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BAG, Ur­teil vom 10.05.2016, 9 AZR 347/15

   
Schlagworte: Arbeitsschutz, Mitbestimmung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 9 AZR 347/15
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 10.05.2016
   
Leitsätze: Nach § 5 Abs. 2 ArbStättV hat der Arbeitgeber nicht rauchende Beschäftigte in Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr nur insoweit vor den Gesundheitsgefahren durch Passivrauchen zu schützen, als die Natur des Betriebs und die Art der Beschäftigung es zulassen. Dies kann dazu führen, dass er nur verpflichtet ist, die Belastung durch Passivrauchen zu minimieren, nicht aber sie gänzlich auszuschließen.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 2.10.2012, 5 Ca 2439/12
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 13.3.2015, 3 Sa 1792/12
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT
9 AZR 347/15
3 Sa 1792/12
Hes­si­sches
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
10. Mai 2016

UR­TEIL

Brüne, Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Neun­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 10. Mai 2016 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Brühler, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Krasshöfer und Klo­se so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Kran­zusch und Wull­horst für Recht er­kannt:

 

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1. Die Re­vi­si­on des Klägers ge­gen das Ur­teil des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 13. März 2015 - 3 Sa 1792/12 - wird zurück­ge­wie­sen.

2. Der Kläger hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Ver­pflich­tung der Be­klag­ten, dem Kläger ei­nen ta­bak­rauch­frei­en Ar­beits­platz zur Verfügung zu stel­len.

Der Kläger ist seit 1993 für die be­klag­te Spiel­bank und de­ren Rechts­vorgänge­rin mit Sitz in B als Crou­pier tätig. Er ist Nicht­rau­cher.

Bis zum Jahr 2008 gal­ten in der von der Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten be­trie­be­nen Spiel­bank kei­ne Ein­schränkun­gen für Rau­cher. Es durf­te übe­r­all ge­raucht wer­den. Seit 2008 sind in der Spiel­bank drei ge­trenn­te Räume mit Spiel­ti­schen vor­han­den. In ei­nem klei­ne­ren Raum ist das Rau­chen ge­stat­tet (Rau­cher­raum). In ei­nem größeren Raum ist das Rau­chen nicht ge­stat­tet (Nicht­rau­cher­raum). In dem frei zugäng­li­chen Ne­ben­raum oh­ne Tür ste­hen zwei Po­ker­ti­sche. Im Rau­cher­raum beträgt der Per­so­nal­be­darf sonn­tags bis don­ners­tags ca. 11 bis 12 Crou­piers, im Nicht­rau­cher­raum ca. 13 Crou­piers. Frei­tags und sams­tags wer­den im Rau­cher­raum et­wa 16 und im Nicht­rau­cher­raum et­wa 20 Crou­piers benötigt. Be­su­cher der Spiel­bank ge­lan­gen über den Haupt­ein­gang in den Nicht­rau­cher­raum. Von dort er­reicht man über ei­nen Durch­gang oh­ne Tür den Bar­be­reich, in dem das Rau­chen er­laubt ist. Vom Bar­be­reich ist der Rau­cher­raum über ei­nen of­fe­nen Durch­gang oh­ne Tür zu er­rei­chen. Über ei­ne wei­te­re au­to­ma­ti­sche Tür gibt es ei­nen un­mit­tel­ba­ren Über­gang vom Rau­cher- in den Nicht­rau­cher­raum. Der Rau­cher­raum und der Bar­be­reich sind mit ei­ner Kli­ma­an­la­ge so­wie ei­ner Be- und Entlüftungs­an­la­ge aus­ge­stat­tet. Es herrscht dort Un­ter­druck. Da­mit soll er­reicht wer­den, dass der Rauch in die­sen

 

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Räum­lich­kei­ten ver­bleibt und nicht in die Nicht­rau­cher­be­rei­che zieht. Über die Funk­ti­onsfähig­keit der Kli­ma­an­la­ge so­wie der Be- und Entlüftungs­an­la­ge liegt ein DE­KRA-Gut­ach­ten von No­vem­ber 2011 vor.

Bei der Be­klag­ten sind ins­ge­samt ca. 120 Crou­piers beschäftigt. Ih­re Ar­beits­zeit wird un­ter Be­ach­tung der Mit­be­stim­mungs­rech­te des Be­triebs­rats nach ei­nem Dienst­plan ver­teilt. Die­ser wird je­weils für ei­ne Pe­ri­ode von sechs Wo­chen er­stellt. Die Ver­tei­lung führt da­zu, dass in­ner­halb ei­nes Dienst­plan­blocks, dh. in­ner­halb von sechs Ta­gen, ein Crou­pier im Durch­schnitt ein bis zwei Diens­te und da­mit sechs bis zehn St­un­den im Rau­cher­raum zu ar­bei­ten hat. Durch kurz­fris­tig er­for­der­lich wer­den­de Ver­tre­tun­gen kann es aus­nahms­wei­se zu ei­nem erhöhten Ein­satz im Rau­cher­raum in­ner­halb ei­nes Dienst­plan­blocks kom­men. Bis ein­sch­ließlich De­zem­ber 2013 wur­de der Kläger zwi­schen sechs und zehn St­un­den pro Dienst­plan­block im Rau­cher­raum ein­ge­setzt. Es wer­den grundsätz­lich al­le Crou­piers im Rau­cher­raum beschäftigt. Aus­ge­nom­men wer­den Crou­piers, die ein ärzt­li­ches Gut­ach­ten vor­le­gen, aus dem sich ih­re ge­sund­heit­li­che Be­ein­träch­ti­gung durch das Ar­bei­ten im Rau­cher­be­reich er­gibt. Ein sol­ches Gut­ach­ten hat der Kläger nicht vor­ge­legt. Zu­dem ist für ei­nen Crou­pier auf­grund ei­ner rechts­kräfti­gen Ent­schei­dung des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts die Beschäfti­gung im Rau­cher­raum un­ter­sagt. Es be­steht ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung, wo­nach Mit­ar­bei­ter nach Voll­endung des 55. Le­bens­jah­res nicht am „Black-Jack-Tisch“ ein­ge­teilt wer­den dürfen und wei­te­re fünf Crou­piers, dar­un­ter auch der Kläger, an ma­xi­mal 21 Ta­gen im Ka­len­der­jahr am „Black-Jack-Tisch“ tätig sein dürfen.

Mit Schrei­ben vom 5. März 2012 bat der Kläger die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten, ihn aus­sch­ließlich im Nicht­rau­cher­raum der Spiel­bank ein­zu­set­zen. Dies lehn­te die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten mit Schrei­ben vom 22. März 2012 ab.

 

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Der Kläger ver­langt, ihm ei­nen ta­bak­rauch­frei­en Ar­beits­platz zur Verfügung zu stel­len. Er lei­de, wenn er im Rau­cher­raum ein­ge­setzt wer­de. Ta­bak-rauch sei ge­sund­heitsschädlich. Sein An­spruch auf ei­nen ta­bak­rauch­frei­en Ar­beits­platz er­ge­be sich aus § 618 BGB iVm. § 5 Ar­bStättV und der Ge­wO. Die Ent­schei­dung, ihn den­noch im Rau­cher­raum ein­zu­set­zen, sei un­sach­lich und willkürlich. Es sei­en genügend Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten vor­han­den, die ge­gen ih­ren Ein­satz im Rau­cher­raum nichts ein­zu­wen­den hätten. Es ob­lie­ge der Be­klag­ten dar­zu­le­gen, wie vie­le ih­rer Mit­ar­bei­ter rau­chen und nichts ge­gen ei­nen Ein­satz im Rau­cher­be­reich hätten. Der Prüfbe­richt von No­vem­ber 2011 ha­be Mängel der Kli­ma­an­la­ge und der Be- und Entlüftungs­an­la­ge er­ge­ben.

Der Kläger hat be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihm während sei­ner Dienst­zeit in den Räum­en der Be­klag­ten ei­nen ta­bak­rauch­frei­en Ar­beits­platz zur Verfügung zu stel­len und es der Be­klag­ten zu un­ter­sa­gen, ihn in der in den Räum­en der Be­klag­ten ein­ge­rich­te­ten Rau­cher­zo­ne zur Er­brin­gung sei­ner Ar­beits­leis­tung ein­zu­set­zen.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie hat ge­meint, die Ge­sund­heitsschädlich­keit pas­si­ven Rau­chens sei nicht un­um­strit­ten. Ein Großteil der „vom TÜV“ fest­ge­stell­ten klei­ne­ren Mängel sei be­reits be­ho­ben und der Rest sei in „Ab­ar­bei­tung“. Es ge­be auch nicht genügend Mit­ar­bei­ter, die ge­gen ei­nen Ein­satz im Rau­cher­raum nichts ein­zu­wen­den hätten.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung des Klägers zurück­ge­wie­sen. Die­ser ver­folgt mit sei­ner vom Be­ru­fungs­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on sein Kla­ge­ziel wei­ter.

 

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Ent­schei­dungs­gründe

A. Die Re­vi­si­on des Klägers ist un­be­gründet. Die Vor­in­stan­zen ha­ben die Kla­ge im Er­geb­nis zu Recht ab­ge­wie­sen. Der Kläger hat kei­nen An­spruch auf Zu­wei­sung ei­nes aus­sch­ließlich ta­bak­rauch­frei­en Ar­beits­plat­zes.

I. Die Kla­ge ist zulässig. Sie ist hin­rei­chend be­stimmt (zur Be­stimmt­heit ei­nes sol­chen Kla­ge­an­trags vgl. BAG 19. Mai 2009 - 9 AZR 241/08 - Rn. 17 bis 21, BA­GE 131, 18).

II. Die Kla­ge ist un­be­gründet. Der Kläger hat gemäß § 618 Abs. 1 BGB iVm. § 5 Ar­bStättV kei­nen An­spruch auf Zu­wei­sung ei­nes ta­bak­rauch­frei­en Ar­beits­plat­zes.

1. § 618 Abs. 1 BGB wird durch § 5 Ar­bStättV kon­kre­ti­siert. Gemäß § 5 Abs. 1 Ar­bStättV hat der Ar­beit­ge­ber die er­for­der­li­chen Maßnah­men zu tref­fen, da­mit die nicht rau­chen­den Beschäftig­ten in Ar­beitsstätten wirk­sam vor den Ge­sund­heits­ge­fah­ren durch Ta­bak­rauch geschützt sind. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on kann der An­spruch nicht iso­liert aus der Fürsor­ge­pflicht des Ar­beit­ge­bers her­ge­lei­tet wer­den. § 618 BGB kon­kre­ti­siert iVm. den öffent­lich-recht­li­chen Ar­beits­schutz­nor­men den In­halt der Fürsor­ge­pflich­ten, die dem Ar­beit­ge­ber im Hin­blick auf die Si­cher­heit und das Le­ben der Ar­beit­neh­mer ob­lie­gen. Den Vor­schrif­ten des tech­ni­schen Ar­beits­schut­zes kommt ei­ne Dop­pel­wir­kung zu, wenn ih­re Schutz­pflich­ten über § 618 Abs. 1 BGB in das Ar­beits­ver­trags­recht trans­for­miert wer­den (BAG 12. Au­gust 2008 - 9 AZR 1117/06 - Rn. 13, BA­GE 127, 205).

2. Der Kläger ist ein nicht rau­chen­der Beschäftig­ter iSv. § 5 Abs. 1 Satz 1 Ar­bStättV und un­ter­liegt so­mit dem persönli­chen Schutz­be­reich des § 5 Ar­bStättV.

3. Der Kläger hat grundsätz­lich An­spruch dar­auf, vor den Ge­sund­heits­ge­fah­ren durch Ta­bak­rauch geschützt zu wer­den. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat

 

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zu Un­recht an­ge­nom­men, der Kläger ha­be we­der Tat­sa­chen vor­ge­tra­gen, die auf die In­ten­sität der Be­las­tung durch Ta­bak­rauch schließen las­sen, noch ha­be er dar­ge­tan, von wel­chen all­ge­mei­nen oder kon­kre­ten Ge­sund­heits­ge­fah­ren durch Pas­siv­rau­chen er aus­geht. Ein nicht rau­chen­der Beschäftig­ter muss nicht dar­le­gen, dass ein Rau­cher­ar­beits­platz sei­ne Ge­sund­heit durch Pas­siv­rau­chen gefähr­det. Die Rüge des Klägers, das Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­be in­so­weit sei­nen schriftsätz­li­chen Vor­trag über­g­an­gen und un­ter Ver­let­zung von § 139 ZPO kei­ne Hin­wei­se er­teilt, ist da­her nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich.

a) Be­reits nach dem Wort­laut des § 5 Abs. 1 Satz 1 Ar­bStättV müssen die nicht rau­chen­den Beschäftig­ten wirk­sam vor den Ge­sund­heits­ge­fah­ren durch Ta­bak­rauch geschützt wer­den. Der Ge­setz­ge­ber ist da­mit da­von aus­ge­gan­gen, dass Ta­bak­rauch zwangsläufig die Ge­sund­heit gefähr­det.

b) Dies wird durch das Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren bestätigt. Es war Ziel des Ge­setz­ge­bers, die be­ste­hen­den Rechts­un­si­cher­hei­ten zu be­sei­ti­gen. Die­se könn­ten sich vor al­lem dar­aus er­ge­ben, dass in je­dem Ein­zel­fall fest­ge­stellt wer­den müss­te, ob das Pas­siv­rau­chen nach Kon­zen­tra­ti­on und zeit­li­cher Be­las­tung zu ei­ner Ge­sund­heits­gefähr­dung führt. Nach dem In­halt der De­bat­te im Bun­des­tag wur­de es als un­trag­bar an­ge­se­hen, dass der Ein­zel­ne nach­wei­sen müsse, in­wie­weit er durch die Ein­flüsse des Rau­chens ge­sund­heit­lich geschädigt wer­de. Ge­ra­de die­se Si­tua­ti­on sei Grund für die Ge­set­zes­in­itia­ti­ve ge­we­sen (vgl. Ple­nar­pro­to­koll 14/111 vom 29. Ju­ni 2000 S. 10530 f.). Zu­dem soll­te die Präzi­sie­rung der Ar­bStättV den neu­en wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis­sen Rech­nung tra­gen, die grundsätz­lich von ei­ner krebs­er­zeu­gen­den Wir­kung des Pas­siv­rau­chens aus­gin­gen (BT-Drs. 14/3231 S. 4). Der Ge­setz­ge­ber woll­te des­halb das Pas­siv­rau­chen ge­ne­rell als ge­sund­heits­gefähr­dend an­se­hen. Hierfür spricht auch, dass er un­ter Hin­weis auf ei­ne Ent­schei­dung des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 24. No­vem­ber 1994 (- 5 Sa 732/94 -) die bis­he­ri­ge Recht­spre­chung fort­schrei­ben woll­te (BT-Drs. aaO). Das Hes­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt hat­te in die­ser Ent­schei­dung an­ge­nom­men, be­reits ei­ne sub­jek­tiv wahr­ge­nom­me­ne Ta­bak­rauch­kon­zen­tra­ti­on löse die Schutz­pflicht des Ar­beit­ge­bers aus.

 

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c) Die­se Aus­le­gung wird durch den mitt­ler­wei­le auf­ge­ho­be­nen § 32 Ar­bStättV idF vom 20. März 1975 bestätigt. Die­ser ver­lang­te für Er­ho­lungsräume ge­eig­ne­te Maßnah­men zum Schutz der Nicht­rau­cher vor Belästi­gun­gen durch Ta­bak­rauch. Die Auf­he­bung die­ser Vor­schrift wur­de da­mit be­gründet, die bis­he­ri­ge Nicht­rau­cher­schutz­re­ge­lung sei in­halt­lich in § 3a Ar­bStättV idF vom 27. Sep­tem­ber 2002 (nun­mehr § 5 Ar­bStättV) ent­hal­ten. Da­mit schützt § 5 Ar­bStättV vor je­der Form des Pas­siv­rau­chens. Im Übri­gen wur­de § 5 Abs. 1 Satz 2 Ar­bStättV zur Um­set­zung der Ta­bak­rah­men­kon­ven­ti­on der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on (WHO) ein­gefügt (BT-Drs. 16/5049 S. 7). Nach Art. 8 Abs. 1 der Ta­bak­rah­men­kon­ven­ti­on er­ken­nen die Ver­trags­par­tei­en an, dass wis­sen­schaft­li­che Un­ter­su­chun­gen ein­deu­tig be­wie­sen ha­ben, dass Pas­siv­rau­chen Tod, Krank­heit und In­va­li­dität ver­ur­sa­che. Des­halb folgt auch aus Art. 2 Abs. 2 GG ei­ne staat­li­che Schutz­pflicht vor dem Pas­siv­rau­chen (BVerfG 30. Ju­li 2008 - 1 BvR 3262/07, 1 BvR 402/08, 1 BvR 906/08 - Rn. 119, BVerfGE 121, 317).

d) Die­se Aus­le­gung führt ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts da­zu, dass der Ar­beit­ge­ber nach § 5 Abs. 1 Ar­bStättV ver­pflich­tet ist, Maßnah­men zu er­grei­fen, die da­zu führen, dass kei­ne Ta­bak­rau­che­mis­sio­nen im Auf­ent­halts­be­reich des nicht rau­chen­den Beschäftig­ten nach­weis­bar oder wahr­nehm­bar sind (vgl. Schmie­ding ZTR 2004, 12, 13). Die Be­klag­te hat nicht be­haup­tet, dass die­ser Ef­fekt durch die Kli­ma­ti­sie­rung so­wie Be- und Entlüftung der Rau­cher­zo­ne er­reicht wird. Sie hat le­dig­lich ge­meint, durch die in­stal­lier­te An­la­ge wer­de die Luft­ver­un­rei­ni­gung durch Ta­bak­rauch auf ein Mi­ni­mum ver­rin­gert. Dies reicht nicht. Ob­jek­tiv er­for­der­lich iSv. § 5 Abs. 1 Ar­bStättV wären Maßnah­men, die ei­ne ta­bak­rauch­freie Atem­luft in der Ar­beitsstätte gewähr­leis­ten. Da­zu dürf­te kei­ner­lei Ta­bak­rauch wahr­nehm­bar sein (BAG 19. Mai 2009 - 9 AZR 241/08 - Rn. 20, BA­GE 131, 18).

4. Der An­spruch des Klägers wird je­doch gemäß § 5 Abs. 2 Ar­bStättV ein­ge­schränkt. Da­nach hat der Ar­beit­ge­ber in Ar­beitsstätten mit Pu­bli­kums­ver­kehr Schutz­maßnah­men nach § 5 Abs. 1 Ar­bStättV nur in­so­weit zu tref­fen, als die Na­tur des Be­triebs und die Art der Beschäfti­gung es zu­las­sen.

 

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a) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat zu Un­recht an­ge­nom­men, § 5 Abs. 2 Ar­bStättV sei nicht an­wend­bar. Denn die Be­klag­te ha­be sich nicht dar­auf be­ru­fen, dass mit dem Spiel in Spiel­ban­ken un­trenn­bar die Ge­fahr durch ta­bak­rau­chen­de Gäste ver­bun­den sei.

aa) Die An­wen­dung von § 5 Abs. 2 Ar­bStättV folgt be­reits aus den tatsächli­chen Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts. Da­nach ar­bei­tet der Kläger in ei­ner Ar­beitsstätte mit Pu­bli­kums­ver­kehr. Die Art der Beschäfti­gung schränkt die Schutz­pflicht des Ar­beit­ge­bers gemäß § 5 Abs. 2 Ar­bStättV ein, wenn die Tätig­keit des Ar­beit­neh­mers im Ein­zel­fall zwin­gend mit dem Kon­takt zu rau­chen­dem Pu­bli­kum ver­bun­den ist. Das sind Ar­beitsstätten, zu de­nen Außen­ste­hen­de - wie zB Kun­den und Gäste - Zu­gang ha­ben und in de­nen die­se Per­so­nen­grup­pen übli­cher­wei­se auf­grund der Ver­kehrs­an­schau­ung auch rau­chen (vgl. Koll­mer Ar­bStättV 3. Aufl. § 5 Rn. 32).

bb) Die­se Vor­aus­set­zun­gen sind zu­min­dest für den Rau­cher­be­reich der Spiel­bank der Be­klag­ten erfüllt. Dort ha­ben die Be­su­cher Zu­gang und dürfen rau­chen. Die Be­klag­te macht in ih­rer Spiel­bank von der Aus­nah­me­re­ge­lung in § 2 Abs. 5 Nr. 5 des Hes­si­schen Nicht­rau­cher­schutz­ge­set­zes (Hess­NRSG) Ge­brauch, die das Rau­chen in Spiel­ban­ken ermöglicht. Da­mit ha­ben die dort ar­bei­ten­den Beschäftig­ten zwangsläufig Kon­takt zu rau­chen­den Gästen.

b) Die wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen des § 5 Abs. 2 Ar­bStättV sind erfüllt.

aa) We­gen des Schut­zes der Na­tur des Be­triebs kann der Ar­beit­neh­mer kei­ne nicht­rau­cherschützen­den Maßnah­men ver­lan­gen, die zu ei­ner Verände­rung oder ei­nem fak­ti­schen Ver­bot der rechtmäßigen un­ter­neh­me­ri­schen Betäti­gung führen würden (BAG 8. Mai 1996 - 5 AZR 971/94 - zu B I 2 a der Gründe, BA­GE 83, 95). Die Na­tur des Be­triebs lässt Schutz­maßnah­men für die nicht rau­chen­den Beschäftig­ten in Rau­cherräum­en von Ein­rich­tun­gen mit Pu­bli­kums­ver­kehr nur ein­ge­schränkt zu (zu Gaststätten vgl. BVerfG 30. Ju­li 2008 - 1 BvR 3262/07, 1 BvR 402/08, 1 BvR 906/08 - Rn. 99, BVerfGE 121, 317). Bei der Prüfung, wel­che Schutz­maßnah­men er­for­der­lich und dem Ar­beit­ge­ber zu­mut­bar sind, ist ei­ne Abwägung zwi­schen der un­ter­neh­me­ri­schen Betäti­gungs­frei-

 

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heit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und der Schutz­pflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (Lan­ge SAE 2010, 152, 156) vor­zu­neh­men. Das kann zur Fol­ge ha­ben, dass un­ter Umständen die un­ter­neh­me­ri­sche Betäti­gung zu be­schränken ist, wenn dem Recht des Ar­beit­neh­mers auf körper­li­che Un­ver­sehrt­heit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG der Vor­rang ein­zuräum­en ist. Des­halb ist die ge­richt­li­che Über­prüfung nicht dar­auf be­schränkt, ob die un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung zur Ausübung sei­ner er­laub­ten Tätig­keit of­fen­bar un­sach­lich oder willkürlich ist (so noch BAG 19. Mai 2009 - 9 AZR 241/08 - Rn. 29, BA­GE 131, 18).

bb) Von der Be­klag­ten kann nicht ver­langt wer­den, für die ge­sam­te Spiel­bank ein Rauch­ver­bot aus­zu­spre­chen. Ein Rauch­ver­bot würde den un­ter­neh­me­ri­schen Tätig­keits­be­reich verändern, da die Be­klag­te von der Er­laub­nis gemäß § 2 Abs. 5 Nr. 5 Hess­NRSG in zulässi­ger Wei­se Ge­brauch ge­macht hat (vgl. hier­zu Ah­rens AR-Blat­tei SD 1310 Rn. 96). Im Rah­men der Abwägung zwi­schen körper­li­cher Un­ver­sehrt­heit des Ar­beit­neh­mers nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und der un­ter­neh­me­ri­schen Betäti­gungs­frei­heit des Ar­beit­ge­bers gemäß Art. 12 Abs. 1 GG ist der Ar­beit­ge­ber ge­hal­ten, Maßnah­men zu er­grei­fen, die die ge­sund­heit­li­chen Be­las­tun­gen des Ar­beit­neh­mers möglichst weit­ge­hend mi­ni­mie­ren. § 5 Abs. 2 Ar­bStättV enthält un­ter Abwägung der wi­der­strei­ten­den Grund­rech­te ein Mi­ni­mie­rungs­ge­bot. Der Ar­beit­ge­ber ist ge­hal­ten, an die be­son­de­re Si­tua­ti­on an­ge­pass­te und un­ter Umständen we­ni­ger auf­wen­di­ge Schutz­maßnah­men zu er­grei­fen (vgl. BT-Drs. 14/3231 S. 4 f.).

c) Grundsätz­lich hat der Ar­beit­ge­ber ei­nen ge­richt­lich nur ein­ge­schränkt über­prüfba­ren Ge­stal­tungs­spiel­raum bei der Wahl der zur Mi­ni­mie­rung oder Ver­mei­dung von Ge­sund­heits­ge­fah­ren zu tref­fen­den Maßnah­men. Ne­ben tech­ni­schen und or­ga­ni­sa­to­ri­schen Maßnah­men kann der Ar­beit­ge­ber un­ter Umständen auch ver­pflich­tet sein, sein Di­rek­ti­ons- und Wei­sungs­recht gemäß § 106 Ge­wO, § 315 BGB aus­zuüben (vgl. Koll­mer Ar­bStättV 3. Aufl. § 5 Rn. 20).

aa) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, die Be­klag­te ha­be aus­rei­chen­de Maßnah­men ge­trof­fen. Sie ha­be ge­trenn­te Rau­cher- und Nicht­rau­cher­be­rei­che ein­ge­rich­tet. Des­halb würden die Crou­piers nun­mehr zeit­lich deut­lich

 

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über­wie­gend im Nicht­rau­cher­raum ein­ge­setzt. We­ni­ger als ein Drit­tel ih­rer Ar­beits­zeit müss­ten sie, von Krank­heits­ver­tre­tun­gen ab­ge­se­hen, im Rau­cher­raum ar­bei­ten. Zu­dem sei die Be­klag­te bemüht, die Be­las­tung durch Ta­bak­rauch durch das Be­trei­ben ei­ner Be- und Entlüftungs­an­la­ge und ei­ner Kli­ma­an­la­ge im Rau­cher­be­reich ge­ring zu hal­ten. Die Fest­stel­lung des Lan­des­ar­beits­ge­richts, dass man­gels Vor­trags des Klägers da­von aus­zu­ge­hen sei, die von ihm be­haup­te­ten Mängel der Be- und Entlüftungs­an­la­ge und der Kli­ma­an­la­ge ent­spre­chend ei­nem DE­KRA-Gut­ach­ten von No­vem­ber 2011 lägen nicht mehr vor, weil der Kläger nicht vor­ge­tra­gen ha­be, dass da­nach noch Mängel fest­ge­stellt wor­den sei­en, hat der Kläger in der Re­vi­si­on nicht an­ge­grif­fen.

bb) Die Be­klag­te ist mit die­sen Maßnah­men ih­rer Pflicht zur Mi­ni­mie­rung der Ge­sund­heits­be­las­tung durch Pas­siv­rau­chen gemäß § 5 Abs. 2 Ar­bStättV nach­ge­kom­men. Sie hat ei­nen größeren Nicht­rau­cher­be­reich ge­schaf­fen und die Be­las­tung durch die Tätig­keit im Rau­cher­be­reich zeit­lich ver­rin­gert. Darüber hin­aus hat sie im klei­ne­ren Rau­cher­raum tech­ni­sche Maßnah­men zur Luft­ver­bes­se­rung um­ge­setzt. Wei­ter ge­hen­de Maßnah­men hat auch der Kläger nicht auf­ge­zeigt. Der Verhängung ei­nes ab­so­lu­ten Rauch­ver­bots im ge­sam­ten Be­trieb ste­hen die Na­tur des Be­triebs und die Art der Beschäfti­gung ent­ge­gen.

Der Kläger be­ruft sich oh­ne Er­folg dar­auf, die Be­klag­te könne sei­nen An­spruch erfüllen, in­dem sie aus­sch­ließlich Beschäftig­te im Rau­cher­raum ein­set­ze, die sich hier­zu frei­wil­lig be­reit erklären würden. Dem steht schon ent­ge­gen, dass § 5 Ar­bStättV al­le nicht rau­chen­den Beschäftig­ten vor den ob­jek­ti­ven Ge­sund­heits­ge­fah­ren durch Pas­siv­rau­chen schützt. Die­ser Schutz gilt un­abhängig vom Wil­len der Beschäftig­ten. Dass das Dienst­leis­tungs­an­ge­bot der Be­klag­ten auch auf­recht­zu­er­hal­ten wäre, wenn aus­sch­ließlich bei der Ar­beit rau­chen­de Beschäftig­te, die dem Schutz­be­reich des § 5 Ar­bStättV nicht un­ter­fal­len, im Rau­cher­raum ein­ge­setzt würden, hat der Kläger nicht be­haup­tet. Da­zu genügt es auch nicht vor­zu­tra­gen, es ge­be rau­chen­de Beschäftig­te. § 5 Ar­bStättV schützt nicht nur Nicht­rau­cher, son­dern auch rau­chen­de Beschäftig­te, die nicht an ih­rem Ar­beits­platz rau­chen. Nur Beschäftig­te, die bei der Ar­beit rau­chen, sind nicht schutz­bedürf­tig (vgl. Koll­mer Ar­bStättV 3. Aufl. § 5 Rn. 29).

 

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B. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kos­ten sei­ner er­folg­lo­sen Re­vi­si­on zu tra­gen.

Brühler

Klo­se

Krasshöfer

Wull­horst

Kran­zusch

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