HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

ArbG Ber­lin, Ur­teil vom 17.04.2015, 28 Ca 2405/15

   
Schlagworte: Mindestlohn, Kündigung
   
Gericht: Arbeitsgericht Berlin
Aktenzeichen: 28 Ca 2405/15
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 17.04.2015
   
Leitsätze:

I. Beantwortet der Arbeitgeber eines Kleinstbetriebes den Wunsch eines seit rund sechs Jahren bei 5,19 Euro (brutto) pro Stunde und wöchentlich 14 Arbeitsstunden beschäftigten Hauswartes nach Bezahlung des „Mindestlohns“ mit einer Kündigung, so ist durch das objektive Geschehen ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB indiziert.

II. Den Konsequenzen ist regelmäßig nicht mit dem nicht näher erläuterten Einwand des Arbeitgebers abgeholfen, er habe unlängst festgestellt, dass der Hauswart für seinen Aufgabenbereich anstelle der vertraglich bedungenen 14 Arbeitsstunden pro Woche auch mit 32 Stunden pro Monat auskomme, und sich deshalb die Kündigung selber zuzuschreiben habe, weil er sich weigere, einen entsprechend geänderten Arbeitsvertrag (mit praktisch gleicher Endvergütung: 325,-- Euro statt bisher 315,-- Euro) abzuschließen.

Vorinstanzen:
   

Ar­beits­ge­richt Ber­lin

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)
28 Ca 2405/15

Verkündet

am 17.04.2015

 

als Ur­kunds­be­am­ter/in

der Geschäfts­stel­le



Im Na­men des Vol­kes

Teil­ur­teil

 


In Sa­chen

pp


hat das Ar­beits­ge­richt Ber­lin, 28. Kam­mer,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 17.04.2015
durch den Rich­ter am Ar­beits­ge­richt Dr. R.
als Vor­sit­zen­der
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Frau J. und Herrn R.

für Recht er­kannt:

I. Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis des Klägers durch die or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten im Schrei­ben vom 28. Ja­nu­ar 2015 nicht zum 30. April 2015 auf­gelöst wor­den ist.

II. Es wird fest­ge­stellt, dass sein Ar­beits­verhält­nis auch nicht durch an­de­re Be­en­di­gungs­tat­bestände en­det, son­dern zu un­veränder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen über den 30. April 2015 hin­aus fort­be­steht.

III. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, dem Kläger für Ja­nu­ar 2015 wei­te­re 200,67 EUR (brut­to) nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 01. Fe­bru­ar 2015 zu zah­len

IV. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, den Kläger zu den im Ar­beits­ver­trag vom 02. Fe­bru­ar 2009 ge­re­gel­ten Ar­beits­be­din­gun­gen mit der Maßga­be als Haus­meis­ter bis zu ei­ner rechts­kräftig­ten Ent­schei­dung über den Fest­stel­lungs­an­trag zu beschäfti­gen, dass der St­un­den­lohn 8,50 EUR (brut­to) beträgt.

V. Die Kos­ten­ent­schei­dung bleibt dem Schlus­s­ur­teil vor­be­hal­ten.

VI. Der Wert des Streit­ge­gen­stan­des wird für die­ses Teil­ur­teil auf 1.460,67 EUR fest­ge­setzt.

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T a t b e s t a n d

Es geht um Kündi­gung und um Vergütungs­dif­fe­ren­zen (zum „Min­destohn“). - Vor­ge­fal­len ist fol­gen­des:

I. Der (heu­te ) 42-jähri­ge Kläger trat mit dem 1. März 2009 als „Haus­wart“ in die Diens­te der Be­klag­ten, ei­ner Haus­ei­gentümer­ge­mein­schaft im Be­zirk Prenz­lau­er Berg (Ber­lin), de­ren ein­zi­ger Mit­ar­bei­ter er ist . Der nach Er­schei­nungs­bild und Dik­ti­on von der Be­klag­ten ge­stell­te Ar­beits­ver­trag (Ko­pie: Ur­teils­an­la­ge I.) trifft un­ter an­de­rem fol­gen­de Be­stim­mun­gen:

„§ 2 Ar­beits­zeit

Die re­gelmäßige Ar­beits­zeit beträgt 14 Wo­chen­stun­den. Die zeit­li­che Ver­tei­lung und der je­wei­li­ge Ar­beits­be­ginn ori­en­tie­ren sich an den be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­sen.
Die in der An­la­ge ge­nann­ten Ar­bei­ten sind re­gelmäßig während der Zeit zwi­schen 7.00 Uhr und 20.00 Uhr, ggf. an Sonn- und Fei­er­ta­gen bis 14.00 Uhr durch­zuführen.

§ 3 Vergütung/Lohn­steu­er/So­zi­al­ver­si­che­rung

a) Der Ar­beit­neh­mer erhält ei­ne mo­nat­li­che Vergütung von

EU­RO 315,00 in Wor­ten (Drei­hun­dert­undfünf­zehn).

b) Die Vergütung wird je­weils am Letz­ten ei­nes Mo­nats fällig. Die Zah­lung er­folgt bar­geld­los durch Über­wei­sung auf ein vom Ar­beit­neh­mer zu be­nen­nen­des Gi­ro­kon­to“.

II. Anläss­lich der Einführung des so­ge­nann­ten ge­setz­li­chen Min­dest­lohns zum 1. Ja­nu­ar 2015 kam es auf Initia­ti­ve des Klägers zu Kon­sul­ta­tio­nen zwi­schen den Par­tei­en, zu de­ren Ein­zel­hei­ten ih­re Dar­stel­lun­gen teil­wei­se aus­ein­an­der ge­hen. Fest steht, dass die Be­klag­te ihm am 27. Ja­nu­ar 2015 den Ent­wurf ei­ner (neu­en) Ver­trags­ur­kun­de (Ko­pie: Ur­teils­an­la­ge II.) zu­kom­men ließ, kraft de­rer seit 1. Ja­nu­ar 2015 un­ter an­de­rem fol­gen­des Re­gle­ment gel­ten soll­te:

„§ 2 Ar­beits­zeit

Die re­gelmäßige Ar­beits­zeit beträgt 32 St­un­den mo­nat­lich. Die zeit­li­che Ver­tei­lung und der je­wei­li­ge Ar­beits­be­ginn ori­en­tie­ren sich an den be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­sen.

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Die in der An­la­ge ge­nann­ten Ar­bei­ten sind re­gelmäßig während der Zeit zwi­schen 7.00 Uhr und 20.00 Uhr, ggf. an Sonn- und Fei­er­ta­gen bis 14.00 Uhr durch­zuführen.

§ 3 Vergütung/Lohn­steu­er/So­zi­al­ver­si­che­rung

a) Der Ar­beit­neh­mer erhält ei­ne mo­nat­li­che Vergütung von

EU­RO 325,00 in Wor­ten (Drei­hun­dert­undfünf­und­zwan­zig).

b) Die Vergütung wird je­weils am Letz­ten ei­nes Mo­nats fällig. Die Zah­lung er­folgt bar­geld­los durch Über­wei­sung auf ein vom Ar­beit­neh­mer zu be­nen­nen­des Gi­ro­kon­to“.

III. Die­ses Schriftstück un­ter­zeich­ne­te der Kläger nicht. - Zwei Ta­ge später (29. Ja­nu­ar 2015) emp­fing er fol­gen­de Nach­richt der Be­klag­ten (Ko­pie: Ur­teils­an­la­ge III.).

„Haus­wart-Dienst­ver­trag vom 02.02.2009
G.straße …., 10437
Kündi­gung

… hier­mit kündi­gen wir das mit Ih­nen be­ste­hen­de Dienst­leis­tungs­ver-hält­nis gemäß Ver­trag vom 02.02.2009 frist­ge­recht mit Wir­kung

zum 30. April 2015.

Mit freund­li­chen Grüßen“.

IV. Da­mit will es er Kläger nicht be­wen­den las­sen: Er nimmt die Be­klag­te, die ihm für Ja­nu­ar 2015 noch 315,-- Eu­ro als „Fest­lohn Aus­hil­fe“ (Ko­pie : Ur­teils­an­la­ge IV.) über­wie­sen hat­te, mit sei­ner am 17. Fe­bru­ar 2015 bei Ge­richt ein­ge­reich­ten und acht Ta­ge später (25. Fe­bru­ar 2015) zu­ge­stell­ten Kla­ge auf Fest­stel­lung in An­spruch, dass die vor­erwähn­te Kündi­gung sein Ar­beits­ver-hält­nis nicht be­en­det ha­be. Außer­dem wünscht er für Ja­nu­ar 2015 die Zah-lung wei­te­rer (515,67 Eu­ro ./. 315,-- Eu­ro = ) 200,67 Eu­ro (brut­to) nebst Ver­zugs­zin­sen, da die Be­klag­te an­ge­sichts sei­nes Ar­beits­pen­sums von (14 Wo-chen­ar­beits­stun­den x 13 Wo­chen : 3 Mo­na­te = ) 60,67 St­un­den pro Mo­nat als Min­dest­lohn 515,67 Eu­ro hätte ent­rich­ten müssen . Er hält die Kündi­gung für un­wirk­sam, da die­se sich als – ver­bo­te­ne - Maßre­ge­lung im Sin­ne des § 612 a BGB dar­stel­le : Sie ste­he nämlich im di­rek­ten Zu­sam­men­hang mit der tags zu­vor (27. Ja­nu­ar 2015) von ihm gel­tend ge­mach­ten Be­zah­lung des Min­dest-

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lohns . Be­an­stan­dun­gen hin­sicht­lich sei­ner Ar­beits­leis­tung hätten nicht be­stan­den . Zu­dem las­se der un­mit­tel­ba­re zeit­li­che Zu­sam­men­hang zwi­schen der Gel­tend­ma­chung sei­nes An­lie­gens und der Re­ak­ti­on der Be­klag­ten kei-nen an­de­ren Schluss zu . - Mit Schrift­satz vom 16. April 2015 hat der Kläger sei­ne Zah­lungs­kla­ge um Vergütungs­dif­fe­ren­zen glei­cher Höhe (200,67 Eu­ro) für Fe­bru­ar und März 2015 er­wei­tern las­sen.
IV. Der Kläger be­an­tragt hier­nach zu­letzt sinn­gemäß,

1. fest­zu­stel­len, dass sein Ar­beits­verhält­nis durch die or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten im Schrei­ben vom 28. Ja­nu­ar 2015 nicht zum 30. April 2015 auf­gelöst wird;

2. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis auch nicht durch an­de­re Be­en­di­gungs­tat­bestände en­det, son­dern zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen über den 30. April 2015 hin­aus fort­be­steht;

3. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihm für Ja­nu­ar 2015 wei­te­re 200,67 Eu­ro (brut­to) nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten p.a. über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 1. Fe­bru­ar 2015 zu zah­len;

4. die Be­klag­te im Fal­le sei­nes Ob­sie­gens mit dem Kla­ge­an­trag zu 1. und/oder zu 2. zu ver­ur­tei­len, ihn zu den im Ar­beits­ver­trag vom 2. Fe­bru­ar 2009 ge­re­gel­ten Ar­beits­be­din­gun­gen un­ter der Maßga­be, dass der St­un­den­lohn 8,50 Eu­ro (brut­to) beträgt, als Haus­meis­ter bis zu ei­ner rechts­kräfti­gen Ent­schei­dung über den Fest­stel­lungs­an­trag zu beschäfti­gen;

5. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihm für Fe­bru­ar 2015 wei­te­re 200,67 Eu­ro (brut­to) nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro-zent­punk­ten p.a. über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 1. März 2015 so­wie für März 2015 wei­te­re 200,67 Eu­ro (brut­to) nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 1. April 2015 zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,


die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

V. Sie hält die Kla­ge­be­geh­ren der Sa­che nach für ge­gen­stands­los: Zwar sei rich­tig, dass sich der Kläger ei­ne Erhöhung sei­nes Salärs un­ter Hin­weis auf

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das Min­dest­l­ohn­ge­setz gewünscht ha­be . Rich­tig sei auch, dass sie dies ab­ge­lehnt ha­be . Das lie­ge aber nicht nur an ih­rer Ver­pflich­tung ge­genüber den Mie­tern, die Wirt­schaft­lich­keit der Be­triebs­kos­ten zu wah­ren, son­dern auch an der „Tat­sa­che“, dass die im Ver­trag ge­nann­te St­un­den­zahl nach ih­ren „Fest­stel­lun­gen“ für die Ausübung der Haus­warttätig­keit „nicht benötigt“ wer­de . Des­halb be­strei­te sie, dass er für die über­nom­me­ne Haus­warttätig­keit 14 St­un­den wöchent­lich auf­wen­de . Ih­re Skep­sis wer­de auch durch die Tat­sa­che bestätigt, dass der Kläger nicht be­reit sei, Be­ginn und En­de so­wie Dau­er der Ar­beits­zeit ent­spre­chend der Vor­ga­be nach dem Min­dest­l­ohn­ge­setz zu do­ku­men­tie­ren . Je­den­falls ha­be er die ent­spre­chen­de Auf­for­de­rung be­reits münd­lich im Gespräch am 27. Ja­nu­ar 2015 mit ih­rem be­fass­ten Sach­wal­ter (Herrn P. M.) „ka­te­go­risch“ ab­ge­lehnt, als die­ser ihm (Kläger) ei­nen Ände-rungs­ver­trag an­ge­bo­ten ha­be . - Am Fol­ge­tag (28. Ja­nu­ar 2015) ha­be der Kläger beim Geschäftsführer der Haus­ver­wal­tung (Herrn C.-R. B.) vor­ge­spro­chen . Die­ser ha­be dem Kläger „die Not­wen­dig­keit“ erklärt, „die Zahl der St­un­den dem Leis­tungs­um­fang an­zu­pas­sen“, da die im Ver­trag ge­nann­te Zahl der Ar­beits­stun­den tatsächlich nicht benötigt wer­de . Der Kläger ha­be den an­ge­bo­te­nen Ände­rungs­ver­trag je­doch ab­ge­lehnt, ei­ne Erhöhung des Ent­gelts auf über 500,-- Eu­ro „oh­ne ,wenn und aber'“ ver­langt und ei­nen Nach­weis der ge­leis­te­ten St­un­den nicht für er­for­der­lich ge­hal­ten . Da­mit ha­be er die Kündi­gung al­so „pro­vo­ziert“ .
VI. Hier­zu er­wi­dert der Kläger, der die Kla­ge­er­wi­de­rung für ver­spätet hält , mit Schrift­satz vom 16. April 2015 un­ter an­de­rem, ent­schei­dungs­er­heb­li­che Einwände zur Zah­lungs­kla­ge sei­en dar­in nicht er­sicht­lich : Die Be­klag­te ha­be durch Ab­rech­nung und Aus­zah­lung sei­nes ver­tragsmäßigen Loh­nes un­strei­tig ge­stellt, dass er sei­ne ver­trag­lich ge­schul­de­te Leis­tung er­bracht ha­be . Den-

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noch lässt er – „un­ter Pro­test ge­gen die Be­weis­last“ - ei­nen „St­un­den­nach­weis“ für Ja­nu­ar bis März 2015 (Ko­pie: Ur­teils­an­la­ge V.) zu den Ge­richts­ak­ten rei­chen. - Es tref­fe auch nicht zu, dass das mit 14 St­un­den ver­ein­bar­te ver­trag­li­che Wo­chen­ar­beits­pen­sum – wie nun­mehr un­sub­stan­ti­iert be­haup­tet - „überhöht“ sei . Die auf­ge­tra­ge­ne Ar­beit las­se sich nicht in kürze­rer Zeit er­le­di­gen . Es dürf­te, so der Kläger wei­ter, auch „kein Zu­fall sein, dass die Be­klag­te zu­vor gan­ze sechs Jah­re lang kei­ner­lei Zwei­fel dar­an hat­te, dass die ver­ein­bar­te Ar­beits­zeit nötig“ ge­we­sen sei, um die ge­nau­es­tens vor­ge­schrie­be­nen Ar­bei­ten zu ver­rich­ten . Es sei an­ge­sichts des Um­stan­des auch nicht nach­voll­zieh­bar, wie sie auf die­sen Ge­dan­ken ge­kom­men sei : Da er nach ih­rer Dar­stel­lung ja kei­ner­lei Auf­zeich­nun­gen oder An­ga­ben zu sei­ner Ar­beits­zeit ge­macht ha­be, könne sie nicht fest­stel­len, dass sei­ne Auf­ga­ben auch in kürze­rer als der ver­trag­lich be­dun­ge­nen Zeit hätten er­le­digt wer­den können . Tatsächlich be­schränke sich ih­re Hal­tung dar­auf, dass sie „eben ein­fach nicht mehr zah­len“ wol­le . Nach­dem er sich ge­nau da­mit nicht ein­ver­stan­den erklärt ha­be, ha­be sie ihm gekündigt . - Sch­ließlich lässt er be­strei­ten, dass er es in den Per­so­nal­gesprächen am 27. und 28. Ja­nu­ar 2015 „ka­te­go­risch“ ab­ge­lehnt ha­be, sei­ne Ar­beits­stun­den zu do­ku­men­tie­ren . Tatsächlich ha­be es ihr ei­ge­ner Ver­tre­ter „ka­te­go­risch“ ab­ge­lehnt, ihm den Min­dest­lohn zu zah­len . Wenn die Be­klag­te nun dem­ge­genüber mei­ne, er ha­be mit sei­ner Ab­leh­nung ei­ner – zu­mal rück­wir­ken­den – Ände­rung sei­nes Ar­beits­ver­trags bei oben­drein iden­ti­schem Auf­ga­ben­an­fall die Kündi­gung „pro­vo­ziert“, so sei dies der ge­ra­de­zu klas­si­sche Lehr­buch­fall ei­ner ver­bo­te­nen sit­ten­wid­ri­gen Kündi­gung .

VII. We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Par­tei­vor­brin­gens wird auf den In­halt der ge­wech­sel­ten Schriftsätze und auf de­ren An­la­gen so­wie auf den In­halt der Sit­zungs­nie­der­schrif­ten ver­wie­sen. Nicht in­be­grif­fen sind die Ausführun­gen im vor­erwähn­ten Schrift­satz des Klägers vom 16. April 2015, weil die Be­klag­te da­zu kein aus­rei­chen­des recht­li­ches Gehör mehr er­hal­ten hat. So­weit

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hier aus die­sem Schrift­satz zi­tiert oder be­rich­tet wird, ge­schieht dies da­her aus­sch­ließlich zur Il­lus­tra­ti­on.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

A. Da der Rechts­streit we­gen der Aus­gangs­kla­ge ent­schei­dungs­reif ist, hat das Ge­richt in­so­weit auf­grund der § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG , §§ 495 Abs. 1 , 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO Teil­ur­teil er­las­sen.
B. Dies­bezüglich ist den Kla­ge­be­geh­ren der er­streb­te Er­folg nicht zu ver­sa­gen. - Im Ein­zel­nen:

I. Die Kündi­gung

So­weit der Kläger mit sei­nem Kla­ge­an­trag zu 1. die Fest­stel­lung be­gehrt, die im Schrei­ben vom 28. Ja­nu­ar 2015 erklärte Kündi­gung (Ur­teils­an­la­ge III.) be­en­de sein Ar­beits­verhält­nis nicht, er­weist sich das Rechts­schutz­be­geh­ren als ge­recht­fer­tigt. - Der Rei­he nach:
1. Der Kläger hat sei­ne Fest­stel­lungs­kla­ge bin­nen drei­er Wo­chen nach Zu­gang des Kündi­gungs­schrei­bens (29. Ja­nu­ar 2015) bei Ge­richt ein­rei­chen las­sen (17. Fe­bru­ar 2015). Die Zu­stel­lung ist am 25. Fe­bru­ar 2015 be­wirkt wor­den. Da­mit hat der Kläger bei recht­lich ge­bo­te­ner Berück­sich­ti­gung der ge­setz­li­chen Wer­tun­gen aus § 167 ZPO die ihm durch § 4 Satz 1 KSchG

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zur Kla­ge­er­he­bung ge­setz­te dreiwöchi­ge Frist ge­wahrt. Die Kündi­gung „gilt“ folg­lich nicht schon kraft Ge­set­zes nach § 7 (1. Halb­satz) KSchG als „von An-fang an rechts­wirk­sam“. Zwar be­durf­te sie we­gen der sich in sei­ner Per­son er-schöpfen­den Beschäftig­ten­zahl der Be­klag­ten (s. § 23 Abs. 1 KSchG ) kei­nes be­son­de­ren Grun­des. Sie darf je­doch – selbst­verständ­lich – nicht ge­gen zwin­gen­des Ge­set­zes­recht ver­s­toßen und ins­be­son­de­re kein nor­ma­tiv dis­kre­di­tier­tes Mo­tiv ver­fol­gen.
2. Letz­te­res tut sie aber: Denn die Be­klag­te nimmt er­kenn­bar den Wunsch des Klägers nach An­he­bung sei­nes ver­trag­li­chen Salärs auf das Ni­veau des ge­setz­li­chen Min­dest­lohns zum An­lass, ihm die seit im­mer­hin sechs Jah­ren bis­her of­fen­bar an­stands­los durch­geführ­te Ver­trags­be­zie­hung auf­zukündi­gen. Da­mit über­schrei­tet sie die Gren­zen ih­rer rechts­geschäft­li­chen Ge­stal­tungs­macht. In­fol­ge­des­sen kann ih­re Kündi­gung kei­ne Lösungs­wir­kung ent­fal­ten, al­so auch nicht zum 30. April 2015 . - Der Rei­he nach:
a. § 612 a BGB ver­bie­tet dem Ar­beit­ge­ber be­kannt­lich, ei­nen Ar­beit­neh­mer bei ei­ner Ver­ein­ba­rung oder Maßnah­me ge­ra­de des­halb zu be­nach­tei­li­gen, weil die­ser „in zulässi­ger Wei­se sei­ne Rech­te ausübt“. Dass ei­ne Kündi­gung – ge­ra­de­zu pro­to­ty­pisch - zu sol­chen „Nach­tei­len“ gehört, braucht nicht

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ver­tieft zu wer­den . Dass es zu­dem Teil der ur­ei­gens­ten „Rech­te“ von Ar­beits­per­so­nen ist, beim Ar­beit­ge­ber zu ih­ren Guns­ten als nor­ma­tiv zwin­gend er­las­se­ne Ge­set­zes­vor­ga­ben (s. hier §§ 1 Abs. 1 , 20 Mi­LoG) für sich selbst ge­gen erklärte Wi­derstände tatsächlich in An­spruch zu neh­men, ver­steht sich gleich­falls von selbst.
b. Bei die­ser Sach­la­ge ist für den Streit­fall der Fol­ge­rung nicht aus­zu­wei­chen, dass die Be­klag­te hier ver­meint­li­che ope­ra­ti­ve Ge­stal­tungs­macht zu Un­recht mo­bi­li­siert, um sich den wirt­schaft­li­chen Kon­se­quen­zen der neu­en Ge­set­zes­la­ge zu ent­zie­hen. Ih­re Einwände können dar­an nichts ändern:
ba. So führt kein Weg dar­an vor­bei, dass die Be­klag­te die Initia­ti­ve des Klägers, ihm für sein ver­trag­li­ches Ar­beits­pen­sum von wöchent­lich 14 St­un­den an­stel­le bis­he­ri­ger 5,19 Eu­ro (brut­to) ab Ja­nu­ar 2015 8,50 Eu­ro (brut­to) pro St­un­de (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Mi­LoG ) zu zah­len, im Er­geb­nis mit Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses be­ant­wor­tet hat. Schon da­mit liegt auf der Hand (§ 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO ), dass sein vom ko­di­fi­zier­ten Ge­set­zes­recht beflügel­ter Wunsch nach An­he­bung sei­ner bis­he­ri­gen Vergütung auf den da­nach in­ten­dier­ten „Min­dest­lohn“, das nach der Ju­di­ka­tur der Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen

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zur An­er­ken­nung der Kau­sa­lität der frag­li­chen Maßnah­me mit der be­wuss­ten Rechts­ausübung ge­for­der­te „we­sent­li­che“ Mo­tiv bzw. den „tra­gen­den Be­weg­grund“ bil­de­te.
bb. So­weit die Be­klag­te dem­ge­genüber zu ver­mit­teln sucht, es sei­en an­de­re Umstände ge­we­sen, die nach sechsjähri­ger Zu­sam­men­ar­beit nun den auf sei­ne Ände­rungswünsche hin ih­rer­seits ur­plötz­lich auf­ge­tauch­ten Tren­nungs­wunsch mo­ti­viert hätten, folgt das Ge­richt dem nicht (neu­er­lich: § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO ):
(1.) Das gilt zunächst für ih­re An­ga­ben zur „Fest­stel­lung“ (s. oben, S. 5 [vor VI.]), dass die ver­trag­lich be­dun­ge­ne St­un­den­zahl für die Ar­beit des Klägers „nicht benötigt“ wer­de. Zwar trifft es zu, dass die Be­klag­te dem Kläger am 27. Ja­nu­ar 2015 den Ent­wurf ei­ner Ver­trags­ur­kun­de (s. oben, S. 2 [II.]; Ur­teils­an­la­ge II.) zur Un­ter­schrift hat vor­le­gen las­sen, wo­nach er künf­tig bei (mögli­che­wei­se ) glei­chem Leis­tungs­um­fang an­stel­le bis­he­ri­ger 60,66 St­un­den (s. oben, Fn. 58) nur noch 32 St­un­den pro Mo­nat für die Be­klag­te tätig sei. Das ist aber nicht Teil der Lösung, son­dern Teil des Pro­blems : Denn ab­ge­se­hen da­von, dass sie – wie schon der Kläger an­merkt - nicht mit­teilt, wor­aus sie sol­che Ein­sich­ten denn ei­gent­lich ge­won­nen ha­be, wenn er ihr jeg­li­che Auf­zeich­nun­gen über sei­ne be­triebsnützi­gen Ak­ti­vitäten „ka­te­go­risch“ vor­ent­hal­te (s. oben, S. 5 [vor VI.]), stellt sich in der Tat die Fra­ge, war­um die ih­rer Kli­en­tel doch von An-

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be­ginn auf tun­lichst wirt­schaft­li­che Ver­wen­dung frem­der Mit­tel ver­pflich­tet war, sich ge­ra­de jetzt nach na­he­zu sechs Jah­ren auf ein an­geb­lich zu großzügig be­mes­se­nes Zeit­kon­tin­gent im Ar­beits­ver­trag be­sinnt. Al­lein die­se zeit­li­che Ko­in­zi­denz genügte in­des­sen nach zu­tref­fen­der Ju­di­ka­tur der Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen zur nor­ma­ti­ven Dis­kre­di­tie­rung der hie­si­gen Kündi­gung als „Maßre­ge­lung“ im Sin­ne des § 612 a BGB .
(2.) Nicht bes­ser be­stellt ist es um Ih­re eben schon ge­streif­te Dar­stel­lung (s. noch­mals oben, S. 5 [vor VI.]), der Kläger ver­wei­ge­re ihr die be­sag­ten Do­ku­men­ta­ti­ons­hil­fen: Al­ler­dings ist wie­der­um rich­tig, dass den Ar­beit­ge­ber auf­grund des § 17 Abs. 1 Satz 1 Mi­LoG un­ter an­de­rem die Ver­pflich­tung trifft, ent­spre­chen­de Auf­zeich­nun­gen zu fer­ti­gen und auf­zu­be­wah­ren, will er sich nicht bei ungüns­ti­gem Ver­lauf der Din­ge mit der Verhängung von Bußgel­dern (s. § 21 Abs. 1 Nr. 2 Mi­LoG ) bis zur Höhe von 30.000,-- Eu­ro (§ 21 Abs. 3 Mi-LoG ) kon­fron­tiert se­hen. Rich­tig ist auch, dass den Ar­beit­neh­mer im Hin­blick auf § 241 Abs. 2 BGB durch­aus ei­ne Ver­pflich­tung tref­fen kann, ent­spre­chen­de Da­ten im Rah­men des Zu­mut­ba­ren bei­zu­steu­ern. Es ist je­doch - wie­der­um – nicht er­sicht­lich, dass die Be­klag­te sich ge­ra­de we­gen der (be­haup­te­ten) Wei­ge­rung des Klägers zur et­wai­gen Zeit­er­fas­sung be­wo­gen ge­se­hen hätte, die hie­si­ge Kündi­gung zu erklären. Im­mer­hin springt in­so­fern schon ins Au­ge, dass in ih­rem Ver­trags­ent­wurf (Ur­teils­an­la­ge II.) hin­sicht­lich des Pflich­ten­krei­ses des Adres­sa­ten kei­ne Re­de von ir­gend­wel­chen zu fer­ti­gen­den St­un­den­auf-

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zeich­nun­gen ist. Bei die­ser Sach­la­ge kann es mit der Pro­mi­nenz die­ses An­lie­gens nicht weit her ge­we­sen sein. - Im Übri­gen blie­be nicht nur an­zu­mer­ken, dass der Ar­beit­ge­ber ent­ge­gen eben­so ver­brei­te­ter wie un­ge­prüfter Plau­si­bi­litäts­struk­tu­ren auf ei­ne Kündi­gung oft gar nicht an­ge­wie­sen ist, um be­ste­hen­den ver­trag­li­chen Ne­ben­pflich­ten des Ar­beit­neh­mers gebühren­den Nach­druck zu ver­schaf­fen. Hierfür sei ein­mal mehr auf Her­bert Buch­ner ver­wie­sen, der schon im Jah­re 1989 in ei­ner Fach­schrift der Bun­des­ver­ei­ni­gung der Deut­schen Ar­beit­ge­ber­verbände über­zeu­gend dar­an er­in­nert hat­te, dass der „Nich­terfüllung ver­trag­li­cher Pflich­ten … zunächst mit den Be­hel­fen zu be­geg­nen (sei), die ge­ne­rell zur Durch­set­zung ver­trag­li­cher Erfüllungs­ansprüche zur Verfügung ste­hen, al­so mit der Ab­mah­nung der ver­trag­li­chen Leis­tung, der Leis­tungs­kla­ge und even­tu­el­len Scha­dens­er­satz­for­de­run­gen“. Ist die An­ge­le­gen­heit zu­dem eil­bedürf­tig, so hilft ggf. auch der einst­wei­li­ge Rechts­schutz (s. § 62 Abs. 2 ArbGG ; §§ 935 , 940 ZPO) wei­ter. - Sch­ließlich blie­be an­zu­mer­ken, dass der Be­klag­ten – selbst­verständ­lich – kei­ne „Bußgel­der“ droh­ten, so­lan­ge ihr Un­vermögen zur Bei­brin­gung der von § 17 Abs. 1 Satz 1 Mi­LoG ge­for­der­ten Ar­beits­zeit­auf­zeich­nun­gen am Kläger läge: Dies be­darf an­ge­sichts der rechts­staat­li­chen Prägung des gel­ten­den Ord­nungs­wid­rig­kei­ten­rechts gleich­falls kei­ner wei­te­ren Ausführun­gen.

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3. Die Kon­se­quen­zen die­ser Rechts­la­ge spie­gelt der Te­nor zu I. die­ses Teil­ur­teils.

 

II. Der „Schlepp­netz­an­trag“

Der Kla­ge war ihr Er­folg auch nicht zu ver­sa­gen, so­weit der Kläger mit sei­nem
Kla­ge­an­trag zu 2. fest­ge­stellt se­hen will, dass sein Ar­beits­verhält­nis auch nicht durch an­de­re Be­en­di­gungs­tat­bestände en­de, son­dern über den 30. April 2015 hin­aus fort­be­ste­he: Es ist in der Ju­di­ka­tur der Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen be­kannt­lich an­er­kannt, dass ein Ar­beit­neh­mer mit sei­ner Kla­ge ge­gen die Kündi­gung vor­sorg­lich auch den so­ge­nann­ten all­ge­mei­nen Fest­stel­lungs­an­trag nach § 256 Abs. 1 ZPO stel­len kann, um zu ver­hin­dern, dass der Ar­beit­ge­ber sich während des Rechts­streits über­ra­schend auf an­de­re – zu­wei­len schlicht un­ter­ge­scho­be­ne - Be­en­di­gungs­tat­bestände be­ruft . Die­ses Kla­ge­be­geh­ren wird da­her im Fach­schrift­tum auch poin­tiert als „Schlepp­netz­an­trag“ be­zeich­net . Das ihm zu­grun­de lie­gen­de Schutz­bedürf­nis ist auch dem hie­si­gen Kläger – oh­ne ge­gen die Ak­teu­re der Be­klag­ten persönli­chen Arg­wohn zu he­gen – ob­jek­tiv nicht ab­zu­spre­chen. - Da­her al­so: Te­nor zu II.


III. Die Pro­zess­beschäfti­gung

Dass der Kläger bis zur Be­en­di­gung des Kündi­gungs­rechts­streits sei­ne vorläufi­ge Wei­ter­beschäfti­gung for­dern kann (s. Kla­ge­an­trag zu 4.), er­gibt sich dem Grun­de nach aus den be­kann­ten Grundsätzen in BA­GE 48, 122 . Al­ler-

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dings bot sich in die­sem Zu­sam­men­hang in der Tat die vom Kläger denn auch er­be­te­ne Klar­stel­lung an, dass sei­ne Vergütung nicht hin­ter den Min­dest­lohn von 8,50 Eu­ro pro St­un­de zurück­blei­ben dürfe. - Dem trägt der Te­nor zu III. folg­lich Rech­nung.

IV. Die Zah­lungs­kla­ge

Als be­gründet er­weist sich auch die Zah­lungs­kla­ge. Dar­an können die Einwände der Be­klag­ten nichts ändern. - In­so­fern, letzt­ma­lig, der Rei­he nach:
1. Dem Kläger steht die be­an­spruch­te Dif­fe­renz­vergütung zu. Das folgt für die Haupt­for­de­rung aus (ent­spre­chen­der An­wen­dung des) § 612 Abs. 2 BGB in Ver­bin­dung mit § 1 Abs. 1 Mi­LoG , während die Zin­sen nach Maßga­be der §§ 288 Abs. 1 , 286 Abs. 2 Nr. 1 , 614 Satz 1 BGB und § 3 Ab­schnitt b) Satz 1 ArbV (s. oben, S. 2 [I.]) zu ent­rich­ten sind. Dafür sei klar­ge­stellt, dass ei­ne un­mit­tel­ba­re An­wen­dung des § 612 Abs. 2 BGB hier zwar des­halb aus­schei­det, weil die Par­tei­en die Vergütungshöhe ja in der Tat nicht et­wa of­fen ge­las­sen („nicht be­stimmt“), son­dern sehr wohl – nur eben mitt­ler­wei­le ge­setz­wid­rig – ge­re­gelt ha­ben. Die Lösung des ver­meint­li­chen „Rätsels“ er­gibt sich aber dar­aus, dass die Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen die zi­tier­te Vor­schrift des § 612 BGB

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ent­spre­chend an­zu­wen­den pfle­gen , wenn ei­ne Vergütung zwar – wie hier - tatsächlich „ver­ein­bart“, die Ver­ein­ba­rung aber im Lich­te nor­ma­ti­ver Be­gren­zun­gen der Ver­trags­frei­heit recht­lich dis­kre­di­tiert und da­her un­wirk­sam ist.
2. Ih­rer sich hier­aus er­ge­ben­den – und rech­ne­risch zu­tref­fend er­mit­tel­ten (s. oben, S. 3 [IV.]) - Zah­lungs­pflicht kann die Be­klag­te nicht mit ih­ren in an­de­rem Zu­sam­men­hang schon gewürdig­ten Einwänden (s. oben, S. 5 [vor VI.]) ent­ge­hen. - Kei­ner die­ser Einwände er­weist sich als stich­hal­tig:
a. So­weit sie zunächst in Zwei­fel zieht, dass das einst von ihr sel­ber be­dun­ge­ne St­un­den­pen­sum vom Kläger „nicht benötigt“ wer­de, blie­be das schon aus recht­li­chen Gründen un­er­heb­lich: Wenn sie vom Kläger von sei­nen le­bens­zeit­li­chen Res­sour­cen nämlich 14 St­un­den pro Wo­che gleich­sam für sich „re­ser­viert“ (§ 2 Abs. 1 Satz 1 ArbV; Ur­teils­an­la­ge I.), haf­tet sie für de­ren et­wai­ge Nicht­ausschöpfung im Zwei­fel nach den Grundsätzen des so­ge­nann­ten An­nah­me­ver­zugs (§ 615 BGB ). - Im Übri­gen weist schon der Kläger zu­tref­fend dar­auf hin (s. oben, S. 5 [VI.], dass sie ihm im­mer­hin vor­be­halt­lo­se Ab­rech­nung sei­ner ver­trag­li­chen Vergütung (§ 108 Abs. 1 Ge­wO ) er­teilt ha­be. Bei die­ser Sach­la­ge mach­te sie es sich je­den­falls mit schlich­tem Be­strei­ten ord­nungs­gemäßer Ver­trags­erfüllung deut­lich zu leicht.
b. Eben­so we­nig könn­te sie im Er­geb­nis mit dem Ein­wand gehört wer­den, der Kläger tra­ge nicht gehörig zur Erfüllung der erwähn­ten Do­ku­men­ta­ti­ons­pflich­ten aus § 17 Abs. 1 Satz 1 Mi­LoG (s. oben, S. 11 [(2.)]) bei. Da­bei kann of­fen blei­ben, wel­che Be­deu­tung den von ihm mitt­ler­wei­le vor­ge­leg­ten Auf­zeich­nun­gen (s. oben, S. 5-6; Ur­teils­an­la­ge V.) in­so­weit zukäme. Denn je­den­falls bestände in­so­weit kein Recht der Be­klag­ten, dem Kläger ei­ne mit 315,-- Eu­ro (brut­to) ver­ab­re­de­te oder auch mit 515,67 Eu­ro ge­schul­de­te Ar­beits­vergü-

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tung zu ver­wei­gern: So­weit die Be­klag­te da­zu im Ver­hand­lungs­ter­min am 17. April 2015 den Ge­dan­ken an ein Zurück­be­hal­tungs­recht (§§ 273 Abs. 1 , 274 BGB) ins Gespräch ge­bracht hat, grif­fe die­ses schon des­halb nicht durch, weil das be­sag­te Salär des Klägers unpfänd­bar wäre (s. §§ 850 Abs. 1 , 850 c Abs. 1 Satz 1 ZPO): In­so­weit gilt nicht nur das ko­di­fi­zier­te Auf­rech­nungs­ver­bot nach § 394 Satz 1 BGB . Viel­mehr schließt ge­nau die­sel­be ge­setz­li­che Wer­tung nach eben­so ein­ge­spiel­ter wie zu­tref­fen­der Recht­spre­chung der Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen auch ein Zurück­be­hal­tungs­recht aus, weil an­de­ren­falls das Auf­rech­nungs­ver­bot durch rei­ne Um­be­nen­nung der Ak­ti­on um­gan­gen wer­den könn­te .
3. Er­geb­nis: Te­nor zu IV.

C. Für Kos­ten und Streit­wer­te lässt es sich kurz ma­chen:
I. So­weit das Ge­richt zu ge­ge­be­ner Zeit auch oh­ne be­kun­de­ten Wunsch der Par­tei­en über die Ver­pflich­tung zur Tra­gung der Kos­ten sei­ner In­an­spruch­nah­me zu ent­schei­den ha­ben wird, be­darf es hier­zu kei­nes An­trags (§ 308

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Abs. 2 ZPO ). - Al­ler­dings ist die­se Fra­ge dem Schlus­s­ur­teil vor­zu­be­hal­ten (Te­nor zu V.).
II. Den Wert der Streit­ge­genstände hat das Ge­richt auf­grund des § 61 Abs. 1 ArbGG je­doch für die­ses Teil­ur­teil im Te­nor fest­ge­setzt und für die Kündi­gungs­schutz­kla­ge in An­leh­nung an die Wer­tun­gen aus § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG mit der drei­fa­chen (ver­trag­li­chen) Mo­nats­vergütung des Klägers, al­so mit (3 x 315,-- Eu­ro = ) 945,-- Eu­ro be­mes­sen. Der „Schlepp­netz­an­trag“ ist nach neue­ren Ge­pflo­gen­hei­ten der Ge­richts­pra­xis oh­ne ge­son­der­ten An­satz ge­blie­ben, während der Wunsch nach Pro­zess­beschäfti­gung mit ei­ner wei­te­ren Mo­nats­vergütung (von 315,-- Eu­ro) zu Bu­che schlägt. Die Zah­lungs­kla­ge ist schließlich mit ih­rem be­zif­fer­ten Wert be­mes­sen, al­so mit noch­mals 200,67 Eu-ro. - Das macht zu­sam­men (945,-- Eu­ro + 315,-- Eu­ro + 200,67 Eu­ro = ) 1.460,67 Eu­ro und erklärt den Te­nor zu VI.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g e n

Ge­gen die­ses Teil­ur­teil kann von der Be­klag­ten Be­ru­fung ein­ge­legt wer­den.

Die Be­ru­fungs­schrift muss von ei­nem bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt oder ei­nem Ver­tre­ter ei­ner Ge­werk­schaft bzw. ei­ner Ar­beit­ge­ber­ver­ei­ni­gung oder ei­nes Zu­sam­men­schlus­ses sol­cher Verbände ein­ge­reicht wer­den.

Die Be­ru­fungs­schrift muss in­ner­halb

ei­ner Not­frist von ei­nem Mo­nat

bei dem

Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg,
Mag­de­bur­ger Platz 1, 10785 Ber­lin

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ein­ge­gan­gen sein. Die Be­ru­fungs­schrift muss die Be­zeich­nung des Ur­teils, ge­gen das die Be­ru­fung ge­rich­tet wird, so­wie die Erklärung ent­hal­ten, dass die Be­ru­fung ge­gen die­ses Ur­teil ein­ge­legt wer­de.

 

Sie ist gleich­zei­tig oder in­ner­halb

ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten

in glei­cher Form schrift­lich zu be­gründen.

Die Schrift­form wird auch durch Ein­rei­chung ei­nes elek­tro­ni­schen Do­ku­ments im Sin­ne des § 46 c ArbGG genügt. Nähe­re In­for­ma­tio­nen da­zu fin­den sich auf der In­ter­net­sei­te un­ter www.ber­lin.de/erv.

Bei­de Fris­ten be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­setz­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Da­bei ist zu be­ach­ten, dass bei ei­ner Zu­stel­lung durch Nie­der­le­gung bei ei­ner Nie­der­las­sung der Deut­schen Post AG die Frist be­reits mit der Nie­der­le­gung und Be­nach­rich­ti­gung in Lauf ge­setzt wird, al­so nicht erst mit der Ab­ho­lung der Sen­dung. Das Zu­stel­lungs­da­tum ist auf dem Um­schlag ver­merkt.

Für den Kläger ist ge­gen die­ses Teil­ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

Von der Be­gründungs­schrift wer­den zwei zusätz­li­che Ab­schrif­ten zur Un­ter­rich­tung der eh­ren­amt­li­chen Rich­ter er­be­ten.


Wei­te­re Statt­haf­tig­keits­vor­aus­set­zun­gen er­ge­ben sich aus § 64 Abs. 2 ArbGG:
„Die Be­ru­fung kann nur ein­ge­legt wer­den,
a) wenn sie in dem Ur­teil zu­ge­las­sen wor­den ist,
b) wenn der Wert des Be­schwer­de­ge­gen­stan­des 600 Eu­ro über­steigt,
c) in Rechts­strei­tig­kei­ten über das Be­ste­hen, das Nicht­be­ste­hen oder die Kündi­gung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses oder
d) wenn es sich um ein Versäum­nis­ur­teil han­delt, ge­gen das der Ein­spruch an sich nicht statt­haft ist, wenn die Be­ru­fung oder An­schluss­be­ru­fung dar­auf gestützt wird, dass der Fall schuld­haf­ter Versäum­ung nicht vor­ge­le­gen ha­be“.

 

D r . R .

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