HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BGH, Be­schluss vom 02.06.2010, IV ZR 241/09

   
Schlagworte: Rechtsanwaltskosten, Rechtsschutzversicherung, Schwerbehinderung
   
Gericht: Bundesgerichtshof
Aktenzeichen: IV ZR 241/09
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 02.06.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Landgericht München, Urteil vom 12.11.2009, 31 S 10228/08
Amtsgericht München, Urteil vom 16.05.2008, 171 C 20871/07
   

BUN­DES­GERICH­TSHOF

BESCHLUSS

IV ZR 241/09

vom

2. Ju­ni 2010

in dem Rechts­streit

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Der IV. Zi­vil­se­nat des Bun­des­ge­richts­ho­fes hat durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter Ter­no, den Rich­ter Wendt, die Rich­te­rin­nen Dr. Kes­sal-Wulf, Hars­dorf-Geb­hardt und den Rich­ter Leh­mann

am 2. Ju­ni 2010

be­schlos­sen:

Der Se­nat be­ab­sich­tigt, die Re­vi­si­on ge­gen das Ur­teil der 31. Zi­vil­kam­mer des Land­ge­richts München I vom 12. No­vem­ber 2009 gemäß § 552a ZPO zurück­zu­wei­sen.

Die Par­tei­en er­hal­ten Ge­le­gen­heit zur Stel­lung­nah­me bis zum

2. Ju­li 2010.

Gründe:

I. Die Par­tei­en strei­ten nur noch darüber, ob der be­klag­te Rechts­schutz­ver­si­che­rer auch für die im Ver­fah­ren vor dem In­te­gra­ti­ons­amt gemäß §§ 85 ff. SGB IX ge­trof­fe­ne Ver­ein­ba­rung über die Auflösung und Ab­wick­lung des Ar­beits­verhält­nis­ses De­ckungs­schutz zu gewähren hat.

Der Ar­beit­ge­ber des schwer­be­hin­der­ten Klägers hat­te mit An­walts­schrei­ben vom 18. Mai 2006 beim Lan­des­wohl­fahrts­ver­band (In­te­gra­ti­ons­amt) den An­trag auf Zu­stim­mung zur Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­stellt. Darüber un­ter­rich­te­te das In­te­gra­ti­ons­amt den Kläger mit

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Schrei­ben vom 22. Mai 2006, wor­auf die­ser ei­ne An­walts­kanz­lei mit der Wahr­neh­mung sei­ner In­ter­es­sen be­auf­trag­te. Am 8. Ju­ni 2006 fand ein Erörte­rungs­ter­min vor dem In­te­gra­ti­ons­amt un­ter Teil­nah­me der Rechts­beistände der Ar­beits­ver­trags­par­tei­en statt. Im Rah­men die­ses Ver­fah­rens verständig­ten sich bei­de Sei­ten un­ter Mit­wir­kung des In­te­gra­ti­ons­am­tes auf die von ih­ren Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­ten im De­tail aus­ge­ar­bei­te­te Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses. Die Be­klag­te gewähr­te mit Schrei­ben vom 23. Ju­ni 2006 "Kos­ten­schutz für die außer­ge­richt­li­che In­ter­es­sen­wahr­neh­mung" und wies am En­de des Schrei­bens dar­auf hin, dass "für die Aus­hand­lung von Auf­he­bungs­verträgen ... be­din­gungs­gemäß kein Kos­ten­schutz" be­ste­he.

Amts­ge­richt und Land­ge­richt ha­ben dem Kläger Kos­ten­schutz für die ihm in Rech­nung ge­stell­te Ei­ni­gungs­gebühr zu­ge­spro­chen. Bei­de In­stan­zen sind von ei­nem Rechts­schutz­fall gemäß § 4 (1) c) der dem Ver­si­che­rungs­ver­trag zu­grun­de lie­gen­den Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen (ARB) aus­ge­gan­gen, wo­nach "im Ar­beits­rechts­schutz gemäß § 2 b) ... als Rechts­schutz­fall auch be­reits ei­ne in­di­vi­du­ell an­ge­droh­te Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses" gilt und ha­ben ei­ne ein­heit­li­che Strei­tig­keit - das Ver­fah­ren vor dem In­te­gra­ti­ons­amt - zu­grun­de ge­legt.

II. Die Vor­aus­set­zun­gen für die Zu­las­sung lie­gen nicht vor.

Der Rechts­sa­che kommt kei­ne grundsätz­li­che Be­deu­tung i.S. von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Dafür genügt es nicht, dass ei­ne Ent­schei­dung von der Aus­le­gung ei­ner Klau­sel in All­ge­mei­nen Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen abhängt. Er­for­der­lich ist viel­mehr, dass de­ren Aus­le­gung über den kon­kre­ten Rechts­streit hin­aus in Recht­spre­chung und

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Rechts­leh­re oder in den be­tei­lig­ten Ver­kehrs­krei­sen um­strit­ten ist (Se­nats­be­schluss vom 10. De­zem­ber 2003 - IV ZR 319/02 - r+s 2004, 166 un­ter II 2 b) und die Rechts­sa­che da­mit ei­ne Rechts­fra­ge im kon­kre­ten Fall als ent­schei­dungs­er­heb­lich, klärungs­bedürf­tig und klärungsfähig auf­wirft und des­halb das abs­trak­te In­ter­es­se der All­ge­mein­heit an der ein­heit­li­chen Ent­wick­lung und Hand­ha­bung des Rechts berührt (BGHZ 154, 288, 291; 152, 182, 191).

Dass die­se Vor­aus­set­zun­gen bei den Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen der von dem Kläger bei der Be­klag­ten ge­nom­me­nen Rechts­schutz­ver­si­che­rung erfüllt sein könn­ten, wird we­der im Be­ru­fungs­ur­teil noch in der Re­vi­si­ons­be­gründung dar­ge­legt. Auch der Se­nat konn­te nicht fest­stel­len, dass zu der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung und den sie tra­gen­den Gründen an­de­re Rechts­auf­fas­sun­gen ver­tre­ten wer­den.

Ins­be­son­de­re wirft der in § 4 (1) c) ARB all­ge­mein verständ­lich fest­ge­leg­te Rechts­schutz­fall im Ar­beits­rechts­schutz mit sei­ner An­knüpfung an "ei­ne in­di­vi­du­ell an­ge­droh­te Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses" Verständ­nis­fra­gen oder für die Ent­schei­dung er­heb­li­che klärungsfähi­ge und klärungs­bedürf­ti­ge Ab­gren­zungs­fra­gen nicht auf.

Ein darüber hin­aus­ge­hen­der abs­trakt ge­ne­rel­ler Klärungs­be­darf ist we­der dar­ge­tan noch sonst er­sicht­lich.

III. Die Re­vi­si­on hat auch in der Sa­che kei­nen Er­folg. Die Vor­in­tan­zen ha­ben rich­tig ent­schie­den.

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Mit Ein­lei­tung des Zu­stim­mungs­ver­fah­rens gemäß §§ 85 ff. SGB IX hat der Ar­beit­ge­ber des Klägers den Rechts­schutz­fall gemäß § 4 (1) c) ARB aus­gelöst. Er hat dem Kläger da­mit be­kannt ge­ge­ben, dass er das Ar­beits­verhält­nis mit ihm über ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung be­en­den will. Das erfüllt die für den Ein­tritt des Rechts­schutz­fal­les im Ar­beits­rechts­schutz fest­ge­leg­te "in­di­vi­du­ell an­ge­droh­te Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses".

An die zusätz­li­che Dar­le­gung ei­nes ver­s­toßabhängi­gen Recht­schutz­fal­les gemäß § 4 (1) a) ARB knüpft der Rechts­schutz­fall gemäß § 4 (1) c) ARB - an­ders als die Re­vi­si­on an­neh­men möch­te - nach Wort-laut, Sys­te­ma­tik und Zweck der Re­ge­lung - für den durch­schnitt­li­chen Ver­si­che­rungs­neh­mer er­kenn­bar - nicht an. Vor die­sem Hin­ter­grund erklärt sich auch die von der Be­klag­ten zu­tref­fend er­teil­te De­ckungs­zu­sa­ge für die außer­ge­richt­li­che In­ter­es­sen­wahr­neh­mung vor dem In­te­gra­ti­ons­amt.

Die Pflicht des In­te­gra­ti­ons­am­tes gemäß § 87 Abs. 3 SGB IX, in je­der La­ge des Ver­fah­rens auf ei­ne gütli­che Ei­ni­gung hin­zu­wir­ken, be­zieht sich nach ein­hel­li­ger Auf­fas­sung auch auf den Ab­schluss ei­ner Auf­he­bungs­ver­ein­ba­rung (Hauck/Noftz, SGB K § 87 Rdn. 17; Müller-Wen­ner/Schorn, SGB IX Teil 2 § 87 Rdn. 38; Kos­sens/von der Hei­de/ Maaß, SGB IX 2. Aufl. § 87 Rdn. 18; Kreit­ner in: Ju­risPK-SGB IX, § 87 SGB IX Rdn. 31; GK-SGB IX-Lam­pe, § 87 Rdn. 85 ff., 90 f.). We­gen der da­bei zu be­ach­ten­den mögli­chen so­zi­al­recht­li­chen Kon­se­quen­zen (vgl. FKS-SGB IX-Schmitz, § 87 Rdn. 15) be­steht für den Ver­si­che­rungs­neh­mer in­so­weit so­gar ein ge­stei­ger­ter Be­ra­tungs­be­darf. Die schließlich ge­trof­fe­ne Ver­ein­ba­rung über die Auflösung und Ab­wick­lung des Ar­beits­verhält­nis­ses gehört da­mit zu der not­wen­di­gen In­ter­es­sen­wahr­neh­mung

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in dem Ver­fah­ren vor dem In­te­gra­ti­ons­amt, für das die Be­klag­te De­ckung zu­ge­sagt hat. Ei­ne da­von zu tren­nen­de zwei­te Strei­tig­keit im Sin­ne der Re­vi­si­ons­zu­las­sung durch das Be­ru­fungs­ge­richt gibt es nicht. Das hat auch die Rechts­an­walts­kam­mer F. in ih­rer Stel­lung­nah­me vom 23. Ju­li 2009 be­reits über­zeu­gend aus­geführt.

Auf al­le wei­te­ren von der Re­vi­si­on auf­ge­wor­fe­nen Fra­gen kommt es nicht mehr an.

 

Ter­no 

Wendt 

Dr. Kes­sal-Wulf

Hars­dorf-Geb­hardt 

Leh­mann

 

Hin­weis: Das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren ist durch Re­vi­si­onsrück­nah­me er­le­digt wor­den.

Vor­in­stan­zen:

AG München, Ent­schei­dung vom 16.05.2008 - 171 C 20871/07 -
LG München I, Ent­schei­dung vom 12.11.2009 - 31 S 10228/08 -

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