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LAG Mün­chen, Ur­teil vom 20.04.2016, 11 Sa 983/15

   
Schlagworte: Kündigungsschutzklage, Urlaub
   
Gericht: Landesarbeitsgericht München
Aktenzeichen: 11 Sa 983/15
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 20.04.2016
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht München, Urteil vom 30.10.2015, 13 Ca 3620/15
   

LArbG München, Ur­teil v. 20.04.2016 – 11 Sa 983/15

Te­nor

1. Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das En­dur­teil des Ar­beits­ge­richts München (Az: 13 Ca 3620/15) vom 30.10.2015 wird auf Kos­ten des Klägers zurück­ge­wie­sen.

2. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Gewährung von Ur­laubs­ansprüchen aus dem Jahr 2013.

Der Kläger war seit 01.08.1987 bei der öster­rei­chi­schen Kon­zern­ge­sell­schaft der Be­klag­ten beschäftigt und wech­sel­te zum 01.02.2009 zur Be­klag­ten in B-Stadt. Mit Schrei­ben vom 05.12.2008 teil­te die Be­klag­te dem Kläger be­tref­fend sei­ner Ein­stel­lung in B-Stadt fol­gen­des mit:

„Sehr ge­ehr­ter Herr A.,

wie mit Ih­nen be­spro­chen, beschäfti­gen wir Sie ab 01.02.2009 im E. in der Ab­tei­lung F. in B-Stadt als Pro­ject Ma­nage­ment (not yet as­ses­sed).

Wir führen Sie in der Ver­trags­grup­pe Außer­ta­rif­li­cher Mit­ar­bei­ter.

Die bei­lie­gen­den Ver­trags­be­din­gun­gen Führungs­kreis und Außer­ta­rif­li­che Mit­ar­bei­ter sind Be­stand­teil Ih­res Dienst­ver­tra­ges. Ta­rif­ver­trag­li­che Re­ge­lun­gen gel­ten für Ihr Dienst­verhält­nis nicht.

Im Über­ta­rif­li­chen Kreis be­stim­men nicht in ers­ter Li­nie die auf­ge­wand­te Zeit, son­dern die Auf­ga­be und de­ren sach­ge­rech­te Erfüllung den In­halt des Dienst­verhält­nis­ses und da­mit auch die Höhe des Ein­kom­mens.

Ihr Ein­kom­men ist in­di­vi­du­ell ent­spre­chend Ih­rer Auf­ga­be als Pro­ject Ma­nage­ment (not yet as­ses­sed) fest­ge­legt und als Jah­res­ziel­ein­kom­men*) de­fi­niert. Ih­re künf­ti­ge Auf­ga­be ist der­zeit der Funk­ti­ons­stu­fe 5 zu­ge­ord­net.

Ihr Jah­res­ziel­ein­kom­men setzt sich aus fol­gen­den Kom­po­nen­ten zu­sam­men:

- ei­nem Mo­nats­ge­halt ab 01.02.2009 in Höhe von brut­to 6.200,00 Eu­ro.

- ei­ner Jah­res­zah­lung, für de­ren Be­rech­nung ab 01.02.2009 ein in­di­vi­du­el­ler Grund­be­trag gilt in Höhe von 180,00 Eu­ro.

Der Brut­to­aus­zah­lungs­be­trag der Jah­res­zah­lung er­gibt sich aus der Mul­ti­pli­ka­ti­on des Grund­ge­halts mit ei­nem jähr­lich fest­ge­leg­ten Un­ter­neh­mens­fak­tor.

- ei­ner va­ria­blen Vergütung (VZE/Be­tei­li­gung), für de­ren Be­rech­nung ab 01.02.2009 ein Ziel­be­trag gilt in Höhe von 9.900,00 Eu­ro.

Mit Wir­kung ab 01.02.2009 beträgt Ihr Jah­res­ziel­ein­kom­men so­mit brut­to 87000,00 Eu­ro (bei Voll­zeit).

Die zu­letzt er­ziel­te Vergütung im Au­gust 2014 be­trug € 6.300,- brut­to.

Bei der Be­klag­ten wur­de der Kläger als außer­ta­rif­li­cher Mit­ar­bei­ter geführt mit ei­nem jähr­li­chen Ur­laubs­an­spruch von 30 Ar­beits­ta­gen. Bei der Be­klag­ten exis­tiert ein „Merk­blatt über Er­ho­lungs­ur­laub“ vom Ok­to­ber 2012 (Bl. 77 d. A.). Dar­in heißt es un­ter

„I

Gel­tungs­be­reich

„Der An­spruch auf Er­ho­lungs­ur­laub rich­tet sich in ers­ter Li­nie nach den je­wei­li­gen Be­stim­mun­gen des Ta­rif­ver­tra­ges und des Dienst­ver­tra­ges so­wie nach dem Bun­des­ur­laubs­ge­setz (BUrlG). Die­ses Merk­blatt gibt ergänzen­de Hin­wei­se für

- Fra­gen, die nicht ta­rif­ver­trag­lich ge­re­gelt sind

- Mitarbeiter1, für die die Ta­rif­be­stim­mun­gen nicht gel­ten (ins­be­son­de­re ÜT-Mit­ar­bei­ter).

V.

Erlöschen, Über­tra­gung, Vor­griff

1. Grundsätze

Ur­laubs­jahr ist das Ka­len­der­jahr. Der Ur­laub soll grundsätz­lich im lau­fen­den Ka­len­der­jahr gewährt und ge­nom­men wer­den, an­dern­falls er­lischt der Ur­laubs­an­spruch grundsätz­lich am 31.12., so­weit kei­ne Über­tra­gung ins nächs­te Ur­laubs­jahr er­folgt.

Ist die Gewährung des Ur­laubs im lau­fen­den Ka­len­der­jahr ent­we­der aus drin­gen­den be­trieb­li­chen Gründen oder aus in der Per­son des Mit­ar­bei­ters lie­gen­den Gründen nicht möglich (Krank­heit), wird der Ur­laub in das ers­te Ka­len­der­vier­tel­jahr (bis 31.03.) des Fol­ge­jah­res über­tra­gen. Lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen tatsächlich vor, be­darf es kei­nes An­tra­ges bzw. kei­ner Ver­ein­ba­rung der Über­ra­gung.

Die Be­klag­te sprach ge­genüber dem Kläger mit Schrei­ben vom 25.02.2011 ei­ne Ände­rungskündi­gung zum 30.09.2011 aus, die der Kläger nicht un­ter Vor­be­halt an­nahm. Im Rah­men des dies­bezüglich geführ­ten Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens wur­de letzt­lich mit Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts München vom 14.11.2013 fest­ge­stellt, dass die Kündi­gung bzw. die an­ge­bo­te­ne Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen un­wirk­sam war. Die Re­vi­si­on wur­de nicht zu­ge­las­sen.

Im Ka­len­der­jahr 2013 nahm und be­an­trag­te der Kläger kei­nen Ur­laub. Erst­mals mit E-Mail vom 06.02.2014 (Bl. 56 d. A.) wand­te sich der Kläger an die Be­klag­te und be­an­trag­te, sei­nen Rest­ur­laub von 2013 vom 17.02.2014 bis 28.03.2014 zu neh­men. Hier­auf ant­wor­te­te der Vor­ge­setz­te des Klägers mit E-Mail vom 10.02.2014 (Bl. 57 d. A.) und wies u. a. dar­auf hin, dass die Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht rechts­kräftig sei und da­her über die or­ga­ni­sa­to­ri­schen Fra­gen und das wei­te­re Vor­ge­hen, wie auch bzgl. der Ge­neh­mi­gung von Ur­laub erst nach rechts­kräfti­gem Ab­schluss des ge­richt­li­chen Ver­fah­rens ent­schie­den wer­de.

Mit Schrei­ben des Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten des Klägers vom De­zem­ber 2014 und noch­mals mit E-Mail vom 09.02.2015 (Bl. 58 d. A.) be­an­trag­te der Kläger, den Jah­res­ur­laub 2013 im Zeit­raum 16.02.2015 bis 27.03.2015 neh­men zu können. Mit E-Mail vom 12.02.2015 lehn­te die Be­klag­te den Ur­laubs­an­spruch ab mit Hin­weis dar­auf, dass die­ser mit Ab­lauf des 31.12.2013 ver­fal­len sei.

Nach Rechts­kraft der Ent­schei­dung hin­sicht­lich der Kündi­gung er­hielt der Kläger rest­li­che Vergütung nach­be­zahlt, wo­bei sich die­se auf mo­nat­lich ca. 7.250,- € be­lief.

Die Be­klag­te ist ta­rif­ge­bun­den.

Nach § 1 Ziff. 3 d des Man­tel­ta­rif­ver­tra­ges für die Ar­beit­neh­mer der baye­ri­schen Me­tall-und Elek­tro­in­dus­trie ist außer­ta­rif­li­cher Mit­ar­bei­ter, wes­sen ga­ran­tier­tes mo­nat­li­ches Ent­gelt den Ta­rif­satz der Ent­gelt­grup­pe 12 (Stu­fe B) um 30,5 v. H. über­steigt oder dem auf­grund außer­ta­rif­li­cher Grund­la­ge ein ga­ran­tier­tes Jah­res­ein­kom­men zu­ge­sagt wor­den ist, das den zwölf­fa­chen Ta­rif­satz der Ent­gelt­grup­pe 12 (Stu­fe B) um 35 v. H. über­steigt.

Die Vergütung der Ent­gelt­grup­pe 12 (Stu­fe B) be­trug seit 01.03.2013 € 5.035,-. 130,5% wa­ren dem­gemäß € 6.570, 68.

Gemäß § 18 Ab­schnitt A Ziff. 7 Abs. 1 des Man­tel­ta­rif­ver­tra­ges wird Ur­laub ei­nes Ka­len­der­jah­res zu­min­dest auf das ers­te Quar­tal des Fol­ge­jah­res über­tra­gen.

Im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren be­gehrt der Kläger die Gewährung des Ur­laubs aus dem Jahr 2013, hilfs­wei­se die Fest­stel­lung des Be­ste­hens ei­nes Ur­laubs­an­spru­ches im Um­fang von 30 Ur­laubs­ta­gen aus dem Jahr 2013.

Der Kläger war erst­in­stanz­lich der Auf­fas­sung, dass auf­grund ei­nes „Merk­blatts über Er­ho­lungs­ur­laub“ vom 02.07.1990, das die Be­klag­te veröffent­licht ha­be, der Ur­laub nicht ver­fal­len sei. Dort sei ge­re­gelt, dass der An­spruch auf Er­ho­lungs­ur­laub sich in ers­ter Li­nie nach den je­wei­li­gen Ta­rif­be­stim­mun­gen rich­te. Grundsätz­lich erlösche der Jah­res­ur­laub im Übri­gen erst am 31.03. des Fol­ge­jah­res, so­weit Ur­laub nicht ge­nom­men wor­den sei. Die­ses Merk­blatt stel­le ei­ne Ge­samt­zu­sa­ge dar, mit dem die Be­klag­te die Rech­te ih­rer Beschäftig­ten er­wei­tert ha­be. Da­her ha­be der Kläger im Fe­bru­ar 2014 recht­zei­tig sei­nen Er­ho­lungs­ur­laub be­an­tragt. Die Neu­fas­sung des Merk­blatts aus dem Jahr 2012 ste­he dem An­spruch nicht ent­ge­gen. Das Merk­blatt aus 1990 ent­hal­te kei­nen Ände­rungs­vor­be­halt. Letzt­lich kom­me es aber auf die­ses Merk­blatt aus dem Jahr 1990 nicht an, da der Ur­laub be­reits von Ge­set­zes we­gen gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG auf das ers­te Quar­tal des Fol­ge­jah­res über­tra­gen wor­den sei, da ein drin­gen­der be­trieb­li­cher Grund für die Über­tra­gung seit Verkündung des LAG-Ur­teils vom 14.11.2013 vor­ge­le­gen ha­be. Dies ha­be die Be­klag­te selbst aus­geführt, da sie Ur­laub nicht gewähren woll­te, so­lan­ge ei­ne Ent­schei­dung über das Rechts­mit­tel noch nicht ge­trof­fen wor­den sei. Zu­dem ha­be der Kläger nicht die Möglich­keit ge­habt, noch im Jahr 2013 Ur­laub zu be­an­tra­gen und zu neh­men, da das Ar­beits­verhält­nis nach Ab­lauf der Kündi­gungs­frist vorläufig be­en­det ge­we­sen sei.

Der Kläger be­an­trag­te erst­in­stanz­lich:

Die Be­klag­te wird ver­pflich­tet, dem Kläger Ur­laub aus dem Jahr 2013 von 30 Ar­beits­ta­gen zu gewähren.

Hilfs­wei­se:

Es wird fest­ge­stellt, dass der Kläger aus dem Ka­len­der­jahr 2013 ei­nen Ur­laubs­an­spruch von 30 Ar­beits­ta­gen hat.

Die Be­klag­te be­an­trag­te erst­in­stanz­lich:

Kla­ge­ab­wei­sung.

Die Be­klag­te war erst­in­stanz­lich der Auf­fas­sung, dass der Ur­laubs­an­spruch des Klägers aus dem Jahr 2013 ver­fal­len sei, da der Kläger trotz des noch anhängi­gen Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens sei­nen Ur­laub aus dem Jahr 2013 vor Ab­lauf des Jah­res hätte gel­tend ma­chen müssen. Persönli­che oder be­trieb­li­che Gründe für ei­ne Über­tra­gung des Ur­laubs auf das Jahr 2014 hätten nicht vor­ge­le­gen. Das vom Kläger vor­ge­leg­te Merk­blatt über Er­ho­lungs­ur­laub vom 02.07.1990 ent­hal­te kei­ne Fir­men­be­zeich­nung. Es sei der Be­klag­ten nicht be­kannt. Da­her sei nicht klar, war­um es bei der Be­klag­ten zur An­wen­dung kom­men sol­le. Der Kläger sei auch erst zum 01.02.2009 ein­ge­stellt wor­den.

Das Ar­beits­ge­richt München hat mit dem an­ge­foch­te­nen En­dur­teil vom 30.10.2015 die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

Es hat dies da­mit be­gründet, dass der Kläger trotz des fort­be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses kei­nen Ur­laubs­an­spruch aus dem Jahr 2013 mehr ha­be, da der Ur­laub grundsätz­lich im lau­fen­den Ka­len­der­jahr gewährt und ge­nom­men wer­den müsse nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG. Der Kläger ha­be aber un­strei­tig im Jahr 2013 we­der Ur­laub be­an­tragt noch ge­nom­men. Der Ur­laub sei da­her grundsätz­lich er­lo­schen. Ein Über­tra­gungs­grund ha­be nicht vor­ge­le­gen. Ein Über­tra­gungs­grund er­ge­be sich auch nicht aus dem „Merk­blatt über Er­ho­lungs­ur­laub“ aus dem Jahr 2012. Ein drin­gen­der be­trieb­li­cher Grund ha­be eben­falls nicht vor­ge­le­gen. Die Be­klag­te ha­be, auch wenn das Kündi­gungs­schutz­ver­fah­ren noch nicht rechts­kräftig ab­ge­schlos­sen ge­we­sen sei, noch im Jahr 2013 über ei­nen dort ge­stell­ten Ur­laubs­an­trag ent­schei­den können. Im Führen ei­nes Kündi­gungs­rechts­streits lie­ge auch kein drin­gen­der be­trieb­li­cher Über­tra­gungs­grund. Der Kläger sei auch durch das Kündi­gungs­schutz­ver­fah­ren und durch die Kündi­gung nicht ge­hin­dert ge­we­sen, Ur­laub zu be­an­tra­gen bzw. zu neh­men bzw. er­teilt zu be­kom­men. Nach der Recht­spre­chung des BAG im Nach­gang zur Ent­schei­dung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs in der Sa­che G. sei auch kein An­lass er­sicht­lich, § 7 Abs. 3 Satz 1 - 3 BUrlG zu­guns­ten des Klägers ein­schränkend an­zu­wen­den. Mit Ab­lauf der Kündi­gungs­frist wäre zwar der Ar­beit­neh­mer von der Pflicht zum An­ge­bot sei­ner wei­te­ren Ar­beits­leis­tung zunächst frei. Im Fall ei­ner un­wirk­sa­men Kündi­gung be­ste­he das Ar­beits­verhält­nis je­doch recht­lich fort, so dass der Ar­beit­ge­ber auf ei­nen recht­zei­tig ge­stell­ten An­trag des Ar­beit­neh­mers auch vor­sorg­lich Ur­laub gewähren könne. Ein sol­cher An­trag sei auch nicht ent­behr­lich. We­der ei­ne or­dent­li­che noch ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung könne oh­ne wei­te­res da­hin­ge­hend ver­stan­den wer­den, dass der Ar­beit­ge­ber die Erfüllung des Ur­laubs­an­spru­ches ver­wei­gern wer­de. Die Tat­sa­che, dass der gekündig­te Ar­beit­neh­mer nach Ab­lauf der Kündi­gungs­frist sei­ne Ar­beit sei­ner­seits nicht wei­ter an­bie­ten müssen, da in der Kündi­gung die Ab­leh­nung auch künf­ti­ger Ar­beits­leis­tung durch den Ar­beit­ge­ber zu se­hen sei, hin­de­re den Ar­beit­ge­ber nicht dar­an, im Rah­men ei­nes Kündi­gungs­rechts­streits gel­tend ge­mach­te Ur­laubs­ansprüche je­den­falls vor­sorg­lich zu erfüllen. Ei­ne Über­tra­gung des Ur­laubs er­ge­be sich auch nicht aus dem Merk­blatt aus dem Jahr 1990, da nicht sub­stan­ti­iert, trotz Be­strei­tens der Be­klag­ten, von Sei­ten des Klägers dar­ge­legt und un­ter Be­weis ge­stellt wor­den sei, dass die­ses Merk­blatt auf den Kläger An­wen­dung ge­fun­den hätte. Auch sei der E-Mail sei­nes Vor­ge­setz­ten vom 10.02.2014 nicht zu ent­neh­men, dass die Be­klag­te die Über­tra­gung des Ur­lau­bes an­er­ken­ne. Viel­mehr sei nur zum Aus­druck ge­bracht, dass ak­tu­ell kei­ne Ent­schei­dung über den Ur­laubs­an­spruch er­ge­he.

Ge­gen die­ses, dem Kläger am 04.11.2015 zu­ge­stell­te, En­dur­teil rich­tet sich die Be­ru­fung des Klägers mit Schrift­satz vom 12.11.2015, am glei­chen Tag beim Lan­des­ar­beits­ge­richt München ein­ge­gan­gen.

Der Kläger ist im Rah­men der Be­ru­fung wei­ter­hin der Auf­fas­sung, dass der Ur­laub nicht ver­fal­len sei. Die Be­klag­te ha­be mit der Mail vom 10.02.2014 den Ur­laub des Klägers ab­ge­lehnt. Da sie mit die­ser Mail den Be­stand des Ur­laubs­an­spru­ches an den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses an­ge­knüpft ha­be, sei sie gleich­sam da­von aus­ge­gan­gen, dass der Ur­laubs­an­spruch des Klägers noch be­ste­he. In­so­weit lie­ge auch ein An­er­kennt­nis des Ur­laubs­an­spruchs des Klägers zu die­sem Zeit­punkt noch vor. Zu­dem sei die Auf­fas­sung, dass auch während ei­nes Kündi­gungs­rechts­streits nach Ab­lauf der Kündi­gungs­frist Ur­laub be­an­trag wer­den könne, nicht zu­tref­fend. Nach­dem nach Aus­spruch der Kündi­gung kei­ne Ar­beits­pflicht be­ste­he, ha­be der Ar­beit­ge­ber auch nicht die Möglich­keit ne­ben der be­reits er­folg­ten Frei­stel­lung ei­ne er­neu­te Frei­stel­lung von der Ar­beits­pflicht durch Ur­laubs­gewährung aus­zu­spre­chen. Im gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis könne da­her nach Ab­lauf der Kündi­gungs­frist kein Ur­laub gewährt wer­den. Dies er­ge­be sich auch aus der Recht­spre­chung des EuGH, die ei­nen Ver­fall des Ur­laubs­an­spru­ches ab­leh­ne, wenn der Ar­beit­neh­mer nicht die Möglich­keit ge­habt ha­be, Ur­laub zu neh­men. Dies sei in­fol­ge nicht mehr be­ste­hen­der Ar­beits­pflicht nach Ab­lauf der Kündi­gungs­frist der Fall ge­we­sen. Der Kläger sei aus tatsächli­chen Gründen im Jahr 2013 nicht mehr in der La­ge ge­we­sen, den Ur­laub zu neh­men. Sch­ließlich sei der Ur­laub auch aus ta­rif­li­chen Gründen nicht ver­fal­len. Der Kläger un­ter­fal­le als Mit­glied der Ge­werk­schaft dem Ta­rif­ver­trag, da der Kläger im Jahr 2013 ei­ne Vergütung er­hal­ten ha­be in Höhe von € 6.300,- brut­to, wel­che un­ter­halb der Gren­ze der Vergütung für Außer­ta­rif­li­che Mit­ar­bei­ter nach dem Man­tel­ta­rif­ver­trag ge­le­gen ha­be. In­fol­ge des­sen sei der Kläger nicht außer­ta­rif­li­cher Mit­ar­bei­ter ge­we­sen, so dass die ta­rif­ver­trag­li­chen Vor­schrif­ten auf ihn An­wen­dung fänden, so dass der Ur­laub je­den­falls auf das ers­te Quar­tal des Jah­res 2014 über­tra­gen wor­den sei, in dem er recht­zei­tig gel­tend ge­macht wor­den sei. Zu­dem sei ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ein An­trag im lau­fen­den Ka­len­der­jahr über­haupt nicht er­for­der­lich. Viel­mehr sei nach der ge­setz­li­chen Re­ge­lung der Ar­beit­ge­ber sei­ner­seits zur Gewährung des Ur­laubs ver­pflich­tet. So­lan­ge der Ar­beit­ge­ber die­ser Pflicht nicht nach­kom­me, ver­fal­le der Ur­laub nicht bzw. sei der Ur­laub als Scha­dens­er­satz­an­spruch zu gewähren.

Der Kläger be­an­trag­te zu­letzt:

1. Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts München vom 30.10.2015, Az: 13 Ca 3620/15 wird ab­geändert.

2. Die Be­klag­te wird ver­pflich­tet, dem Kläger Ur­laub aus dem Jahr 2013 von 30 Ar­beits­ta­gen zu gewähren.

Hilfs­wei­se:

Es wird fest­ge­stellt, dass der Kläger aus dem Ka­len­der­jahr 2013 ei­nen Ur­laubs­an­spruch von 30 Ar­beits­ta­gen hat.

Die Be­klag­te be­an­trag­te zu­letzt:

Zurück­wei­sung der Be­ru­fung.

Die Be­klag­te ist auch im Rah­men des Be­ru­fungs­ver­fah­rens wei­ter­hin der Auf­fas­sung, dass die Ur­laubs­ansprüche aus dem Jahr 2013 ver­fal­len sei­en, da der Kläger die­se Ur­laubs­ansprüche nicht im Jahr 2013 gel­tend ge­macht ha­be. Ein drin­gen­der be­trieb­li­cher Grund für die Über­tra­gung der Ur­laubs­ansprüche ha­be nicht vor­ge­le­gen. Der Kläger ha­be die Ur­laubs­ansprüche auch im Jahr 2013 gel­tend ma­chen können. Die E-Mail vom 10.02.2014 be­inhal­te auch kei­ne An­er­kennt­nis des Ur­laubs­an­spru­ches. Es sei le­dig­lich zum Aus­druck ge­bracht wor­den, dass ge­genwärtig über ei­nen Ur­laubs­an­trag kei­ne Ent­schei­dung ge­trof­fen wer­den könne. Der Kläger ha­be auch während des lau­fen­den Kündi­gungs­rechts­streits Ur­laub be­an­tra­gen können. Er ha­be dies auch tun müssen, um den Ver­fall des Ur­laubs zu ver­hin­dern. Dies ent­spre­che auch der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts. Die Recht­spre­chung des EuGH ste­he dem nicht ent­ge­gen. Die Re­ge­lun­gen des Man­tel­ta­rif­ver­tra­ges sei­en auf den Kläger nicht an­zu­wen­den. Der Kläger sei un­strei­tig Außer­ta­rif­li­cher Mit­ar­bei­ter, so dass er nicht un­ter den An­wen­dungs­be­reich des Man­tel­ta­rif­ver­tra­ges fal­le. Die Mit­glied­schaft des Klägers bei der Ge­werk­schaft wer­de mit Nicht­wis­sen be­strit­ten. Dem Kläger sei auch die aus­ste­hen­de, nicht zu­tref­fend ab­ge­rech­ne­te Vergütung nach Ab­schluss des Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens nach­be­zahlt wor­den. So­weit sei­en die Vor­schrif­ten des Man­tel­ta­rif­ver­tra­ges auch nicht an­zu­wen­den.

Im Übri­gen wird auf die Schriftsätze vom 12.11.2015, 02.02.2016, 22.03.2016 so­wie auf die Sit­zungs­nie­der­schrift Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

Die zulässi­ge Be­ru­fung ist un­be­gründet.

I. Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statt­haf­te Be­ru­fung des Klägers ist form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 4 ArbGG, 519, 520 ZPO). Sie ist da­her zulässig.

II. Die Be­ru­fung ist je­doch un­be­gründet.

1. Der Kläger hat kei­nen An­spruch auf Gewährung von 30 Ur­laubs­ta­gen aus dem Jahr 2013 bzw. auf Fest­stel­lung, dass ein ent­spre­chen­der Ur­laubs­an­spruch noch be­steht, da der Ur­laubs­an­spruch des Klägers aus dem Jahr 2013 im Um­fang von 30 Ur­laubs­ta­gen mit Ab­lauf des Jah­res 2013 man­gels Gel­tend­ma­chung ver­fal­len ist.

a) § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG bin­det den Ur­laubs­an­spruch an das Ur­laubs­jahr, so­weit kei­ne ab­wei­chen­den ar­beits- oder ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen be­ste­hen. Der Ur­laubs­an­spruch verfällt am En­de des Ur­laubs­jah­res, wenn nicht ei­ner der in § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG ge­nann­ten Über­tra­gungs­gründe vor­liegt (vgl. BAG U. v. 13.12.2011 - 9 AZR 420/10; v. 21.06.2005 - 9 AZR 200/04).

Le­dig­lich wenn drin­gen­de be­trieb­li­che oder in der Per­son des Ar­beit­neh­mers lie­gen­de Gründe vor­lie­gen, wird der Ur­laub ip­so ju­re auf die ers­ten drei Mo­na­te des Fol­ge­jah­res über­tra­gen (vgl. BAG U. v. 24.03.2009 - 9 AZR 983/07).

aa) Ei­ne von die­ser ge­setz­li­chen Re­ge­lung ab­wei­chen­de ar­beits­ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung hat der Kläger nicht hin­rei­chend nach­wei­sen können. Ins­be­son­de­re hat er sich nicht mehr in der Be­ru­fungs­in­stanz auf das „Merk­blatt über Er­ho­lungs­ur­laub“ aus dem Jahr 1990 be­ru­fen, bzgl. des­sen das Ar­beits­ge­richt zu Recht dar­auf hin­ge­wie­sen hat, dass der Kläger trotz Be­strei­tens der Be­klag­ten kei­nen Nach­weis da­hin­ge­hend geführt hat, dass die­ses auf das vor­lie­gen­de Ar­beits­verhält­nis zur An­wen­dung ge­langt.

bb) Auch ei­ne ta­rif­ver­trag­li­che Re­ge­lung greift zu­guns­ten des Klägers nicht ein. So­weit sich der Kläger dar­auf be­ru­fen hat, dass die Re­ge­lung des Man­tel­ta­rif­ver­tra­ges, wel­che grundsätz­lich ei­ne Über­tra­gung auf das ers­te Quar­tal des Fol­ge­jah­res vor­se­hen würde, auch auf ihn an­wend­bar wäre, so folgt dem die Kam­mer nicht, da nach der ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung zwi­schen den Par­tei­en der Kläger Außer­ta­rif­li­cher Mit­ar­bei­ter war und in­so­weit nicht den ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen un­ter­lag.

Nach § 1 Ziff. 3. II. b des Man­tel­ta­rif­ver­tra­ges gel­ten nicht als Ar­beit­neh­mer im Sin­ne des Ta­rif­ver­tra­ges sons­ti­ge Ar­beit­neh­mer, de­nen auf außer­ta­rif­li­cher Grund­la­ge ein ga­ran­tier­tes mo­nat­li­ches Ent­gelt zu­ge­sagt wor­den ist, das den Ta­rif­satz der Ent­gelt­grup­pe 12 (Stu­fe B) um 30,5 v. H. über­steigt, oder de­nen auf außer­ta­rif­li­cher Grund­la­ge ein ga­ran­tier­tes Jah­res­ein­kom­men zu­ge­sagt wor­den ist, das den zwölf­fa­chen Ta­rif­satz der Ent­gelt­grup­pe 12 (Stu­fe B) um 35 v. H. über­steigt. Dies war beim Kläger der Fall. Da­bei ist zunächst zu be­ach­ten, dass die ta­rif­li­che Re­ge­lung nicht dar­auf ab­stellt, ob der Ar­beit­neh­mer die­ses Ent­gelt im je­wei­li­gen Zeit­raum er­hal­ten hat, son­dern ob ein ent­spre­chend ho­hes Ent­gelt zu­ge­sagt wor­den ist. Dies war aber der Fall, nach­dem der Kläger mit Schrei­ben vom 05.12.2008 ei­ne Zu­sa­ge von Sei­ten der Be­klag­ten er­hal­ten hat­te, wo­nach er als Außer­ta­rif­li­cher Mit­ar­bei­ter geführt wer­de. Die da­mals zu­ge­sag­te Vergütung lag je­den­falls über der ent­spre­chen­den ta­rif­ver­trag­li­chen Gren­ze. Da­bei ist zu berück­sich­ti­gen, dass ei­ne kon­sti­tu­ti­ve Er­nen­nung zum außer­ta­rif­li­chen An­ge­stell­ten re­gelmäßig bei bei­der­sei­ti­ger Ta­rif­ge­bun­den­heit die ar­beits­ver­trag­li­che Zu­si­che­rung be­inhal­tet, die­sen Sta­tus durch Zah­lung ei­ner der Ta­ri­fent­wick­lung und ggf. ei­ner ta­rif­ver­trag­li­chen Ab­stands­klau­sel ent­spre­chen­den außer­ta­rif­li­chen Vergütung zu er­hal­ten (vgl. BAG U. v. 03.09.2014 - 5 AZR 1020/12). Wie dem Schrei­ben vom 05.12.2008 aber zu ent­neh­men ist, soll­te durch die­se Ein­stel­lung des Klägers bei der Be­klag­ten ge­ra­de kon­sti­tu­tiv der Kläger der Ver­trags­grup­pe der außer­ta­rif­li­chen Mit­ar­bei­ter zu­ge­ord­net wer­den. Ent­spre­chend wa­ren auch dem Schrei­ben die Ver­trags­be­din­gun­gen des Führungs­krei­ses und außer­ta­rif­li­cher Mit­ar­bei­ter als Be­stand­teil die­ses Dienst­ver­tra­ges bei­gefügt. Ta­rif­ver­trag­li­che Re­ge­lun­gen soll­ten ge­ra­de nicht für das Dienst­verhält­nis gel­ten. Der Kläger hat auch nicht vor­ge­tra­gen, dass während der Ver­trags­dau­er die­se Be­din­gun­gen nicht ein­ge­hal­ten wor­den wären oder sons­tig der Ta­rif­ver­trag zur An­wen­dung ge­langt wäre. Viel­mehr ha­ben die Par­tei­en den Kläger als Außer­ta­rif­li­chen Mit­ar­bei­ter, als der er sich selbst auch in der Kla­ge be­zeich­net hat, geführt. Un­strei­tig hat der Kläger auch nachträglich, nach­dem sich die Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung her­aus­ge­stellt hat, ei­ne ein­spre­chen­de Vergütung er­hal­ten, die ober­halb der Gren­ze des § 1 Ziff. 3 II b MTV ge­le­gen hat. Die Be­klag­te hat al­so die Zu­sa­ge, wo­nach der Kläger auch außer­ta­rif­lich be­zahlt wird, auch ein­ge­hal­ten. Dies ge­schah auch oh­ne dass der Kläger hier­auf ei­nen An­spruch er­ho­ben hätte. Die Par­tei­en gin­gen da­her übe­rein­stim­mend da­von aus, dass der Kläger außer­ta­rif­li­cher Mit­ar­bei­ter ist und ein ent­spre­chend ho­hes Ent­gelt be­an­spru­chen kann. So­mit ka­men auch die Re­ge­lun­gen des Ta­rif­ver­tra­ges hin­sicht­lich des Ur­laubs nicht zum Tra­gen. Da­her ver­blieb es bei der ge­setz­li­chen Re­ge­lung, wo­nach der Ur­laubs­an­spruch an sich mit Ab­lauf des Ka­len­der­jah­res, so­weit er nicht vor­her be­an­sprucht wur­de, ver­fal­len ist.

cc) Es liegt auch kein ge­setz­li­cher Über­tra­gungs­grund un­strei­tig in der Per­son des Ar­beit­neh­mers vor in Form von Gründen, die die­sen an ei­ner Ur­laubs­nah­me ge­hin­dert hätten im Jahr 2013. Auch drin­gen­de be­trieb­li­che Gründe für ei­ne Über­tra­gung la­gen nicht vor. Ins­be­son­de­re führ­te der Kündi­gungs­rechts­streit nicht da­zu, dass es aus be­trieb­li­chen Gründen nicht möglich ge­we­sen wäre, dass der Kläger den Ur­laub im Jahr 2013 ge­nom­men hätte. Die E-Mail der Be­klag­ten vom 10.02.2014 auf die Gel­tend­ma­chung des Ur­laubs­an­spru­ches im Fe­bru­ar 2014 durch den Kläger be­inhal­tet kei­ne Be­gründung ei­nes drin­gen­den be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­ses der Über­tra­gung. Zu­dem hätten die­se Gründe ja be­reits im Jahr 2013 vor­lie­gen müssen. In der E-Mail vom 10.02.2014 wird auch ein Ur­laubs­an­spruch des Klägers nicht an­er­kannt, viel­mehr wird die Ent­schei­dung hin­sicht­lich des wei­te­ren Vor­ge­hens be­tref­fend das Ar­beits­verhält­nis des Klägers, was auch den Ur­laubs­an­spruch an­be­langt, le­dig­lich ver­scho­ben und dar­auf hin­ge­wie­sen, dass erst nach rechts­kräfti­gem Ab­schluss des ge­richt­li­chen Ver­fah­rens hierüber ent­schie­den wird. Ei­ne ent­spre­chen­de Ent­schei­dung konn­te al­so auch das Be­ru­fen auf das Ver­fal­len des Ur­laubs­an­spruchs be­inhal­ten. Ein An­er­kennt­nis des Ur­laubs­an­spruchs da­hin­ge­hend, dass die­ser im Jahr 2013 nicht ver­fal­len war, ist der E-Mail in kei­ner Wei­se zu ent­neh­men.

Da so­mit auch ge­setz­li­che Über­tra­gungs­tat­bestände nicht vor­ge­le­gen ha­ben, ver­bleibt es bei dem Ver­fall des Ur­laubs­an­spru­ches, so­weit er nicht hin­rei­chend gel­tend ge­macht wur­de.

b) Der Ur­laubs­an­spruch des Klägers ist auch ver­fal­len, ein Scha­dens­er­satz­an­spruch steht dem Kläger nicht zu.

aa) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers ist der Ur­laubs­an­spruch auch des­we­gen ver­fal­len, weil der Kläger ihn nicht recht­zei­tig gel­tend ge­macht hat. Auch trotz er­folg­ter Kündi­gung ist es dem Ar­beit­neh­mer nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts möglich, Ur­laub zu be­an­tra­gen. Glei­cher­maßen kann der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer auch nach Ab­lauf der Kündi­gungs­frist wirk­sam Ur­laub gewähren. Denn der Ar­beit­ge­ber ist recht­lich nicht ge­hin­dert, ei­nem Ar­beit­neh­mer in ei­nem un­wirk­sam gekündig­ten und des­halb fort­be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis Ur­laub zu er­tei­len (vgl. BAG U. v. 13.12.2011 - 9 AZR 420/10). Die­se Auf­fas­sung hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt auch er­neut bestätigt durch sei­ne Ent­schei­dung vom 10.02.2015 - 9 AZR 455/13 -. Der Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses wird durch die Kündi­gung nicht berührt. So­weit die Kündi­gung un­wirk­sam ist, ist ei­ne Gewährung von Ur­laub durch den Ar­beit­ge­ber vor­sorg­lich für den Fall, dass ei­ne von ihm erklärte or­dent­li­che oder außer­or­dent­li­che Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht auflöst, möglich. Denn mit der Kündi­gung macht der Ar­beit­ge­ber le­dig­lich gel­tend, er ge­he da­von aus, dass das Ar­beits­verhält­nis zu ei­nem be­stimm­ten Zeit­punkt en­den wird. Er be­haup­tet le­dig­lich ei­ne Be­en­di­gung. Da­mit er­folgt auch kei­ne Frei­stel­lung von der Ar­beits­pflicht. Denn der Ar­beit­ge­ber geht da­von aus, dass sei­ne Ar­beits­pflicht in­fol­ge der wirk­sa­men Be­en­di­gung nicht be­steht. In­so­fern ist es dem Ar­beit­ge­ber auch möglich den Ar­beit­neh­mer von der Ar­beits­pflicht vor­sorg­lich, für den Fall, dass das Ar­beits­verhält­nis nicht be­en­det sein soll­te und in­so­fern ei­ne Ar­beits­pflicht be­ste­hen soll­te, vor­sorg­lich frei­zu­stel­len durch Ur­laubs­gewährung. In­so­fern liegt kei­ne dop­pel­te Be­frei­ung von der Ar­beits­pflicht vor.

bb) Dies wi­der­spricht auch nicht eu­ropäischem Recht, wie das Bun­des­ar­beits­ge­richt be­reits in der Ent­schei­dung vom 13.12.2011 (9 AZR 420/10) ent­schie­den hat. Maßgeb­lich in­so­weit ist le­dig­lich, dass für den Ar­beit­neh­mer die Möglich­keit be­steht, den auch un­ter Er­ho­lungs­ge­sichts­punk­ten dem Ar­beit­neh­mer zu­ste­hen­den Ur­laub zu neh­men. Auch wenn das Ar­beits­verhält­nis zunächst gekündigt ist und die Fra­ge des Fort­be­ste­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses im Raum steht, kann der Ar­beit­neh­mer vor­sorg­lich den Ur­laub ein­brin­gen. Dies ist so­gar in sei­nem In­ter­es­se, da der Er­ho­lungs­as­pekt dem Ar­beit­neh­mer ja möglichst zeit­nah zu­ste­hen soll. Dem Ar­beit­neh­mer ist es nicht da­mit ge­dient, nach Jah­ren des Führens ei­nes Kündi­gungs­rechts­streits und der dann er­fol­gen­den Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung Jah­re später den Er­ho­lungs­ur­laub zu er­hal­ten. Viel­mehr soll dem Ar­beit­neh­mer ge­ra­de im je­wei­li­gen Jahr auch die Er­ho­lung durch den Ur­laub zu­kom­men. Le­dig­lich wenn der Ar­beit­neh­mer nicht in der La­ge ist, Ur­laub ein­zu­brin­gen, et­wa we­gen be­ste­hen­der Ar­beits­unfähig­keit, bleibt der Ur­laub be­ste­hen. Die Auf­fas­sung des Bun­des­ar­beits­ge­richts verstößt da­her auch nicht ge­gen eu­ropäisches Recht.

cc) Die Kam­mer schließt sich auch nicht der Auf­fas­sung des LAG Ber­lin-Bran­den­burg (21 Sa 221/14) bzw. der Auf­fas­sung der 8. Kam­mer des LAG München (8 Sa 982/14) an. Nach Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ist der Ar­beit­ge­ber nicht ver­pflich­tet den Ar­beit­neh­mer, so­weit er kei­ne Ur­laubswünsche an­mel­det oder ei­nen Ur­laubs­an­trag nicht stellt, an­zuhören oder sei­ne Ur­laubswünsche zu er­fra­gen, um den Ur­laubs­zeit­raum von sich aus zu be­stim­men (vgl. BAG U. v. 15.09.2011 - 8 AZR 846/09; v. 24.03.2009 - 9 AZR 983/07).

Nach ständi­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts bleibt der Ur­laubs­an­spruch des Ar­beit­neh­mers nur dann be­ste­hen und wan­delt sich in ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch um, so­weit der Ar­beit­neh­mer sei­nen Ar­beit­ge­ber zu­vor in Ver­zug ge­setzt hat­te (vgl. z. B. BAG U. v. 19.04.1994 - 9 AZR 671/92; U. v. 17.01.1995 - 9 AZR 664/93; U. v. 15.10.2013 - 9 AZR 374/12).

Zwar spricht der Wort­laut des § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG da­von, dass der Ur­laub im lau­fen­den Ka­len­der­jahr gewährt und ge­nom­men wer­den muss. Da­mit wird aber grundsätz­lich vor al­lem die Bin­dung des Ur­laubs an das je­wei­li­ge Ka­len­der­jahr zum Aus­druck ge­bracht. Zu­dem sind bei­de Ele­men­te er­for­der­lich dafür, dass der Ur­laub nicht verfällt. Zwar be­steht die Möglich­keit, wenn der Ar­beit­neh­mer kei­nen An­trag stellt, dass der Ar­beit­ge­ber von sich aus auch Ur­laub gewähren kann, an­de­rer­seits lässt sich hier­aus noch kei­ne Ver­pflich­tung da­zu ab­lei­ten, den Ur­laub auch zu gewähren.

Dies ver­langt auch nicht das eu­ropäische Recht bzw. die Recht­spre­chung des EuGH. Auch die­ser hat letzt­lich in der Ent­schei­dung vom 20.01.2009 (C 350/06) dar­auf ab­ge­stellt, dass zum ei­nen der Er­ho­lungs­zweck im Vor­der­grund steht, an­de­rer­seits aber vor al­lem ein Ver­fall des Ur­laubs dann nicht statt­fin­den soll, wenn der Ar­beit­neh­mer nicht die Möglich­keit hat­te, Er­ho­lungs­ur­laub ein­zu­brin­gen. Wie be­reits oben dar­ge­legt dient der Er­ho­lungs­zweck vor al­lem auch da­zu, dass zeit­nah die Beschäftig­ten während ei­nes Jah­res die Er­ho­lungs­wir­kung des Ur­laubs in An­spruch neh­men können. Dies recht­fer­tigt die Bin­dung des Ur­laubs auch an das Ka­len­der­jahr und ei­nen nicht zu lan­ge an­dau­ern­den Über­tra­gungs­zeit­raum. Des Wei­te­ren ist aber hier vor al­lem zu berück­sich­ti­gen, dass der je­wei­li­ge Ar­beit­neh­mer die Möglich­keit hat, durch ei­nen An­trag, wie auch im vor­lie­gen­den Fall, den Ur­laub ein­zu­brin­gen. Er hat ge­ra­de die Möglich­keit den Ur­laub zu neh­men. Des Wei­te­ren hat der EuGH in der oben ge­nann­ten Ent­schei­dung auch aus­geführt, dass grundsätz­lich Art. 7 der Ar­beits­zeit­richt­li­nie ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung nicht ent­ge­gen­steht, wo­nach für die Ausübung des mit die­ser Richt­li­nie aus­drück­lich ver­lie­he­nen An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub ge­wis­se Mo­da­litäten zu be­ach­ten sei­en. Dies gel­te selbst dann, wenn die­se Mo­da­litäten den Ver­lust des An­spruchs am En­de ei­nes Be­zugs­zeit­raums oder ei­nes Über­tra­gungs­zeit­raums be­inhal­te­ten. Es sei al­lei­ni­ge Vor­aus­set­zung, dass der Ar­beit­neh­mer tatsächlich die Möglich­keit ge­habt hätte, den ihn mit der Richt­li­nie ver­lie­he­nen An­spruch aus­zuüben (vgl. EuGH 20.01.2009 - C-350/06 und C-520/06; BAG U. v. 09.08.2011 - 9 AZR 365/10). Dem­gemäß be­steht durch­aus die Möglich­keit, so­weit ein An­trag je­den­falls nicht un­zu­mut­bar ist, dies als Vor­aus­set­zung auf­zu­stel­len und die Bin­dung des Ur­laubs an die­se Mo­da­lität zu knüpfen.

In­so­fern be­steht auch kei­ne Scha­dens­er­satz­ver­pflich­tung, da der Ar­beit­ge­ber, wenn ein Ur­laubs­an­trag nicht ge­stellt wur­de, je­den­falls die Nicht­gewährung des Ur­laubs auch nicht zu ver­tre­ten hat.

Dem­gemäß ist der Ur­laub des Klägers mit Ab­lauf des Jah­res 2013 ver­fal­len, da er nicht gel­tend ge­macht wur­de. Die Be­ru­fung war da­her zurück­zu­wei­sen.

2. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 97 ZPO.

3. We­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der zu­grun­de­lie­gen­den Rechts­fra­ge und un­ter Berück­sich­ti­gung ent­ge­gen­ste­hen­der Recht­spre­chung ei­ner an­de­ren Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts München wird die Re­vi­si­on zu­ge­las­sen. Auf die nach­fol­gen­de Rechts­mit­tel­be­leh­rung wird ver­wie­sen.

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