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Wer Urlaub nimmt, sollte keine finanziellen Nachteile erleiden
18.01.2022. Tarifliche und arbeitsvertragliche Regelungen sehen oft vor, dass es für Überstunden Zuschläge gibt. Bezahlt wird dann nicht die nur der übliche Stundenlohn für die zusätzlich geleisteten Mehrarbeitsstunden, sondern ein Aufgeld.
Sehen die arbeits- oder tarifvertraglichen Vorschriften zu den Überstundenzuschlägen vor, dass eine bestimmte Mindest-Stundenzahl pro Tag, Woche oder Monat Voraussetzung für die Zuschläge ist, wirkt sich das zulasten von Teilzeitkräften aus. Denn wenn sie Überstunden leisten, opfern sie auch ihre Freizeit, doch erreichen sie nicht die für die Zuschlagsberechtigung festgelegte Mindeststundenzahl. Solche Regelungen sind in den letzten Jahren zunehmend in der Kritik, da sie mittelbar auch den Effekt haben, Frauen zu benachteiligen, denn Teilzeitarbeit wird nach wie vor überwiegend von Frauen verrichtet.
Tariflich festgelegte hohe Mindestarbeitsstunden für den Anspruch auf Überstundenzuschläge können aber auch in einer anderen Weise zu rechtlich fragwürdigen Seiteneffekten führen. Um solche Nebenfolgen ging es in einem Fall, den das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Juni 2020 dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt hat und zu dem der EuGH vor einer Woche Stellung genommen hat: EuGH, Urteil vom 13.01.2022, C-514/20.
- Überstundenzuschläge auf der Grundlage des Manteltarifvertrags für die Zeitarbeit, vom 17.09.2013
- Der Dortmunder Streitfall: Überstundenzuschläge eines Leiharbeitnehmers für August 2017 - auch bei zehn Urlaubstagen?
- EuGH: Die Inanspruchnahme von Urlaub darf nicht zum Verlust von Überstundenzuschlägen führen
Überstundenzuschläge auf der Grundlage des Manteltarifvertrags für die Zeitarbeit, vom 17.09.2013
Der Manteltarifvertrag für die Zeitarbeit, den der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ e.V.) mit verschiedenen Mitgliedsgewerkschaften des DGB am 17.09.2013 vereinbart hatte (MTV Zeitarbeit 2013), sieht die Zahlung von Überstundenzuschlägen vor.
Voraussetzung ist allerdings, dass Zeitarbeitnehmer lange monatliche Arbeitszeiten vorweisen können. Sehr lange monatliche Arbeitszeiten.
Denn gemäß § 4.1.2. MTV Zeitarbeit 2013 werden Mehrarbeitszuschläge von 25 Prozent u.a. für Arbeitszeiten gezahlt, die in Monaten mit 23 Arbeitstagen über 184 „geleistete Stunden“ hinausgehen. Dementsprechend gibt es diese Zuschläge nur in "langen" Kalendermonaten mit 23 Arbeitstagen, und sie werden außerdem nur dann bezahlt, wenn der Arbeitnehmer in diese "langen" Monaten über 184 Stunden gearbeitet hat, d.h. mehr als rechnerisch nur acht Stunden pro Tag.
Fraglich ist hierbei allerdings, welche Folgen es hat, wenn ein Arbeitnehmer während eines "langen" Kalendermonats, z.B. in einem Juli oder einem August, für einige Tage bezahlten Urlaub in Anspruch nimmt. Werden die Urlaubstage bzw. die auf die Urlaubstage entfallenden Urlaubsstunden nicht zu den tariflich erforderlichen Mindeststunden hinzugezählt, die Voraussetzung für die Mehrarbeitszuschläge sind, bekommt der Arbeitnehmer auch dann keine Zuschläge, wenn er in dem Monat tatsächlich Überstunden geleistet hat.
Das wiederum führt zu einer mittelbaren finanziellen Benachteiligung infolge der Inanspruchnahme von Urlaub. Wer "langen" Kalendermonaten Urlaub macht, wird durch den Wegfall der Mehrarbeitszuschläge bestraft. Das könnte gegen Art.7 Abs.1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) verstoßen, denn diese Vorschrift garantiert allen Arbeitnehmern in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union einen vierwöchigen Mindesturlaub. Und der EuGH hat in seiner Rechtsprechung zu dieser Vorschrift immer wieder betont, dass Arbeitnehmer durch finanzielle Nachteile nicht dazu motiviert werden dürfen, auf ihren Urlaub zu verzichten.
Der Dortmunder Streitfall: Überstundenzuschläge eines Leiharbeitnehmers für August 2017 - auch bei zehn Urlaubstagen?
Ein Leiharbeitnehmer hatte seinen Arbeitgeber, ein Zeitarbeitsunternehmen, auf Zahlung von Überstundenzuschlägen für August 2017 verklagt. Grundlage seiner Klageforderung war § 4.1.2. MTV Zeitarbeit 2013, denn im August 2017 fielen 23 Arbeitstage an. Daher bestand die Möglichkeit, Überstundenzuschläge zu verdienen, vorausgesetzt, man könnte im August 2017 mehr als 184 „geleistete Stunden“ vorweisen.
Auf diesem Standpunkt stand der Kläger, denn er hatte im streitigen August 2017 immerhin 121,75 Stunden gearbeitet und außerdem zehn Tage Urlaub genommen, wobei der Arbeitgeber die Urlaubstage mit 84,70 Stunden berechnete. Der Kläger rechnete seine 121,75 Arbeitsstunden mit den 84,70 Urlaubsstunden zusammen und kam auf 206,45 Stunden, d.h. auf eine Stundenzahl, die um 26,45 Stunden über der tariflichen Grenze von mindestens 184 Monatsstunden lag. Für diese 26,45 Stunden verlangte er den tariflichen Mehrarbeitszuschlag.
Das Arbeitsgericht Dortmund wies seine Klage ab (Urteil vom 14.02.2018, 10 Ca 4180/17), und auch vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm hatte der Leiharbeitnehmer kein Glück, denn das LAG wies seine Berufung zurück (LAG Hamm, Urteil vom 14.12.2018, 13 Sa 589/18). Beide Gerichte meinten nämlich, dass unter „geleistete Stunden“ im Sinne der Tarifregelung nur die effektiv gearbeiteten Stunden zu verstehen wären. Und das waren eben unstreitig nur 121,75 Stunden.
Schließlich landete der Fall beim Bundesarbeitsgericht (BAG), das ebenfalls der Ansicht war, dass der MTV 2013 nicht im Sinne des Klägers auszulegen sei. Allerdings hatte das BAG Zweifel an der Vereinbarkeit einer solchen Tarifauslegung mit Art.7 Abs.1 der Arbeitszeitrichtlinie. Daher legte es den Fall dem EuGH vor, und zwar mit folgenden Vorlagefragen (BAG, Beschluss vom 17.06.2020, 10 AZR 210/19 (A)):
"1. Der EuGH wird nach Art.267 AEUV um Vorabentscheidung über die Frage ersucht: Stehen Art.31 Abs.2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art.7 der Richtlinie 2003/88/EG einer Regelung in einem Tarifvertrag entgegen, die für die Berechnung, ob und für wie viele Stunden einem Arbeitnehmer Mehrarbeitszuschläge zustehen, nur die tatsächlich gearbeiteten Stunden berücksichtigt und nicht auch die Stunden, in denen der Arbeitnehmer seinen bezahlten Mindestjahresurlaub in Anspruch nimmt?
2. Das Revisionsverfahren wird bis zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt."
Am 13.01.2022 kam die Antwort des Gerichtshofs.
EuGH: Die Inanspruchnahme von Urlaub darf nicht zum Verlust von Überstundenzuschlägen führen
Wie nicht anders zu erwarten war, hat der EuGH in seiner Antwort auf die Vorlagefrage deutlich gemacht, dass tarifliche Regelungen wie die hier strittige dazu führen können, dass Arbeitnehmer aus finanziellen Gründen davon absehen, ihren Urlaubsanspruch auszuüben.
Das wiederum ist mit der besonderen sozialpolitischen Bedeutung des europaweit geltenden vierwöchigen Mindesturlaubs gemäß Art.7 Abs.1 der Arbeitszeitrichtlinie nicht zu vereinbaren.
Fazit: Auch wenn die hier zwischen den Parteien umstrittene Tarifvorschrift ziemlich speziell ist und auch nur diejenigen Arbeitnehmer betrifft, die als Zeitarbeitnehmer unter den Tarif fallen, zeigt das EuGH-Urteil wieder einmal deutlich, wie wichtig dem Gerichtshof der in der Richtlinie gewährleistete vierwöchige Mindesturlaub ist. Auch tarifliche oder gesetzliche Vorschriften, die auf den ersten Blick nichts mit dem Urlaubsrecht zu tun haben, können europarechtlich unzulässig sein, wenn sie mittelbar dazu führen, dass Arbeitnehmer von ihrem vierwöchigen Mindesturlaub keinen Gebrauch machen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 13.01.2022, C-514/20
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 17.06.2020, 10 AZR 210/19 (A)
- Handbuch Arbeitsrecht: Urlaub, Urlaubsanspruch
- Handbuch Arbeitsrecht: Überstunden, Mehrarbeit
- Update Arbeitsecht 25|2021 BAG: Kein Urlaub für Zeiten einer Kurzarbeit Null
- Arbeitsrecht aktuell: 21/037 Nichtanrechnung von Urlaubstagen bei behördlicher Isolierungsanordnung
- Arbeitsrecht aktuell: 21/020b Hinweispflicht des Arbeitgebers zum Zusatzurlaub für Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung
Letzte Überarbeitung: 31. Januar 2022
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