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LAG Hamm, Ur­teil vom 02.02.2006, 8 Sa 473/05

   
Schlagworte: Sonderzahlung, Gleichbehandlung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Aktenzeichen: 8 Sa 473/05
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 02.02.2006
   
Leitsätze: Ausschluss von Gratifikationsleistung bei verweigerter Vertragsänderung
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Herford, Urteil vom 28.10.2004, 3 Ca 403/04
Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.09.2007, 10 AZR 569/06
   

Te­nor:

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil Ar­beits­ge­richts Her­ford vom 28.10.2004– 3 Ca 403/04 – wird auf Kos­ten der Be­klag­ten zurück­ge­wie­sen.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

Mit sei­ner Kla­ge nimmt der Kläger die Be­klag­te auf Zah­lung ei­nes „Weih­nachts­gel­des“ für das Jahr 2003 in An­spruch. Zur Be­gründung die­ses Be­geh­rens ver­weist der Kläger auf den ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz und das Maßre­ge­lungs­ver­bot des § 612 a BGB.

Wie un­strei­tig ist, gewähr­te die nicht ta­rif­ge­bun­de­ne Be­klag­te ih­ren Beschäftig­ten in der Ver­gan­gen­heit auf der Grund­la­ge ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung ein Weih­nachts­geld, wel­ches mit ei­ner Rück­zah­lungs­klau­sel ver­bun­den und des­sen Höhe nach der An­zahl et­wai­ger Krank­heits­ta­ge ge­staf­felt war. Mit Rück­sicht auf ih­re schwie­ri­ge wirt­schaft­li­che La­ge kündig­te die Be­klag­te die­se Be­triebs­ver­ein­ba­rung mit Schrei­ben vom 25.09.2001 zum 31.12.2002 und bot den Beschäftig­ten fer­ner zur Um­set­zung von Ein­spa­rungs­maßnah­men Mit­te De­zem­ber 2001 neue Ar­beits­verträge mit ei­ner Ab­sen­kung der Vergütung so­wie ei­ner Her­auf­set­zung der be­trieb­li­chen Ar­beits­zeit mit Wir­kung ab dem 01.01.2002 an. Hier­mit erklärte sich die große Mehr­zahl der Beschäftig­ten ein­ver­stan­den, nicht je­doch der Kläger so­wie wei­te­re ca. 50 von 450 Beschäftig­ten. Nach letzt­ma­li­ger Zah­lung des Weih­nachts­gel­des ent­spre­chend der gekündig­ten Be­triebs­ver­ein­ba­rung im Jah­re 2002 bot die Be­klag­te An­fang Fe­bru­ar 2003 den­je­ni­gen Mit­ar­bei­tern, wel­che die neu­en Ar­beits­verträge un­ter­schrie­ben hat­ten, ei­ne Zu­satz­ver­ein­ba­rung zum Ar­beits­ver­trag an, wel­che – im We­sent­li­chen ent­spre­chend dem In­halt der frühe­ren Be­triebs­ver­ein­ba­rung – die Zah­lung ei­nes Weih­nachts­gel­des, al­ler­dings un­ter Frei­wil­lig­keits­ und Wi­der­rufs­vor­be­halt, vor­sieht. Mit Rück­sicht auf die Tat­sa­che, dass der Kläger die vor­an­ge­hen­de Ver­tragsände­rung nicht ak­zep­tiert hat­te, er­hiel­ten er ein ent­spre­chen­des An­ge­bot nicht.

Der Kläger sieht hier­in ei­nen Ver­s­toß ge­gen den ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz und das Maßre­ge­lungs­ver­bot des § 612 a BGB. Dem tritt die Be­klag­te mit Rechts­ausführun­gen ent­ge­gen und macht ins­be­son­de­re gel­tend, die vor­ge­nom­me­ne Dif­fe­ren­zie­rung die­ne nicht et­wa der Maßre­ge­lung und Be­stra­fung der­je­ni­gen Mit­ar­bei­ter, wel­che zu­vor der Ver­tragsände­rung nicht zu­ge­stimmt hätten, viel­mehr stel­le sich die Weih­nachts­geld­zah­lung als Teil des neu­en Vergütungs­sys­tems dar. Nach­dem die Be­klag­te ha­be er­ken­nen müssen, dass nicht sämt­li­che Mit­ar­bei­ter die an­ge­bo­te­ne Ent­geltände­rung ak­zep­tier­ten, sei es ihr mit der ver­trag­li­chen Einführung ei­nes Weih­nachts­gel­des für den be­tref­fen­den Per­so­nen­kreis dar­um ge­gan­gen, die ent­stan­de­ne Loh­nun­ge­rech­tig­keit zu­min­dest teil­wei­se zu kom­pen­sie­ren. Letzt­lich sei­en hier­durch zwei ne­ben­ein­an­der­ste­hen­de Vergütungs­sys­te­me ge­schaf­fen wor­den, wo­bei die­je­ni­gen Mit­ar­bei­ter, wel­che an den al­ten Ver­trags­be­din­gun­gen fest­hiel­ten, ih­re bis­he­ri­ge (höhe­re) Ar­beits­vergütung er­hiel­ten, wo­hin­ge­gen die an­de­re Grup­pe der Mit­ar­bei­ter, wel­che die neu­en Ver­trags­be­din­gun­gen ak­zep­tiert hätten, nun­mehr ne­ben der nied­ri­gen St­un­den­vergütung als wei­te­ren Vergütungs­be­stand­teil das von der Be­klag­ten un­ter Frei­wil­lig­keits­ und Wi­der­rufs­vor­be­halt ge­zahl­te Weih­nachts­geld er­hiel­ten. Un­ter die­sen Umständen könne die vor­ge­nom­me­ne Dif­fe­ren­zie­rung nicht be­an­stan­det wer­den, erst Recht lie­ge ein Ver­s­toß ge­gen das Maßre­ge­lungs­ver­bot nicht vor.

Durch Ur­teil vom 28.10.2004, auf wel­ches we­gen des wei­te­ren Sach­ver­halts ver­wie­sen wird, hat das Ar­beits­ge­richt die Be­klag­te an­trags­gemäß zur Zah­lung ver­ur­teilt. Mit ih­rer recht­zei­tig ein­ge­leg­ten und be­gründe­ten Be­ru­fung ver­folgt die Be­klag­te un­ter Wie­der­ho­lung und Ver­tie­fung ih­rer Rechts­ausführun­gen ihr Be­geh­ren auf Kla­ge­ab­wei­sung wei­ter und be­an­tragt, das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Her­ford vom 28.10.2004 ab­zuändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Kläger be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

I

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten bleibt oh­ne Er­folg. Zu­tref­fend hat das Ar­beits­ge­richt dem Kläger die be­gehr­te Weih­nachts­gra­ti­fi­ka­ti­on für das Jahr 2003 zu­er­kannt. Die Kam­mer folgt in vol­lem Um­fang der zu­tref­fen­den Be­gründung des ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teils. Die mit der Be­ru­fung vor­ge­tra­ge­nen Ge­sichts­punk­te recht­fer­ti­gen kei­ne an­de­re Be­wer­tung.

1. Die Rechts­grund­la­ge für den ver­folg­ten An­spruch ist der ar­beits­recht­li­che Gleich­be­hand­lungs­grund­satz i.V.m. § 612 a BGB, wo­bei of­fen blei­ben kann, ob § 612 a BGB als ei­genständi­ge An­spruchs­grund­la­ge an­zu­se­hen ist oder ob im Fall ei­nes Ver­s­toßes ge­gen das Maßre­ge­lungs­ver­bot des § 612 a BGB sich ein Erfüllungs­an­spruch auf Gleich­be­hand­lung nach den Re­geln des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes er­gibt (vgl. Münch­KommBGB­Müller­Glöge, § 612 a BGB Rz 22 m.w.N.).

a) Un­strei­tig hat die Be­klag­te im Jah­re 2003 nicht nur ein­zel­nen Ar­beit­neh­mern, son­dern sämt­li­chen Beschäftig­ten, wel­che zu­vor der Ände­rung ih­res Ar­beits­ver­tra­ges zu­ge­stimmt hat­ten, ein An­ge­bot zum Ab­schluss ei­ner Zu­satz­ver­ein­ba­rung zum Ar­beits­ver­trag un­ter­brei­tet, wel­ches für die­sen Per­so­nen­kreis die Zah­lung ei­nes Weih­nachts­gel­des für das Jahr 2003 vor­sieht. Mit ei­ner Aus­nah­me ist das ent­spre­chen­de Ver­trags­an­ge­bot von al­len An­ge­bots­empfängern ge­gen­ge­zeich­net wor­den. Der Kläger so­wie die wei­te­ren Mit­ar­bei­ter, wel­che der vor­an­ge­hen­den Ver­tragsände­rung nicht zu­ge­stimmt ha­ben, ha­ben ein sol­ches Ver­trags­an­ge­bot nicht er­hal­ten.

b) In­dem die Be­klag­te ei­ne ent­spre­chen­de Zu­satz­ver­ein­ba­rung zum Ar­beits­ver­trag al­lein dem 14 vor­be­zeich­ne­ten Per­so­nen­kreis an­ge­bo­ten und auf der Grund­la­ge der Zu­satz­ver­ein­ba­rung al­lein die­sem ei­ne ent­spre­chen­de Leis­tung gewährt hat, hat sie im Er­geb­nis die vom Leis­tungs­be­zug aus­ge­schlos­se­nen Ar­beit­neh­mer im Sin­ne des § 612 a BGB be­nach­tei­ligt.

Der recht­li­che Be­griff der Be­nach­tei­li­gung ist – ab­wei­chend vom all­ge­mei­nen Sprach­ge­brauch – wert­neu­tral und um­schreibt nur ei­nen Ver­gleich un­ter­schied­li­cher La­gen; Rechts­fol­gen knüpfen erst dar­an, ob es sich um ei­ne sach­lich zulässi­ge oder un­zulässi­ge Be­nach­tei­li­gung han­delt (Münch­KommBGB­Müller­Glöge, a.a.O., Rz 15). In Übe­rein­stim­mung mit der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts liegt wei­ter ei­ne Be­nach­tei­li­gung im Sin­ne des § 612 a BGB nicht nur dann vor, wenn der Ar­beit­neh­mer ei­ne Ein­buße er­lei­det, d.h. wenn sich sei­ne Si­tua­ti­on ge­genüber dem bis­he­ri­gen Zu­stand ver­schlech­tert, son­dern auch dann, wenn ihm Vor­tei­le vor­ent­hal­ten wer­den, wel­che der Ar­beit­ge­ber an­de­ren Ar­beit­neh­mern gewährt, wenn die­se ent­spre­chen­de Rech­te nicht aus­geübt ha­ben (BAG, Ur­teil vom 23.02.2000 – 10 AZR 1/99 – BA­GE 94, 11 ff. – AP Nr. 80 zu §§ 22,23 BAT Leh­rer). Dies gilt auch im Be­reich frei­wil­li­ger Leis­tun­gen (BAG, Ur­teil vom 28.07.1992 – 1 AZR 87/92 – AP GG Art. 9 Ar­beits­kampf Nr. 123; fer­ner zur Er­folgs­be­tei­li­gung BAG, Ur­teil vom 12.06.2002 – 10 AZR 340/01 – AP Nr. 8 zu § 612 a BGB).

c) Der Aus­schluss des Klägers von der Gra­ti­fi­ka­ti­ons­leis­tung war nicht durch sach­li­che Gründe ge­recht­fer­tigt, viel­mehr muss von ei­nem un­mit­tel­ba­ren Zu­sam­men­hang zwi­schen vor­an­ge­hen­der Rechts­ausübung und Aus­schluss von der Gra­ti­fi­ka­ti­ons­leis­tung und da­mit von ei­ner Maßre­ge­lung im Sin­ne des Ge­set­zes aus­ge­gan­gen wer­den.

(1) Der Kläger hat in zulässi­ger Wei­se sei­ne Rech­te aus­geübt, als er sich ei­ner Her­ab­set­zung sei­ner Ar­beits­vergütung und Erhöhung der ver­trag­li­chen Ar­beits­zeit wi­der­setz­te. Auch wenn die Mehr­zahl der ver­gleich­ba­ren Ar­beit­neh­mer ei­ner ent­spre­chen­den Ver­tragsände­rung zu­ge­stimmt hat, war er un­ter kei­nem recht­li­chen Ge­sichts­punkt ver­pflich­tet, dies auch zu tun.

(2) Durch die Her­aus­nah­me ge­ra­de der­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer aus dem Kreis der An­ge­bots­ und Gra­ti­fi­ka­ti­ons­empfänger, wel­che in zulässi­ger Wei­se ih­re Rech­te aus­geübt hat­ten, ver­stieß die Be­klag­te zum ei­nen ge­gen den ar­beits­ver­trag­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz. Zu­gleich er­gibt sich hier­aus der Cha­rak­ter der vor­ge­nom­me­nen Un­ter­schei­dung zwi­schen „ände­rungs­wil­li­gen“ und „¬un­wil­li­gen“ Ar­beit­neh­mern als Maßre­ge­lung im Sin­ne des § 612 a BGB. Die Wei­ge­rung, der an­ge­tra­ge­nen Ver­tragsände­rung zu­zu­stim­men, war nicht et­wa bloß äußerer An­lass für die vor­ge­nom­me­ne Un­ter­schei­dung, viel­mehr war sie ge­ra­de we­sent­li­ches Mo­tiv für die vor­ge­nom­me­ne Dif­fe­ren­zie­rung, oh­ne dass es dar­auf an­kommt, dass es der Be­klag­ten nicht um ei­ne „Be­stra­fung“ ging. Wie be­reits aus­geführt, liegt auch in ei­ner sach­lich nicht ge­recht­fer­tig­ten Vor­ent­hal­tung von Vor­tei­len ei­ne Maßre­ge­lung im Sin­ne des Ge­set­zes.

(3) So­weit die Be­klag­te dem­ge­genüber ausführt, die An­wen­dung der Vor­schrift des § 612 a BGB schei­te­re schon dar­an, weil es am Merk­mal der „Rechts­ausübung“ feh­le, über­zeugt dies nicht. Der Um­stand, dass der Kläger die ihm an­ge­tra­ge­ne Ände­rung sei­nes Ar­beits­ver­tra­ges mit ver­schlech­tern­den Ar­beits­be­din­gun­gen nicht an­ge­nom­men hat, lässt sich oh­ne wei­te­res als „Rechts­ausübung“ im Sin­ne des § 612 a BGB auf­fas­sen. Von ei­nem sol­chen Verständ­nis ist auch das Bun­des­ar­beits­ge­richt in sei­ner Ent­schei­dung vom 12.06.2002 oh­ne wei­te­res aus­ge­gan­gen. Wenn es dort heißt, die dor­ti­ge Kläge­rin ha­be in zulässi­ger Wei­se ih­re Rech­te aus­geübt, als sie sich ei­ner Verlänge­rung der ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rungs­zeit wi­der­setz­te, so wird hier­mit er­kenn­bar nicht auf ei­ne ak­ti­ve Wi­der­stands­leis­tung, son­dern – wie sich aus dem nach­fol­gen­den Satz der Ent­schei­dungs­gründe er­gibt – al­lein dar­an an­ge­knüpft, dass die dor­ti­ge Kläge­rin der Ar­beits­zeit­verlänge­rung nicht zu­ge­stimmt hat, wo­zu sie un­ter kei­nem recht­li­chen Ge­sichts­punkt ver­pflich­tet ge­we­sen sei.

(4) Eben­so we­nig kann der Be­klag­ten dar­in ge­folgt wer­den, es feh­le an ei­ner „be­nach­tei­li­gen­den Maßnah­me“ im Sin­ne des § 612 a BGB. Wie be­reits aus­geführt, er­gibt sich ei­ne sol­che schon – un­abhängig von Mo­ti­va­ti­on und sach­li­chem Grund – aus dem Ver­gleich zwi­schen dem Kreis der begüns­tig­ten und nicht­begüns­tig­ten Ar­beit­neh­mer. Der Kläger hat kein Ver­trags­an­ge­bot und dem­ent­spre­chend kein Weih­nachts­geld er­hal­ten und be­fin­det sich da­mit in ei­ner ungüns­ti­ge­ren La­ge als die Weih­nachts­geld­empfänger.

(5) Die fest­ge­stell­te Un­gleich­be­hand­lung und Maßre­ge­lung der­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer, wel­che der an­ge­tra­ge­nen Ver­tragsände­rung nicht zu­ge­stimmt ha­ben, kann auch nicht mit der Erwägung ge­recht­fer­tigt wer­den, die­se die­ne der Kom­pen­sa­ti­on er­lit­te­ner Ver­dienstein­bußen. We­der kann der vor­ge­tra­ge­ne Ge­dan­ke der „Kom­pen­sa­ti­on“ die fest­ge­stell­te Un­gleich­be­hand­lung recht­fer­ti­gen, noch wird hier­durch der Maßre­ge­lungs­cha­rak­ter der vor­ge­nom­me­nen Dif­fe­ren­zie­rung in Fra­ge ge­stellt. Als „Kom­pen­sa­ti­ons­leis­tung“, wel­che in sach­lich ge­recht­fer­tig­ter Wei­se ei­ne be­ste­hen­de Un­gleich­be­hand­lung nachträglich kor­ri­gie­ren soll, kann nämlich nur die Gewährung sol­cher Leis­tun­gen ge­se­hen wer­den, wel­che glei­che oder zu­min­dest gleich­ar­ti­ge Leis­tun­gen be­tref­fen. Nicht an­ders als beim „Güns­tig­keits­ver­gleich“ bei der An­wen­dung des § 4 Abs. 3 TVG lässt sich auch im Rah­men der Be­ur­tei­lung, in­wie­fern ei­ne un­ter­schied­li­che Gewährung von Ar­beit­ge­ber­leis­tun­gen ei­ne be­ste­hen­de Un­gleich­heit kom­pen­siert oder aber in Be­zug auf an­de­re ver­trag­li­che Re­ge­lungs­kom­ple­xe ei­ne neue Un­gleich­be­hand­lung be­gründet, nur im Rah­men ei­nes Sach­grup­pen­ver­gleichs er­fol­gen. Würde et­wa die Be­klag­te den­je­ni­gen Ar­beit­neh­mern, wel­che sich mit ei­ner Lohnkürzung ein­ver­stan­den erklärt ha­ben, als Kom­pen­sa­ti­ons­leis­tung zusätz­li­che Ur­laubs­ta­ge gewähren, so wäre dies er­sicht­lich zum Aus­gleich des ge­rin­ge­ren Ar­beits­ein­kom­mens un­ge­eig­net. Berück­sich­tigt man viel­mehr, dass die im Be­trieb be­ste­hen­de Un­gleich­heit die Fra­ge der Lohnhöhe be­trifft, so käme als Kom­pen­sa­ti­ons­leis­tung zur Ab­mil­de­rung der be­ste­hen­den Un­gleich­heit al­lein ein Aus­gleich auf dem Ge­biet des Ar­beits­ent­gelts im Sin­ne der Ge­gen­leis­tung für die er­brach­te Ar­beit in Be­tracht. Dem­ge­genüber lie­fe es auf ei­nen Ver­zicht an Rechts­kon­trol­le am Maßstab von Gleich­be­hand­lungs­grund­satz und Maßre­ge­lungs­ver­bot hin­aus, wenn jed­we­de Dif­fe­ren­zie­rung auf ein noch so­weit ge­fass­tes Kom­pen­sa­ti­ons­mo­tiv gestützt wer­den könn­te.

Vor­lie­gend hat die Be­klag­te den­je­ni­gen Ar­beit­neh­mern, wel­che sich mit ei­ner Re­du­zie­rung der Vergütung ein­ver­stan­den erklärt ha­ben, ei­ne Gra­ti­fi­ka­ti­ons­leis­tung gewährt, wel­che zum ei­nen – wie sich aus der vor­ge­se­he­nen Stich­tags¬ und Rück­zah­lungs­klau­sel er­gibt – die ver­gan­ge­ne Be­triebs­treue ho­no­rie­ren so­wie ei­nen An­reiz für das Ver­blei­ben im Be­trieb be­gründen soll. Da­ne­ben er­gibt sich aus der Staf­fe­lung der An­spruchshöhe nach An­zahl der Krank­heits­ta­ge, dass zu­gleich auch die An­we­sen­heit des Ar­beit­neh­mers ho­no­riert wird. Auch wenn die so be­stimm­te Son­der­zah­lung un­ter den auf­geführ­ten Vor­aus­set­zun­gen letzt­lich zu ei­ner Erhöhung der Ge­samt­jah­res­bezüge führt, zeigt sich doch un­ter Berück­sich­ti­gung der ge­nann­ten An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen, dass es sich hier­bei nicht um ei­ne lau­fend (zeit­an­tei­lig) ver­dien­te und al­lein hin­sicht­lich der Fällig­keit an das Weih­nachts­fest ge­bun­de­ne Ge­gen­leis­tung für die er­brach­te Ar­beit han­delt. Während für den begüns­tig­ten Per­so­nen­kreis ein An­reiz zur Ver­mei­dung von Krank­heits­ta­gen und zur Be­triebs­treue ge­schaf­fen wird, können die­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer, wel­che in der Ver­gan­gen­heit der Ver­tragsände­rung nicht zu­ge­stimmt ha­ben, ei­ne ent­spre­chen­de Leis­tung trotz Be­triebs­treue und ge­sund­heits­be­wuss­ter Le­bensführung nicht er­rei­chen.

(6) So­weit die Be­klag­te schließlich dar­auf ver­weist, im Be­trieb exis­tier­ten nun­mehr zwei ver­schie­de­ne Vergütungs­sys­te­me, je­der Beschäftig­te könne al­lein ver­lan­gen, Leis­tun­gen nach dem für ihn maßgeb­li­chen Vergütungs­sys­tem gewährt zu er­hal­ten, trifft auch die­ser Ein­wand nicht zu. Die Be­klag­te hat sich nicht dar­auf be­schränkt, ih­ren Beschäftig­ten die je­weils ver­trag­lich ver­spro­che­ne Leis­tung zu gewähren. Für die­sen Fall wäre in der Tat ein Ver­s­toß ge­gen den Gleich­be­hand­lungs­grund­satz zu ver­nei­nen, da sich die­ser auf Fall­ge­stal­tun­gen be­schränkt, in de­nen der Ar­beit­ge­ber den Ar­beit­neh­mer außer­halb recht­li­cher Bin­dun­gen „be­han­delt“. Al­lein die Erfüllung un­ter­schied­li­cher Rechts­ansprüche kann ei­nen Ver­s­toß ge­gen den Gleich­be­hand­lungs­grund­satz nicht be­gründen. Die maßgeb­li­che Un­gleich­be­hand­lung liegt je­doch dar­in, dass die Be­klag­te al­lein ei­nem Teil der Beschäftig­ten ein ent­spre­chen­des Ver­trags­an­ge­bot un­ter­brei­tet und hier­bei dar­auf ab­ge­stellt hat, dass nur für die­je­ni­gen Per­so­nen ein An­spruch auf Weih­nachts­geld be­gründet wer­den soll­te, wel­che der früher an­ge­tra­ge­nen Ver­tragsände­rung zu­ge­stimmt hat­ten. Dass hier­in kein zulässi­ges Dif­fe­ren­zie­rungs­kri­te­ri­um liegt, hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt in der be­reits zi­tier­ten Ent­schei­dung zur Er­folgs­be­tei­li­gung (AP Nr. 8 zu § 612 a BGB) über­zeu­gend aus­geführt. Für die hier gewähr­te Weih­nachts­geld­zah­lung gilt nichts an­de­res. Dem­ent­spre­chend kann der Kläger wie die übri­gen begüns­tig­ten Beschäftig­ten für das Jahr 2003 ei­ne ent­spre­chen­de Zah­lung be­an­spru­chen.

2. Über die Höhe der zu be­an­spruch­ten Leis­tung be­steht un­ter den Par­tei­en kein Streit.

II

Die Kos­ten der er­folg­lo­sen Be­ru­fung hat die Be­klag­te zu tra­gen.

III

Die Kam­mer hat die Re­vi­si­on ge­gen das Ur­teil gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zu­ge­las­sen.

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