Um das Angebot dieser Webseite optimal zu präsentieren und zu verbessern, verwendet diese Webseite Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Näheres dazu erfahren Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Okay

HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

Hes­si­sches LAG, Ur­teil vom 09.12.2011, 10 Sa 438/11

   
Schlagworte: Sozialauswahl, Arbeitnehmerüberlassung, Leiharbeit, Zeitarbeit
   
Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 10 Sa 438/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 09.12.2011
   
Leitsätze: Grundsätzlich erstreckt sich die Sozialauswahl in einem Betrieb, der Arbeitnehmerüberlassung betreibt, auf die verliehenen und die nicht verliehenen Arbeitnehmer mit vergleichbarem Tätigkeitsprofil.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 09.02.2011, 9 Ca 7012/10
Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.06.2013, 2 AZR 271/12
   

Te­nor:

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main vom 09. Fe­bru­ar 2011 – 9 Ca 7012/10 – wird kos­ten­pflich­tig zurück­ge­wie­sen.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen ih­nen auf­grund or­dent­li­cher Kündi­gung der Be­klag­ten be­en­det wur­de, so­wie über die Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers.

Der am 01. Ja­nu­ar 1969 ge­bo­re­ne, ver­hei­ra­te­te Kläger ist seit dem 01. Ok­to­ber 2004 zunächst bei der Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten und mit Ar­beits­ver­trag vom 17. Ju­ni 2010 (Blatt 5 bis 9 d. A.) bei der Be­klag­ten zu ei­ner durch­schnitt­li­chen Brut­to­mo­nats­vergütung in Höhe von Eu­ro 1.500,00 beschäftigt. Mit Schrei­ben vom 29. Ju­ni 2010 bestätig­te die Be­klag­te die An­rech­nung des Vor­ar­beits­verhält­nis­ses des Klägers (Blatt 10 d. A.). Der Kläger ist für die Be­klag­te gemäß § 2 des Ar­beits­ver­tra­ges als männ­li­che Hilfs­kraft und aus­weis­lich des Tat­be­stan­des des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils als Flug­zeug­rei­ni­ger tätig. Der Kläger war zu­letzt als Flug­zeug­rei­ni­ger am Flug­ha­fen A. und seit dem 01. Ju­li 2010 als Vor­ar­bei­ter ein­ge­setzt (vgl. Blatt 80 d. A.).

Die Be­klag­te be­treibt ge­werb­li­che Ar­beit­neh­merüber­las­sung und verfügt über ver­schie­de­ne Nie­der­las­sun­gen in Deutsch­land. In der Nie­der­las­sung in A. wa­ren zum Zeit­punkt des Kündi­gungs­zu­gangs 144 Ar­beit­neh­mer beschäftigt. Die Be­klag­te hat am B. 2 Kun­den, nämlich die C. und die D.. Die Fir­ma C. ist ei­ne Schwes­ter­ge­sell­schaft der Be­klag­ten. Im Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­ver­trag zwi­schen der Be­klag­ten und der C., we­gen des­sen In­halt auf Blatt 35 bis 36 d. A. Be­zug ge­nom­men wird, ist un­ter Zif­fer 2. ge­re­gelt, dass der Ver­lei­her dem Ent­lei­her bis zu 150 Ar­beit­neh­mer zur Tätig­keit als Hilfs­kraft be­gin­nend mit dem 01. Ju­li 2010 überlässt. In der Rah­men­ver­ein­ba­rung Ar­beit­neh­merüber­las­sung zwi­schen der Be­klag­ten und der Fir­ma D., we­gen des­sen In­halt auf Blatt 27 bis 34 d. A. Be­zug ge­nom­men wird, ist un­ter § 12 un­ter an­de­rem ge­re­gelt, dass ein Aus­tausch von Mit­ar­bei­tern nur im Ein­ver­neh­men mit der Fir­ma D. vor­ge­nom­men wer­den kann. Die Be­klag­te hat kei­ne wei­te­ren Kun­den.

Der Kläger war zu­letzt der Fir­ma C. als Flug­zeug­rei­ni­ger am Flug­ha­fen A. über­las­sen.

Am 27. und am 29. Sep­tem­ber 2010 erklärte ein Mit­ar­bei­ter der Fir­ma C. ge­genüber dem Nie­der­las­sungs­lei­ter der Be­klag­ten, dass man un­ter an­de­rem den Kläger nicht mehr benöti­ge und zum 08. Ok­to­ber 2011 ab­mel­de. Mit E-Mail vom 07. Ok­to­ber 2011 wur­de das schrift­lich bestätigt (Blatt 71 d. A.).

In der Fol­ge­zeit frag­te die Be­klag­te bei der Fir­ma D. nach, ob ein Ein­satz der bei der Fir­ma C. ab­ge­mel­de­ten Ar­beit­neh­mer bei ihr in Fra­ge käme. Mit Schrei­ben oh­ne Da­tum (Blatt 72 d. A.) teil­te die Fir­ma D. der Be­klag­ten mit, dass ei­ne Um­set­zung nicht durchführ­bar sei.

Mit Schrei­ben vom 30. Sep­tem­ber 2010 kündig­te die Be­klag­te das mit dem Kläger be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis or­dent­lich, be­triebs­be­dingt zum 31. De­zem­ber 2010.

Mit sei­ner am 12. Ok­to­ber 2010 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen, der Be­klag­ten am 30. Ok­to­ber 2010 zu­ge­stell­ten Kla­ge­schrift hat sich der Kläger ge­gen die Kündi­gung ge­wandt und in der Fol­ge­zeit sei­ne Wei­ter­beschäfti­gung be­gehrt.

Der Kläger hat die An­sicht ver­tre­ten, die Kündi­gung sei un­wirk­sam. Er hat be­haup­tet, die Be­klag­te ha­be nur die Ar­beits­verhält­nis­se der­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer gekündigt, die mit Hil­fe der Ge­werk­schaft E. ei­ne Be­triebs­rats­wahl in­iti­iert hätten. Der Be­klag­ten sei­en die Initia­to­ren der Be­triebs­rats­wahl na­ment­lich be­kannt ge­we­sen. Der Kläger hat be­haup­tet, sein Ar­beits­platz sei nicht dau­er­haft weg­ge­fal­len, da die C. zum 01. Ja­nu­ar 2011 Neu­aufträge un­ter an­de­rem von den Fir­men F. und der Fir­ma G. ge­won­nen ha­be. Der Kläger hat die An­sicht ver­tre­ten, die Kündi­gung sei auch des­halb un­wirk­sam, da die Be­klag­te kei­ne So­zi­al­aus­wahl vor­ge­nom­men ha­be. Gründe, war­um ei­ne So­zi­al­aus­wahl im Hin­blick auf die bei der Fir­ma C. ein­ge­setz­ten Ar­beit­neh­mer nicht hätte durch­geführt wer­den können, sei­en nicht er­kenn­bar.

Der Kläger hat be­an­tragt,

1. fest­zu­stel­len, dass das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis nicht durch die Kündi­gung vom 30. Sep­tem­ber 2010 auf­gelöst wor­den ist;

2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihn bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens zu un­veränder­ten ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen als Flug­zeug­rei­ni­ger im Be­trieb B. wei­ter zu beschäfti­gen.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te hat die An­sicht ver­tre­ten, die Kündi­gung sei durch drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se so­zi­al ge­recht­fer­tigt. Die Geschäftsführe­rin der Be­klag­ten ha­be im Sep­tem­ber 2010 die un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung ge­trof­fen, die Ar­beits­verhält­nis­se der von der Fir­ma C. na­ment­lich ab­ge­mel­de­ten Ar­beit­neh­mer, so auch das Ar­beits­verhält­nis des Klägers, zu kündi­gen. Ei­ne So­zi­al­aus­wahl sei nicht durch­zuführen, da die Be­klag­te an den Kun­den­wunsch der Fir­ma C. ge­bun­den sei und an­dern­falls ein Auf­trags­ver­lust dro­he. Die Be­klag­te hat be­haup­tet, die Kündi­gung stünde in kei­nem Zu­sam­men­hang mit der be­ab­sich­tig­ten Be­triebs­rats­wahl. Auf kei­ner der Ein­la­dun­gen von E. zur Wahl­ver­samm­lung sei­en Ar­beit­neh­mer der Be­klag­ten na­ment­lich be­nannt wor­den, wes­halb die Be­klag­te nicht ge­wusst ha­be, wer für die Wahl kan­di­die­ren wer­de.

Mit Ur­teil vom 09. Fe­bru­ar 2011 – 9 Ca 7012/10 – hat das Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Es hat un­ter an­de­rem aus­geführt, dass of­fen ge­las­sen wer­de, ob die Kündi­gung gemäß § 20 Be­trVG i. V. m. § 134 BGB we­gen Be­hin­de­rung der Be­triebs­rats­wahl oder gemäß § 612 a BGB we­gen Maßre­ge­lung un­wirk­sam sei. Die von der Be­klag­ten aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung sei je­den­falls des­halb un­wirk­sam, da kei­ne ord­nungs­gemäße So­zi­al­aus­wahl durch­geführt wor­den sei. Die Be­klag­te hätte ei­ne So­zi­al­aus­wahl un­ter den an die Fir­ma C. über­las­se­nen Ar­beit­neh­mern durchführen müssen, da der Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­ver­trag zwi­schen der Be­klag­ten und der Fir­ma C. nicht vor­se­he, dass ein Aus­tausch der Mit­ar­bei­ter nur im Ein­ver­neh­men er­fol­gen könne. Es sei­en zu­dem die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner so­ge­nann­ten Druckkündi­gung nicht erfüllt, da die Be­klag­te nicht be­haup­te, dass die Fir­ma C. die Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses des Klägers ver­langt ha­be und die Be­klag­te sich zu­dem nicht schützend vor den Kläger ge­stellt ha­be. Da die Kündi­gung un­wirk­sam sei, sei der Kläger wei­ter zu beschäfti­gen.

Die­ses Ur­teil ist der Be­klag­ten am 28. Fe­bru­ar 2011 zu­ge­stellt wor­den. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ist am 25. März 2011 und die Be­ru­fungs­be­gründung nach recht­zei­ti­ger Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist bis zum 30. Mai 2011 am sel­ben Tag bei Ge­richt ein­ge­gan­gen.

Die Be­klag­te wen­det sich ge­gen das erst­in­stanz­li­che Ur­teil und ist der An­sicht, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Kündi­gung der Be­klag­ten auf­gelöst wor­den sei. Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts reich­ten zwar kurz­fris­ti­ge Auf­tragslücken nicht aus, um ei­ne be­triebs­be­ding­te Kündi­gung zu recht­fer­ti­gen. Im vor­lie­gen­den Fall läge je­doch kei­ne kurz­fris­ti­ge Auf­tragslücke vor, viel­mehr ha­be die Be­klag­te bis­lang kei­ne Neu­ein­stel­lung von Ar­beit­neh­mern vor­ge­nom­men und auch kei­ne neu­en Kun­den an­wer­ben können, wes­halb sich die Kündi­gungs­ent­schei­dung ex post als rich­tig er­wei­se. Die Be­klag­te be­haup­tet, die Fir­ma C. ha­be den Kläger ab­ge­mel­det, weil kein Beschäfti­gungs­be­darf mehr für ihn vor­han­den ge­we­sen sei und die Fir­ma C. im Rah­men der Fu­si­on von ver­schie­de­nen Air­lines selbst Per­so­nal ein­ge­stellt ha­be. Die Be­klag­te sei auch nicht ver­pflich­tet ge­we­sen, ge­genüber dem Kläger ei­ne Ände­rungskündi­gung an an­de­re Stand­or­te aus­zu­spre­chen, da an an­de­ren Stand­or­ten kein Ar­beits­platz frei ge­we­sen sei. Im Rah­men der So­zi­al­aus­wahl sei zu berück­sich­ti­gen, dass die Fir­ma C. kei­nen Aus­tausch der beschäftig­ten Leih­ar­beit­neh­mer gewünscht ha­be und die Fir­ma C. ge­ra­de den Kläger na­ment­lich ab­ge­mel­det ha­be. Im Übri­gen sei­en 9 mit dem Kläger ver­gleich­ba­re Ar­beit­neh­mer (oh­ne die ei­gen-/gekündig­ten Ar­beit­neh­mer) nach dem 02. Ju­li 2008 ein­ge­stellt wor­den. We­gen der So­zi­al­da­ten die­ser Ar­beit­neh­mer so­wie der So­zi­al­da­ten gekündig­ter Ar­beit­neh­mer wird auf Sei­te 12 des Schrift­sat­zes der Be­klag­ten vom 30. Mai 2011 (Blatt 145 d. A.) Be­zug ge­nom­men. Der ti­tu­lier­te Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch bestünde nicht, da der Kläger we­der bei der Fir­ma D. noch bei der Fir­ma C. ein­ge­setzt wer­den könne und zu­min­dest ei­ne ein­satz­freie/ver­leih­freie Zeit bestünde.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main vom 09.02.2011 (9 Ca 7012/10) ab­zuändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Kläger be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Der Kläger ver­tei­digt das erst­in­stanz­li­che Ur­teil und ist der An­sicht, be­trieb­li­che Gründe, die die Kündi­gung recht­fer­ti­gen könn­ten, bestünden nicht, da ein Ar­beitsrück­gang nicht dar­ge­tan sei. Der Auf­trag mit der Fir­ma C. be­ste­he nach wie vor, wo­nach die Be­klag­te 150 Ar­beit­neh­mer über­las­sen könne. Die Wirk­sam­keit der Kündi­gung schei­te­re auch an der nicht durch­geführ­ten So­zi­al­aus­wahl. Aus der von der Be­klag­ten vor­ge­tra­ge­nen Ar­beit­neh­merüber­sicht ergäbe sich, dass der Kläger schutzwürdi­ger sei als al­le an­de­ren un­gekündig­ten Ar­beit­neh­mer. Die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Druckkündi­gung ha­be die Be­klag­te nicht dar­ge­tan, da al­lein die Ab­mel­dung des Klägers durch die Fir­ma C. in­so­weit nicht aus­rei­chend sei. Da die Be­klag­te ver­pflich­tet und be­rech­tigt sei, bis zu 150 Ar­beit­neh­mer an die Fir­ma C. zu über­las­sen, könne sie auch den Kläger wie be­an­tragt ent­spre­chend wei­ter beschäfti­gen.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Be­ru­fungs­vor­brin­gens der Par­tei­en wird auf den In­halt der Be­ru­fungs­schriftsätze Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main ist gemäß §§ 8 Abs. 2 , 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statt­haft. Die Be­klag­te hat sie auch form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet, §§ 66 Abs. 1 ArbGG , 519 ZPO.

In der Sa­che hat die Be­ru­fung der Be­klag­ten kei­nen Er­folg, denn das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en ist durch die or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten vom 30. Sep­tem­ber 2010 nicht zum 31. De­zem­ber 2010 be­en­det wor­den. Die­se Kündi­gung ist so­zi­al nicht ge­recht­fer­tigt. Das hat be­reits das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend fest­ge­stellt.

Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist ei­ne Kündi­gung un­ter an­de­rem dann so­zi­al ge­recht­fer­tigt, wenn sie durch drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se, die ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers in die­sem Be­trieb ent­ge­gen ste­hen, be­dingt ist. Der Weg­fall des Ar­beits­plat­zes kann ein sol­cher drin­gen­der be­triebs­be­ding­ter Grund sein. Es er­scheint frag­lich, ob die Be­klag­te hin­rei­chend dar­ge­legt hat, dass im Zeit­punkt des Zu­gangs der Kündi­gung ein Ar­beits­platz für den Kläger nicht zur Verfügung stand. Die Be­klag­te be­ruft sich in­so­weit dar­auf, dass die Fir­ma C. am 27. und 29. Sep­tem­ber 2010 mit­ge­teilt ha­be, dass sie den Kläger zum 08. Ok­to­ber 2010 ab­mel­de. Es sind je­doch kei­ne Fak­ten er­sicht­lich, auf­grund de­rer die Be­klag­te schließen konn­te, dass die Fir­ma C. den Kläger auf Dau­er nicht mehr ein­set­zen woll­te bzw. konn­te. Von da­her hätte sie den Kläger zunächst in die ver­leih­freie Zeit über­neh­men und ver­su­chen müssen, ent­we­der bei der Fir­ma C. oder bei neu an­zu­wer­ben­den Kun­den Ein­satzmöglich­kei­ten für den Kläger zu schaf­fen. Es ist darüber hin­aus auch nicht er­sicht­lich, wann die Be­klag­te ver­sucht hat, mit der Fir­ma D. we­gen ei­ner Beschäfti­gungsmöglich­keit des Klägers Kon­takt auf­zu­neh­men und wann die­se Beschäfti­gungsmöglich­keit endgültig ge­schei­tert ist. Die Be­klag­te wäre je­doch zunächst ver­pflich­tet ge­we­sen, al­le Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten aus­zu­lo­ten, be­vor sie das Ar­beits­verhält­nis kündigt. Die be­reits am 30. Sep­tem­ber 2010, mit­hin 3 Ta­ge nach der Ankündi­gung der Fir­ma H., den Kläger ab­mel­den zu wol­len, aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung ist vor­ei­lig aus­ge­spro­chen wor­den.

Doch auch wenn man das an­ders se­hen woll­te und da­von aus­gin­ge, dass sich bei Ex-Post-Be­trach­tung die von der Be­klag­ten am 30. Sep­tem­ber 2010 an­ge­stell­te Pro­gno­se, dass sich für den Kläger kei­ne Beschäfti­gungsmöglich­keit fin­den wird, als zu­tref­fend her­aus­ge­stellt hat, er­gibt sich im Er­geb­nis nichts an­de­res. Die Be­klag­te hat nämlich so­zia­le Ge­sichts­punk­te im Sinn des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht hin­rei­chend berück­sich­tigt. Da­nach ist die Kündi­gung ei­nes Ar­beit­neh­mers aus drin­gen­den be­trieb­li­chen Gründen auch dann so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt, wenn der Ar­beit­ge­ber bei der Aus­wahl des Ar­beit­neh­mers die Dau­er der Be­triebs­zu­gehörig­keit, das Le­bens­al­ter, die Un­ter­halts­pflich­ten und die Schwer­be­hin­de­rung des Ar­beit­neh­mers nicht oder nicht aus­rei­chend berück­sich­tigt hat; auf Ver­lan­gen des Ar­beit­neh­mers hat der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer die Gründe an­zu­ge­ben, die zu der ge­trof­fe­nen so­zia­len Aus­wahl geführt ha­ben.

Die Be­klag­te geht da­von aus, dass ei­ne So­zi­al­aus­wahl nicht durch­zuführen ge­we­sen sei, da sie die Ar­beits­verhält­nis­se sämt­li­cher Ar­beit­neh­mer, die von der Fir­ma H. „ab­ge­mel­det“ wur­den, gekündigt ha­be. Ei­ne Ver­gleich­bar­keit mit den bei der Fir­ma D. ein­ge­setz­ten Ar­beit­neh­mern bestünde nicht, da in­so­weit auf­grund des Über­las­sungs­ver­tra­ges ein Aus­tausch nur ein­ver­nehm­lich er­fol­gen könne und ein sol­ches Ein­ver­neh­men nicht er­zielt wor­den sei. Ein Ver­gleich mit den bei der Fir­ma H. ver­blie­be­nen Ar­beit­neh­mern sei nicht möglich, da die Fir­ma H. ge­ra­de den Kläger zurück ge­ge­ben ha­be.

Die­ser An­sicht der Be­klag­ten folgt das Ge­richt nicht. In­so­weit kann zu Guns­ten der Be­klag­ten un­ter­stellt wer­den, dass ei­ne So­zi­al­aus­wahl hin­sicht­lich der bei der Fir­ma D. beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer je­den­falls nach der ab­leh­nen­den Mit­tei­lung die­ser Fir­ma (Blatt 72 d. A.) nicht in Be­tracht kommt.

Die Be­klag­te hätte al­ler­dings ei­ne So­zi­al­aus­wahl hin­sicht­lich der bei der Fir­ma H. beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer durchführen müssen. Mit dem Bun­des­ar­beits­ge­richt wird da­von aus­ge­gan­gen, dass ei­ne Ver­mu­tung dafür spricht, dass die so­zia­len Ge­sichts­punk­te bei der Aus­wahl der zu kündi­gen­den Ar­beit­neh­mer nicht aus­rei­chend berück­sich­tigt wor­den sind, wenn der Ar­beit­ge­ber den über­wie­gen­den Teil der Be­leg­schaft aus be­triebs­tech­ni­schen Gründen ge­ne­rell von der Aus­tausch­bar­keit aus­nimmt und die So­zi­al­aus­wahl auf den ver­blie­be­nen Teil der Rest­be­leg­schaft be­schränkt ( BAG 05.12.2002 – 2 AZR 697/01 – EzA § 1 KSchG So­zia­le Aus­wahl Nr. 52). Die Be­klag­te hat sämt­li­che nach wie vor bei der Fir­ma H. ein­ge­setz­ten Ar­beit­neh­mer, ins­be­son­de­re auch je­ne im Schrift­satz vom 30. Mai 2011 (Blatt 145 d. A.) auf­geführ­ten 9 Ar­beit­neh­mer von der So­zi­al­aus­wahl aus­ge­nom­men, wel­che von den So­zi­al­da­ten her deut­lich we­ni­ger schutzwürdig sind als der Kläger. Der Ver­gleich­bar­keit steht nicht ent­ge­gen, dass die­se Ar­beit­neh­mer bei der Fir­ma H. ein­ge­setzt sind, wo­hin­ge­gen der Kläger ab­ge­mel­det wur­de. Würde man die bloße „Ab­mel­dung“ aus­rei­chen las­sen, um ei­ne be­triebs­be­ding­te Kündi­gung zu be­gründen, könn­te ein Be­trieb, der Ar­beit­neh­merüber­las­sung be­treibt und der sein Geschäfts­mo­dell auf das Ver­lei­hen von Ar­beit­neh­mern an 1 oder 2 Kun­den be­schränkt, die Vor­aus­set­zun­gen des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes oh­ne Wei­te­res un­ter­lau­fen. Je­den­falls dann, wenn kei­ne be­son­de­ren ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen Ver­lei­her und Ent­lei­her be­ste­hen, wie das vor­lie­gend zwi­schen der Be­klag­ten und der Fir­ma H. der Fall ist, man­gelt es nicht an der Ver­gleich­bar­keit der ein­ge­setz­ten und der nicht ein­ge­setz­ten Leih­ar­beit­neh­mer. Wie das Hes­si­sche LAG aus­geführt hat, ist es zwar bis zur Gren­ze der Ge­set­zes­um­ge­hung oder des Rechts­miss­brauchs recht­lich zulässig, in­fol­ge ein­zel­ver­trag­li­cher Re­ge­lun­gen der or­dent­li­chen Unkünd­bar­keit den unkünd­ba­ren Ar­beit­neh­mer aus der So­zi­al­aus­wahl her­aus­zu­neh­men ( Hess. LAG 29.04.2010 – 9 Sa 1830/09 – ju­ris). Ei­ne sol­che Re­ge­lung, mit der ein­zel­ne Ar­beit­neh­mer vor dem Aus­spruch ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung geschützt wer­den sol­len, ist vor­lie­gend je­doch nicht ge­ge­ben. Es geht viel­mehr um die Fra­ge, ob ei­ne Ein­be­zie­hung der ein­ge­setz­ten Leih­ar­beit­neh­mer dar­an schei­tert, dass das Di­rek­ti­ons­recht der Be­klag­ten in­fol­ge ver­trag­li­cher Bin­dun­gen der­art ein­ge­schränkt ist, dass ein Ein­satz des Klägers an­stel­le ei­nes ver­gleich­ba­ren ver­lie­he­nen Ar­beit­neh­mers aus­ge­schlos­sen ist. In der Li­te­ra­tur wird in­so­weit an­ge­nom­men, dass ei­ne Aus­tausch­bar­keit aus­ge­schlos­sen ist, wenn der Ar­beit­ge­ber im Über­las­sungs­ver­trag vor­sieht, dass ein be­stimm­ter na­ment­lich be­nann­ter Leih­ar­beit­neh­mer über­las­sen wird, weil es dem Ent­lei­her auf persönli­che und fach­li­che Ge­sichts­punk­te be­son­ders an­kommt. Ei­ne Aus­tausch­bar­keit sei nur ge­ge­ben, wenn der Ar­beit­neh­mer im Über­las­sungs­ver­trag die­sen Aus­tausch zu­las­se ( Hess. LAG 29.04.2010 – 9 Sa 1830/09 – a. a. O.). Ein sol­cher Aus­schluss des Ein­sat­zes er­gibt sich aus dem Ver­trag mit der Fir­ma H. nicht. Der Be­klag­ten ist es ver­wehrt, sich auf die bloße „Ab­mel­dung“ zu be­ru­fen. Die Be­klag­te muss sich viel­mehr, um ih­ren Pflich­ten nach dem Kündi­gungs­schutz­ge­setz ge­recht zu wer­den, bei ih­rem Ver­trags­part­ner er­kun­di­gen, wel­che per­so­nen-, ver­hal­tens- oder be­triebs­be­ding­ten Gründe ein­sch­ließlich der So­zi­al­aus­wahl der Ab­mel­dung des Klägers ge­ge­be­nen­falls zu­grun­de lie­gen.

Der Kläger ist auch ent­spre­chend dem Ar­beits­ver­trag wei­ter zu beschäfti­gen. Da­bei ist es der Be­klag­ten un­be­nom­men, wenn ein Ein­satz als Flug­zeug­rei­ni­ger nicht möglich ist, den Kläger ent­spre­chend dem Ar­beits­ver­trag in ei­ne ein­satz-/ver­leih­freie Zeit zu über­neh­men.

Die Be­klag­te trägt die Kos­ten ih­rer Be­ru­fung, da ihr Rechts­mit­tel kei­nen Er­folg hat, § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Re­vi­si­on wird gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zu­ge­las­sen.

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht 10 Sa 438/11