chen Er­folg die an­walt­li­che Be­ra­tung prak­tisch zum Er­lie­gen kom­me, wenn der Rechts­an­walt ei­nen für sei­ne Par­tei ungüns­ti­gen Aus­gang des Rechts­streits gewärti­gen müsse.

4. Das Säch­si­sche Staats­mi­nis­te­ri­um der Jus­tiz ist der An­sicht, es sei ei­ne primär vom Ge­setz­ge­ber zu ent­schei­den­de

 


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Fra­ge, ob und in­wie­weit die Vergütungs­form des an­walt­li­chen Er­folgs­ho­no­rars ein­geführt wer­de. Es ließen sich mit ver­tret­ba­rer Ar­gu­men­ta­ti­on so­wohl für als auch ge­gen ein Er­folgs­ho­no­rar spre­chen­de Gründe auf­zei­gen. So­mit lie­ge es in­ner­halb der – mit dem Ver­bot der quo­ta li­tis nicht über­schrit­te­nen - Einschätzungs­präro­ga­ti­ve des Ge­setz­ge­bers, für wel­che Ar­gu­men­ta­ti­on er sich ent­schei­de.

5. Die Bun­des­rechts­an­walts­kam­mer weist dar­auf hin, dass zur Un­abhängig­keit des Rechts­an­walts auch die Ei­gen­ver­ant­wort­lich­keit bei der Wah­rung der persönli­chen und wirt­schaft­li­chen Bin­dungs­frei­heit zähle. Grundsätz­lich neh­me das wirt­schaft­li­che In­ter­es­se des Rechts­an­walts an ei­nem be­stimm­ten Man­dat die­sem nach der Wer­tung des Ge­setz­ge­bers nicht die nöti­ge Un­abhängig­keit und Un­par­tei­lich­keit für ein ge­set­zes­kon­for­mes Han­deln. Der Ge­setz­ge­ber ver­traue auf In­te­grität, Pro­fes­sio­na­lität und Zu­verlässig­keit der Rechtsan­wälte (Hin­weis auf BVerfGE 108, 150 <162 f.>).

Al­ler­dings wer­de durch ein an­walt­li­ches Er­folgs­ho­no­rar be­son­ders deut­lich ei­ne Kon­gru­enz zwi­schen den In­ter­es­sen des Man­dan­ten und des An­walts her­ge­stellt. Dies könne die Ver­su­chung erhöhen, ei­nen Er­folg oh­ne Rück­sicht auf die wirk­li­che Sach- und Rechts­la­ge auch mit nicht zu bil­li­gen­den Mit­teln an­zu­stre­ben. Die­se Möglich­keit be­ste­he auch, wenn

 


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die Ver­ein­ba­rung des Er­folgs­ho­no­rars sich in Form ei­ner quo-ta li­tis auf ei­nen Teil des er­strit­te­nen Be­tra­ges be­zie­he.

Der Um­stand, dass der Ge­setz­ge­ber im Rechts­an­walts­vergü-tungs­recht wirt­schaft­li­che An­rei­ze ver­fah­rens­len­ken­der Art ge­schaf­fen ha­be, schließe nicht von vorn­her­ein aus, dass er zur Recht­fer­ti­gung des Ver­bo­tes der Ver­ein­ba­rung von Er­folgs­ho­no­ra­ren im Übri­gen den As­pekt der Un­abhängig­keit des Rechts­an­walts her­an­zie­he. Ein ge­setz­li­cher Gebühren­tat­be­stand, der an aus­gewähl­te Er­fol­ge an­walt­li­cher Tätig­keit an­knüpfe, ha­be ei­ne an­de­re Qua­lität als ei­ne Vergütungs­ver­ein­ba­rung im Ein­zel­fall.

Un­ter dem Ge­sichts­punkt des Ver­brau­cher­schut­zes sei von Be­lang, dass je­des Er­folgs­ho­no­rar über die ge­setz­li­che Ver­gütung hin­aus dem Man­dan­ten im Er­folgs­fall ei­nen Teil sei­nes be­rech­tig­ten An­spruchs neh­me. Al­ler­dings be­ste­he die Ge­fahr der Aus­nut­zung des Wis­sens­vor­sprungs des Rechts­an­walts in glei­cher Wei­se auch bei schlich­ten Ho­no­rar­vein­ba­run­gen oh­ne Er­folgs­be­zug auf der Ba­sis von § 4 RVG.

6. Die Bun­des­steu­er­be­ra­ter­kam­mer hält die Ver­fas­sungs­be­schwer­de für un­be­gründet. Die Vor­schrift des § 49 b Abs. 2 Satz 1 BRAO sei ver­fas­sungs­recht­lich nicht zu be­an­stan­den. Das Ver­bot der Ver­ein­ba­rung ei­nes Er­folgs­ho­no­rars sol­le die Un­abhängig­keit des Rechts­an­walts si­chern und zu­gleich das

 


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Ver­trau­en der Recht­su­chen­den in die Un­abhängig­keit des Be­rufs­stan­des stärken. Bei­des sei­en vor­ran­gi­ge All­ge­mein­wohl-be­lan­ge.

7. Die Pa­tent­an­walts­kam­mer be­tont, dass das Ver­bot des Er­folgs­ho­no­rars und der quo­ta li­tis seit je­her zum Selbst­verständ­nis der pa­tent­an­walt­li­chen Be­rufs­ausübung zähl­ten. Der Pa­tent­an­walt, eben­so wie je­der an­de­re An­walt, ha­be im Verhält­nis zum Man­dan­ten ei­ne Aus­gleichs- und Mäßigungs­funk­ti­on wahr­zu­neh­men. Die­se set­ze ei­ne Par­tei­un­abhängig­keit und ei­ne un­ei­gennützi­ge In­ter­es­sen­wahr­neh­mung vor­aus, die im Fall ei­ner In­ter­es­sen­ver­qui­ckung auf Grund von Er­folgs­ho­no­ra­ren nicht ge­wahrt sei.

8. Die Wirt­schafts­prüfer­kam­mer ist der An­sicht, dass hin­sicht­lich des Be­rufs­bil­des des Wirt­schafts­prüfers und ve­rei­dig­ten Buch­prüfers für die Fra­ge nach der Zulässig­keit ei­nes Er­folgs­ho­no­rars zwi­schen den ver­schie­de­nen Tätig­keits­fel­dern zu un­ter­schei­den sei. Der­zeit ge­be es Über­le­gun­gen, den An­wen­dungs­be­reich des Ver­bo­tes von Er­folgs­ho­no­ra­ren auf be­stimm­te Kern­be­reichstätig­kei­ten, nämlich die Ab­schluss­prü­fung, die Tätig­keit als Sach­verständi­ger und die treuhände-ri­sche Ver­wal­tung, zu be­schränken. Bei die­sen Tätig­kei­ten, bei­spiels­wei­se bei der Jah­res­ab­schluss­prüfung, kom­me die An­knüpfung an ei­nen Er­folg von vorn­her­ein nicht in Be­tracht, so dass das Ver­bot der Ver­ein­ba­rung ei­nes Er­folgs­ho­no­rars

 


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nicht nur sach­lich ge­recht­fer­tigt, son­dern zwin­gend sei. Dem­ge­genüber sei­en die Ar­gu­men­te für ein ent­spre­chen­des Ver­bot nicht oh­ne wei­te­res auf an­de­re Tätig­kei­ten, bei­spiels­wei­se die Wirt­schafts- und Un­ter­neh­mens­be­ra­tung, über­trag­bar. In­so­weit er­schei­ne ei­ne Lo­cke­rung des Ver­bo­tes denk­bar.

9. Der Deut­sche An­walt­ver­ein hält die Ver­fas­sungs­be­schwer­de für be­gründet. Die Fra­ge der Zulässig­keit ei­nes Er­folgs­ho­no­rars sei in der An­walt­schaft höchst um­strit­ten. Zu­min­dest ein um­fas­sen­des Ver­bot des Er­folgs­ho­no­rars las­se sich aber we­der un­ter Be­ru­fung auf die Un­abhängig­keit des Rechts­an­walts noch un­ter Be­ru­fung auf sei­ne Stel­lung als Or­gan der Rechts­pfle­ge recht­fer­ti­gen.

Je­de Be­auf­tra­gung ei­nes Rechts­an­walts führe zu ei­ner In­ter­es­sen­kon­gru­enz zwi­schen Man­dant und An­walt. Der Rechtsan­walt ha­be da­her ent­spre­chend § 43 a BRAO ei­gen­ver­ant­wort­lich zu prüfen, ob ei­ne Vergütungs­ab­spra­che sei­ne Un­abhängig­keit gefähr­de. Hier­bei sei ge­recht­fer­tigt, dass sich der Rechts­an­walt mit den In­ter­es­sen sei­nes Man­dan­ten iden­ti­fi­zie­re. Die­ser In­ter­es­sen­gleich­klang sei im Man­dats­verhält­nis an­ge­legt. Erst wenn der Rechts­an­walt das ihm an­ge­tra­ge­ne Man­dat zur ei­ge­nen Sa­che ma­che und da­mit „fremd­be­stimmt“ sei, ver­lie­re er die Dis­tanz zum Man­dan­ten und da­mit auch sei­ne Un­abhängig­keit die­sem ge­genüber. Ob dies der Fall sei, hänge aber nicht von der Art und Wei­se der Vergütung ab; auch ein

 


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An­walt, der ge­gen ge­setz­li­che Gebühr tätig wer­de, könne in ei­ne Abhängig­keit ge­ra­ten. Das um­fas­sen­de Ver­bot des Er­folgs­ho­no­rars sei da­her we­der er­for­der­lich noch ge­eig­net, um die Un­abhängig­keit und Ei­gen­ver­ant­wort­lich­keit an­walt­li­cher Tätig­keit zu ga­ran­tie­ren.

Das Ver­bot sei zu­dem un­verhält­nismäßig. Wol­le ein Rechts­an­walt das mit ei­nem Er­folgs­ho­no­rar ver­bun­de­ne Ri­si­ko ein­ge­hen, so sei es nicht Auf­ga­be des Staa­tes, die­se Form der Be­rufs­ausübung durch das Ver­bot ei­nes Er­folgs­ho­no­rars zu dis­kre­di­tie­ren. Der Vor­wurf, die Ver­ein­ba­rung ei­nes Er­folgs­ho­norars bie­te ei­nen An­reiz zum Pro­zes­sie­ren oder zur Gel­tend­ma­chung überhöhter Ansprüche, sei bis­lang nicht ve­ri­fi­ziert. Viel­mehr sei um­ge­kehrt da­von aus­zu­ge­hen, dass der Rechtsan­walt vor Über­nah­me des Man­dats be­son­ders sorgfältig die Er­folgs­aus­sich­ten des even­tu­el­len Pro­zes­ses prüfe, wenn sein Ho­no­raran­spruch vom er­folg­rei­chen Aus­gang der Sa­che abhänge.

Für die Be­ur­tei­lung der Fra­ge, ob ei­ne kon­fliktträch­ti­ge In­ter­es­sen­ver­qui­ckung vor­lie­ge, kom­me es nicht auf die Aus­ge­stal­tung des Er­folgs­ho­no­rars als Fest­be­trag oder Strei­tan-teils­vergütung an, son­dern auf die Ge­samt­umstände des Fal­les, ins­be­son­de­re auf die Höhe der Vergütung. Ei­ne fes­te Sum­me oder ein fes­ter Pro­zent­satz las­se sich hier­bei je­doch nicht nen­nen. Aus­rei­chen­der Schutz vor wirt­schaft­li­cher

 


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Über­vor­tei­lung der Auf­trag­ge­ber wer­de durch § 138 BGB so­wie über die Re­ge­lun­gen in den §§ 305 ff. BGB gewährt.

Auch im Rah­men der Verhält­nismäßig­keitsprüfung im en­ge­ren Sin­ne fal­le die ver­fas­sungs­recht­li­che Be­ur­tei­lung nicht an­ders aus. Hier­bei sei zu berück­sich­ti­gen, dass ein Er­folgs­ho­no­rar in be­stimm­ten Fall­kon­stel­la­tio­nen durch­aus auch ver­brau­cher­freund­li­che Wir­kung ha­be.

10. Der Bun­des­ver­band Deut­scher Pa­ten­t­anwälte er­ach­tet es im In­ter­es­se der Un­abhängig­keit des Pa­tent­an­walts für not­wen­dig, an ei­nem ab­so­lu­ten Ver­bot von Er­folgs­ho­no­ra­ren ein­schließlich der quo­ta li­tis fest­zu­hal­ten. Ei­ne Frei­ga­be kön­ne zu Miss­brauchsfällen führen, die die sach­gemäße Hand­ha­bung ei­nes Ver­fah­rens durch den Pa­tent­an­walt nicht ga­ran­tier­ten.

11. Nach An­sicht des Bun­des Deut­scher Rechts­pfle­ger liegt es in der Na­tur an­walt­li­cher Tätig­keit, dass sich ihr Er­geb­nis auf die Vergütung aus­wirkt. Ver­nei­ne der Rechts­an­walt bei­spiels­wei­se den frag­li­chen An­spruch, ver­die­ne er nur die Be­ra­tungs- oder Aus­sich­ten­prüfungs­gebühr; be­ja­he er ihn, kämen die Gebühren des ge­richt­li­chen Ver­fah­rens hin­zu. Auch nach dem Ge­setz hänge bei­spiels­wei­se für Ei­ni­gungs-, Aussöh-nungs- und Er­le­di­gungs­gebühren die An­walts­vergütung weit­hin vom Er­folg ab. Ei­ne sinn­vol­le Ab­gren­zung zwi­schen dem Ver­bot

 


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des Er­folgs­ho­no­rars und den ge­setz­lich ge­re­gel­ten Aus­nah­me­fällen, die quan­ti­ta­tiv und qua­li­ta­tiv von er­heb­li­chem Ge­wicht sei­en, las­se sich nicht er­ken­nen. Das­sel­be gel­te für ei­ne Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen dem klas­si­schen Er­folgs­ho­no­rar und der Streit­an­teils­vergütung.

12. Das In­sti­tut der Wirt­schafts­prüfer in Deutsch­land ist der Auf­fas­sung, für die Tätig­keit der Wirt­schafts­prüfer im Rah­men von Ab­schluss­prüfun­gen sei an dem Ver­bot ei­nes Er­folgs­ho­no­rars fest­zu­hal­ten. Zwei­fel­haft könne die Er­for­der-lich­keit ei­nes Ver­bo­tes von Er­folgs­ho­no­ra­ren dem­ge­genüber bei Tätig­kei­ten sein, bei de­nen die Un­abhängig­keit und Neut­ra­lität des Wirt­schafts­prüfers nicht im sel­ben Maße im Vor­der­grund ste­he wie bei der Ab­schluss­prüfung. Zu den­ken sei in die­sem Zu­sam­men­hang an den Be­reich der Un­ter­neh­mens­be­ra­tung und ins­be­son­de­re auch der In­ter­es­sen­ver­tre­tung. Hier soll­te es letzt­lich der Ent­schei­dung des Man­dan­ten ob­lie­gen, ob er auch bei die­sen Dienst­leis­tun­gen auf die un­abhängi­ge und neu­tra­le Stel­lung des Wirt­schafts­prüfers Wert le­ge, die durch Ver­ein­ba­rung ei­nes Er­folgs­ho­no­rars be­ein­träch­tigt sein könn­te.

13. Die Ver­brau­cher­zen­tra­le Bun­des­ver­band spricht sich für ei­ne Bei­be­hal­tung des Ver­bo­tes der Ver­ein­ba­rung von Er­folgs­ho­no­ra­ren aus. Der Rechts­an­walt sei Or­gan der Rechts­pfle­ge. Ihm wer­de von der Rechts­ord­nung ei­ne pri­vi­le­gier­te

 


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Stel­lung ein­geräumt. Da­her er­for­de­re das Be­rufs­bild ei­ne ho­he Qua­li­fi­ka­ti­on und ein be­son­de­res Ver­trau­en der All­ge-mein­heit und der Man­dan­ten in die Ar­beits­wei­se des Rechtsan­walts. Dem­ge­genüber sei bei der Zu­las­sung von Er­folgs­ho­no­ra­ren zu befürch­ten, dass die­ses Sys­tem zu ei­nem lo­cke­ren Um­gang des Rechts­an­walts mit un­lau­te­ren Me­tho­den führe. Zu­dem be­ste­he die Ge­fahr, dass ein Rechts­an­walt, der sein Ho­no­rar an den Er­folg des Pro­zes­ses knüpfe, die Streit­for­de­rung künst­lich in die Höhe trei­be. Zu war­nen sei auch da­vor, dass die Zulässig­keit von Er­folgs­ho­no­ra­ren in Zei­ten knap­per öf­fent­li­cher Mit­tel den Wunsch des Ge­setz­ge­bers her­vor­ru­fen könn­te, die Pro­zess­kos­ten­hil­fe mit dem Ar­gu­ment ab­zu­schaf­fen, der Man­dant könne auf Er­folgs­ho­no­rar­ba­sis stets ei­nen ver­tre­tungs­be­rei­ten An­walt fin­den, auch wenn er arm sei.

14. Der Bun­des­ver­band der Deut­schen In­dus­trie und der Deut­sche In­dus­trie- und Han­dels­kam­mer­tag ste­hen der Ver­ein­ba­rung an­walt­li­cher Er­folgs­ho­no­ra­re ab­leh­nend ge­genüber. Nach ih­rer Einschätzung ge­he es bei der Ent­schei­dung nicht nur um die bloße Fra­ge nach der Zu­las­sung von Er­folgs­ho­no­ra­ren, son­dern viel­mehr um die grundsätz­li­che Über­le­gung, ob das deut­sche Rechts­sys­tem in sei­ner bis­he­ri­gen Form er­hal­ten blei­ben oder ob es zur Ver­mark­tung durch Rechts­anwälte nach ame­ri­ka­ni­schem Mus­ter frei­ge­ge­ben wer­den sol­le.

 


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B.

Die Ver­fas­sungs­be­schwer­de ist teil­wei­se be­gründet.

Das ge­setz­li­che Ver­bot an­walt­li­cher Er­folgs­ho­no­ra­re (§ 49 b Abs. 2 BRAO a.F.) ist mit dem Grund­ge­setz in­so­weit nicht ver­ein­bar, als es kei­ne Aus­nah­men zulässt und da­mit selbst dann zu be­ach­ten ist, wenn der Rechts­an­walt mit der Ver­ein­ba­rung ei­ner er­folgs­ba­sier­ten Vergütung be­son­de­ren Um­ständen in der Per­son des Auf­trag­ge­bers Rech­nung trägt, die die­sen sonst da­von ab­hiel­ten, sei­ne Rech­te zu ver­fol­gen (I., II.). Da die Re­ge­lung je­doch für ei­ne Über­g­angs­zeit wei­ter­hin an­wend­bar bleibt, berührt dies nicht den Be­stand der - teil­wei­se auf die­ser Re­ge­lung, teil­wei­se auf § 43 BRAO in Ver­bin­dung mit § 52 Abs. 3 der frühe­ren Stan­des­richt­li­ni­en be­ru­hen­den - be­rufs­ge­richt­li­chen Ver­ur­tei­lung der Be­schwer­deführe­rin (III.).

I.

Das un­ein­ge­schränk­te Ver­bot an­walt­li­cher Er­folgs­ho­no­ra­re, das zu dem hier maßgeb­li­chen Zeit­punkt in § 49 b Abs. 2 BRAO a.F. ge­re­gelt war und sich nun wort­gleich in § 49 b Abs. 2 Satz 1 BRAO fin­det, verstößt ge­gen das Grund­recht der Be­schwer­deführe­rin auf freie Be­rufs­ausübung (Art. 12 Abs. 1 GG).

 

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1. Durch das ge­setz­li­che Ver­bot wird in den Schutz­be­reich der Be­rufs­frei­heit ein­ge­grif­fen. Die Re­ge­lung hin­dert Rechts­anwälte dar­an, mit ih­ren Auf­trag­ge­bern ver­trag­li­che Ver­ein­ba­run­gen zu tref­fen, durch die die Vergütung ih­rer be­ruf­li­chen Tätig­keit von ei­nem er­ziel­ten Er­folg abhängig ge­macht wird. Die Ga­ran­tie der frei­en Be­rufs­ausübung schließt auch die Frei­heit ein, das Ent­gelt für be­ruf­li­che Leis­tun­gen mit den In­ter­es­sen­ten aus­zu­han­deln (vgl. BVerfGE 101, 331 <347>). Zwar wird die Ver­trags­frei­heit auch durch das Grund­recht der all­ge­mei­nen Hand­lungs­frei­heit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG gewähr­leis­tet (vgl. BVerfGE 65, 196 <210>; 74, 129 <151 f.>). Be­trifft ei­ne ge­setz­li­che Re­ge­lung je­doch die Ver­trags­frei­heit ge­ra­de im Be­reich be­ruf­li­cher Betäti­gung, die ih­re spe­zi­el­le Gewähr­leis­tung in Art. 12 Abs. 1 GG ge­fun­den hat, schei­det die ge­genüber an­de­ren Frei­heits­rech­ten sub­si-diäre all­ge­mei­ne Hand­lungs­frei­heit als Prüfungs­maßstab aus (vgl. BVerfGE 68, 193 <223 f.>; 77, 84 <118>; 95, 173 <188>).

2. Ein­grif­fe in die Be­rufs­ausübungs­frei­heit sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG ver­ein­bar, wenn sie auf ei­ner ge­setz­li­chen Grund­la­ge be­ru­hen, die durch aus­rei­chen­de Gründe des Ge­mein­wohls ge­recht­fer­tigt ist (vgl. BVerfGE 7, 377 <405 f.>; 94, 372 <390>; 101, 331 <347>). Die Be­schränkun­gen ste­hen un­ter dem Ge­bot der Wah­rung des Grund­sat­zes der Verhält­nismäßig­keit (vgl. BVerfGE 36, 212 <219 ff.>; 45, 354 <358

 


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f.>; 93, 362 <369>). Der Ein­griff muss zur Er­rei­chung des Ein­griffs­ziels ge­eig­net sein und darf nicht wei­ter ge­hen, als es die Ge­mein­wohl­be­lan­ge er­for­dern. Fer­ner müssen Ein­griffs­zweck und Ein­griff­s­in­ten­sität in ei­nem an­ge­mes­se­nen Verhält­nis ste­hen (vgl. BVerfGE 54, 301 <313>; 101, 331 <347>). Die­sen An­for­de­run­gen genügt das an­ge­grif­fe­ne Ver­bot des Er­folgs­ho­no­rars nicht un­ein­ge­schränkt. Der Vor­schrift lie­gen zwar le­gi­ti­me Zwe­cke zu­grun­de (a); zu de­ren Er­rei­chung ist das ge­setz­li­che Ver­bot auch ge­eig­net (b) und er­for­der­lich (c); je­doch er­weist sich die Re­ge­lung nicht in je­der Hin­sicht als an­ge­mes­sen (d).

a) Mit dem Ver­bot an­walt­li­cher Er­folgs­ho­no­ra­re ver­folgt der Ge­setz­ge­ber Ge­mein­wohl­zie­le, die auf vernünf­ti­gen Erwä­gun­gen be­ru­hen und da­her die Be­schränkung der Be­rufs­ausübung le­gi­ti­mie­ren können (vgl. BVerfGE 85, 248 <259>).

aa) Dies gilt zunächst für das in den Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en in den Vor­der­grund ge­stell­te Ziel des Schut­zes der an­walt­li­chen Un­abhängig­keit. Von ih­rer Gefähr­dung geht der Ge­setz­ge­ber aus, weil bei Ver­ein­ba­rung ei­nes Er­folgs­ho­no­rars bei der Führung der Sa­che durch den Rechts­an­walt wirt­schaft­li­che Er­wägun­gen den Aus­schlag ge­ben könn­ten (vgl. BT­Drucks 12/4993, S. 31).

 


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(1) Mit dem Schutz der an­walt­li­chen Un­abhängig­keit ver­folgt der Ge­setz­ge­ber mit Blick auf das über­ge­ord­ne­te Ge-mein­wohl­ziel ei­ner funk­tio­nie­ren­den Rechts­pfle­ge ei­nen le­gi­ti­men Zweck. Die Wah­rung der Un­abhängig­keit ist un­ver­zicht­ba­re Vor­aus­set­zung dafür, dass Rechts­anwälte als Or­ga­ne der Rechts­pfle­ge (§ 1 BRAO) und be­ru­fe­ne Be­ra­ter und Ver­tre­ter der Recht­su­chen­den (§ 3 Abs. 1 BRAO) durch ih­re be­ruf­li­che Tätig­keit zu ei­ner funk­tio­nie­ren­den Rechts­pfle­ge bei­tra­gen können (vgl. BVerfGE 108, 150 <161 f.>).

(2) Fer­ner ist es ver­fas­sungs­recht­lich nicht zu be­ans­tan­den, dass der Ge­setz­ge­ber die an­walt­li­che Un­abhängig­keit bei Ver­ein­ba­rung ei­nes Er­folgs­ho­no­rars gefähr­det sieht. Wird der Ge­setz­ge­ber zur Verhütung von Ge­fah­ren für die All­ge­mein­heit tätig, so belässt ihm die Ver­fas­sung bei der Pro­gno­se und Einschätzung der in den Blick ge­nom­me­nen Gefähr­dung ei­nen Be­ur­tei­lungs­spiel­raum, der vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt bei der ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­ur­tei­lung zu be­ach­ten ist. Der Be­ur­tei­lungs­spiel­raum ist erst dann über­schrit­ten, wenn die Erwägun­gen des Ge­setz­ge­bers so of­fen­sicht­lich fehl­sam sind, dass sie vernünf­ti­ger­wei­se kei­ne Grund­la­ge für die an­ge­grif­fe­nen ge­setz­ge­be­ri­schen Maßnah­men ab­ge­ben können (vgl. BVerfGE 77, 84 <106>; 110, 141 <157 f.> m.w.N.).

(a) Hier­nach ver­mag al­ler­dings das ei­ge­ne wirt­schaft­li­che In­ter­es­se des Rechts­an­walts an dem er­folg­rei­chen Ab­schluss

 

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ei­nes Man­dats für sich ge­nom­men noch kei­ne Gefähr­dung der an­walt­li­chen Un­abhängig­keit zu be­gründen. Kom­mer­zi­el­les Den­ken ist mit dem An­walts­be­ruf nicht schlecht­hin un­ver­ein­bar (vgl. BVerfGE 87, 287 <329 f.>). Das Ge­gen­teil er­gibt sich aus der Kon­zep­ti­on, die dem Be­rufs­recht der Rechts­anwälte zu­grun­de liegt. Als An­gehöri­ge ei­nes frei­en Be­ru­fes (§ 2 Abs. 1 BRAO) tra­gen Rechts­anwälte re­gelmäßig un­mit­tel­bar o­der - im An­stel­lungs- oder frei­en Mit­ar­bei­ter­verhält­nis - mit­tel­bar das vol­le wirt­schaft­li­che Ri­si­ko ih­rer be­ruf­li­chen Tätig­keit (vgl. BVerfGE 16, 286 <294>). Schon das gel­ten­de Recht kann und will es da­her nicht aus­sch­ließen, dass Rechts­anwälte auf ih­re durch die er­folg­rei­che Er­le­di­gung von Man­da­ten nach­ge­wie­se­ne Re­pu­ta­ti­on auch des­halb Wert le­gen, weil sie sich da­durch für wei­te­re wirt­schaft­lich in­ter­es­san­te Man­da­te emp­feh­len.

(b) Vor dem Hin­ter­grund des ge­setz­ge­be­ri­schen Be­ur­tei­lungs­spiel­raums be­ste­hen je­doch kei­ne ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­den­ken da­ge­gen, dass der Ge­setz­ge­ber bei Ver­ein­ba­rung ei­nes Er­folgs­ho­no­rars von ei­ner spe­zi­fi­schen Gefähr­dung der an­walt­li­chen Un­abhängig­keit aus­geht, weil hier­durch ei­ne weit­ge­hen­de Par­al­le­lität der wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen von Rechts­an­walt und Auf­trag­ge­ber her­bei­geführt wird. So kann die zur Wah­rung der Un­abhängig­keit ge­bo­te­ne kri­ti­sche Dis­tanz des Rechts­an­walts zum An­lie­gen des Auf­trag­ge­bers (vgl. BVerfGE 110, 226 <258>) Scha­den neh­men, wenn sich ein

 


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Rechts­an­walt auf ei­ne Teil­ha­be am Er­folgs­ri­si­ko ei­ner Rechts­an­ge­le­gen­heit ein­ge­las­sen hat. Vor al­lem aber liegt die Befürch­tung nicht völlig fern, dass mit der Ver­ein­ba­rung ei­ner er­folgs­ba­sier­ten Vergütung für un­red­li­che Be­rufs­träger ein zusätz­li­cher An­reiz ge­schaf­fen wer­den kann, den Er­folg „um je­den Preis“ auch durch Ein­satz un­lau­te­rer Mit­tel an­zu­stre­ben (vgl. et­wa BGHZ 34, 64 <72 f.>; 39, 142 <146 f.>). Ins­be­son­de­re die Be­ach­tung der pro­zes­sua­len Wahr­heits­pflicht (vgl. nur § 138 Abs. 1 ZPO) ist aber als Grund­la­ge ei­ner all­seits ak­zep­tier­ten und Rechts­frie­den stif­ten­den ge­richt­li­chen Ent­schei­dung un­ver­zicht­bar.

bb) Ein wei­te­rer le­gi­ti­mer Zweck des Ver­bo­tes von Er­folgs­ho­no­ra­ren ist in dem Schutz der Recht­su­chen­den vor ei­ner Über­vor­tei­lung durch überhöhte Vergütungssätze zu se­hen. Der Man­dan­ten­schutz zählt nicht nur als Aus­prägung des all­ge­mei­nen Ver­brau­cher­schut­zes (vgl. da­zu BVerfG, Ur­teil des Ers­ten Se­nats vom 28. März 2006 – 1 BvR 1054/01 -, NJW 2006, S. 1261 <1263>) zu den Ge­mein­wohl­be­lan­gen. Geschützt wird viel­mehr auch das - für ei­ne funk­tio­nie­ren­de Rechts­pfle­ge we­sent­li­che - Ver­trau­en der Bevölke­rung in die In­te­grität der An­walt­schaft.

Zwar kann auch das gel­ten­de Recht kei­nen vollständi­gen Schutz vor fi­nan­zi­el­len Nach­tei­len et­wa durch das vom An­walt ver­an­lass­te Be­trei­ben ei­nes aus­sichts­lo­sen Pro­zes­ses bie­ten.

 


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Mit der Ver­ein­ba­rung ei­ner er­folgs­ba­sier­ten Vergütung sind je­doch spe­zi­fi­sche Ge­fah­ren auch für die wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen der Recht­su­chen­den ver­bun­den. Sie erklären sich aus der asym­me­tri­schen In­for­ma­ti­ons­ver­tei­lung zwi­schen Man­dant und Rechts­an­walt hin­sicht­lich der Er­folgs­aus­sich­ten der Rechts­sa­che so­wie hin­sicht­lich des zu ih­rer sach­ge­rech­ten und möglichst er­folg­rei­chen Be­treu­ung er­for­der­li­chen Auf­wan­des. Ei­nem un­red­li­chen Rechts­an­walt ist es hier möglich, den Man­dan­ten durch un­zu­tref­fen­de Dar­stel­lung der Er­folgs­aus­sich­ten oder über­trie­be­ne Schil­de­rung des zu er­war­ten­den Ar­beits­auf­wan­des zur Ver­ein­ba­rung ei­ner un­an­ge­mes­sen ho­hen Vergütung zu be­we­gen. Es kommt hin­zu, dass der Man­dant we­gen der Un­ge­wiss­heit der ei­ge­nen Leis­tungs­ver­pflich­tung eher ge­neigt sein kann, sich auf ei­ne über­zo­ge­ne Er­folgs­be­tei­li­gung des Rechts­an­walts ein­zu­las­sen. Da­bei kann für den Re­gel­fall nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass sich die­se Pro­ble­ma­tik bei Zulässig­keit von Er­folgs­ho­no­ra­ren durch ei­nen Preis­wett­be­werb un­ter den Rechts­anwälten lösen würde. So­weit nicht Un­ter­neh­men be­trof­fen sind, stel­len Rechts­strei­tig­kei­ten für die Man­dan­ten ty­pi­scher­wei­se sin­guläre, außer­gewöhn­li­che Er­eig­nis­se dar, die zum Teil auch den höchst­persönli­chen Be­reich berühren. Die­se Rah­men­be­din­gun­gen ma­chen es un­wahr­schein­lich, dass Man­dan­ten vor der Be­auf­tra­gung ei­nes be­stimm­ten Rechts­an­walts wei­te­re An­ge­bo­te ein­ho­len und da­mit die Grund­la­ge für Preis­wett­be­werb schaf­fen.

 


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cc) Sch­ließlich ver­folgt das ge­setz­li­che Ver­bot des Er­folgs­ho­no­rars auch im Hin­blick auf die Förde­rung der pro­zes­sua­len Waf­fen­gleich­heit ein hin­rei­chen­des Ge­mein­wohl­ziel. Das Rechts­staats­prin­zip (Art. 20 Abs. 3 GG) und der all­ge­mei­ne Gleich­heits­satz (Art. 3 Abs. 1 GG) gewähr­leis­ten ins­be­son­de­re im Zi­vil­pro­zess die Gleich­wer­tig­keit der pro­zes­su­alen Stel­lung der Par­tei­en vor dem Rich­ter (vgl. BVerfGE 52, 131 <144>; 69, 248 <254>). Der Ge­setz­ge­ber be­wegt sich noch in den Gren­zen sei­nes be­reits auf­ge­zeig­ten Be­ur­tei­lungs­spiel­raums (vgl. oben B I 2 a aa <2>), wenn er die Zulässig­keit ei­nes Er­folgs­ho­no­rars als Gefähr­dung der pro­zes­sua­len Waf­fen­gleich­heit einschätzt, weil der Be­klag­te - im Ge­gen­satz zum Kläger - nicht über die Möglich­keit verfügt, sein Kos­ten­ri­si­ko auf ver­gleich­ba­re Art zu ver­la­gern. Ob­gleich auch für ei­nen Be­klag­ten er­folgs­ba­sier­te Ho­no­ra­rab­re­den nicht schlecht­hin aus­ge­schlos­sen sind, ist es für ihn ver­gli­chen mit dem Kläger fak­tisch schwie­ri­ger, ei­nen Er­folg - et­wa durch den Um­fang der Kla­ge­ab­wei­sung - zu de­fi­nie­ren und zum Maßstab für Grund und Höhe der An­walts­vergütung zu ma­chen.

dd) An­de­re zur Recht­fer­ti­gung des Ver­bo­tes an­walt­li­cher Er­folgs­ho­no­ra­re in Erwägung ge­zo­ge­ne Ge­mein­wohl­zie­le hal­ten hin­ge­gen ei­ner ver­fas­sungs­recht­li­chen Über­prüfung nicht stand.

 


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(1) So schei­det das Ziel, ei­ne star­ke Zu­nah­me sub­stanz­lo­ser Pro­zes­se ab­zu­weh­ren, als Zweck des Ver­bo­tes aus. Ei­ne Ge­fahr, der ent­ge­gen­ge­tre­ten wer­den müss­te, be­steht in­so­weit nicht; denn für die An­nah­me, bei Zu­las­sung an­walt­li­cher Er­folgs­ho­no­ra­re dro­he ei­ne „Pro­zess­flut“, gibt es kei­ne Grund­la­ge. Im Rechts­staat, der dem Ein­zel­nen zu wir­kungs­vol­lem Rechts­schutz ver­pflich­tet ist (vgl. BVerfGE 85, 337 <345>), stellt es kei­nen Ge­mein­wohl­be­lang dar, den Zu­gang zu den Ge­rich­ten ge­ne­rell zu er­schwe­ren. Ziel kann es nur sein, zur Wah­rung der Funk­ti­onsfähig­keit der Rechts­pfle­ge sol­che Pro­zes­se zu ver­mei­den, für wel­che die In­an­spruch­nah­me der Ge­rich­te nicht not­wen­dig er­scheint, ins­be­son­de­re weil es dem ver­folg­ten An­lie­gen an je­der Aus­sicht auf Er­folg man­gelt. Es ist aber nicht zu er­war­ten, dass sol­che ge­richt­li­chen Ver­fah­ren bei Zulässig­keit ei­nes Er­folgs­ho­no­rars zu­neh­men wer­den; denn der die Sa­che be­treu­en­de Rechts­an­walt hat ge­ra­de we­gen der Abhängig­keit sei­ner Vergütung vom Aus­gang des Rechts­streits ein ge­stei­ger­tes Ei­gen­in­ter­es­se dar­an, nur hinläng­lich aus­sichts­rei­che Rechts­strei­tig­kei­ten zu vert­re­ten. Hin­zu kommt, dass der Man­dant für den Fall des Un­ter-lie­gens die ihn re­gelmäßig tref­fen­de Ver­pflich­tung, et­wa ge­mäß §§ 91 ff. ZPO, berück­sich­ti­gen muss, nicht nur die Ge­richts­kos­ten zu tra­gen, son­dern auch die Kos­ten des Pro­zess­geg­ners zu er­stat­ten. Die dro­hen­de Kos­ten­be­las­tung wird im All­ge­mei­nen auch Man­dan­ten von Rechts­strei­tig­kei­ten oh­ne Er­folgs­aus­sich­ten ab­hal­ten (vgl. Schep­ke, a.a.O., S. 132; Ki-

 


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li­an, a.a.O., S. 415 f.; ders., ZRP 2003, S. 90 <93>; vgl. auch Brey­er, Kos­ten­ori­en­tier­te Steue­rung des Zi­vil­pro­zes­ses, 2006, S. 230 f.).

Dafür spre­chen Stu­di­en aus den Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka, die zei­gen, dass ein An­reiz zur Er­he­bung aus­sichts­lo­ser Kla­gen we­ni­ger auf dem Um­stand er­folgs­be­zo­ge­ner An­walts­vergütun­gen als viel­mehr auf dem dort übli­chen Kos­ten-er­stat­tungs­recht be­ruht, nach dem die un­ter­lie­gen­de Par­tei nicht die Kos­ten der ob­sie­gen­den Par­tei über­neh­men muss („A-me­ri­can Ru­le“). So ging bei­spiels­wei­se die Zahl un­be­gründe­ter Kla­gen we­gen ver­meint­li­cher ärzt­li­cher Be­hand­lungs­feh­ler in Flo­ri­da in den 1980er Jah­ren er­heb­lich zurück, nach­dem der Bun­des­staat für die­ses Rechts­ge­biet ein mit den §§ 91 ff. ZPO im Grund­satz ver­gleich­ba­res Kos­ten­er­stat­tungs­re­gime ein­geführt hat­te, die Pro­zes­se aber wei­ter­hin auf der Grund­la­ge von Streit­an­teils­vergütun­gen geführt wur­den (vgl. Hug-hes/Sny­der, Jour­nal of Law and Eco­no­mics 38 <1995>, S. 225 <229 f., 234 ff.>).

(2) Eben­so we­nig wer­den durch ein an­walt­li­ches Er­folgs­ho­norar grund­le­gen­de In­sti­tu­te des gel­ten­den Ver­fah­rens­rechts in Fra­ge ge­stellt, so dass in die­ser Hin­sicht der Er­halt der Funk­ti­onsfähig­keit der Rechts­pfle­ge nicht als Zweck des Ver­bo­tes her­an­ge­zo­gen wer­den kann.

 


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(a) So be­steht kei­ne Un­ver­ein­bar­keit zwi­schen ei­ner er­folgs­ba­sier­ten Vergütung des Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten ei­ner Par­tei und dem na­ment­lich im Zi­vil­pro­zess (vgl. §§ 91 ff. ZPO) gel­ten­den streit­wert­be­zo­ge­nen Mo­dell der Kos­ten­er­s­tat­tung (an­ders je­doch Schons, ZRP 2006, S. 31).

Zwar wird die Höhe ei­nes ver­ein­bar­ten Er­folgs­ho­no­rars re­gelmäßig die ge­setz­li­chen Gebühren über­schrei­ten und da­zu führen, dass der Be­trag, den der un­ter­le­ge­ne Pro­zess­geg­ner zu er­stat­ten hat, die­se Vergütung nicht er­reicht. Al­ler­dings kann dem gel­ten­den Recht, das sich an den streit­wert­be­zo­ge-nen ge­setz­li­chen Gebühren ori­en­tiert (vgl. § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO), nicht der Grund­satz ent­nom­men wer­den, dass der­je­ni­ge, der im Rechts­streit ob­siegt, vom Un­ter­lie­gen­den voll­ständi­gen Er­satz der ihm tatsächlich ent­stan­de­nen An­walts­kos­ten er­hal­ten muss. So kann et­wa der Ab­schluss ei­ner Ho­no­rar­ver­ein­ba­rung nach § 4 Abs. 1 und 2 RVG schon der­zeit da­zu führen, dass die nach §§ 91 ff. ZPO er­stat­tungsfähi­ge Vergü­tung hin­ter dem Be­trag zurück­bleibt, den die Par­tei ih­rem Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten schul­det.

(b) Auch die Vor­aus­set­zun­gen und der Um­fang der Be­wil­li­gung von Pro­zess­kos­ten­hil­fe wer­den durch die Zu­las­sung er­folgs­ba­sier­ter An­walts­ho­no­ra­re nicht berührt.

 


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Aus Art. 3 Abs. 1 GG in Ver­bin­dung mit dem Rechts­staats-grund­satz folgt, dass das Grund­ge­setz ei­ne weit­ge­hen­de An­glei­chung der Si­tua­ti­on von Be­mit­tel­ten und Un­be­mit­tel­ten bei der Ver­wirk­li­chung des Rechts­schut­zes ge­bie­tet (vgl. BVerfGE 81, 347 <356> m.w.N.; stRspr). Es ist da­her not­wen­dig, Vor­keh­run­gen zu tref­fen, die auch Un­be­mit­tel­ten ei­nen weit­ge­hend glei­chen Zu­gang zu Ge­richt ermögli­chen. Dem hat der Ge­setz­ge­ber mit dem In­sti­tut der Pro­zess­kos­ten­hil­fe ent­spro­chen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>).

Vor dem Hin­ter­grund die­ses ver­fas­sungs­recht­li­chen Hand­lungs­ge­bo­tes kann die Möglich­keit, mit ei­nem Rechts­an­walt ein Er­folgs­ho­no­rar zu ver­ein­ba­ren, das In­sti­tut der Pro­zess-kos­ten­hil­fe nicht er­set­zen. We­gen der von der Ver­fas­sung ge­bo­te­nen weit­ge­hen­den An­glei­chung der Si­tua­ti­on von Be­mit­tel­ten und Un­be­mit­tel­ten bei der Ver­wirk­li­chung des Rechts­schut­zes darf der mit­tel­lo­se Recht­su­chen­de durch Ver­sa­gung von Pro­zess­kos­ten­hil­fe fak­tisch nicht da­zu ge­zwun­gen wer­den, ei­ne Er­folgs­ho­no­rar­ver­ein­ba­rung ab­zu­sch­ließen und da­mit im Un­ter­schied zu ei­ner fi­nan­zi­ell bes­ser ge­stell­ten Par­tei, die hier­auf nicht ein­ge­hen müss­te, auf ei­nen Teil sei­ner re­ali­sier­ten For­de­rung zu ver­zich­ten. Wird dies be­ach­tet, ver­drängt die Möglich­keit ei­ner Er­folgs­ho­no­rar­ver­ein­ba­rung auch nicht die von der Ver­fas­sung ge­bo­te­ne Pro­zess­kos­ten­hil­fe.

 


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(c) Ein le­gi­ti­mes Ziel kann schließlich nicht aus der Ü­ber­le­gung her­ge­lei­tet wer­den, es gel­te zu ver­hin­dern, dass mit ei­ner er­folgs­ba­sier­ten Vergütung ein An­reiz zur nachläs­si­gen Be­treu­ung we­nig Er­folg ver­spre­chen­der Man­da­te ge­schaf­fen wer­de. Die An­nah­me ei­ner sol­chen Ge­fahr lässt sich nicht über­zeu­gend be­gründen. Stellt sich et­wa nach Über­nah­me des Man­dats her­aus, dass der Pro­zess ent­ge­gen den ursprüng­li­chen Er­war­tun­gen ver­mut­lich nicht er­folg­reich ab­ge­schlos­sen wer­den kann, ist es nicht nur im In­ter­es­se des Rechts­an­walts, son­dern auch des Man­dan­ten, die Ver­fol­gung des ver­meint­li­chen Rechts auf­zu­ge­ben und kei­ne wei­te­ren Kos­ten aus­zulösen. Das Er­folgs­ho­no­rar setzt hier kei­nen Fehl­an­reiz. Viel­mehr mag eher um­ge­kehrt das streit­wert­be­zo­ge­ne Mo­dell ei­nen An­walt da­zu an­hal­ten, die An­ge­le­gen­heit auf Kos­ten des Man­dan­ten bis zum endgülti­gen Miss­er­folg vor Ge­richt wei­ter zu be­trei­ben und da­mit die kom­plet­ten Ver­fah­rens- und Ter­mins-gebühren zu er­hal­ten.

b) Das Ver­bot an­walt­li­cher Er­folgs­ho­no­ra­re ist zur Er­rei­chung der le­gi­ti­men Zie­le des Schut­zes der an­walt­li­chen Un­abhängig­keit, des Man­dan­ten­schut­zes und der Förde­rung der pro­zes­sua­len Waf­fen­gleich­heit ge­eig­net.

Für die Eig­nung reicht es aus, wenn durch die Be­rufs­aus-übungs­re­ge­lung der gewünsch­te Er­folg gefördert wer­den kann. Es genügt mit­hin be­reits die Möglich­keit ei­ner Zweck­er­rei-


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chung (vgl. BVerfGE 96, 10 <23>; 100, 313 <373>; 103, 293 <307>). Die­se ist hier ge­ge­ben. Das Ver­bot schützt nicht nur die Recht­su­chen­den vor ei­ner Über­vor­tei­lung durch überhöhte Er­folgs­ho­no­ra­re und die Gleich­wer­tig­keit der pro­zes­sua­len Stel­lung der Par­tei­en im Rechts­streit. Es ist auch zum Schutz der an­walt­li­chen Un­abhängig­keit ge­eig­net. In­so­weit geht es nicht dar­um, die vol­le wirt­schaft­li­che Un­abhängig­keit des An­walts von sei­nen Man­da­ten zu wah­ren, so dass die Eig­nung des Ver­bo­tes in die­ser Hin­sicht of­fen blei­ben kann. Ge­eig­net ist das Ver­bot je­den­falls, um die vom Ge­setz­ge­ber bei Ver­ein­ba­rung von Er­folgs­ho­no­ra­ren befürch­te­ten An­rei­ze zu un­lau­te­rer Pro­zessführung aus­zu­sch­ließen.

c) Zur Ver­fol­gung der ge­nann­ten le­gi­ti­men Ge­mein­wohl­zie­le kann das Ver­bot an­walt­li­cher Er­folgs­ho­no­ra­re auch als er­for­der­lich an­ge­se­hen wer­den.

Ein Ein­griff in die Be­rufs­frei­heit ist nur dann er­for­der­lich, wenn ein an­de­res, gleich wirk­sa­mes, aber die Be­rufs­frei­heit we­ni­ger ein­schränken­des Mit­tel nicht zur Verfügung steht (vgl. BVerfGE 80, 1 <30> m.w.N.). Auch so­weit die Frei­heit der Be­rufs­ausübung be­trof­fen ist, dürfen Ein­grif­fe nicht wei­ter ge­hen, als es die recht­fer­ti­gen­den Ge­mein­wohl-be­lan­ge er­for­dern (vgl. BVerfGE 106, 216 <219>). Al­ler­dings steht dem Ge­setz­ge­ber auch bei der Be­ur­tei­lung des­sen, was er zur Ver­wirk­li­chung der von ihm ver­folg­ten Ge­mein­wohl­z­we-

 


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cke für er­for­der­lich hal­ten darf, ein wei­ter Einschätzungs-und Pro­gno­se­spiel­raum zu, der vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt je nach der Ei­gen­art des in Re­de ste­hen­den Sach­be­reichs, den Möglich­kei­ten, sich ein hin­rei­chend si­che­res Ur­teil zu bil­den, und der auf dem Spiel ste­hen­den Rechtsgüter nur in be­grenz­tem Um­fang über­prüft wer­den kann. Nicht nur bei der - be­reits erörter­ten - Einschätzung von Ge­fah­ren, die der All­ge­mein­heit dro­hen, son­dern auch bei der Be­ur­tei­lung der Maß­nah­men, die der Verhütung und Bewälti­gung die­ser Ge­fah­ren die­nen sol­len, ist der Be­ur­tei­lungs­spiel­raum des Ge­setz­ge­bers erst dann über­schrit­ten, wenn die ge­setz­ge­be­ri­schen Er­wägun­gen so fehl­sam sind, dass sie vernünf­ti­ger­wei­se kei­ne Grund­la­ge für der­ar­ti­ge Maßnah­men ab­ge­ben können (vgl. BVerfGE 110, 141 <157 f.> m.w.N.).

aa) Vor dem Hin­ter­grund der hier­nach nur ein­ge­schränkt mögli­chen Über­prüfung durf­te der Ge­setz­ge­ber das Ver­bot zum Schutz der an­walt­li­chen Un­abhängig­keit für er­for­der­lich hal­ten.

(1) Al­ler­dings ist es ei­nem Rechts­an­walt auch oh­ne das Ver­bot von Er­folgs­ho­no­ra­ren be­reits durch § 43 a Abs. 1 BRAO un­ter­sagt, ei­ne Gebühren­ver­ein­ba­rung zu tref­fen, durch de­ren Aus­ge­stal­tung im kon­kre­ten Fall die an­walt­li­che Un­abhängig­keit gefähr­det wird. Erst recht ist es ihm ver­bo­ten, sich bei der Wahr­neh­mung der In­ter­es­sen ei­nes Man­dan­ten von un­be-

 


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ding­tem Er­folgs­stre­ben lei­ten zu las­sen und sich über sei­ne Bin­dung an Ge­setz und Recht (§ 3 Abs. 1, § 43 BRAO) und über die ihn tref­fen­de Wahr­heits­pflicht (§ 43 a Abs. 3 BRAO) hin­weg­zu­set­zen. Hier­bei be­ruht die Kon­zep­ti­on des an­walt­li­chen Be­rufs­rechts nicht auf der An­nah­me, dass ei­ne si­tua­ti­ons­ge­bun­de­ne Ge­le­gen­heit zur Pflicht­ver­let­zung im Re­gel­fall zu ei­nem pflicht­wid­ri­gen Han­deln des Rechts­an­walts führt (vgl. BVerfGE 108, 150 <163>). Kommt es gleich­wohl zu Verstößen ge­gen die be­ruf­li­chen Pflich­ten, so be­ste­hen im We­ge der an­walts­ge­richt­li­chen Ahn­dung nach den §§ 113 ff. BRAO be­rufs­recht­li­che Sank­ti­onsmöglich­kei­ten. Zu­dem können Straf­tat­be­stände - na­ment­lich § 263 StGB im Fall des Pro­zess­be­tru­ges - ver­wirk­licht sein.

Für ei­ne aus­rei­chen­de Wirk­sam­keit die­ser Be­stim­mun­gen könn­te spre­chen, dass die Rechts­ord­nung - trotz des Ver­bo­tes an­walt­li­cher Er­folgs­ho­no­ra­re - Re­ge­lun­gen kennt, die im Er­geb­nis zu ei­ner er­folgs­be­zo­ge­nen Vergütung führen, und es im Zu­sam­men­hang mit sol­chen Vergütungs­for­men kei­ne Hin­wei­se auf pflicht­wid­ri­ges Ver­hal­ten von Rechts­anwälten gibt. So er­hielt et­wa ein Rechts­an­walt bis zum 30. Ju­ni 2004 die zu­sätz­li­che Ver­gleichs­gebühr (§ 23 BRA­GO) wie auch die Aussöh­nungs­gebühr (§ 36 Abs. 2 und 3 BRA­GO) nur dann, wenn sei­ne Mit­wir­kung tatsächlich zum an­ge­streb­ten Er­folg führ­te (vgl. nun­mehr die Ei­ni­gungs­gebühr nach Nr. 1000 und die Aussöh­nungs­gebühr nach Nr. 1001 der An­la­ge 1 zum Rechts­an­walts­ver-

 


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gütungs­ge­setz). Auch wenn ein Man­dat un­ter In­an­spruch­nah­me von Pro­zess­kos­ten­hil­fe geführt wird, ist die Höhe des Vergü­tungs­an­spruchs des Rechts­an­walts ge­gen die Staats­kas­se im Miss­er­folgs­fall nach § 49 RVG ge­rin­ger als die Höhe der Ver­gütung, die er im Fall ei­nes Ob­sie­gens gemäß § 126 ZPO in Ver­bin­dung mit §§ 91 ff. ZPO ge­genüber dem Pro­zess­geg­ner gel­tend ma­chen kann. Ver­gleich­ba­re Re­ge­lun­gen gel­ten im Rah­men der Be­ra­tungs­hil­fe (§ 9 Ber­HG) und der Pflicht­ver­tei­di­gung (§ 52 RVG).

(2) Trotz der auf den Ein­zel­fall be­zo­ge­nen Be­rufs­pflich­ten und Sank­ti­onsmöglich­kei­ten und trotz der feh­len­den Er­kennt­nis­se über An­rei­ze zu un­red­li­chem Ver­hal­ten durch die zulässi­gen er­folgs­be­zo­ge­nen Vergütungs­for­men lässt sich mit Blick auf den Be­ur­tei­lungs­spiel­raum des Ge­setz­ge­bers des­sen Einschätzung, es sei er­for­der­lich, die Ver­ein­ba­rung an­walt­li­cher Er­folgs­ho­no­ra­re ge­ne­rell zu un­ter­sa­gen, ver­fas­sungs­recht­lich nicht be­an­stan­den. Es er­scheint zu­min­dest zwei­fel­haft, ob die auf eng be­grenz­te Aus­nah­mefälle be­schränk­te ge­setz­li­che Zu­las­sung von Er­folgs­ele­men­ten be­last­ba­re Er­kennt­nis­se ver­schafft, um auch die Fol­gen ei­ner all­ge­mei­nen Zu­las­sung von Ver­ein­ba­run­gen über an­walt­li­che Er­folgs­ho­no­ra­re hin­rei­chend si­cher einschätzen zu können. Nach den dem Ge­setz­ge­ber be­kann­ten Tat­sa­chen und im Hin­blick auf die bis­her ge­mach­ten Er­fah­run­gen ist nicht fest­stell­bar, dass die als Al­ter­na­ti­ve in Be­tracht kom­men­den und we­gen ih­rer Aus­rich-

 

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tung auf den Ein­zel­fall we­ni­ger be­las­ten­den be­rufs­recht­li­chen Be­stim­mun­gen die glei­che Wirk­sam­keit wie das Ver­bot an­walt­li­cher Er­folgs­ho­no­ra­re ver­spre­chen (vgl. auch BVerfGE 102, 197 <218> m.w.N.).

bb) Auch zum Schutz der Man­dan­ten ist das Ver­bot an­walt­li­cher Er­folgs­ho­no­ra­re er­for­der­lich.

(1) So­weit Man­dan­ten vor überhöhten Vergütungs­ver­ein­ba­run­gen geschützt wer­den sol­len, ste­hen al­ler­dings Al­ter­na­ti­ven zum Ver­bot von Er­folgs­ho­no­ra­ren zur Verfügung. Da­zu zäh­len zi­vil­recht­li­che Wirk­sam­keits­hin­der­nis­se und Haf­tungs­an­sprüche, et­wa nach §§ 280 ff. BGB we­gen ei­ner Ver­let­zung von Pflich­ten aus dem An­walts­ver­trag, so­wie die Möglich­keit ei­ner ge­richt­li­chen Her­ab­set­zung un­an­ge­mes­sen ho­her Gebühren gemäß § 4 Abs. 4 RVG. Da­ne­ben kann ei­ne straf­recht­li­che Sank­ti­on we­gen Gebührenüber­he­bung nach § 352 StGB in Be­tracht kom­men.

Ins­be­son­de­re der ge­richt­li­chen Über­prüfung von Ho­no­rar­ver­ein­ba­run­gen auf de­ren An­ge­mes­sen­heit kann die Wirk­sam­keit nicht ab­ge­spro­chen wer­den. Die Recht­spre­chung hat im Zu­sam­men­hang mit der Ho­no­rar­kon­trol­le nach § 4 Abs. 4 RVG Maßstä­be für die An­ge­mes­sen­heit von Ho­no­rar­ver­ein­ba­run­gen ent­wi­ckelt (vgl. et­wa BGHZ 162, 98). Vor die­sem Hin­ter­grund kann er­war­tet wer­den, dass sich auch für die Be­ur­tei­lung der An-

 


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ge­mes­sen­heit ei­nes Er­folgs­ho­no­rars prak­ti­ka­ble Richt­wer­te fin­den las­sen.

Der Ge­setz­ge­ber könn­te zu­dem - zu­min­dest für be­stimm­te Ver­fah­rens­ar­ten - prüfen, ob im In­ter­es­se ei­nes ef­fek­ti­ven Man­dan­ten­schut­zes nicht ge­setz­li­che Be­gren­zun­gen ins­be­son­de­re von Streit­an­teils­vergütun­gen möglich sind (zu ent­sp­re­chen­den Re­ge­lun­gen in den USA vgl. Ki­li­an, Der Er­folg und die Vergütung des Rechts­an­walts, 2003, S. 187 ff.). Außer­dem kann der Ge­setz­ge­ber zum Schutz der Recht­su­chen­den vor ei­nem unüber­leg­ten Ab­schluss von Ho­no­rar­ver­ein­ba­run­gen da­durch bei­tra­gen, dass er über das schon jetzt für Ho­no­rar­ver­ein­ba­run­gen gel­ten­de Schrift­for­mer­for­der­nis (§ 4 Abs. 1 RVG) hin­aus auch die Erfüllung von Aufklärungs­pflich­ten durch den Rechts­an­walt zur Wirk­sam­keits­vor­aus­set­zung ei­ner Er­folgs­ho-norar­ver­ein­ba­rung be­stimmt.

(2) Trotz die­ser we­ni­ger be­las­ten­den Al­ter­na­ti­ven ist die Er­for­der­lich­keit des Ver­bo­tes für den Schutz der Man­dan­ten­in­ter­es­sen letzt­lich zu be­ja­hen. Auch hier führen ei­ner­seits das Feh­len aus­rei­chen­den Er­fah­rungs­ma­te­ri­als und an­de­rer­seits der wei­te Einschätzungs- und Pro­gno­se­spiel­raum des Ge­setz­ge­bers da­zu, dass nicht von ei­ner ein­deu­tig gleich­wer­ti­gen und da­mit die Er­for­der­lich­keit des Ver­bo­tes aus­sch­lie­ßen­den Re­gu­lie­rungs­al­ter­na­ti­ve aus­ge­gan­gen wer­den kann.


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cc) Zur Ver­fol­gung des le­gi­ti­men Ziels der Förde­rung der pro­zes­sua­len Waf­fen­gleich­heit ist das Ver­bot aus § 49 b Abs. 2 BRAO a.F. eben­falls er­for­der­lich. In­so­weit sind schon kei­ne Al­ter­na­ti­ven er­sicht­lich, mit de­nen der Ge­setz­ge­ber die Gleich­wer­tig­keit der pro­zes­sua­len Stel­lung der Par­tei­en wah­ren könn­te.

d) Hin­ge­gen ist die ge­setz­li­che Re­ge­lung in § 49 b Abs. 2 BRAO a.F. nicht in je­der Hin­sicht an­ge­mes­sen.

Die vom Ge­setz­ge­ber zur Ver­fol­gung le­gi­ti­mer Zwe­cke ge­wähl­ten Mit­tel müssen nicht nur ge­eig­net und er­for­der­lich, son­dern auch an­ge­mes­sen sein. Vor­aus­set­zung hierfür ist, dass das Maß der Be­las­tung des Ein­zel­nen noch in ei­nem ver­nünf­ti­gen Verhält­nis zu den der All­ge­mein­heit er­wach­sen­den Vor­tei­len steht (vgl. BVerfGE 76, 1 <51>). Um dies fest­s­tel­len zu können, ist ei­ne Abwägung zwi­schen den Ge­mein­wohl­be-lan­gen, zu de­ren Wahr­neh­mung der Ein­griff in Grund­rech­te er­for­der­lich ist, und den Aus­wir­kun­gen auf die Rechtsgüter der da­von Be­trof­fe­nen not­wen­dig (vgl. BVerfGE 92, 277 <327>). Die da­nach ge­bo­te­ne Ge­samt­abwägung führt zu dem Er­geb­nis, dass das Ver­bot an­walt­li­cher Er­folgs­ho­no­ra­re zwar grundsätz­lich auch im en­ge­ren Sin­ne verhält­nismäßig ist (aa), an­de­res aber im Hin­blick dar­auf gilt, dass Aus­nah­men von der Un­zu­lässig­keit sol­cher Vergütungs­for­men im Ge­setz nicht vor­ge­se­hen sind (bb).

 

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aa) Mit der Re­ge­lung in § 49 b Abs. 2 BRAO a.F. ist die Gren­ze der An­ge­mes­sen­heit für den Re­gel­fall ge­wahrt. Zwar stellt das Ver­bot an­walt­li­cher Er­folgs­ho­no­ra­re kei­nen ge­rin­gen Ein­griff in die Be­rufs­frei­heit dar, weil Rechts­anwälten be­stimm­te Ver­ein­ba­run­gen über die Vergütung ih­rer be­ruf­li­chen Leis­tun­gen schlecht­hin un­ter­sagt wer­den. Der Ein­griff be­schränkt sich in­des­sen aus­sch­ließlich auf die Frei­heit der Be­rufs­ausübung, die zu­dem in ih­rer spe­zi­el­len Funk­ti­on, Grund­la­ge auch der wirt­schaft­li­chen Le­bensführung zu sein (vgl. BVerfGE 101, 331 <346 f.>), nicht er­heb­lich be­trof­fen ist. Dem­ge­genüber sind die mit dem Ver­bot des § 49 b Abs. 2 BRAO a.F. ver­folg­ten In­ter­es­sen des Ge­mein­wohls - ins­be­son­de­re mit Blick auf das durch sie berühr­te In­ter­es­se an ei­ner funk­tio­nie­ren­den Rechts­pfle­ge - im Grund­satz ge­wich­tig ge­nug, um die Zu­mut­bar­keit der Be­ein­träch­ti­gung der Be­rufs­frei­heit zu be­gründen.

bb) Un­an­ge­mes­sen ist das Ver­bot nach § 49 b Abs. 2 BRAO a.F. je­doch in­so­weit, als es kei­ne Aus­nah­men zulässt und da­mit selbst dann zu be­ach­ten ist, wenn der Rechts­an­walt mit der Ver­ein­ba­rung ei­ner er­folgs­ba­sier­ten Vergütung be­son­de­ren Umständen in der Per­son des Auf­trag­ge­bers Rech­nung trägt, die die­sen sonst da­von ab­hiel­ten, sei­ne Rech­te zu ver­fol­gen.

(1) Ob­wohl un­ter ähn­li­chen Vor­aus­set­zun­gen § 49 b Abs. 1 Satz 2 BRAO im In­ter­es­se des Man­dan­ten ei­ne Aus­nah­me vom

 

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Ver­bot der Gebühren­un­ter­schrei­tung nach Er­le­di­gung des Auf­tra­ges vor­sieht und vor Neu­ord­nung des an­walt­li­chen Be­rufs­rechts selbst die gemäß § 177 Abs. 2 Nr. 2 BRAO a.F. fest­ge­stell­ten Stan­des­richt­li­ni­en in § 52 Abs. 2 für Aus­nah­mefälle die Ver­ein­ba­rung ei­nes Er­folgs­ho­no­rars im en­ge­ren Sin­ne er­laub­ten, hat der Ge­setz­ge­ber - un­ge­ach­tet sei­ner Ziel­set­zung, „im we­sent­li­chen Re­ge­lun­gen der frühe­ren Richt­li­ni­en in Gebühren­fra­gen“ um­zu­set­zen (vgl. BT­Drucks 12/4993, S. 31) - für das ge­setz­li­che Ver­bot je­de Aus­nah­me aus­ge­schlos­sen. Während auf der Grund­la­ge der zu­vor gel­ten­den Stan­des­richt-li­ni­en zwar kei­ne Streit­an­teils­vergütung, wohl aber ein Er­folgs­ho­no­rar in an­de­rer Form et­wa dann ver­ein­bart wer­den durf­te, wenn der Auf­trag­ge­ber erst durch den er­folg­rei­chen Ab­schluss des Man­dats in die La­ge ver­setzt wur­de, dem Rechts­an­walt ei­ne an­ge­mes­se­ne Vergütung zu zah­len (vgl. Hum­mel, in: Lin­gen­berg/Hum­mel/Zuck/Eich, a.a.O., § 52 Rn. 16, 23), ist die­se Möglich­keit im gel­ten­den Recht ver­stellt.

(2) Die­ses strik­te, aus­nahms­lo­se Ver­bot ei­ner er­folgs­ba­sier­ten Vergütung be­ein­träch­tigt nicht nur die Ver­trags­frei­heit der Rechts­anwälte und ih­rer Auf­trag­ge­ber, es führt auf Grund sei­nes um­fas­sen­den Gel­tungs­an­spruchs viel­mehr auch zu nach­tei­li­gen Fol­gen für die Wahr­neh­mung und Durch­set­zung der Rech­te des Ein­zel­nen.

 


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(a) Für die Wahr­neh­mung und Durch­set­zung von Rech­ten ist es im Rechts­staat aus Gründen der Chan­cen- und Waf­fen­gleich­heit von maßgeb­li­cher Be­deu­tung, dass sich der Ein­zel­ne der Un­terstützung durch Rechts­anwälte ver­si­chern kann (vgl. BVerfGE 110, 226 <252> m.w.N.). Bei der Ent­schei­dung der Recht­su­chen­den über die In­an­spruch­nah­me an­walt­li­cher Hil­fe ist die Kos­ten­fra­ge von maßge­ben­der Be­deu­tung (vgl. die Pro­gnos/In­fra­test-Stu­die „In­an­spruch­nah­me an­walt­li­cher Leis­tun­gen - Zu­gangs­schwel­len, Be­ra­tungs­be­darf und An­walts­image“, veröffent­licht von Wett­mann/Jung­jo­hann, 1989, S. 34). Zwar können die von der Rechts­ord­nung eröff­ne­ten Mög­lich­kei­ten, Be­ra­tungs­hil­fe im außer­ge­richt­li­chen Be­reich und Pro­zess­kos­ten­hil­fe in Ge­richts­ver­fah­ren in An­spruch zu neh­men, die Ver­wirk­li­chung des Rechts­schut­zes zu­guns­ten un­be­mit­tel­ter Recht­su­chen­der fördern. Die Be­wil­li­gung ei­ner sol­chen Un­terstützung ist je­doch von en­gen wirt­schaft­li­chen Vor­aus­set­zun­gen abhängig (vgl. § 115 ZPO; § 1 Abs. 2 Ber­HG). Vor die­sem Hin­ter­grund können auch Recht­su­chen­de, die auf Grund ih­rer Ein­kom­mens- und Vermögens­verhält­nis­se kei­ne Pro-zess­kos­ten­hil­fe oder Be­ra­tungs­hil­fe be­an­spru­chen können, vor der Ent­schei­dung ste­hen, ob es ih­nen die ei­ge­ne wirt­schaft­li­che La­ge vernünf­ti­ger­wei­se er­laubt, die fi­nan­zi­el­len Ri­si­ken ein­zu­ge­hen, die an­ge­sichts des un­si­che­ren Aus­gangs der An­ge­le­gen­heit mit der In­an­spruch­nah­me qua­li­fi­zier­ter recht­li­cher Be­treu­ung und Un­terstützung ver­bun­den sind. Nicht we­ni­ge Be­trof­fe­ne wer­den das Kos­ten­ri­si­ko auf Grund verständi-

 


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ger Erwägun­gen scheu­en und da­her von der Ver­fol­gung ih­rer Rech­te ab­se­hen. Für die­se Recht­su­chen­den ist das Bedürf­nis an­zu­er­ken­nen, das ge­schil­der­te Ri­si­ko durch Ver­ein­ba­rung ei­ner er­folgs­ba­sier­ten Vergütung zu­min­dest teil­wei­se auf den ver­tre­ten­den Rechts­an­walt zu ver­la­gern. An­ders als der ein­zel­ne Recht­su­chen­de ist er auf Grund der Viel­zahl der Man­da­te zur Di­ver­si­fi­ka­ti­on der Kos­ten­ri­si­ken in der La­ge und kann nicht zu­letzt des­halb die­se bes­ser tra­gen.

(b) Das In­ter­es­se der Recht­su­chen­den und ihr Drängen auf ei­ne Ri­si­ko­ver­la­ge­rung wer­den an der ver­gleichs­wei­se ho­hen Zahl von 8 % der be­frag­ten Rechts­anwälte er­kenn­bar, die bei ei­ner em­pi­ri­schen Un­ter­su­chung zur Vergütungs­pra­xis der deut­schen An­walt­schaft im Frühjahr 2005 einräum­ten, sich trotz des gel­ten­den Ver­bo­tes fall­be­zo­gen auf Er­folgs­ho­no­ra­re ein­zu­las­sen (vgl. Hom­me­rich/Ki­li­an, Vergütungs­ver­ein­ba­run­gen deut­scher Rechts­anwälte, 2006, S. 103). Noch deut­li­cher wird das In­ter­es­se an Ver­ein­ba­run­gen über er­folgs­ba­sier­te An­walts­ho­no­ra­re an­ge­sichts der Exis­tenz und des wirt­schaft­li­chen Er­fol­ges von Pro­zess­fi­nan­zie­rungs­un­ter­neh­men, die ge­gen ei­nen An­teil des er­strit­te­nen Be­tra­ges sämt­li­che Kos­ten der Rechts­durch­set­zung über­neh­men und im Miss­er­folgs­fall mit die­sen Auf­wen­dun­gen al­lein be­las­tet blei­ben. Nach Schätzun­gen sol­cher Un­ter­neh­men beträgt das Vo­lu­men der aus fi­n­an­ziel­len Gründen nicht geführ­ten Pro­zes­se jähr­lich ins­ge­samt zwi­schen 2 und 6 Mil­li­ar­den Eu­ro (vgl. Sie­bert/Roh­le­der

 


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<For­schungs­stel­le Fi­nan­zie­rung von Ge­richts­pro­zes­sen, Hum­boldt-Uni­ver­sität zu Ber­lin>, His­to­rie der Pro­zess­fi­nan­zie­rung in Deutsch­land, http://www.pkf.hu-ber­lin.de, Ab­druck in Bei­la­ge zum Han­dels­blatt vom 2. No­vem­ber 2005). Hier­bei lässt die Möglich­keit der Pro­zess­fi­nan­zie­rung durch Drit­te eben­so we­nig wie die Möglich­keit des Ab­schlus­ses ei­ner Rechts­schutz­ver­si­che­rung das Bedürf­nis nach ei­ner Ri­si­ko­ver­la­ge­rung durch an­walt­li­che Er­folgs­ho­no­ra­re ent­fal­len. Wäh­rend der Ver­si­che­rungs­schutz durch Zah­lung von Prämi­en er­kauft wer­den muss, die nicht im­mer auf­ge­bracht wer­den können oder wirt­schaft­lich sinn­voll sind, und zu­dem be­stimm­te Rechts­an­ge­le­gen­hei­ten ty­pi­scher­wei­se vom Ver­si­che­rungs­schutz aus­ge­schlos­sen wer­den, sind die An­ge­bo­te der Pro­zess­fi­n­an-zie­rungs­un­ter­neh­men nicht für al­le Rechts­an­ge­le­gen­hei­ten glei­cher­maßen ge­eig­net. Sie rich­ten sich be­vor­zugt nicht an Pri­va­te, son­dern an klei­ne­re und mit­telständi­sche Un­ter­neh­men so­wie Frei­be­ruf­ler und set­zen re­gelmäßig ei­nen größeren Streit­wert vor­aus (vgl. Sie­bert/Roh­le­der, a.a.O.). Zu­dem ent­ste­hen durch die Ein­schal­tung ei­nes Drit­ten zur Pro­zess­fi­nan­zie­rung zusätz­li­che Kos­ten, die den Recht­su­chen­den be­las­ten.

(3) Vor die­sem Hin­ter­grund er­weist sich das Ver­bot an­walt­li­cher Er­folgs­ho­no­ra­re als Hin­der­nis für den Zu­gang zum Recht, wenn ein Recht­su­chen­der auf Grund sei­ner wirt­schaft­li­chen Verhält­nis­se das Ri­si­ko, im Miss­er­folgs­fall mit den

 


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Kos­ten qua­li­fi­zier­ter an­walt­li­cher Un­terstützung be­las­tet zu blei­ben, nicht oder zu­min­dest nicht vollständig zu tra­gen ver­mag, und ihn dies da­von abhält, sei­ne Rech­te zu ver­fol­gen. Der Ge­setz­ge­ber ver­fehlt hier nicht nur sein Ziel, durch das Ver­bot des Er­folgs­ho­no­rars ins­be­son­de­re die an­walt­li­che Un­abhängig­keit so­wie das Ver­trau­ens­verhält­nis zum An­walt zu si­chern und auf die­se Wei­se auch im In­ter­es­se der Recht­su­chen­den ei­nen Bei­trag zur Funk­ti­onsfähig­keit der Rechts­pfle­ge zu leis­ten. Das Ver­bot be­wirkt viel­mehr den ge­gen­tei­li­gen Ef­fekt, in­dem es den Ein­zel­nen dar­an hin­dert, die ihm ga­ran­tier­te Ver­trags­frei­heit wahr­zu­neh­men und ei­ne Ver­ein­ba­rung ab­zu­sch­ließen, die ihm bei verständi­ger Ein­schätzung der Kos­ten­ri­si­ken die In­an­spruch­nah­me von Rechts­schutz erst eröff­net. Die Un­zulässig­keit an­walt­li­cher Er­folgs­ho­no­ra­re fördert hier nicht die Rechts­schutz­gewährung, son­dern er­schwert den Weg zu ihr. Der Ge­setz­ge­ber hat nicht be­ach­tet, dass auch ei­ne an sich ge­recht­fer­tig­te Re­ge­lung nicht so ge­stal­tet wer­den darf, dass sie in ih­ren tatsächli­chen Aus­wir­kun­gen ten­den­zi­ell da­zu führt, Rechts­schutz vor­nehm­lich nach Maßga­be wirt­schaft­li­cher Leis­tungsfähig­keit zu eröff­nen (vgl. BVerfGE 50, 217 <231>).

(4) An­ge­sichts die­ser ungüns­ti­gen Aus­wir­kun­gen für die In­ter­es­sen der All­ge­mein­heit wird das Ge­wicht der Vor­tei­le ei­nes aus­nahms­lo­sen Ver­bo­tes so weit ge­min­dert, dass nicht in je­dem Fall ein an­ge­mes­se­nes Verhält­nis ge­genüber dem Maß

 


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der Be­las­tung der ein­zel­nen Rechts­anwälte be­steht. Der Ein­griff in die grund­recht­lich geschütz­te Be­rufs­frei­heit der Rechts­anwälte ver­letzt in die­ser Hin­sicht das Über­maßver­bot.

Die nach­tei­li­gen Fol­gen des aus­nahms­lo­sen Ver­bo­tes führen in den ge­schil­der­ten Fall­kon­stel­la­tio­nen nicht nur da­zu, dass das im Vor­der­grund ste­hen­de Ge­mein­wohl­ziel ei­ner funk­tio­nie­ren­den Rechts­pfle­ge deut­lich ver­fehlt wird; die Re­ge­lung er­weist sich viel­mehr un­ter den ge­schil­der­ten Umständen für die Rechts­schutz­gewährung so­gar als dys­funk­tio­nal.

Die Einschätzung des aus­nahms­lo­sen Ver­bo­tes als un­an­ge­mes­sen schei­tert nicht dar­an, dass na­ment­lich mit dem In­sti­tut der Pro­zess­kos­ten­hil­fe die not­wen­di­gen Vor­keh­run­gen ge­trof­fen sind, um auch Un­be­mit­tel­ten den von Art. 3 Abs. 1 GG in Ver­bin­dung mit dem Rechts­staats­prin­zip ge­bo­te­nen Zu­gang zu den Ge­rich­ten zu ermögli­chen (vgl. BVerfGE 81, 347 <356 f.>). Bei der Re­ge­lung die­ser staat­li­chen Leis­tung kann sich der Ge­setz­ge­ber auf ei­ne weit­ge­hen­de An­glei­chung der Si­tua­ti­on von Be­mit­tel­ten und Un­be­mit­tel­ten im Be­reich des Rechts­schut­zes be­schränken, wo­bei ihm hin­sicht­lich des Aus­maßes der An­glei­chung ein Ge­stal­tungs­spiel­raum zu­kommt (vgl. BVerfGE 78, 104 <118>). Im vor­lie­gen­den Fall geht es je­doch nicht um die Be­gründung von Leis­tungs­rech­ten des Ein­zel­nen ge­genüber dem Staat, son­dern um die Recht­fer­ti­gung ei­nes staat­li­chen Ein­griffs in die von der Ver­fas­sung ga­ran­tier­te

 


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Be­rufs­frei­heit. Hierüber ist - auch mit Blick auf die Ver­trags­frei­heit als ei­gen­ver­ant­wort­li­cher Ge­stal­tung von Rechts­be­zie­hun­gen - un­ter strik­ter Be­ach­tung des Verhält­nis-mäßig­keits­grund­sat­zes zu be­fin­den (vgl. BVerfGE 93, 213 <235> m.w.N.).

(5) Die An­nah­me der Un­an­ge­mes­sen­heit wird durch wei­te­re Über­le­gun­gen gestützt.

(a) Da der Schutz der Recht­su­chen­den vor Über­vor­tei­lung auf an­de­re Wei­se er­reicht wer­den kann, er­langt die­ser Ge­sichts­punkt im Rah­men der Ge­samt­abwägung nicht ein sol­ches Ge­wicht, dass ein un­be­ding­tes Ver­bot an­ge­mes­sen er­scheint. Die spe­zi­fi­schen Pro­ble­me des Ver­brau­cher­schut­zes, die sich mit der Ver­ein­ba­rung ei­ner er­folgs­ba­sier­ten Vergütung ver­bin­den las­sen, wer­den auf die Befürch­tung gestützt, die a­sym­me­tri­sche In­for­ma­ti­ons­ver­tei­lung zu Guns­ten des Rechtsan­walts ermögli­che die­sem, durch un­zu­tref­fen­de Dar­stel­lung der Er­folgs­aus­sich­ten oder über­trie­be­ne Schil­de­rung des zu er­war­ten­den Ar­beits­auf­wan­des ei­ne un­an­ge­mes­sen ho­he Vergütung zu er­rei­chen. Der von ihm an­ge­nom­me­nen Ge­fahr ei­ner Über­vor­tei­lung kann der Ge­setz­ge­ber al­ler­dings - wie be­reits an­ge­deu­tet (vgl. oben B I 2 c bb <1>) - in an­de­rer Wei­se als im We­ge ei­nes aus­nahms­lo­sen Ver­bo­tes et­wa da­durch hin­rei­chend ef­fek­tiv ent­ge­gen­tre­ten, dass er als Vor­aus­set­zung ei­ner wirk­sa­men Er­folgs­ho­no­rar­ver­ein­ba­rung die Erfüllung von In-

 


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for­ma­ti­ons­pflich­ten zu Guns­ten des Man­dan­ten ver­langt. So könn­ten nicht nur - wie schon jetzt in § 4 Abs. 1 RVG vor­ge­se­hen - die Schrift­form und die Tren­nung von der Voll­machts­ur­kun­de zur Wirk­sam­keits­vor­aus­set­zung be­stimmt wer­den, son­dern auch der schrift­li­che Nach­weis ei­ner Aufklärung über die Höhe der im kon­kre­ten Fall mögli­chen ge­setz­li­chen Vergü­tung und - ver­gleich­bar mit Re­ge­lun­gen im eng­li­schen Recht (vgl. da­zu Ki­li­an, a.a.O., S. 418) oder in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka (vgl. da­zu Brey­er, a.a.O., S. 44) - die Dar­le­gung der ge­nau­en Be­rech­nungs­me­tho­de der er­folgs­ba­sier­ten Vergütung. Dies würde der Ge­fahr ent­ge­gen­wir­ken, dass sich Man­dan­ten vor­schnell und oh­ne Kennt­nis über die Al­ter­na­ti­ven auf mögli­cher­wei­se überhöhte Er­folgs­ho­no­rar­ver­ein­ba-run­gen ein­las­sen. Der Rechts­ord­nung sind ver­gleich­ba­re Vor­schrif­ten im In­ter­es­se des Ver­brau­cher­schut­zes nicht fremd, wie et­wa § 492 BGB für Ver­brau­cher­dar­le­hens­verträge oder § 312 c BGB für Fern­ab­satz­verträge zei­gen (vgl. Ki­li­an,

a.a.O., S. 366).

(b) Fer­ner gibt es kei­nen über­zeu­gen­den Grund, die Ver­ein­ba­rung ei­nes Er­folgs­ho­no­rars spe­zi­ell in Form ei­ner Streit­an­teils­vergütung als Möglich­keit der Ri­si­ko­ver­la­ge­rung aus­zu­sch­ließen (zur Dis­kus­si­on um das Feh­len ei­nes sach­li­chen Grun­des für ein Ver­bot der quo­ta li­tis im eng­li­schen Recht vgl. Brey­er, a.a.O., S. 41 in Fn. 130) und an dem aus­nahms­los gel­ten­den Ver­bot für den Fall ei­ner quo­ta li­tis

 


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fest­zu­hal­ten. Maßge­ben­de Un­ter­schie­de hin­sicht­lich des Um­fangs des In­ter­es­sen­gleich­klangs sind bei ty­pi­sie­ren­der Be­trach­tung nicht aus­zu­ma­chen. So wird zwar durch die Ver­ein­ba­rung ei­ner quo­ta li­tis die Vergütung des Rechts­an­walts nicht nur dem Grun­de, son­dern auch der Höhe nach vom Er­folg abhängig ge­macht. Dass dies aber nicht zwin­gend zu ei­nem zu­sätz­lich in­ten­si­vier­ten In­ter­es­se des Rechts­an­walts an ei­nem Er­folg sei­ner Tätig­keit führen muss, zeigt et­wa der Fall ei­nes spe­ku­la­ti­ven Ho­no­rars, bei dem ein in be­stimm­ter Wei­se ver­ein­bar­ter Er­folg hin­sicht­lich der an­walt­li­chen Vergütung über al­les oder nichts ent­schei­det. Letzt­lich han­delt es sich über al­le For­men der er­folgs­ba­sier­ten Vergütung hin­weg nur um gra­du­el­le Un­ter­schie­de der von der in­di­vi­du­el­len Ver­ein­ba­rung abhängi­gen In­ter­es­sen­par­al­le­lität, oh­ne dass ei­ne Gren­ze zwi­schen den übri­gen For­men des Er­folgs­ho­no­rars und der Streit­an­teils­vergütung aus­ge­macht wer­den kann, bei de­ren Über­schrei­tung ein Rechts­an­walt sei­ne Ge­set­zes­treue und sei­ne In­te­grität eher aufgäbe.

II.

1. Die Ver­fas­sungs­wid­rig­keit des Ver­bo­tes be­schränkt sich nicht auf § 49 b Abs. 2 BRAO a.F., son­dern er­fasst auch die wort­glei­che Re­ge­lung des § 49 b Abs. 2 Satz 1 BRAO in der seit dem 1. Ju­li 2004 gel­ten­den Fas­sung (vgl. BVerfGE 113, 1 <27> m.w.N.). Al­ler­dings führt die Ver­fas­sungs­wid­rig­keit

 


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die­ser Vor­schrif­ten nicht zu de­ren Nich­tig­keit; denn dem Ge­setz­ge­ber ste­hen für die ge­bo­te­ne Neu­re­ge­lung meh­re­re Mög­lich­kei­ten zur Verfügung (vgl. BVerfGE 77, 308 <337>; 84, 168 <186 f.>).

Ur­sa­che des Ver­fas­sungs­ver­s­toßes ist das Feh­len ei­nes Aus­nah­me­tat­be­stan­des für das Ver­bot an­walt­li­cher Er­folgs­ho­nora­re. Der Ge­setz­ge­ber kann die­ses Re­ge­lungs­de­fi­zit da­durch be­sei­ti­gen, dass er zwar an dem Ver­bot grundsätz­lich fest­hält, je­doch in An­leh­nung an § 49 b Abs. 1 Satz 2 BRAO ei­nen Aus­nah­me­tat­be­stand zu­min­dest für die Fälle eröff­net, in de­nen auf Grund der wirt­schaft­li­chen Si­tua­ti­on des Auf­trag­ge­bers bei verständi­ger Be­trach­tung erst die Ver­ein­ba­rung ei­ner er­folgs­ba­sier­ten Vergütung die In­an­spruch­nah­me qua­li­fi­zier­ter an­walt­li­cher Hil­fe ermöglicht. Hier­bei kann es der Ge­setz­ge­ber für sol­che Rechts­an­ge­le­gen­hei­ten bei dem un­ein­ge­schränk­ten Ver­bot be­las­sen, in de­nen na­ment­lich auf dem Ge­biet des Fa­mi­li­en- oder Straf­rechts und in wei­ten Be­rei­chen des öffent­li­chen Rechts kei­ne Vermögens­wer­te ge­ne­riert wer­den, die den Auf­trag­ge­ber erst in die La­ge ver­set­zen, sei­ne An­walts­kos­ten zu be­glei­chen. Zum Schutz der Vermögens­in­ter­es­sen der Recht­su­chen­den und zum Schutz des Ver­trau­ens in die An­walt­schaft kann außer­dem die Wirk­sam­keit der Ver­ein­ba­rung ei­nes Er­folgs­ho­no­rars von der Erfüllung vergü­tungs­be­zo­ge­ner In­for­ma­ti­ons­pflich­ten ge­genüber dem Man­dan­ten abhängig ge­macht wer­den (vgl. oben B I 2 d bb <5> <b>).

 


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Sch­ließlich ist der Ge­setz­ge­ber nicht ge­hin­dert, dem ver­fas­sungs­wid­ri­gen Re­ge­lungs­de­fi­zit da­durch die Grund­la­ge zu ent­zie­hen, dass das Ver­bot an­walt­li­cher Er­folgs­ho­no­ra­re - ent­spre­chend der be­ab­sich­tig­ten Re­ge­lung für die Be­ra­tungstä­tig­kei­ten der Wirt­schafts­prüfer (vgl. Art. 1 Nr. 30 des Ent­wurfs ei­nes Ge­set­zes zur Stärkung der Be­rufs­auf­sicht und zur Re­form be­rufs­recht­li­cher Re­ge­lun­gen in der Wirt­schafts­prü-fer­ord­nung, BT­Drucks 16/2858, S. 9) - völlig auf­ge­ge­ben oder an ihm nur noch un­ter en­gen Vor­aus­set­zun­gen, wie et­wa im Fall un­zuläng­li­cher Aufklärung des Man­dan­ten, fest­ge­hal­ten wird.

2. Für den Er­lass ei­ner ver­fas­sungs­gemäßen Neu­re­ge­lung steht dem Ge­setz­ge­ber ei­ne Frist bis zum 30. Ju­ni 2008 zur Verfügung. Bis zur Neu­re­ge­lung blei­ben § 49 b Abs. 2 BRAO a.F. und § 49 b Abs. 2 Satz 1 BRAO an­wend­bar. Zwar hat die Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts, die ei­ne Re­ge­lung für un­ver­ein­bar mit dem Grund­ge­setz erklärt, grundsätz­lich zur Fol­ge, dass die An­wend­bar­keit der be­trof­fe­nen Nor­men aus­ge­schlos­sen ist (vgl. BVerfGE 61, 319 <356>; 100, 104 <136>). Aus­nahms­wei­se sind ver­fas­sungs­wid­ri­ge Vor­schrif­ten aber wei­ter an­zu­wen­den, wenn es die Be­son­der­heit der für ver­fas­sungs­wid­rig erklärten Norm not­wen­dig macht, die Vor­schrift als Re­ge­lung für die Über­g­angs­zeit fort­be­ste­hen zu las­sen, da­mit in die­ser Zeit nicht ein Zu­stand ent­steht, der von der ver­fas­sungsmäßigen Ord­nung noch wei­ter ent­fernt ist

 


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als der bis­he­ri­ge (vgl. BVerfGE 92, 53 <73>; 111, 191 <224> m.w.N.). Die­se Vor­aus­set­zung ist im vor­lie­gen­den Fall er­füllt. Die Un­an­wend­bar­keit des Ver­bo­tes hätte zur Fol­ge, dass an­walt­li­che Er­folgs­ho­no­ra­re oh­ne je­de Ein­schränkung ver­ein­bart wer­den könn­ten. Hier­nach wäre ins­be­son­de­re die Erfüllung von In­for­ma­ti­ons­pflich­ten nicht Wirk­sam­keits­vor­aus­set­zung sol­cher Ver­ein­ba­run­gen, wes­halb sich et­wa das vom Ge­setz­ge­ber auch aus Gründen ei­ner funk­tio­nie­ren­den Rechts­pfle­ge in den Blick ge­nom­me­ne le­gi­ti­me Ziel des Man­dan­ten­schut­zes (vgl. oben B I 2 a bb) nicht mehr er­rei­chen ließe.

III.

1. Da das ge­setz­li­che Ver­bot an­walt­li­cher Er­folgs­ho­no­ra­re wei­ter­hin an­wend­bar bleibt, kann die zur Ahn­dung ei­nes Ver­stoßes ge­gen die­ses Ver­bot im Fall des Man­dats S. aus­ge­spro­che­ne be­rufs­ge­richt­li­che Ver­ur­tei­lung der Be­schwer­deführe­rin ver­fas­sungs­recht­lich nicht be­an­stan­det wer­den.

2. Im Er­geb­nis nichts an­ders gilt, so­weit sich die be­rufs­ge­richt­li­che Ahn­dung hin­sicht­lich des Man­dats N., das vor In­Kraft-Tre­ten des § 49 b Abs. 2 BRAO a.F. über­nom­men wur­de, nicht auf das ge­setz­li­che Ver­bot an­walt­li­cher Er­folgs­ho­no­ra­re, son­dern auf die Ge­ne­ral­klau­sel des § 43 BRAO in Ver­bin­dung mit dem - aus­nahms­los gel­ten­den - Ver­bot der Streit­an­teils­vergütung in § 52 Abs. 3 der frühe­ren Stan­des-

 

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richt­li­ni­en stützt. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat zwar mit Be­schlüssen vom 14. Ju­li 1987 (BVerfGE 76, 171 und 76, 196) aus­ge­spro­chen, dass die an­walt­li­chen Stan­des­richt­li­ni­en künf­tig we­der als nor­ma­ti­ve Re­ge­lung der an­walt­li­chen Be­rufs­pflich­ten noch als rechts­er­heb­li­ches Hilfs­mit­tel zur Kon­kre­ti­sie­rung der Ge­ne­ral­klau­sel in Be­tracht kom­men. Es hat je­doch die Not­wen­dig­keit an­er­kannt, dass für ei­ne Über­gangs­zeit - die hier bis zum Er­lass des § 49 b Abs. 2 BRAO a.F. im Jah­re 1994 an­dau­er­te - auch wei­ter­hin auf die Stan-des­richt­li­ni­en zur Kon­kre­ti­sie­rung des § 43 BRAO zurück­ge­grif­fen wer­den konn­te, so­weit dies zur Auf­recht­er­hal­tung ei­ner funk­ti­onsfähi­gen Rechts­pfle­ge un­erläss­lich war (vgl. BVerfGE 76, 171 <189 f.>). Die­se Vor­aus­set­zung ist vor­lie­gend zu be­ja­hen; denn oh­ne Her­an­zie­hung des Ver­bo­tes der Streit­an­teils­vergütung in § 52 Abs. 3 der frühe­ren Stan­des-richt­li­ni­en wäre man­gels ei­ner an­der­wei­ti­gen Re­ge­lung der im All­ge­mein­in­ter­es­se lie­gen­de Schutz der Man­dan­ten vor Über­vor­tei­lung nicht zu er­rei­chen, mit dem auch das Ver­trau­ens­verhält­nis zwi­schen An­walt und Man­dant ge­wahrt und da­mit ein Bei­trag zur Funk­ti­onsfähig­keit der Rechts­pfle­ge ge­leis­tet wer­den soll (vgl. oben B I 2 a bb). Das Re­ge­lungs­de­fi­zit des Ver­bo­tes der Streit­an­teils­vergütung in den Stan­des­richt­li-nien, das eben­falls kei­ne Aus­nah­me vor­sah, kann eben­so we­nig wie bei der späte­ren ge­setz­li­chen Re­ge­lung in § 49 b Abs. 2 BRAO a.F. und § 49 b Abs. 2 Satz 1 BRAO ei­ner Fort­gel­tung während der Über­g­angs­zeit ent­ge­gen­ste­hen.

 


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IV.

Ent­spre­chend dem Um­fang des Er­fol­ges der Ver­fas­sungs­be­schwer­de hat die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land der Be­schwer­de­führe­rin gemäß § 34 a Abs. 2 BVerfGG die Hälf­te ih­rer not­wen­di­gen Aus­la­gen zu er­stat­ten.

 

Die Ent­schei­dung ist mit 5 : 3 Stim­men er­gan­gen.

Pa­pier

St­ei­ner  

Hoh­mann-Denn­hardt 

Hoff­mann-Riem

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