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BAG, Ur­teil vom 21.08.2014, 8 AZR 655/13

   
Schlagworte: Herausgabepflicht
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 8 AZR 655/13
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 21.08.2014
   
Leitsätze: In entsprechender Anwendung des Auftragsrechts (§ 667 BGB) besteht im Arbeitsverhältnis die Verpflichtung des Arbeitnehmers, der Arbeitgeberin als Auftraggeberin alles, was aus der Geschäftsbesorgung erlangt wurde, herauszugeben oder jedenfalls zu ersetzen. Dazu gehören bei Tätigkeit in einem Krematorium Edelmetallrückstände aus der Krematoriumsasche.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hamburg, Teilurteil vom 12.9.2012 - 3 Ca 248/12
Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 26.6.2013 - 5 Sa 110/12
   

Bun­des­ar­beits­ge­richt

8 AZR 655/13

5 Sa 110/12

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ham­burg

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

21. Au­gust 2014

Ur­teil

Förs­ter, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­ter zu 1., Be­ru­fungs­be­klag­ter und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Kläge­rin, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­ons­be­klag­te

hat der Ach­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 21. Au­gust 2014 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Hauck, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Brein­lin­ger, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Win­ter so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Wro­blew­ski und Wein für Recht er­kannt:

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Auf die Re­vi­si­on des Be­klag­ten zu 1. wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 26. Ju­ni 2013 - 5 Sa 110/12 - auf­ge­ho­ben.

Der Rechts­streit wird zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung - auch über die Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens - an das Be­ru­fungs­ge­richt zurück­ver­wie­sen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand



Die Par­tei­en strei­ten über Scha­dens­er­satz­ansprüche, die die Kläge­rin we­gen der Weg­nah­me und Ver­wer­tung von Zahn­gold aus Kre­ma­to­ri­um­s­a­sche gel­tend macht.

Die Kläge­rin, ei­ne An­stalt öffent­li­chen Rechts, war bis En­de 2009 Be­trei­be­rin ua. des Kre­ma­to­ri­ums H. Seit An­fang des Jah­res 2010 wird die­ses von ei­ner Toch­ter­ge­sell­schaft - der H K GmbH (im Fol­gen­den: Toch­ter­ge­sell­schaft HK) - be­trie­ben. Der Be­klag­te zu 1. war seit 1995 in dem Kre­ma­to­ri­um bei der Kläge­rin bzw. de­ren Rechts­vorgänge­rin beschäftigt. Je­den­falls bis Mai 2005 be­dien­te der Be­klag­te zu 1. die Einäsche­rungs­an­la­ge, seit Ju­ni 2005 war er über­wie­gend im Büro der An­la­ge tätig.

Die mit der Einäsche­rung be­trau­ten Beschäftig­ten hat­ten den Vor­ga­ben der Kläge­rin (in Form von Richt­li­ni­en und An­wei­sun­gen zum Um­gang mit Zahn­gold und an­de­ren Wert­ge­genständen) zu­fol­ge im An­schluss an die Ver­bren­nung die Asche­res­te auf Edel­me­tal­le und Im­plan­ta­te zu un­ter­su­chen. Zahn­gold war so­dann in ein dafür vor­ge­se­he­nes Tre­sor­behält­nis zu le­gen. Der Be­klag­te zu 1. war - je­den­falls auch - zuständig für die Ent­lee­rung des Tre­sor­behält­nis­ses, das Wie­gen ent­nom­me­nen Edel­me­talls, das Führen ei­nes Kon­troll­buchs zur Do­ku­men­ta­ti­on der Ent­nah­men und die Ver­wah­rung des Schlüssels für das Tre­sor­behält­nis. Ab dem Jah­re 2003 wur­den die Beschäftig­ten der Kläge­rin

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mehr­fach schrift­lich dar­auf hin­ge­wie­sen, dass Wert­ge­genstände Ver­stor­be­ner nicht pri­vat ein­be­hal­ten wer­den dürfen.

Ab Ok­to­ber 2009 er­hielt die Kläge­rin Hin­wei­se auf Un­re­gelmäßig­kei­ten und be­nach­rich­tig­te die Po­li­zei. Im Zu­ge ei­nes straf­recht­li­chen Er­mitt­lungs­ver­fah­rens we­gen schwe­ren Ban­den­dieb­stahls, Störung der To­ten­ru­he und Ver­wah­rungs­bruchs er­stell­te Vi­deo­auf­nah­men zeig­ten laut ei­nem po­li­zei­li­chen Ver­merk, dass Beschäftig­te des Kre­ma­to­ri­ums die Asche der Ver­stor­be­nen ge­zielt nach Ge­genständen durch­such­ten, „um die­se se­lek­tier­ten Ge­genstände an­sch­ließend zu ent­wen­den“. Bei Haus­durch­su­chun­gen wur­den Zahn­gold aus Kre­mie­rungsrückständen und er­heb­li­che Geld­beträge ge­fun­den, so­wie in der ge­mein­sa­men Woh­nung des Be­klag­ten zu 1. und sei­ner Le­bens­gefähr­tin - der Be­klag­ten zu 2. - ua. Un­ter­la­gen über Verkäufe von Edel­me­tall. Dar­auf­hin kündig­te die hie­si­ge Kläge­rin dem Be­klag­ten zu 1. im Ok­to­ber 2010 frist­los. Ei­ne ge­gen die­se Kündi­gung er­ho­be­ne Kla­ge blieb er­folg­los.

Die Kläge­rin macht mit ih­rer ge­samt­schuld­ne­risch ge­gen bei­de Be­klag­te ge­rich­te­ten Kla­ge zu­letzt noch Scha­dens­er­satz­ansprüche für den Zeit­raum von 2003 bis 2009 gel­tend. Das Ar­beits­ge­richt hat den Rechts­streit ge­gen die zwi­schen­zeit­lich ver­stor­be­ne Be­klag­te zu 2. nach § 246 ZPO aus­ge­setzt.

Die Kläge­rin hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, der Be­klag­te zu 1. sei ihr we­gen Ver­let­zung sei­ner Ver­trags­pflich­ten zum Scha­dens­er­satz ver­pflich­tet. An dem nach Einäsche­rung her­ren­lo­sen Zahn­gold ha­be sie im We­ge der An­eig­nung nach § 958 Abs. 1 BGB Ei­gen­tum er­wor­ben. Die Erlöse aus den Zahn­gold­verkäufen sei­en in der Ver­gan­gen­heit an so­zia­le Ein­rich­tun­gen ge­spen­det wor­den. Ein vor­ran­gi­ges An­eig­nungs­recht Drit­ter be­ste­he nicht. Je­den­falls hätten An­gehöri­ge wie Er­ben zu­min­dest kon­klu­dent auf ei­ne Gel­tend­ma­chung ver­zich­tet. Vor­sorg­lich ha­be sie sich ermäch­ti­gen las­sen, mögli­che Scha­dens­er­satz­ansprüche auch der Toch­ter­ge­sell­schaft HK ge­richt­lich gel­tend zu ma­chen.

 

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Die Kläge­rin hat ge­genüber dem Be­klag­ten zu 1. zu­letzt be­an­tragt,


ihn zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin ins­ge­samt 255.610,41 Eu­ro mit ge­staf­fel­ten Zinsläufen zu zah­len.


Der Be­klag­te zu 1. hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt. Er be­strei­tet die Ak­tiv­le­gi­ti­ma­ti­on der Kläge­rin. Wenn über­haupt, dann könne nur die Toch­ter­ge­sell­schaft HK Ansprüche gel­tend ma­chen. Je­den­falls sei der Kläge­rin kein Scha­den ent­stan­den. Sie ha­be kein Ei­gen­tum an dem Zahn­gold er­wor­ben. Even­tu­el­le Ansprüche sei­en verjährt.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Scha­dens­er­satz­kla­ge, so­weit sie ge­gen den Be­klag­ten zu 1. ge­rich­tet ist, mit Teil­ur­teil ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat ihr in der zu­letzt be­an­trag­ten Höhe statt­ge­ge­ben. Be­tref­fend ei­nes wei­ter­ge­hen­den An­spruchs - iHv. 18.072,56 Eu­ro für das Jahr 2010 - hat es die Be­ru­fung der Kläge­rin zurück­ge­wie­sen. Mit der nur für ihn zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt der Be­klag­te zu 1. sei­nen Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag wei­ter.

 

Ent­schei­dungs­gründe



Die zulässi­ge Re­vi­si­on des Be­klag­ten zu 1. ist be­gründet. Das an­ge­grif­fe­ne Ur­teil ist auf­zu­he­ben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sa­che zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Be­ru­fungs­ge­richt zurück­zu­ver­wei­sen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der Be­gründung des Lan­des­ar­beits­ge­richts konn­te die Be­ru­fung des Be­klag­ten zu 1. nicht zurück­ge­wie­sen wer­den, da die Ak­tiv­le­gi­ti­ma­ti­on der Kläge­rin nicht fest­steht. Man­gels aus­rei­chen­der Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts konn­te der Se­nat nicht ab­sch­ließend ent­schei­den.

A. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat sei­ne Ent­schei­dung im We­sent­li­chen wie folgt be­gründet: Die Kläge­rin ha­be ge­genüber dem Be­klag­ten zu 1. ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch im Um­fang des ihm und der Be­klag­ten zu 2. in der Zeit von Mai 2003 bis En­de 2009 zu­ge­flos­se­nen Erlöses aus Verkäufen von Den­tal­scheid­gut.

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Die­ser An­spruch er­ge­be sich zwar we­der aus § 823 BGB noch aus ei­ner Ver­let­zung ar­beits­ver­trag­li­cher Pflich­ten. Dafür feh­le es an ei­nem der Kläge­rin ent­stan­de­nen Scha­den. Sie ha­be an dem in der Asche ver­blie­be­nen Edel­me­tall kein Ei­gen­tum er­langt. Ei­ne An­eig­nung her­ren­lo­ser Sa­chen nach § 958 Abs. 1 BGB durch In­be­sitz­nah­me schei­de we­gen ei­ner Ver­let­zung des vor­ran­gi­gen An­eig­nungs­rechts der Er­ben oder der To­tenfürsor­ge­be­rech­tig­ten (§ 958 Abs. 2 BGB) aus. Ein kon­klu­den­ter Ver­zicht der vor­ran­gig An­eig­nungs­be­rech­tig­ten könne nicht an­ge­nom­men wer­den, denn die­se gin­gen re­gelmäßig da­von aus, dass die Asche mit al­len ih­ren Be­stand­tei­len in die Ur­ne ge­lan­ge.

Je­doch fol­ge aus ei­ner ent­spre­chen­den An­wen­dung des Auf­trags­rechts (§ 667 ff. BGB) ein Her­aus­ga­be­an­spruch der Kläge­rin bzw. haf­te der Be­auf­trag­te bei ver­schul­de­ter Unmöglich­keit der Her­aus­ga­be auf Scha­dens­er­satz (§ 280 BGB). Auch wenn Ar­beit­neh­mer nicht im Sin­ne von § 662 BGB un­ent­gelt­lich tätig würden, ent­hiel­ten die auf­trags­recht­li­chen Be­stim­mun­gen all­ge­mei­ne Grundsätze, die auf Ar­beits­verhält­nis­se ent­spre­chend an­zu­wen­den sei­en. Ein Her­aus­ga­be­an­spruch könne vor­lie­gend so­wohl nach § 667 Alt. 1 BGB als auch nach § 667 Alt. 2 BGB be­ste­hen. Da das er­lang­te bzw. er­hal­te­ne Edel­me­tall zur wei­te­ren Ver­ar­bei­tung un­ter Ein­schmel­zen veräußert wor­den sei, ha­be der Be­klag­te zu 1. den Her­aus­ga­be­an­spruch der Kläge­rin vorsätz­lich unmöglich wer­den las­sen, wes­halb die Kläge­rin nach § 280 Abs. 1 BGB ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch ha­be. Die­ser sei nicht verjährt.

Für das Jahr 2010 hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt ei­nen An­spruch der Kläge­rin ver­neint und in­so­weit die Re­vi­si­on nicht zu­ge­las­sen. Die Über­nah­me des Kre­ma­to­ri­ums durch die Toch­ter­ge­sell­schaft HK zu Be­ginn des Jah­res 2010 könne als Be­triebsüber­gang und Ar­beit­ge­ber­wech­sel iSd. § 613a BGB zu qua­li­fi­zie­ren sein. Zu ei­nem da­mit ggf. ver­bun­de­nen Gläubi­ger­wech­sel ha­be die Kläge­rin selbst auf Nach­fra­ge kei­ne An­ga­ben ge­macht. Ei­ne nur schriftsätz­lich vor­ge­tra­ge­ne Ermäch­ti­gung sei „recht­lich nicht wei­terführend“.

B. Die Re­vi­si­on des Be­klag­ten zu 1. ist be­gründet. Die Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts hält nicht in al­len Punk­ten ei­ner re­vi­si­ons­recht­li­chen Über­prüfung stand. Zwar hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt in der Sa­che rich­tig und

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mit zu­tref­fen­der Be­gründung er­kannt, dass der Ar­beit­ge­ber als Be­trei­ber des Kre­ma­to­ri­ums grundsätz­lich ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch hat, wenn ein Ar­beit­neh­mer Zahn­gold aus Kre­mie­rungsrückständen an sich nimmt. Je­doch hat es außer Acht ge­las­sen, dass die Fra­ge ei­nes Be­triebs(teil)über­gangs und da­mit zu­sam­menhängend die der Ak­tiv­le­gi­ti­ma­ti­on der Kläge­rin nicht nur für Ansprüche bezüglich des Jah­res 2010, son­dern auch bezüglich des Zeit­raums 2003 bis ein­sch­ließlich 2009 von ent­schei­dungs­er­heb­li­cher Be­deu­tung ist.

I. Ob die Kläge­rin für den Zeit­raum von 2003 bis 2009 für die Kla­ge ak­tiv le­gi­ti­miert ist, kann der Se­nat nicht ent­schei­den, da es dafür wei­te­rer Fest­stel­lun­gen durch das Tat­sa­chen­ge­richt be­darf (§ 563 Abs. 1 ZPO).

1. Es ist nicht aus­ge­schlos­sen, dass die Ak­tiv­le­gi­ti­ma­ti­on der Kläge­rin für den Zeit­raum von 2003 bis 2009 in­fol­ge ei­nes Be­triebs(teil)über­gangs ent­fal­len ist. Man­gels dafür er­for­der­li­cher Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts konn­te in der Re­vi­si­ons­in­stanz über die­se of­fe­ne Fra­ge nicht ent­schie­den wer­den.

a) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat es auf­grund des Par­tei­vor­trags für möglich ge­hal­ten, dass die Über­nah­me des Kre­ma­to­ri­ums durch die Toch­ter­ge­sell­schaft HK zu Be­ginn des Jah­res 2010 die Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Be­triebs(teil)über­gangs iSd. § 613a BGB erfüllt und in die­sem Zu­sam­men­hang den von der Kläge­rin gel­tend ge­mach­ten Scha­dens­er­satz­an­spruch be­zo­gen auf das Jahr 2010 ab­ge­wie­sen. Da­mit hat es sei­ner ei­ge­nen Fest­stel­lung wi­der­spro­chen, wo­nach der Be­klag­te zu 1. „bei der Kläge­rin bis zum 20. Ok­to­ber 2011 (zu­tref­fend wohl ei­gent­lich 2010) beschäftigt“ war und das Ar­beits­verhält­nis durch ei­ne Kündi­gung der Kläge­rin en­de­te. Soll­te das Ar­beits­verhält­nis des Be­klag­ten zu 1. zum 1. Ja­nu­ar 2010 - ggf. wi­der­spruchs­los - auf die Toch­ter­ge­sell­schaft HK als neue Be­triebs­in­ha­be­rin über­ge­gan­gen sein, könn­te es nicht gleich­zei­tig mit der Kläge­rin bis zu ei­ner von die­ser erklärten Kündi­gung wei­ter­be­stan­den ha­ben.

 

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Sol­cher­art in sich wi­dersprüchli­che Fest­stel­lun­gen sind für das Re­vi­si­ons­ge­richt nicht bin­dend (vgl. BGH 21. Ju­ni 2005 - VI ZR 238/03 - zu II 2 c der Gründe; 13. April 1988 - VIII ZR 199/87 - zu 2 b der Gründe).

b) Die Fra­ge, ob zu Be­ginn des Jah­res 2010 ein Be­triebs(teil)über­gang iSd. § 613a BGB er­folgt ist und das Ar­beits­verhält­nis des Be­klag­ten zu 1. in­fol­ge­des­sen von der Kläge­rin als bis­he­ri­ger Ar­beit­ge­be­rin auf die Toch­ter­ge­sell­schaft HK als neu­er Be­triebs­in­ha­be­rin kraft Ge­set­zes über­ge­gan­gen ist, konn­te nicht of­fen blei­ben. Die Ak­tiv­le­gi­ti­ma­ti­on der Kläge­rin hängt da­von ab.

aa) Ein Be­triebsüber­gang oder Be­triebs­teilüber­gang iSv. § 613a Abs. 1 BGB und im Sin­ne der Richt­li­nie 2001/23/EG liegt vor, wenn ein neu­er Recht­sträger ei­ne be­ste­hen­de wirt­schaft­li­che Ein­heit un­ter Wah­rung ih­rer Iden­tität fortführt (vgl. nur EuGH 6. März 2014 - C-458/12 - [Ama­to­ri ua.] Rn. 30 mwN; BAG 20. März 2014 - 8 AZR 1/13 - Rn. 17 mwN; 15. De­zem­ber 2011 - 8 AZR 197/11 - Rn. 39). Da­bei muss es um ei­ne auf Dau­er an­ge­leg­te Ein­heit ge­hen, de­ren Tätig­keit nicht auf die Ausführung ei­nes be­stimm­ten Vor­ha­bens be­schränkt ist. Um ei­ne sol­che Ein­heit han­delt es sich bei je­der hin­rei­chend struk­tu­rier­ten und selbständi­gen Ge­samt­heit von Per­so­nen und/oder Sa­chen zur Ausübung ei­ner wirt­schaft­li­chen Tätig­keit mit ei­ge­nem Zweck (EuGH 6. März 2014 - C-458/12 - [Ama­to­ri ua.] Rn. 31 f. mwN). Den für das Vor­lie­gen ei­nes Über­gangs maßge­ben­den Kri­te­ri­en kommt je nach der aus­geübten Tätig­keit und je nach den Pro­duk­ti­ons- oder Be­triebs­me­tho­den un­ter­schied­li­ches Ge­wicht zu (näher EuGH 15. De­zem­ber 2005 - C-232/04 und C-233/04 - [Güney-Görres und De­mir] Rn. 35 mwN, Slg. 2005, I-11237; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 1069/12 - Rn. 21 mwN). Bei der Prüfung, ob ei­ne sol­che Ein­heit ih­re Iden­tität be­wahrt, müssen sämt­li­che den be­tref­fen­den Vor­gang kenn­zeich­nen­den Tat­sa­chen berück­sich­tigt wer­den (im Ein­zel­nen zu den Prüfkri­te­ri­en und zur vor­zu­neh­men­den Ge­samt­be­wer­tung: BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 1069/12 - Rn. 21 - 23).

Oh­ne Be­deu­tung ist, ob das Ei­gen­tum an den ein­ge­setz­ten Be­triebs­mit­teln über­tra­gen wor­den ist (vgl. EuGH 20. No­vem­ber 2003 - C-340/01 - [Ab­ler ua.] Rn. 41 mwN, Slg. 2003, I-14023; BAG 11. De­zem­ber 1997 - 8 AZR

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426/94 - zu B I der Gründe, BA­GE 87, 296). Der Be­griff „durch Rechts­geschäft“ des § 613a BGB ist wie der Be­griff „durch ver­trag­li­che Über­tra­gung“ in Art. 1 Abs. 1a der Richt­li­nie 2001/23/EG (da­zu ua. EuGH 7. März 1996 - C-171/94 - [Merckx und Neu­huys] Rn. 28, Slg. 1996, I-1253; 6. Sep­tem­ber 2011 - C-108/10 - [Scat­to­lon] Rn. 63, Slg. 2011, I-7491) weit aus­zu­le­gen, um dem Zweck der Richt­li­nie - dem Schutz der Ar­beit­neh­mer bei ei­ner Über­tra­gung ih­res Un­ter­neh­mens - ge­recht zu wer­den. So ist es nicht er­for­der­lich, dass zwi­schen Veräußerer und Er­wer­ber un­mit­tel­bar ver­trag­li­che Be­zie­hun­gen be­ste­hen; die Über­tra­gung kann auch un­ter Ein­schal­tung ei­nes Drit­ten, wie zB des Ei­gentümers oder des Verpächters, er­fol­gen (ua. EuGH 20. No­vem­ber 2003 - C-340/01 - [Ab­ler ua.] Rn. 39 mwN, aaO).

Dem Über­gang ei­nes ge­sam­ten Be­triebs steht, so­weit die Vor­rau­set­zun­gen des § 613a BGB erfüllt sind, der Über­gang ei­nes Be­triebs­teils gleich. Dies ist un­abhängig da­von, ob die über­ge­gan­ge­ne wirt­schaft­li­che Ein­heit ih­re Selbständig­keit in­ner­halb der Struk­tur des Er­wer­bers be­wahrt oder nicht (vgl. EuGH 6. März 2014 - C-458/12 - [Ama­to­ri ua.] Rn. 30 ff. mwN; 12. Fe­bru­ar 2009 - C-466/07 - [Kla­ren­berg] Rn. 50, Slg. 2009, I-803; BAG 20. März 2014 - 8 AZR 1/13 - Rn. 18; 22. Mai 2014 - 8 AZR 1069/12 - Rn. 26); es genügt, wenn die funk­tio­nel­le Ver­knüpfung zwi­schen den über­tra­ge­nen Pro­duk­ti­ons­fak­to­ren bei­be­hal­ten und es dem Er­wer­ber der­art ermöglicht wird, die­se Fak­to­ren zu nut­zen, um der­sel­ben oder ei­ner gleich­ar­ti­gen wirt­schaft­li­chen Tätig­keit nach­zu­ge­hen (EuGH 12. Fe­bru­ar 2009 - C-466/07 - [Kla­ren­berg] Rn. 53, aaO; BAG 7. April 2011 - 8 AZR 730/09 - Rn. 16).

Die Be­wer­tung der maßgeb­li­chen Tat­sa­chen ist nach Uni­ons­recht Sa­che der na­tio­na­len Ge­rich­te (vgl. ua. EuGH 15. De­zem­ber 2005 - C-232/04 und C-233/04 - [Güney-Görres und De­mir] Rn. 35, Slg. 2005, I-11237) und im deut­schen Ar­beits­recht Sa­che der Tat­sa­chen­in­stan­zen, die da­bei ei­nen Be­ur­tei­lungs­spiel­raum ha­ben (vgl. ua. BAG 18. Au­gust 2011 - 8 AZR 312/10 - Rn. 21, BA­GE 139, 52).

bb) Bei § 613a BGB han­delt es sich um zwin­gen­des Recht, der Über­gang er­folgt von Rechts we­gen (vgl. ua. EuGH 26. Mai 2005 - C-478/03 - [Cel­tec] Rn.

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38, Slg. 2005, I-4389; 10. Fe­bru­ar 1988 - C-324/86 - [Fo­re­nin­gen af Ar­be­jds­le­de­re i Dan­mark, „Dad­dy’s Dance Hall“] Rn. 14, Slg. 1988, 739; BAG 21. Ju­ni 2012 - 8 AZR 181/11 - Rn. 81) und un­ge­ach­tet an­ders­lau­ten­der Ab­ma­chun­gen. Es ist oh­ne Be­deu­tung, in wel­chem (ver­meint­li­chen) Rechts­verhält­nis der Über­neh­mer die bis­he­ri­gen Ar­beit­neh­mer nach der Über­nah­me (wei­ter-)beschäftigt (BAG 20. März 2014 - 8 AZR 1/13 - Rn. 24 mwN zur Per­so­nal­ge­stel­lung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 TVöD; vgl. auch 18. Fe­bru­ar 1999 - 8 AZR 485/97 - BA­GE 91, 41). Die Verträge und Ar­beits­verhält­nis­se, die im Zeit­punkt des Über­gangs zwi­schen dem Veräußerer und den im über­tra­ge­nen Be­trieb(steil) beschäftig­ten Ar­beit­neh­mern be­ste­hen, sind als zu die­sem Zeit­punkt vom Veräußerer auf den Er­wer­ber über­ge­gan­gen an­zu­se­hen, un­abhängig da­von, wel­che Ein­zel­hei­ten da­zu zwi­schen bei­den ver­ein­bart wor­den sind. Auch können die be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer nicht auf die Rech­te ver­zich­ten, die ih­nen auf­grund von § 613a BGB zu­ste­hen. Ei­ne Verkürzung die­ser Rech­te ist selbst mit ih­rer Zu­stim­mung un­zulässig (EuGH 6. No­vem­ber 2003 - C-4/01 - [Mar­tin ua.] Rn. 40 mwN, Slg. 2003, I-12859).

Ei­ne Re­ge­lung wie § 4 Abs. 3 Satz 1 TVöD zur Per­so­nal­ge­stel­lung (da­zu BAG 20. März 2014 - 8 AZR 1/13 - Rn. 24 mwN) kann je­doch ins­be­son­de­re im Fall ei­nes wirk­sa­men Wi­der­spruchs des Ar­beit­neh­mers ge­gen den Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses (zur Abhängig­keit des Frist­laufs des Wi­der­spruchs­rechts von der Un­ter­rich­tung nach § 613a Abs. 5 BGB ua. BAG 14. No­vem­ber 2013 - 8 AZR 824/12 - Rn. 18 ff. mwN) prak­ti­sche Be­deu­tung er­lan­gen.

cc) Erfüllt die Über­nah­me des Kre­ma­to­ri­ums durch die Toch­ter­ge­sell­schaft HK zu Be­ginn des Jah­res 2010 die Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Be­triebs(teil)über­gangs iSd. § 613a BGB, ist die­se Ge­sell­schaft - vor­be­halt­lich des Wi­der­spruchs­rechts nach § 613a Abs. 6 BGB - in das be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis mit al­len Rech­ten und Pflich­ten ein­ge­tre­ten, § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB. Da­zu gehört auch ein Scha­dens­er­satz­an­spruch, der aus ent­spre­chen­der An­wen­dung auf­trags­recht­li­cher Be­stim­mun­gen im Ar­beits­verhält­nis folgt.

(1) Nach dem Ge­set­zes­wort­laut (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB) han­delt es sich um „die“ Rech­te und Pflich­ten „aus“ dem Ar­beits­verhält­nis (eben­so Art. 3

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Abs. 1 der Richt­li­nie 2001/23/EG, be­zo­gen auf „Ar­beits­ver­trag oder Ar­beits­verhält­nis“). Da­bei tritt der Er­wer­ber an die Stel­le des Veräußerers und nimmt des­sen Rechts­stel­lung un­verändert ein. Dies gibt den be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mern die Möglich­keit, ihr Beschäfti­gungs­verhält­nis mit dem neu­en Ar­beit­ge­ber zu eben den Be­din­gun­gen fort­zu­set­zen, die mit dem Veräußerer ver­ein­bart wa­ren (EuGH 9. März 2006 - C-499/04 - [Wer­hof] Rn. 25, Slg. 2006, I-2397). Um­fasst sind al­le Rechts­po­si­tio­nen (ab­ge­se­hen von den we­ni­gen, in der Richt­li­nie 2001/23/EG kon­kret be­zeich­ne­ten Aus­nah­men, vgl. EuGH 4. Ju­ni 2002 - C-164/00 - [Beck­mann] Rn. 37, Slg. 2002, I-4893) aus Ver­gan­gen­heit, Ge­gen­wart und Zu­kunft, die im Zeit­punkt des Be­triebsüber­gangs den In­halt des Ar­beits­verhält­nis­ses be­stim­men (BAG 21. April 2010 - 4 AZR 768/08 - Rn. 50, BA­GE 134, 130), nicht je­doch bloße Er­war­tun­gen und so­mit hy­po­the­ti­sche Vergüns­ti­gun­gen (EuGH 9. März 2006 - C-499/04 - [Wer­hof] Rn. 29, aaO).

(2) Be­trof­fen ist so­wohl die Stel­lung des Ar­beit­ge­bers als Schuld­ner wie auch die als Gläubi­ger. Er­fasst sind auch die für den Ar­beit­neh­mer nach­tei­li­gen Rechts­po­si­tio­nen (BAG 19. Sep­tem­ber 2007 - 4 AZR 711/06 - Rn. 23, BA­GE 124, 123).

Zu den Rech­ten und Pflich­ten iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB gehören in der Stel­lung des Ar­beit­ge­bers als Gläubi­ger bei­spiels­wei­se et­wai­ge Rück­zah­lungs­ansprüche we­gen über­zahl­ter Vergütung und Scha­dens­er­satz­ansprüche aus Ver­let­zung ar­beits­recht­li­cher Ver­trags­be­zie­hun­gen (vgl. Gaul Das Ar­beits­recht der Be­triebs- und Un­ter­neh­mens­spal­tung § 13 Rn. 75 für die ge­nann­ten Scha­dens­er­satz­ansprüche; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. BGB § 613a Rn. 100; Schaub/Koch ArbR-Hdb. 15. Aufl. § 118 Rn. 5; ErfK/Preis 14. Aufl. BGB § 613a Rn. 79). Für aus ent­spre­chen­der An­wen­dung auf­trags­recht­li­cher Be­stim­mun­gen im Ar­beits­verhält­nis re­sul­tie­ren­de Scha­dens­er­satz­ansprüche gilt nichts an­de­res. Es han­delt sich um Rech­te und Pflich­ten „aus“ dem Ar­beits­verhält­nis (zur Un­ter­schei­dung zwi­schen „Rech­ten und Pflich­ten aus dem Ar­beits­verhält­nis“ und ei­nem „vom Ar­beits­verhält­nis un­abhängi­gen, ei­genständi­gen“ An­spruch am Bei­spiel ei­nes Ar­beit­ge­ber­dar­le­hens: vgl. BAG 21. Ja­nu­ar

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1999 - 8 AZR 373/97 - zu II 3 b der Gründe), die so vom Veräußerer auf den Er­wer­ber über­ge­hen, wie sie „im Zeit­punkt des Über­gangs“ be­ste­hen.

c) Soll­te das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu dem Er­geb­nis kom­men, dass das Ar­beits­verhält­nis und da­mit die von der Kläge­rin gel­tend ge­mach­ten Ansprüche be­zo­gen auf die Jah­re 2003 bis ein­sch­ließlich 2009 auf die Toch­ter­ge­sell­schaft HK über­ge­gan­gen sind, spricht dies ge­gen die Ak­tiv­le­gi­ti­ma­ti­on der Kläge­rin. An­halts­punk­te für ei­ne ggf. nach § 398 BGB wirk­sa­me Ab­tre­tung bzw. - im Hin­blick auf ei­ne be­haup­te­te Ermäch­ti­gung - für ei­ne ge­willkürte Pro­zess­stand­schaft sind nicht er­sicht­lich.

2. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt wird den Par­tei­en Ge­le­gen­heit zu ge­ben ha­ben, ergänzend zu ei­nem even­tu­ell er­folg­ten Be­triebs(teil)über­gang und zu ei­ner ggf. er­folg­ten Ermäch­ti­gung und de­ren Fol­gen vor­zu­tra­gen.

II. In der Sa­che selbst hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­tref­fend er­kannt, dass sich ein Scha­dens­er­satz­an­spruch des Ar­beit­ge­bers aus § 667 Alt. 2 BGB ana­log iVm. § 280 Abs. 1 BGB er­ge­ben kann, wenn Beschäftig­te Edel­me­tallrückstände aus der Kre­ma­to­ri­um­s­a­sche an sich neh­men. Die Beschäftig­ten sind da­nach als Be­auf­trag­te ver­pflich­tet, der Ar­beit­ge­be­rin als Auf­trag­ge­be­rin al­les, was aus der Geschäfts­be­sor­gung er­langt wur­de, her­aus­zu­ge­ben oder je­den­falls zu er­set­zen. Hin­ge­gen schei­den Ansprüche aus De­likt aus.

1. Scha­dens­er­satz­ansprüche aus De­likt sind nicht ge­ge­ben, weil es in­so­weit je­den­falls an ei­ner Ei­gen­tums­ver­let­zung fehlt. Die Ar­beit­ge­be­rin als Be­trei­be­rin des Kre­ma­to­ri­ums konn­te an dem Zahn­gold kein Ei­gen­tum nach § 958 Abs. 1 BGB er­wer­ben. Dem stand das An­eig­nungs­recht der vor­ran­gig bzw. aus­sch­ließlich an­eig­nungs­be­rech­tig­ten An­gehöri­gen oder Er­ben ent­ge­gen, § 958 Abs. 2 BGB. Für ei­nen still­schwei­gen­den Ver­zicht der An­eig­nungs­be­rech­tig­ten sind kei­ne An­halts­punk­te er­sicht­lich.

2. Ein Scha­dens­er­satz­an­spruch des Ar­beit­ge­bers er­gibt sich grundsätz­lich aus § 667 Alt. 2 BGB ana­log iVm. § 280 Abs. 1 BGB.

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a) Nach ständi­ger Recht­spre­chung ent­hal­ten die auf­trags­recht­li­chen Be­stim­mun­gen all­ge­mei­ne Grundsätze, die auch für Ar­beits­verhält­nis­se gel­ten. § 667 BGB ist auf Ar­beits­verhält­nis­se ent­spre­chend an­zu­wen­den, ob­wohl Ar­beit­neh­mer nicht im Sin­ne von § 662 BGB un­ent­gelt­lich tätig wer­den (BAG 14. De­zem­ber 2011 - 10 AZR 283/10 - Rn. 17; 11. April 2006 - 9 AZR 500/05 - Rn. 21, BA­GE 118, 16; vgl. ent­spre­chend zum Auf­wen­dungs­er­satz­an­spruch nach § 670 BGB: BAG 14. Ok­to­ber 2003 - 9 AZR 657/02 -; 12. April 2011 - 9 AZR 14/10 - Rn. 25). Der Be­auf­trag­te soll durch die Geschäfts­be­sor­gung kei­nen Nach­teil er­lei­den, aus ihr aber auch re­gelmäßig ne­ben der ver­ein­bar­ten Ar­beits­vergütung kei­ne wei­te­ren ma­te­ri­el­len Vor­tei­le zie­hen (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 500/05 - Rn. 21 mwN, aaO). Es be­steht die Ver­pflich­tung des be­auf­trag­ten Ar­beit­neh­mers, der Ar­beit­ge­be­rin als Auf­trag­ge­be­rin al­les, was aus der Geschäfts­be­sor­gung er­langt wur­de, her­aus­zu­ge­ben oder je­den­falls zu er­set­zen. Das kann je­der Vor­teil sein, den der Be­auf­trag­te auf­grund ei­nes in­ne­ren Zu­sam­men­hangs mit dem geführ­ten Geschäft er­hal­ten hat (vgl. BGH 17. Ok­to­ber 1991 - III ZR 352/89 - zu 3 b der Gründe mwN). Da­zu gehören bei Tätig­keit in ei­nem Kre­ma­to­ri­um Edel­me­tallrückstände aus der Kre­ma­to­ri­um­s­a­sche.

b) Bei ver­schul­de­ter Unmöglich­keit der Her­aus­ga­be - bei­spiels­wei­se im Fall der Wei­ter­ga­be der Edel­me­tallrückstände zum Ein­schmel­zen - haf­tet der Be­auf­trag­te auf Scha­dens­er­satz, § 280 Abs. 1 BGB.

3. Man­gels Ein­grei­fens der be­son­de­ren Tat­bestände der §§ 196, 197 BGB un­ter­liegt der An­spruch der re­gelmäßigen Verjährungs­frist von drei Jah­ren nach § 195 BGB. Re­vi­si­ons­recht­lich ist nicht zu be­an­stan­den, dass das Lan­des­ar­beits­ge­richt den Frist­be­ginn aus­ge­hend vom Mo­nat Ok­to­ber 2009 be­stimmt hat (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Im Fall des Be­triebsüber­gangs lau­fen Verjährungs­fris­ten wei­ter, als ob das Ar­beits­verhält­nis zur sel­ben Par­tei fort­bestünde (vgl. auch MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. BGB § 613a Rn. 89 mwN).

III. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt wird im Hin­blick auf ei­nen even­tu­el­len Scha­dens­er­satz­an­spruch zu prüfen ha­ben, wel­che ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Frau-

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gen strei­tig bzw. un­strei­tig sind und wo­zu ggf. an­ge­bo­te­ne Be­wei­se zu er­he­ben sind.

1. Die Be­weiswürdi­gung ist grundsätz­lich Sa­che des Tat­sa­chen­ge­richts, an des­sen Fest­stel­lun­gen das Re­vi­si­ons­ge­richt gemäß § 559 Abs. 2 ZPO ge­bun­den ist. Die­ses kann le­dig­lich nach­prüfen, ob sich das Tat­sa­chen­ge­richt ent­spre­chend dem Ge­bot des § 286 ZPO mit dem Pro­zess­stoff und den Be­wei­s­er­geb­nis­sen um­fas­send und wi­der­spruchs­frei aus­ein­an­der­ge­setzt hat. Im Ur­teil sind zwar gemäß § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Gründe an­zu­ge­ben, die für die rich­ter­li­che Über­zeu­gung lei­tend ge­we­sen sind. Dies er­for­dert je­doch nicht ei­ne aus­drück­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit al­len denk­ba­ren Ge­sichts­punk­ten, wenn sich nur er­gibt, dass ei­ne sach­ent­spre­chen­de Be­ur­tei­lung statt­ge­fun­den hat. Hier­bei kann auch nicht außer Be­tracht blei­ben, dass nach § 313 Abs. 3 ZPO die Ent­schei­dungs­gründe nur ei­ne kur­ze Zu­sam­men­fas­sung der Erwägun­gen ent­hal­ten müssen, auf de­nen die Ent­schei­dung in tatsäch­li­cher und recht­li­cher Hin­sicht be­ruht (vgl. BGH 11. Fe­bru­ar 1987 - IVb ZR 23/86 - zu 2 a der Gründe mwN; BAG 19. Mai 1983 - 2 AZR 454/81 - mwN).

2. Das an­ge­foch­te­ne Ur­teil lässt nicht er­ken­nen, wel­che kon­kre­ten Gründe für die Be­ur­tei­lung des Scha­dens­er­satz­an­spruchs und sei­nes Um­fangs be­stim­mend wa­ren.

a) Zwar be­zieht sich das Be­ru­fungs­ge­richt auf die „Würdi­gung des un­strei­ti­gen Sach­ver­halts“, je­doch enthält der un­strei­ti­ge Sach­ver­halt zur Fra­ge der Scha­denshöhe we­nig Kon­kre­tes, zu­dem nicht be­zo­gen auf je­des Jahr des noch streit­ge­genständ­li­chen Zeit­raums von 2003 bis 2009.

Aus­ge­hend von den An­ga­ben im Tat­be­stand des Ur­teils scheint das Lan­des­ar­beits­ge­richt wohl im We­sent­li­chen ei­nen in der Ak­te be­find­li­chen „Ver­merk des KK H vom 17. No­vem­ber 2011“ her­an­ge­zo­gen zu ha­ben, wor­aus sich er­ge­ben soll, dass „die Fir­ma E für das er­hal­te­ne Zahn­gold ins­ge­samt 273.682,97 Eu­ro ge­zahlt hat“. Je­doch enthält die­ser po­li­zei­li­che Ver­merk, des­sen in­halt­li­che Rich­tig­keit von dem Be­klag­ten zu 1. be­strit­ten wor­den ist, kei­ne Auf­stel­lung be­zo­gen auf je­des Jahr des noch streit­ge­genständ­li­chen Zeit­raums.

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b) Es wären Ausführun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts er­for­der­lich ge­we­sen, war­um und in wel­cher Höhe da­mit von ei­ner Scha­dens­er­satz­pflicht des Be­klag­ten zu 1. aus­zu­ge­hen ist. Es fehlt auch an ei­ner Aus­ein­an­der­set­zung des Lan­des­ar­beits­ge­richts mit dem auf die Rich­tig­keit des Ver­merks be­zo­ge­nen Be­strei­ten des Be­klag­ten zu 1. un­ter Würdi­gung der an­ge­bo­te­nen Be­wei­se.

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