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LAG Düs­sel­dorf, Be­schluss vom 10.06.2011, 13 Ta 203/11

   
Schlagworte: Zeugnis
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Aktenzeichen: 13 Ta 203/11
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 10.06.2011
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Essen, Urteil vom 16.03.2011, 6 Ca 1532/10
nachgehend:
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 09.09.2011, 3 AZB 35/11
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf

Te­nor:

Auf die so­for­ti­ge Be­schwer­de der Schuld­ne­rin vom 04.04.2011 wird der Zwangs­voll­stre­ckungs­be­schluss des Ar­beits­ge­richts Es­sen vom 16.03.2011 - 6 Ca 1532/10 - ab­geändert:

Der Zwangs­voll­stre­ckungs­an­trag des Gläubi­gers vom 21.01.2011 wird zurück­ge­wie­sen.

Die Kos­ten des Zwangs­voll­stre­ckungs­ver­fah­rens hat der Gläubi­ger zu tra­gen.

Be­schwer­de­wert: 3.562,00 €.

Die Rechts­be­schwer­de wird zu­ge­las­sen.

Gründe

A.

Im Rah­men ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge schlos­sen die Be­tei­lig­ten im Aus­gangs­ver­fah­ren am 04.08.2010 ei­nen Ver­gleich, in wel­chem es un­ter an­de­rem heißt:

2. Die Be­klag­te er­stellt zu­guns­ten des Klägers ein pflicht­gemäßes qua­li­fi­zier­tes Zeug­nis über den Ge­samt­zeit­raum der dor­ti­gen Beschäfti­gung des Klägers seit dem Jah­re 1987 ent­spre­chend ei­nem der Be­klag­ten vom Kläger noch vor­zu­le­gen­den Ent­wurf, der in­ner­halb ei­nes an­ge­mes­se­nen Zeit­rau­mes von zwei Wo­chen ab Über­las­sung des Ent­wur­fes auf dem Brief­kopf der Be­klag­ten mit dem Da­tum des 04.05.2010 aus­ge­fer­tigt, von dem Geschäftsführer der Be­klag­ten un­ter­zeich­net und als ord­nungs­gemäßes Zeug­nis an den Kläger zurück­ge­reicht wird.

Der Gläubi­ger über­mit­tel­te der Schuld­ne­rin ei­nen Zeug­nis­ent­wurf. Die­se er­teil­te ihm je­doch ein Zeug­nis, wel­ches un­ter an­de­rem in der Tätig­keits­be­schrei­bung so­wie der Be­wer­tung von Leis­tung und Ver­hal­ten von dem Ent­wurf ab­wich.

Der Gläubi­ger meint, der Ver­gleich ha­be ei­nen voll­stre­ckungsfähi­gen In­halt, da das Voll­stre­ckungs­ge­richt le­dig­lich zu prüfen ha­be, ob ei­ne Übe­rein­stim­mung zwi­schen sei­nem Ent­wurf und dem vom Schuld­ner ggfs. er­stell­ten Zeug­nis be­ste­he.

Mit Schrift­satz vom 21.01.2011 hat der Gläubi­ger be­an­tragt, ge­gen die Schuld­ne­rin ein Zwangs­geld fest­zu­set­zen "zur Er­zwin­gung der im ... Ver­gleich ... nie­der­ge­leg­ten Ver­pflich­tung, dem Gläubi­ger ein qua­li­fi­zier­tes Zeug­nis ent­spre­chend dem die­ser An­trags­schrift als An­la­ge bei­gefügten Ent­wurf des Gläubi­gers ... aus­zu­fer­ti­gen."

Die Schuld­ne­rin hat die Zurück­wei­sung des An­trags be­gehrt, da der In­halt des ver­lang­ten Zeug­nis­ses nicht der Wahr­heit ent­spre­che.

Mit Be­schluss vom 16.03.2011 hat das Ar­beits­ge­richt ge­gen die Schuld­ne­rin ein Zwangs­geld von 500,--€ fest­ge­setzt.

Ge­gen den ihr am 23.03.2011 zu­ge­stell­ten Be­schluss hat die Schuld­ne­rin am 04.04.2011 so­for­ti­ge Be­schwer­de ein­ge­legt.

B.

1.Die so­for­ti­ge Be­schwer­de ist zulässig: Sie ist nach §§ 62 Abs. 2 Satz 1, 78 Satz 1 ArbGG, 793, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statt­haft und auch frist­ge­recht (§ 569 Abs. 1 ZPO) ein­ge­legt wor­den.

2.Sie hat auch in der Sa­che Er­folg. Der be­an­trag­te Zwangs­voll­stre­ckungs­be­schluss kann be­reits des­halb nicht er­las­sen wer­den, weil es an ei­nem ent­spre­chen­den voll­stre­ckungsfähi­gen Ti­tel fehlt.

a)Al­ler­dings wird in der Recht­spre­chung teil­wei­se an­ge­nom­men, die Ver­pflich­tung ei­nes Ar­beit­ge­bers in ei­nem ge­richt­li­chen Ver­gleich, ein Zeug­nis nach ei­nem vom Ar­beit­neh­mer noch zu er­stel­len­den For­mu­lie­rungs­vor­schlag zu er­tei­len, sei voll­streck­bar (LAG Köln 02.01.2009 - 9 Ta 530/08 - JurBüro 2009, 271; LAG Hamm 04.08.2010 - 1 Ta 196/10 - ju­ris). Nach Auf­fas­sung der er­ken­nen­den Be­schwer­de­kam­mer ste­hen die­ser An­sicht je­doch an­er­kann­te Grundsätze der Zwangs­voll­stre­ckung ent­ge­gen.

b)Der Schuld­ner muss aus ei­nem Voll­stre­ckungs­ti­tel zu­verlässig er­ken­nen können, wel­che Ver­pflich­tun­gen er vor­zu­neh­men hat, zu de­nen er durch Zwangs­geld und not­falls auch durch Zwangs­haft ge­zwun­gen wer­den kann. Er muss be­reits aus rechts­staat­li­chen Gründen wis­sen, in wel­chen Fällen ihm die­se Maßnah­men dro­hen. Un­klar­hei­ten über den In­halt des Voll­stre­ckungs­ti­tels können nicht im Voll­stre­ckungs­ver­fah­ren gelöst wer­den. Des­sen Auf­ga­be ist es zu klären, ob der Schuld­ner ei­ner fest­ge­setz­ten Ver­pflich­tung nach­ge­kom­men ist, nicht aber, ob und ge­ge­be­nen­falls in wel­chem Um­fang die­se be­steht. Dies ent­spricht ständi­ger Recht­spre­chung (vgl. nur BAG 28.02.2003 - 1 AZB 53/02 - NZA 2003, 516 = AP ArbGG 1979 nF § 78 Nr. 2 mwN). Der Streit der Par­tei­en darf nicht in die Voll­stre­ckung ver­la­gert wer­den (BAG 10.05.2005 - 9 AZR 230/04 - NZA 2006, 155).

Da­bei kann ein Voll­stre­ckungs­ti­tel grundsätz­lich nur aus sich her­aus aus­ge­legt wer­den. Umstände, die außer­halb des Ti­tels lie­gen, dürfen bei der Aus­le­gung in der Re­gel nicht berück­sich­tigt wer­den (BAG 28.02.2003 - 1 AZB 53/02 - NZA 2003, 516 un­ter RN 18; BGH 25.08.1999 - XII ZR 136/97 - ju­ris). Al­ler­dings be­steht die Möglich­keit, im Ti­tel auf an­de­re Ur­kun­den zu ver­wei­sen. Für Ur­tei­le folgt dies aus der Re­ge­lung des § 313 Abs. 2 ZPO, die ei­ne Ver­wei­sung auf Schriftsätze, Pro­to­kol­le und an­de­re Un­ter­la­gen aus­drück­lich vor­sieht. So­weit das Ge­richt da­von Ge­brauch ge­macht hat, sind die­se Un­ter­la­gen des­halb als Teil des voll­streck­ba­ren Ti­tels zu be­trach­ten (BAG 15.04.2009 - 3 AZB 93/08 - NZA 2009, 917).

c)Mit ei­ner der­ar­ti­gen Ver­wei­sung ist die hier zu be­ur­tei­len­de Kon­stel­la­ti­on je­doch nicht ver­gleich­bar. Die Un­ter­la­ge, auf die im Ver­gleich ver­wie­sen wird, war bei Ver­gleichs­ab­schluss noch nicht exis­tent. Die Ver­pflich­tung der Schuld­ne­rin ist des­halb nicht hin­rei­chend kon­kret be­schrie­ben: Sie weiß le­dig­lich, dass sie sich nach dem Ent­wurf des Gläubi­gers zu rich­ten hat, je­doch nicht, wie die­ser aus­sieht. Deut­lich wird dies be­reits dar­aus, dass der Gläubi­ger in sei­nen Voll­stre­ckungs­an­trag - um die­sen be­stimmt zu ma­chen - sei­nen Zeug­nis­ent­wurf mit auf­ge­nom­men hat. An­ders ließe sich auch nicht prüfen, ob die Schuld­ne­rin ih­re Ver­pflich­tung aus dem Ver­gleich erfüllt hat.

Der Ver­gleich erschöpft sich zu­dem nicht dar­in, ei­ne - in der Er­stel­lung ei­nes Ent­wurfs durch den Gläubi­ger be­ste­hen­de - be­ding­te Ver­pflich­tung iSd. § 726 Abs. 1 ZPO zu sta­tu­ie­ren. Viel­mehr ist der Zeug­nis­ent­wurf nicht nur Vor­aus­set­zung für die Voll­stre­ckung selbst ("Ob"), son­dern be­stimmt zu­gleich erst de­ren In­halt ("Wie"). Da­mit ist der In­halt der Hand­lungs­pflicht der Schuld­ne­rin von ei­nem Ver­hal­ten abhängig, das bei der Er­stel­lung des Ti­tels we­der be­stimmt noch be­stimm­bar ist. Der Gläubi­ger be­ruft sich nicht le­dig­lich dar­auf, die Schuld­ne­rin ha­be ihm kein Zeug­nis er­teilt, ob­wohl er ihr ei­nen Ent­wurf zur Verfügung ge­stellt hat. Sein Voll­stre­ckungs­an­trag ist viel­mehr dar­auf ge­rich­tet, dass die Schuld­ne­rin den In­halt des Zeug­nis­ses sei­nem Ent­wurf ent­nimmt.

Letzt­lich zeigt auch der Streit der Be­tei­lig­ten darüber, ob die Schuld­ne­rin aus Gründen der Zeug­nis­wahr­heit vom Ent­wurf des Gläubi­gers ab­wei­chen durf­te, deut­lich auf, dass die in­so­weit zu lösen­den Fra­ge­stel­lun­gen nur in ei­nem Er­kennt­nis­ver­fah­ren zu lösen sind. Ent­spre­chend hat auch das sei­tens des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm in der zi­tier­ten Ent­schei­dung an­geführ­te Ar­beits­ge­richt Ber­lin (02.04.2008 - 29 Ca 13850/07 - ju­ris) den dor­ti­gen Streit im Er­kennt­nis­ver­fah­ren ent­schie­den (ähn­lich wie hier auch: LAG Rhein­land-Pfalz 23.03.2011 - 3 Ta 251/10 - ju­ris; 01.04.2009 - 3 Ta 40/09 - ju­ris).

C.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf §§ 891 Satz 3, 91 Abs. 1 ZPO. Die Höhe des Be­schwer­de­werts ent­spricht in Zwangs­voll­stre­ckungs­ver­fah­ren nach § 888 ZPO grundsätz­lich dem Haupt­sa­che­wert und auch im Übri­gen nach ständi­ger Recht­spre­chung der Be­schwer­de­kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf und der herr­schen­den Mei­nung dem Wert des zu voll­stre­cken­den An­spruchs. Bei ei­nem Zeug­nis­an­spruch beläuft sich die­ser in der Re­gel auf ei­nen Mo­nats­ver­dienst.

Die Kam­mer hat die Rechts­be­schwer­de nach § 574 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 ZPO im Hin­blick auf die Ab­wei­chung von der Recht­spre­chung der Lan­des­ar­beits­ge­rich­te Hamm und Köln zu­ge­las­sen.

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