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LAG Hamm, Ur­teil vom 25.06.2002, 18 (11) Sa 1295/01

   
Schlagworte: Mobbing, Verletzung der Fürsorgepflicht
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Aktenzeichen: 18 (11) Sa 1295/01
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 25.06.2002
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Bochum - 1 Ca 731/01
   

Geschäfts-Nr.:

18 (11) Sa 1295/01

1 Ca 731/01

ArbG Bo­chum  

Verkündet
am 25.06.2002

gez. Gre­watsch

Reg. Reg.-Ang.

Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

In dem Rechts­streit

der Frau B1xxxx K1xxxxx, I1xxxxx 81, 41xxx B2xxxx,


- Kläge­rin und Be­ru­fungskläge­rin -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­ter:
Rechts­an­walt H1xxx H2xxxxxx, G1xxxxxxxxxx 42, 43xxx B2xxxx,

ge­gen

1. Herrn H3xxxxx K2xxx, L1xxxxxxxxxxxxxx H4xxxxx 44, 45xxx D1xxxxxx,

2. die Fir­ma A1xx O1xx AG, ver­tre­ten durch den Vor­stands­vor­sit­zen­den R1xxxx W1. H5xxxx, O2xxxxxx 11, 46xxx B2xxxx,

- Be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te zu 1:
Rechts­anwälte B3xxxxxx und K3xxxxxx, B4xxxxxxxx 22x, 47xxx M1xx,


Pro­zess­be­vollmäch­tig­te zu 2:
As­ses­so­rin W2xxxx, A2xxxxxxxxxxxxxxxx, K4xxxxxxxxx 61, 48xxx B2xxxx,

hat die 18. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 25.06.2002
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Knipp
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Bie­der­lack und Löcke
f ü r Recht er­kannt :

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Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Bo­chum vom 06.07.2001 – 1 Ca 731/01 – wird zurück­ge­wie­sen.

Die Kos­ten der Be­ru­fung wer­den der Kläge­rin auf­er­legt.

Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über Scha­dens­er­satz-, Schmer­zens­geld-, Un­ter­las­sungs-und Ver­pflich­tungs­ansprüche im Zu­sam­men­hang mit von der Kläge­rin be­haup­te­ten Mob­bing­hand­lun­gen der Be­klag­ten.

Die am 23.01.12xx ge­bo­re­ne Kläge­rin ist ver­hei­ra­tet und hat zwei Kin­der. Sie hat ei­ne Be­rufs­aus­bil­dung als Elek­tri­ke­rin ab­ge­schlos­sen.

In der Zeit vom 01.09.1981 bis zum 31.12.2000 war sie bei der Be­klag­ten zu 2) als Elek­tri­ke­rin tätig. Ih­re Brut­to­mo­nats­vergütung be­trug zu­letzt 5.505,-- DM. In der Zeit von Au­gust 1998 bis zum 06.02.2000 war sie im Werk II der Be­klag­ten zu 2) in der Ab­tei­lung 6131 TSB-In­stand­hal­tung auf Dau­er­nacht­schicht ein­ge­setzt. In der­sel­ben Ab­tei­lung ar­bei­te­te auch der Be­klag­te zu 1) als Meis­ter. In der Zeit vom 07.02.2000 bis zum 31.12.2000 wur­de die Kläge­rin in die­ser Ab­tei­lung in Wech­sel­schicht ein­ge­setzt.


Seit dem 01.01.2001 ist die Kläge­rin bei der Fir­ma O1xx P1xxxxxxxx GmbH tätig. Dort ar­bei­tet sie in der Ab­tei­lung 6262 im Be­reich der Li­ni­en­in­stand­hal­tung Elek­trik. Der Ar­beits­platz der Kläge­rin bei der Fir­ma O1xx P1xxxxxxxx GmbH ist ca. 500 m von der al­ten Ar­beitsstätte ent­fernt, in der der Be­klag­te zu 1) wei­ter­hin tätig ist.

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In der Zeit vom 20.03. bis 12.05.2000 und vom 26.05. bis 30.10.2000 war die Kläge­rin ar­beits­unfähig krank.

Die vor­lie­gen­de Kla­ge hat die Kläge­rin am 14.03.2001 er­ho­ben.
Mit dem Kla­ge­an­trag zu 1) macht die Kläge­rin als Scha­dens­er­satz die Dif­fe­renz zwi­schen dem an sie ge­zahl­ten Kran­ken­geld und der we­gen der Ar­beits­unfähig­keit ent­fal­le­nen Net­to­vergütung für die Zeit vom 01.05. bis 31.10.2000 in Höhe von ins­ge­samt 5.668,78 DM (6 x 1.024,48 DM abzüglich 478,10 DM Ar­beits­ent­gelt) gel­tend.

Die Kläge­rin ist der Auf­fas­sung, durch die ehr­ver­let­zen­den Be­haup­tun­gen des Be­klag­ten zu 1) sei ih­re Ge­sund­heit und ihr Persönlich­keits­recht ver­letzt wor­den. Die Be­klag­te zu 2) ha­be ihr ge­genüber die Fürsor­ge­pflicht ver­letzt, da sie nicht auf den Be­klag­ten zu 1) ein­ge­wirkt ha­be, sol­che Äußerun­gen zu un­ter­las­sen und die An­ge­le­gen­heit her­un­ter­ge­spielt ha­be.

Die Kläge­rin hat be­haup­tet:
Sie sei am 21.12.1999 von dem da­ma­li­gen Meis­ter­ver­tre­ter C1xxxxxx an­ge­spro­chen wor­den, dass sich der Be­klag­te zu 1) am 20.12.1999 über sie beim Be­triebs­lei­ter S1xxxxxxx abfällig geäußert ha­be. Sinn­gemäß ha­be er ge­sagt, sie ha­be kei­ne Ar­beit, sie würde nur von ei­ner Kaf­fee­bar zur an­de­ren fah­ren.
Am 22.12.1999 ha­be ihr der da­ma­li­ge Meis­ter­ver­tre­ter C1xxxxxx mit­ge­teilt, der Be­klag­te zu 1) ha­be sich am 21.12.1999 in sei­nem Bei­sein wie­der abfällig über sie geäußert und et­wa sinn­gemäß ge­sagt, sie (die Kläge­rin) könne nichts, sie sei über, sie wer­de wohl bald ei­nen an­de­ren Na­men ha­ben, weil sie so oft mit Herrn B6xxxxx zu­sam­men sei und spa­zie­ren fah­re.
Sie ha­be dann nach ih­rem Ur­laub am 10.01.2000 von Ar­beits­kol­le­gen er­fah­ren, dass der Be­klag­te zu 1) in der Haupt­werk­statt ge­genüber meh­re­ren Kol­le­gen sinn­gemäß geäußert ha­be, er wer­de al­les dar­an set­zen, dass sie von der Nacht­schicht flie­ge.

Am 14.01.2000 ha­be dann zwi­schen ihr, dem Be­klag­ten zu 1) und dem Be­triebs­lei­ter S1xxxxxxx ein Gespräch statt­ge­fun­den, in dem sie dar­auf hin­ge­wie­sen wor­den sei, dass dann, wenn der Be­klag­te zu 1) in der Nacht­schicht

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ein­ge­setzt war, er auch ihr Vor­ge­setz­ter sei. Sie sol­le dem Be­klag­ten zu 1) noch ei­ne Chan­ce ge­ben, wenn die­se sich ru­hig ver­hal­ten würde.
Am 20.01.2000 ha­be ihr Ehe­mann, der eben­falls bei der Be­klag­ten zu 2) beschäftigt sei, ihr mit­ge­teilt, dass er während sei­ner Ar­beit an­ge­ru­fen wor­den sei und ihm ge­sagt wor­den sei, dass sei­ne Frau et­was mit Herrn B6xxxxx ha­be, d.h. fremd­ge­hen würde. Dar­auf­hin ha­be sie den Be­triebs­lei­ter S1xxxxxxx ge­be­ten, sie aus der Nacht­schicht her­aus­zu­neh­men, um nicht wei­ter mit dem Be­klag­ten zu 1) zu­sam­men­ar­bei­ten zu müssen.
Während der Wech­sel­schicht ab 07.02.2000 sei sie fort­lau­fend von Ar­beits­kol­le­gen in dem Sin­ne an­ge­spro­chen wor­den, „man ha­be ja schon da­von gehört, war­um sie aus der Nacht­schicht ge­nom­men wor­den sei".
Bei der pri­va­ten Kar­ne­vals­fei­er am 19.02.2000 sei sie von dem Mit­ar­bei­ter E1xxx in ein­deu­ti­ger An­spie­lung auf ihr an­geb­li­ches Verhält­nis zu dem Ar­beits­kol­le­gen B6xxxxx mit den Wor­ten be­grüßt wor­den, dass man ja schöne Sa­chen von ihr bei O1xx höre.
Durch die­se Äußerun­gen des Be­klag­ten zu 1) be­dingt sei sie nerv­lich völlig am En­de ge­we­sen und ab 20.03.2000 ar­beits­unfähig krank ge­wor­den.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

1. die Be­klag­ten als Ge­samt­schuld­ner zu ver­ur­tei­len, an sie 5.668,78 DM nebst 9,26 % Zin­sen seit dem 22.03.2001 zu zah­len,
2. die Be­klag­ten als Ge­samt­schuld­ner zu ver­ur­tei­len, an sie ein an­ge­mes­se­nes Schmer­zens­geld nebst 9,26 % Zin­sen seit dem 22.03.2002 zu zah­len.

Die Be­klag­ten ha­ben be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

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Der Be­klag­te zu 1) hat vor­ge­tra­gen:
Ihm sei das Ar­beits­ver­hal­ten der Kläge­rin von an­de­ren Mit­ar­bei­tern zu­ge­tra­gen wor­den. Auf­grund sei­ner Ver­ant­wor­tungs­po­si­ti­on ha­be er sich ver­an­lasst ge­se­hen, zum Zwe­cke der wei­te­ren Über­prüfung die­se In­for­ma­tio­nen an den Be­triebs­lei­ter S1xxxxxxx wei­ter­zu­ge­ben. Da­ge­gen ha­be er nie­mals be­haup­tet, die Kläge­rin ge­he mit dem Kol­le­gen B6xxxxx fremd.

Die Be­klag­te zu 2) hat vor­ge­tra­gen:
Sie ha­be we­der ge­gen ih­re Fürsor­ge­pflicht noch ge­gen ih­re Pflich­ten aus dem Beschäftig­ten­schutz­ge­setz ver­s­toßen.

Durch Ur­teil vom 06.07.2001 hat das Ar­beits­ge­richt die Kla­ge ab­ge­wie­sen und die Kos­ten des Rechts­streits der Kläge­rin auf­er­legt. Den Streit­wert hat es auf 10.668,78 DM fest­ge­setzt.
In den Ent­schei­dungs­gründen hat das Ar­beits­ge­richt aus­geführt, der Kläge­rin ste­he ein An­spruch auf Scha­dens­er­satz und Schmer­zens­geld nicht zu. Sie ha­be schon Tat­sa­chen für ei­ne wi­der­recht­li­che Ver­let­zung ih­res Persönlich­keits­rechts nicht dar­ge­legt.

Ge­gen die­ses ihr am 30.07.2001 zu­ge­stell­te und we­gen der sons­ti­gen Ein­zel­hei­ten hier­mit in Be­zug ge­nom­me­ne Ur­teil hat die Kläge­rin am 28.08.2001 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se nach Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist bis zum 29.10.2001 am 29.10.2001 be­gründet.

Die Kläge­rin greift das ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil ins­ge­samt an. Sie stützt sich maßgeb­lich auf ih­ren erst­in­stanz­li­chen Vor­trag. Zum Te­le­fon­an­ruf am 20.01.2000 be­haup­tet sie wei­ter, der An­ru­fer sei der Be­klag­te zu 1) ge­we­sen.
We­gen der Kon­kre­ti­sie­rung der Vorwürfe und Be­haup­tun­gen wird auf die Ausführun­gen der Kläge­rin in der Be­ru­fungs­be­gründungs­schrift vom 29.10.2001 ver­wie­sen. Die mit der Be­ru­fung ver­folg­te Kla­ge­er­wei­te­rung hält die Kläge­rin für sach­dien­lich.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

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das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Bo­chum vom 06.07.2001 – 1 Ca 731/01 - ab­zuändern und

1. die Be­klag­ten als Ge­samt­schuld­ner zu ver­ur­tei­len, 5.668,78 DM brut­to nebst 5 % Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 22.03.2001 an sie zu zah­len,
2. die Be­klag­ten als Ge­samt­schuld­ner zu ver­ur­tei­len, an sie ein an­ge­mes­se­nes Schmer­zens­geld nebst 5 % Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 22.03.2001 zu zah­len,
3. den Be­klag­ten zu 1) zu ver­ur­tei­len, die Be­haup­tun­gen zurück­zu­neh­men, „sie könne nichts und sei über, dass sie kei­ne Ar­beit ha­be und nur von ei­ner Kaf­fee­bar zur an­de­ren fah­ren würde, dass sie bald wie­der ei­nen an­de­ren Na­men tra­gen wer­de, weil sie oft mit Herrn B6xxxxx zu­sam­men sei" und ent­spre­chen­de Äußerun­gen in Zu­kunft zu un­ter­las­sen und den Be­klag­ten zu 1) hier­zu durch Zwangs­geld in Höhe von 50.000,-- DM, er­satz­wei­se durch Zwangs­haft, an­zu­hal­ten,
4. die Be­klag­te zu 2) zu ver­pflich­ten, ih­ren Be­triebs­ab­lauf so zu or­ga­ni­sie­ren, dass sie nicht mit dem Be­klag­ten zu 1) zu­sam­men­ar­bei­ten muss.

Die Be­klag­ten ha­ben be­an­tragt,

die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Bo­chum vom 06.07.2001 – 1 Ca 731/01 – zurück­zu­wei­sen.

Die Be­klag­ten ha­ben der Kla­ge­er­wei­te­rung in der Be­ru­fungs­in­stanz nicht zu­ge­stimmt und hal­ten die­se nicht für sach­dien­lich, da ei­ne In­stanz ver­lo­ren ge­he.

Die Be­klag­ten ver­tei­di­gen im Übri­gen das erst­in­stanz­li­che Ur­teil.

We­gen des wei­te­ren Vor­brin­gens der Par­tei­en wird auf die zwi­schen ih­nen ge­wech­sel­ten Schriftsätze (ins­be­son­de­re auf die Be­ru­fungs­be­gründung der

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Kläge­rin und auf die Be­ru­fungs­er­wi­de­rung der Be­klag­ten) und auf die münd­li­chen Erklärun­gen der Par­tei­en in der münd­li­chen Ver­hand­lung ver­wie­sen.


Ent­schei­dungs­gründe

A. Die Be­ru­fung ist zulässig.

1. Sie ist an sich statt­haft. Sie ist auch form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den.

2. Die Kla­ge­er­wei­te­rung in der Be­ru­fungs­in­stanz um die Anträge 3 und 4 ist sach­dien­lich (§§ 263, 523 ZPO a.F.).
Zwar ist die Sach­dien­lich­keit in der zwei­ten In­stanz stren­ger zu prüfen als in der ers­ten In­stanz. Im vor­lie­gen­den Fall spricht aber zwin­gend für die Sach­dien­lich­keit, dass über die in der Be­ru­fungs­in­stanz anhängig ge­mach­ten Streit­ge­genstände bei Ver­wer­tung des bis­her vor­ge­tra­ge­nen Pro­zess­stof­fes ent­schie­den wer­den kann und so ein neu­er Pro­zess ver­mie­den wird (vgl. auch Zöller/Gum­mer, ZPO, 23. Aufl., § 533 Rz. 6; St­ein/Jo­nas/Schu­mann, § 263 Rz. 24; Baum­bach/Hart­mann, ZPO, 59. Aufl., § 263 Rz. 24, 25).

B. Die Be­ru­fung ist aber nicht be­gründet.

I. Der be­gehr­te Scha­dens- und Schmer­zens­geld­an­spruch steht der Kläge­rin ge­gen den Be­klag­ten zu 1) nicht gemäß §§ 823 Abs. 1, 847, 826 oder 823 Abs. 2 BGB zu.

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Die dem Be­klag­ten zu 1) vor­ge­wor­fe­nen Hand­lun­gen ver­let­zen nicht rechts­wid­rig und schuld­haft das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht der Kläge­rin und ih­re Ge­sund­heit.

1. Das durch Art. 1 und 2 GG gewähr­leis­te­te all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht ist auch im Pri­vat­rechts­ver­kehr und da­mit auch im be­ruf­li­chen und ar­beits­ver­trag­li­chen Be­reich zu be­ach­ten (vgl. BAG, Ur­teil vom 29.10.1997 – 5 AZR 508/95 – NZA 1998, 307; BAG, Ur­teil vom 04.04.1990 – 5 AZR 299/89 – NZA 1990, 933; BAG, Ur­teil vom 15.07.1987 – 5 AZR 215/86 – NZA 1988, 53).

Auch Ar­beit­neh­mer sind in der Kon­se­quenz des von der Ver­fas­sung vor­ge­ge­be­nen Wer­te­sys­tems ver­pflich­tet, das durch Art. 1 und 2 GG geschütz­te Recht auf Ach­tung der Würde und der frei­en Ent­fal­tung der Persönlich­keit der an­de­ren bei ih­rem Ar­beit­ge­ber beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer nicht durch Ein­grif­fe in die Persönlich­keits- und Frei­heits­sphäre zu ver­let­zen (vgl. z.B. LAG Thürin­gen, Ur­teil vom 15.02.2001 – 5 Sa 104/00 – NZA-RR 01, 577).

Mob­bing – auch Psy­cho­ter­ror am Ar­beits­platz ge­nannt – hat vie­le Va­ri­an­ten. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (Ur­teil vom 15.01.1997 – 7 AZR 14/96 – NZA 1997, 781) ver­steht un­ter Mob­bing das sys­te­ma­ti­sche An­fein­den, Schi­ka­nie­ren und Dis­kri­mi­nie­ren von Ar­beit­neh­mern un­ter­ein­an­der oder durch Vor­ge­setz­te.

Die neue­re Recht­spre­chung der Lan­des­ar­beits­ge­rich­te (vgl. LAG Thürin­gen, Ur­teil vom 15.02.2001 – 5 Sa 102/00 – NZA-RR 2001, 577; LAG Thürin­gen, Ur­teil vom 10.04.2001 – 5 Sa 403/00 – NZA-RR 2001, 347 ff; LAG Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 16.08.2001 – 6 Sa 415/01 – NZA-RR 2002, 121; LAG Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 19.03.2002 – 3 Sa 1/2002 – DB 2002, 1056) hat die­se De­fi­ni­ti­on wei­ter ent­wi­ckelt. Mit dem Be­griff des Mob­bing im ar­beits­rechts­recht­li­chen Verständ­nis wer­den fort­ge­setz­te auf­ein­an­der auf­bau­en­de und in­ein­an­der überg­rei­fen­de, der An­fein­dung, Schi­ka­ne oder Dis­kri­mi­nie­rung die­nen­de Ver­hal­tens­wei­sen er­fasst, die nach ih­rer Art und ih­rem Ab­lauf im Re­gel­fall ei­ner über­ge­ord­ne­ten, von der Rechts­ord­nung nicht ge­deck­ten Ziel­set­zung förder­lich sind und in ih­rer Ge­samt­heit das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht, die Eh­re oder die Ge­sund­heit des Be­trof­fe­nen ver­let­zen.
 


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Ob ein nach die­sem ar­beits­recht­li­chen Verständ­nis für die An­nah­me von Mob­bing er­for­der­li­ches sys­te­ma­ti­sches An­fein­den, Schi­ka­nie­ren und Dis­kri­mi­nie­ren vor­liegt, hängt im­mer von den Umständen des Ein­zel­falls ab. Da­bei ist ei­ne Ab­gren­zung zu dem in ei­nem Be­trieb im All­ge­mei­nen übli­chen oder recht­lich er­laub­ten und des­halb hin­zu­neh­men­den Ver­hal­ten er­for­der­lich. Nicht je­de Aus­ein­an­der­set­zung oder Mei­nungs­ver­schie­den­heit zwi­schen Kol­le­gen und/oder Vor­ge­setz­ten und Un­ter­ge­be­nen erfüllt den Be­griff des Mob­bing (vgl. LAG Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 19.03.2002 – 3 Sa 1/2002 – DB 2002, 1056). Kurz­fris­ti­gen Kon­flikt­si­tua­tio­nen mit Vor­ge­setz­ten oder Ar­beits­kol­le­gen fehlt in der Re­gel schon die not­wen­di­ge sys­te­ma­ti­sche Vor­ge­hens­wei­se (vgl. z.B. HwB AR-Kos­sens, Mob­bing am Ar­beits­platz, 1345, Rz. 3).

2. Ei­ne nach dem auf­ge­zeig­ten ar­beits­recht­li­chen Verständ­nis für die An­nah­me von Mob­bing er­for­der­li­che Ver­hal­tens­wei­se des Be­klag­ten zu 1) ist dem Vor­trag der Kläge­rin nicht zu ent­neh­men, wie das Ar­beits­ge­richt rich­tig ge­se­hen hat.

a) So­weit der Be­klag­te zu 1) sich ge­genüber dem Be­triebs­lei­ter S1xxxxxxx am 20.12.1999 in der Be­spre­chung mit den Meis­tern ne­ga­tiv über die Ar­beits­leis­tung und das Ar­beits­ver­hal­ten der Kläge­rin geäußert hat („Sie könne nichts, sie ha­be kei­ne Ar­beit", „sie würde von ei­ner Kaf­fee­bar zur an­de­ren fah­ren"), so han­delt es sich um die Wei­ter­ga­be von sub­jek­ti­ven Auf­fas­sun­gen und Wer­tun­gen des vor­ge­setz­ten Meis­ters an den Be­triebs­lei­ter. Es ist ei­ne dienst­li­che Mit­tei­lung. Der Be­klag­te zu 1) durf­te dar­auf ver­trau­en, dass die­se Mit­tei­lung auch ver­trau­lich be­han­delt wer­den würde.


b) Die von der Kläge­rin be­haup­te­te Äußerung des Be­klag­ten zu 1) über die Leis­tun­gen der Kläge­rin am 21.12.1999 („Sie könne nichts, sie sei über") im Bei­sein des Meis­ter­ver­tre­ters C1xxxxxx be­trifft den dienst­li­chen Be­reich. Sie enthält für den Zeu­gen er­kenn­bar ei­ne sub­jek­ti­ve Wer­tung der Leis­tun­gen der Kläge­rin. Ei­ne sol­che Äußerung kann schon ob­jek­tiv nicht als Be­lei­di­gung oder be­wuss­te Dis­kri­mi­nie­rung an­ge­se­hen wer­den.
 


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c) Der Vor­trag der Kläge­rin, der Be­klag­te zu 1) ha­be un­mit­tel­bar zu­vor in der Hau Der Vor­trag der Kläge­rin, der Be­klag­te zu 1) ha­be un­mit­tel­bar zu­vor in der Haupt­werk­statt vor meh­re­ren Kol­le­gen sinn­gemäß geäußert, „er wer­de al­les dar­an set­zen, dass die Kläge­rin von der Nacht­schicht fliegt mit Hil­fe von Grund­a­cker", ist für die Be­klag­te zu 2) we­gen der pau­scha­len An­ga­ben nicht über­prüfbar. Es feh­len An­ga­ben über die Zeit und die am Gespräch Be­tei­lig­ten. Die Ver­neh­mung des von der Kläge­rin be­nann­ten Zeu­gen U2xxxxxx würde zu ei­nem un­zulässi­gen Aus­for­schungs­be­weis führen.


d) Die Fol­ge­rung der Kläge­rin, der Be­klag­te zu 1) ha­be das Gerücht in die Welt ge­setzt, „die Kläge­rin würde mit dem Ar­beits­kol­le­gen B6xxxxx ein Verhält­nis ha­ben", ist durch die vor­ge­tra­ge­nen Tat­sa­chen nicht be­legt.


aa) Die an­geb­li­che Äußerung des Be­klag­ten zu 1) am 21.12.1999 in der B-Schicht, „Man spricht schon da­von, ob sie bald ei­nen an­de­ren Na­men hat, weil sie so oft mit Herrn B6xxxxx zu­sam­men ist und spa­zie­ren fährt", stützt die Be­haup­tung der Kläge­rin schon vom In­halt her nicht. Das geäußer­te häufi­ge Zu­sam­men­sein lässt nicht den Schluss zu, dass der Be­klag­te zu 1) hier­mit auch sa­gen woll­te, dass es zu häufi­gen se­xu­el­len Kon­tak­ten zwi­schen dem Zeu­gen B6xxxxx und der Kläge­rin ge­kom­men sei.


Da­mit liegt auch kei­ne Be­mer­kung se­xu­el­len In­halts im Sin­ne des § 2 Abs. 2 Ziff. 2 Be­schSG vor (vgl. hier­zu ErfK/Schlach­ter, § 2 Be­schSG Rz. 9). Außer­dem er­folg­te die­ses Gespräch nicht öffent­lich son­dern dem Zeu­gen C1xxxxxx ge­genüber. Man­gels wei­te­rer An­ga­ben der Kläge­rin über die am Gespräch Be­tei­lig­ten ist zu­grun­de zu le­gen, dass es sich hier­bei um ein Gespräch zwi­schen Meis­ter und Meis­ter­ver­tre­ter han­del­te.


bb) Den er­heb­li­chen Vor­wurf, der Be­klag­te zu 1) ha­be den Ehe­mann der Kläge­rin am 20.01.2000 an­ge­ru­fen und die­sem wahr­heits­wid­rig mit­ge­teilt, dass die Kläge­rin mit Herrn B6xxxxx fremd­ge­gan­gen sei, hat die Kläge­rin erst in der Be­ru­fungs­in­stanz nach­ge­scho­ben.

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Ein Be­weis­an­tritt der be­weis­pflich­ti­gen Kläge­rin für die­se nach­ge­scho­be­ne Be­haup­tung fehlt. In der ers­ten In­stanz hat die Kläge­rin Be­weis durch Ver­neh­mung ih­res Ehe­manns an­ge­bo­ten über die Be­haup­tung, dass je­mand ihn während der Ar­beit an­ge­ru­fen und ihm ge­sagt ha­be, dass sei­ne Ehe­frau et­was mit Herrn B6xxxxx ha­be.

Auf­grund wel­cher Tat­sa­chen die Kläge­rin nun­mehr von ei­ner Mit­tei­lung des Be­klag­ten zu 1) aus­geht, ist nicht vor­ge­tra­gen. Die Un­ter­stel­lung „Selbst wenn dies nicht so wäre, so wäre die­ser An­ruf auf das von dem Be­klag­ten zu 1) er­fun­de­ne Gerücht zurück­zuführen" ist nach dem oben Aus­geführ­ten durch Tat­sa­chen nicht be­legt.

cc) Es mag sein, dass die Kläge­rin nach der Ver­set­zung in die Wech­sel­schicht fort­lau­fend von Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen in dem Sin­ne an­ge­spro­chen wor­den ist, „Man ha­be ja schon gehört, war­um sie von der Nacht­schicht run­ter ge­musst ha­be". Dies lässt nur dar­auf schließen, dass ein Gerücht bezüglich der Kläge­rin im Be­trieb kur­sier­te, nicht aber, dass der Be­klag­te zu 1) die­ses Gerücht er­fun­den hat. Dies gilt auch für die Äußerung des Zeu­gen E1xxx bei der Kar­ne­vals­fei­er am 19.02.2000.

e) So­weit die Kläge­rin wei­te­re Störun­gen in der Zu­sam­men­ar­beit vor und nach den oben an­geführ­ten Vorfällen vorträgt, ist nicht er­sicht­lich, dass der Be­klag­te zu 1) sei­ne Vor­ge­setz­ten­stel­lung ge­genüber der Kläge­rin aus­ge­nutzt bzw. miss­braucht hat oder auf an­de­re Art und Wei­se Persönlich­keits­rech­te der Kläge­rin ver­letzt hat.

II. Die Kläge­rin hat auch kei­nen An­spruch auf Zah­lung des gel­tend ge­mach­ten Scha­dens (gemäß pVV, § 823 Abs. 1 BGB) und ei­nes Schmer­zens­gel­des (gemäß §§ 823 Abs. 1, 847 BGB) ge­gen die Be­klag­te zu 2).

Dem Vor­trag der Kläge­rin ist we­der ei­ne Fürsor­ge­pflicht­ver­let­zung noch ei­ne Ver­let­zung des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts durch die Be­klag­te zu 2) zu ent­neh­men.


12

Da schon ei­ne schuld­haf­te rechts­wid­ri­ge Ver­let­zungs­hand­lung des Be­klag­ten zu 1) nicht vor­liegt, konn­te die Be­klag­te zu 2) den Be­klag­ten zu 1) auch nicht bei sei­nem an­geb­lich rechts­wid­ri­gen Vor­ge­hen un­terstützen.

Es be­stand wei­ter kei­ne Ver­pflich­tung der Be­klag­ten zu 2) aus dem Ar­beits­verhält­nis bzw. aus § 4 Be­schSG, Maßnah­men ge­gen den Be­klag­ten zu 1) zum Schut­ze der Kläge­rin ein­zu­lei­ten.

III. Die Kläge­rin kann den gel­tend ge­mach­ten Be­sei­ti­gungs- und Un­ter­las­sungs­an­spruch nicht auf §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB ana­log stützen.

1. Zwar kann ein geschädig­ter Ar­beit­neh­mer mit ei­ner Un­ter­las­sungs­kla­ge, die sich ge­gen die Tat­hand­lun­gen selbst rich­tet, ge­gen mob­ben­de Vor­ge­setz­te oder Kol­le­gen vor­ge­hen. Eben­falls kann der be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer den Wi­der­ruf von ehr­kränken­den Erklärun­gen ver­lan­gen (vgl. z.B. Koll­mer, Mob­bing im Ar­beits­verhält­nis, 2. Aufl., Rz. 158, 159; Es­ser/Vol­merath, Mob­bing, S. 238; Spa­mer, Mob­bing am Ar­beits­platz, S. 134 ff).

2. Im vor­lie­gen­den Fall feh­len aber die ma­te­ri­ell recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für die­se Kla­gen.
Wie schon dar­ge­legt, führen die Äußerun­gen, die die Kläge­rin zurück­neh­men soll, zu kei­ner Ehr­ver­let­zung. Des Wei­te­ren ist dem An­trag nicht zu ent­neh­men, wem ge­genüber die Be­haup­tun­gen zurück­zu­neh­men sind. Auch ist ein Fort­wir­ken der be­haup­te­ten Be­ein­träch­ti­gung nicht er­sicht­lich, da das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en zum 31.12.2000 auf­gelöst wor­den ist.

IV. Aus die­sem Grund er­gibt sich auch kein An­spruch der Kläge­rin, die Be­klag­te zu 2) gemäß der ar­beits­ver­trag­li­chen Fürsor­ge­pflicht zu ver­pflich­ten, ih­ren Be­triebs­ab­lauf so zu or­ga­ni­sie­ren, dass die Kläge­rin nicht mit dem Be­klag­ten zu 1) zu­sam­men­ar­bei­ten muss.

Im Übri­gen ist der Be­klag­ten zu 2) die Erfüllung die­ser Ver­pflich­tung unmöglich, da das Ar­beits­verhält­nis und da­mit auch die Rech­te der Be­klag­ten zu 2) aus dem Ar­beits­verhält­nis mit Wir­kung zum 31.12.2000 be­en­det wor­den sind.
 


13

C. Nach al­le­dem hat das Rechts­mit­tel kei­nen Er­folg.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Vor­aus­set­zun­gen für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on sind nicht ge­ge­ben.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil ist für die Be­klag­ten ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben.

Ge­gen die­ses Ur­teil ist für die Kläge­rin man­gels aus­drück­li­cher Zu­las­sung die Re­vi­si­on nicht statt­haft, § 72 Abs. 1 ArbGG. We­gen der Möglich­keit, die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on selbständig durch Be­schwer­de beim Bun­des­ar­beits­ge­richt, Hu­go-Preuß-Platz 1, 99084 Er­furt, an­zu­fech­ten, wird die Kläge­rin auf die An­for­de­run­gen des § 72 a ArbGG ver­wie­sen.

gez.
Knipp 

Bie­der­lack 

Löcke

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