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BAG, Ur­teil vom 15.11.2006, 10 AZR 665/05

   
Schlagworte: Tariffähigkeit, Tarifvertrag, Nachwirkung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 10 AZR 665/05
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 15.11.2006
   
Leitsätze:

1. Ein von einer nicht tariffähigen Vereinigung abgeschlossener Tarifvertrag ist nichtig und kann deshalb die für allgemeinverbindlich erklärten Bautarifverträge nicht als speziellerer Tarifvertrag verdrängen. Der gute Glaube an die Tariffähigkeit einer Vereinigung wird nicht geschützt.

2. Ein allgemeinerer Tarifvertrag, der nach Eintritt der Nachwirkung eines spezielleren Tarifvertrages für allgemeinverbindlich erklärt wird, tritt grundsätzlich als "andere Abmachung" an dessen Stelle.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 22.07.2004, 62 Ca 65472/03
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.05.2005, 16 Sa 1914/04
   

Im Na­men des Vol­kes!

UR­TEIL

In Sa­chen

Be­klag­ter, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Kläge­rin, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Zehn­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 15. No­vem­ber 2006 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Frei­tag, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Mar­quardt, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Brühler so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Ohl und Fre­se für Recht er­kannt:

1. Die Re­vi­si­on des Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 26. Mai 2005 - 16 Sa 1914/04 - wird zurück­ge­wie­sen.

 

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2. Der Be­klag­te trägt die Kos­ten der Re­vi­si­on.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob der Be­klag­te ei­nen von den für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärten So­zi­al­kas­sen­ta­rif­verträgen des Bau­ge­wer­bes er­fass­ten Be­trieb un­ter­hal­ten und des­halb für die Mo­na­te De­zem­ber 1998 bis No­vem­ber 1999 Min­dest-beiträge iHv. 16.563,00 Eu­ro zu leis­ten hat.

Die Kläge­rin ist die Zu­satz­ver­sor­gungs­kas­se des Bau­ge­wer­bes VVaG (ZVK). Sie ist als ge­mein­sa­me Ein­rich­tung der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en des Bau­ge­wer­bes nach nähe­rer ta­rif­li­cher Maßga­be die Ein­zugs­stel­le für die Beiträge zu den So­zi­al­kas­sen des Bau­ge­wer­bes. Den Bei­trags­ein­zug re­gel­te im An­spruchs­zeit­raum der für all­ge­mein­ver-bind­lich erklärte Ta­rif­ver­trag über das So­zi­al­kas­sen­ver­fah­ren im Bau­ge­wer­be (VTV) vom 12. No­vem­ber 1986 in den je­weils gülti­gen Fas­sun­gen. Im VTV heißt es - so­weit hier von In­ter­es­se -:

㤠1

Gel­tungs­be­reich

(1) Räum­li­cher Gel­tungs­be­reich:

Das Ge­biet der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land in den Gren­zen nach dem Ei­ni­gungs­ver­trag vom 31. Au­gust 1990.

(2) Be­trieb­li­cher Gel­tungs­be­reich:

Be­trie­be des Bau­ge­wer­bes. Das sind al­le Be­trie­be, die un­ter ei­nen der nach­fol­gen­den Ab­schnit­te I bis IV fal­len.

Ab­schnitt I

Be­trie­be, die nach ih­rer durch die Art der be­trieb­li­chen Tätig-kei­ten ge­prägten Zweck­be­stim­mung und nach ih­rer be­trieb­li­chen Ein­rich­tung ge­werb­lich Bau­ten al­ler Art er­stel­len.

Ab­schnitt II

Be­trie­be, die, so­weit nicht be­reits un­ter Ab­schnitt I er­fasst, nach ih­rer durch die Art der be­trieb­li­chen Tätig­kei­ten ge­prägten Zweck­be­stim­mung und nach ih­rer be­trieb­li­chen Ein­rich­tung

 

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ge­werb­lich bau­li­che Leis­tun­gen er­brin­gen, die - mit oder oh­ne Lie­fe­rung von Stof­fen oder Bau­tei­len - der Er­stel­lung, In­stand­set­zung, In­stand­hal­tung, Ände­rung oder Be­sei­ti­gung von Bau-wer­ken die­nen.

Ab­schnitt III

Be­trie­be, die, so­weit nicht be­reits un­ter Ab­schnitt I oder II er­fasst, nach ih­rer durch die Art der be­trieb­li­chen Tätig­kei­ten ge­prägten Zweck­be­stim­mung und nach ih­rer be­trieb­li­chen Ein­rich­tung - mit oder oh­ne Lie­fe­rung von Stof­fen oder Bau­tei­len - ge­werb­lich sons­ti­ge bau­li­che Leis­tun­gen er­brin­gen.

...

Ab­schnitt V

Zu den in den Ab­schnit­ten I bis III ge­nann­ten Be­trie­ben gehören z.B. die­je­ni­gen, in de­nen Ar­bei­ten der nach­ste­hen­den Art aus-geführt wer­den:

...

37. Tro­cken- und Mon­ta­ge­bau­ar­bei­ten (z.B. Wand- und De-cken­ein­bau bzw. -ver­klei­dun­gen), ein­sch­ließlich des An­brin­gens von Un­ter­kon­struk­tio­nen und Putzträgern;

Ab­schnitt VII

Nicht er­fasst wer­den Be­trie­be

...

11. des Schrei­ner­hand­werks so­wie der holz­be- und ver­ar­bei­ten­den In­dus­trie, so­weit nicht Fer­tig­bau-, Dämm-(Iso­lier-), Tro­cken­bau- und Mon­ta­ge­bau­ar­bei­ten oder Zim­mer­ar­bei­ten aus­geführt wer­den,

...“

Der Be­klag­te mel­de­te beim Land­rats­amt O zum 1. April 1991 In­nen­aus­bau und De­cken­bau als ge­werb­li­che Tätig­kei­ten an und ist seit die­sem Zeit­punkt mit dem Hand­werk Tisch­ler so­wie dem Ge­werk In­nen­aus­bau in die Hand­werks­rol­le der Hand­werks­kam­mer M ein­ge­tra­gen. Im De­zem­ber 1996 be­stand er die Meis­ter­prüfung im Tisch­ler­hand­werk. Die Kreis­hand­wer­ker­schaft B be­schei­nig­te in ei­nem Schrei­ben vom 22. Sep­tem­ber 1998, dass sei­ne Fir­ma Mit­glied der Tisch­le­r­in­nung O ist. In ei­nem Schrei­ben vom 25. No­vem­ber 2003 heißt es, dass sei­ne Fir­ma Mit­glied der Tisch­le­rin-nung B ist. Die­se gehört dem Lan­des­in­nungs­ver­band Sach­sen-An­halt des Tisch­ler-

 

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hand­werks an. Die­ser ist Mit­glied des Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des für das holz- und kunst­stoff­ver­ar­bei­ten­de Hand­werk.
Am 14. Sep­tem­ber 1992, 5. April 1993, 26. Mai 1997, 3. Au­gust 1998 so­wie am 6. April 1999 stell­te der Be­klag­te je­weils ei­nen ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­mer als Tisch­ler ein. Die­se Ar­beit­neh­mer bau­ten Fens­ter, Türen, Türzar­gen, De­cken­ver­k­lei-dun­gen und Fußböden über­wie­gend aus Holz und teil­wei­se aus Kunst­stoff ein und führ­ten Dach­ge­schoss­aus­bau­ar­bei­ten un­ter Ver­wen­dung von Holz und Gips­kar­ton aus. Die ein­ge­bau­ten Ele­men­te be­zog der Be­klag­te über­wie­gend von Drit­t­un­ter­neh­men. Ein Tisch­ler stell­te in der be­triebs­ei­ge­nen Werk­statt Son­der­an­fer­ti­gun­gen her.

Am 13. De­zem­ber 1990 schlos­sen der Haupt­vor­stand der Ge­werk­schaft Holz und Kunst­stoff so­wie der Bun­des­ver­band des holz- und kunst­stoff­ver­ar­bei­ten­den Hand­werks, der Bun­des­in­nungs­ver­band für das Tisch­ler­hand­werk und der Lan­des­spre­cher­rat des Tisch­ler­hand­werks für die Länder Bran­den­burg, Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Sach­sen, Sach­sen-An­halt und Thürin­gen ei­nen Man­tel­ta­rif­ver­trag für das holz- und kunst­stoff­ver­ar­bei­ten­de Hand­werk (Tisch­ler­hand­werk) in den vor­ste­hend ge­nann­ten Ländern (MTV GHK). Der Haupt­vor­stand der Ge­werk­schaft Holz und Kunst­stoff kündig­te den MTV GHK zum 31. De­zem­ber 1992. Der Vor­sit­zen­de der Ta-rif­ge­mein­schaft des Tisch­ler­hand­werks der neu­en Bun­desländer so­wie die Vor­sit­zen-den der Ta­rif­ausschüsse der Fach­verbände/Lan­des­in­nungs­verbände des Tisch­ler­hand­werks der neu­en Bun­desländer schlos­sen am 25. Ja­nu­ar 1999 mit der Christ­li­chen Ge­werk­schaft Deutsch­lands (CGD), Bun­des­fach­grup­pe Holz und Kunst­stoff, so­wie dem Deut­schen Han­dels- und In­dus­trie­an­ge­stell­ten-Ver­band (DHV), Bun­des­fach­grup­pe Holz und Kunst­stoff, mit Wir­kung zum 1. März 1999 ei­nen Ta­rif­ver­trag für ge­werb­li­che Ar­beit­neh­mer und An­ge­stell­te des holz- und kunst­stoff­ver­ar­bei­ten­den Hand­werks - Tisch­ler­hand­werk - in den Ländern Bran­den­burg, Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Sach­sen, Sach­sen-An­halt und Thürin­gen (MTV CGD/DHV). Das Ar­beits­ge­richt Ge­ra stell­te in ei­nem rechts­kräftig ge­wor­de­nen Be­schluss vom 17. Ok­to­ber 2002 fest, dass die CGD kei­ne Ge­werk­schaft im ar­beits­recht­li­chen Sin­ne ist. Am 1. März 2004 schlos­sen die Ta­rif­ge­mein­schaft des Tisch­ler­hand­werks der neu­en Bun­desländer so­wie die Ta­rif­ge­mein­schaft Christ­li­cher Ge­werk­schaf­ten für Holz-Kunst­stoff ei­nen Über­lei-tungs­ta­rif­ver­trag. Mit die­sem wur­de der am 25. Ja­nu­ar 1999 ab­ge­schlos­se­ne MTV CGD/DHV mit Wir­kung ab dem 1. März 2004 un­verändert mit Aus­nah­me der De­fi­ni­ti­on des fach­li­chen Gel­tungs­be­rei­ches auf die Ta­rif­ge­mein­schaft Christ­li­cher Ge­werk­schaf­ten für Holz und Kunst­stoff über­ge­lei­tet.

 

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Die ZVK ist der An­sicht, der Be­klag­te ha­be im Kla­ge­zeit­raum ei­nen bau­ge­werb­li­chen Be­trieb iSd. für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärten Bau­ta­rif­verträge un­ter­hal­ten. Die ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­mer des Be­klag­ten hätten ar­beits­zeit­lich über­wie­gend Fer­tig­bau­ar­bei­ten und Tro­cken- und Mon­ta­ge­bau­ar­bei­ten iSv. § 1 Abs. 2 Ab­schn. V Nr. 13 und Nr. 37 VTV aus­geführt. Auf Grund der Rück­aus­nah­me­re­ge­lung in § 1 Abs. 2 Ab­schn. VII Nr. 11 VTV sei der Be­trieb des Be­klag­ten nicht als Be­trieb des Schrei­ner­hand­werks vom be­trieb­li­chen Gel­tungs­be­reich des VTV aus­ge­nom­men. Ta­rifp­lu­ra­lität tre­te we­der mit dem MTV CGD/DHV noch mit dem MTV GHK auf. Der MTV CGD/DHV sei mit ei­ner nicht ta­riffähi­gen Ge­werk­schaft ab­ge­schlos­sen wor­den und des­halb un­wirk­sam. Der Über­lei­tungs­ta­rif­ver­trag sei erst am 1. März 2004 in Kraft ge­tre­ten und so­mit für den Kla­ge­zeit­raum oh­ne Be­deu­tung. Der gekündig­te MTV GHK ha­be im Nach­wir­kungs­zeit­raum den für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärten VTV nicht ver­drängen können.

Die Kläge­rin hat zu­letzt be­an­tragt,

den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin 16.563,00 Eu­ro zu zah­len.

Der Be­klag­te hat zu sei­nem Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag die Auf­fas­sung ver­tre­ten, sein Be­trieb sei nach § 1 Abs. 2 Ab­schn. VII Nr. 11 VTV als Be­trieb des Schrei­ner­hand­werks vom be­trieb­li­chen Gel­tungs­be­reich des VTV nicht er­fasst wor­den. Der An-teil von Tätig­kei­ten, die aus­sch­ließlich dem Schrei­ner­hand­werk zu­zu­rech­nen sei­en, ha­be im Kla­ge­zeit­raum min­des­tens 20 % aus­ge­macht. Er ha­be nur Ar­beit­neh­mer mit der Aus­bil­dung ei­nes Tisch­lers beschäftigt und als Tisch­ler­meis­ter die auf den Bau­stel­len ein­ge­setz­ten Ar­beit­neh­mer selbst be­auf­sich­tigt. Im Übri­gen ha­be der spe­zi­el­le­re MTV CGD/DHV die Bau­ta­rif­verträge ver­drängt. Der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Ge­ra vom 17. Ok­to­ber 2002 zur Ta­rif­unfähig­keit der CGD wir­ke nicht auf den Kla­ge­zeit-raum zurück. Über die Mit­glied­schaft in der Tisch­le­r­in­nung sei er mit­tel­bar Mit­glied des Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des für das holz- und kunst­stoff­ver­ar­bei­ten­de Hand­werk. Des­halb würde je­den­falls der nach­wir­ken­de MTV GHK als spe­zi­el­le­rer Ta­rif­ver­trag den VTV ver­drängen.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung des Be­klag­ten zurück­ge­wie­sen. Mit der vom Se­nat zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt der Be­klag­te sei­nen Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag wei­ter. Die ZVK be­an­tragt, die Re­vi­si­on des Be­klag­ten zurück­zu­wei­sen.

 

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Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on des Be­klag­ten hat kei­nen Er­folg. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge zu Recht statt­ge­ge­ben.

I. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat zu­sam­men­ge­fasst an­ge­nom­men, der ZVK stünden die be­an­spruch­ten Min­dest­beiträge zu. Die Ar­beit­neh­mer des Be­klag­ten hätten im Kla­ge­zeit­raum ar­beits­zeit­lich über­wie­gend Fer­tig­bau­ar­bei­ten und Tro­cken- und Mon­ta­ge­bau­ar­bei­ten iSv. § 1 Abs. 2 Ab­schn. V Nr. 13 und Nr. 37 VTV aus­geführt. Des­halb sei der Be­trieb des Be­klag­ten auf Grund der Rück­aus­nah­me­re­ge­lung in § 1 Abs. 2 Ab­schn. VII Nr. 11 VTV nicht als Be­trieb des Schrei­ner­hand­werks vom be­trieb­li­chen Gel­tungs­be­reich des VTV aus­ge­nom­men. Zwar sei­en auf die Her­stel­lung von Son­der­an­fer­ti­gun­gen in der be­triebs­ei­ge­nen Werk­statt und da­mit auf die Ver­rich­tung von für das Schrei­ner­hand­werk ty­pi­schen Tätig­kei­ten min­des­tens 20 % der be­trieb­li­chen Ge­samt­ar­beits­zeit ent­fal­len. We­gen der Rück­aus­nah­me sei ein Be­trieb des Schrei­ner­hand­werks je­doch nur dann von der Gel­tung des VTV aus­ge­nom­men, wenn zu mehr als 50 % der Ge­samt­ar­beits­zeit ori­ginäre Schrei­ner­ar­bei­ten aus­geführt würden. Dies sei im Kla­ge­zeit­raum nicht der Fall ge­we­sen. Der VTV sei im Kla­ge­zeit­raum auch nicht durch ei­nen spe­zi­el­le­ren Ta­rif­ver­trag ver­drängt wor­den. Der MTV CGD/DHV sei man­gels Ta­riffähig­keit der CGD von An­fang an nich­tig ge­we­sen. Der Über­lei­tungs­ta­rif­ver­trag ha­be den MTV CGD/DHV erst mit Wir­kung ab dem 1. März 2004 über­ge­lei­tet.

II. Die­se Ausführun­gen hal­ten den An­grif­fen der Re­vi­si­on im Er­geb­nis und in wei­ten Tei­len der Be­gründung stand. Mit Recht hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt er­kannt, dass der Be­trieb des Be­klag­ten im Kla­ge­zeit­raum dem be­trieb­li­chen Gel­tungs­be­reich des VTV un­ter­fiel und der ZVK des­halb nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VTV die für die Mo­na­te De­zem­ber 1998 bis No­vem­ber 1999 be­an­spruch­ten Min­dest­beiträge zu­ste­hen, über de­ren Höhe kein Streit be­steht.

1. Für die Ent­schei­dung des Rechts­streits kommt es zunächst dar­auf an, ob im Kla­ge­zeit­raum im Be­trieb des Be­klag­ten vom be­trieb­li­chen Gel­tungs­be­reich des VTV er­fass­te Tätig­kei­ten ver­rich­tet wor­den sind, wo­bei auf die ar­beits­zeit­lich über­wie­gen­de Tätig­keit der Ar­beit­neh­mer des Be­klag­ten und nicht auf wirt­schaft­li­che Ge­sichts­punk­te wie Um­satz und Ver­dienst, aber auch nicht auf han­dels- und ge­wer­be­recht­li­che Kri­te­ri­en ab­zu­stel­len ist (st. Rspr. vgl. zB BAG 23. Au­gust 1995 - 10 AZR 105/95 - AP TVG § 1 Ta­rif­verträge: Bau Nr. 193 = EzA TVG § 4 Bau­in­dus­trie Nr. 79; 14. Ja­nu­ar 2004

 

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- 10 AZR 182/03 - AP TVG § 1 Ta­rif­verträge: Bau Nr. 263; 27. Ok­to­ber 2004 - 10 AZR 119/04 -; 14. De­zem­ber 2005 - 10 AZR 115/05 -; 15. Fe­bru­ar 2006 - 10 AZR 270/05 -; 2. Au­gust 2006 - 10 AZR 756/05 -; 18. Ok­to­ber 2006 - 10 AZR 576/05 - zur Veröffent­li­chung in der Amt­li­chen Samm­lung vor­ge­se­hen).

a) Nach den von der Re­vi­si­on nicht an­ge­grif­fe­nen und da­mit den Se­nat bin­den­den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts ent­fiel bei Berück­sich­ti­gung al­ler im streit­be­fan­ge­nen Zeit­raum aus­geführ­ten Ar­bei­ten der über­wie­gen­de An­teil der be­trieb­li­chen Ge­samt­ar­beits­zeit der Ar­beit­neh­mer auf den Ein­bau von Fens­tern, Türen, Türzar­gen, De­cken­ver­klei­dun­gen und Fußböden so­wie auf den Aus­bau von Dach­ge­schos­sen, wo­bei die ein­ge­bau­ten Ele­men­te über­wie­gend von Drit­t­un­ter­neh­men be­zo­gen wur­den. Dies erfüllt das Tätig­keits­bei­spiel „Tro­cken- und Mon­ta­ge­bau­ar­bei­ten“ in § 1 Abs. 2 Ab­schn. V Nr. 37 VTV (BAG 18. Ok­to­ber 2006 - 10 AZR 576/05 - zur Veröffent­li­chung in der Amt­li­chen Samm­lung vor­ge­se­hen).

b) Der Ein­bau von Böden, Türen, Fens­tern und Türele­men­ten gehört al­ler­dings auch zum Be­rufs­bild des Tisch­ler­hand­werks. § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Ver­ord­nung über das Be­rufs­bild und über die Prüfungs­an­for­de­run­gen im prak­ti­schen und im fach­theo­re­ti­schen Teil der Meis­ter­prüfung für das Tisch­ler­Hand­werk (Tisch­ler­meis­ter­ver­ord­nung - TischlMstrV) - vom 7. Sep­tem­ber 1987 (BGBl. I S. 2138) rech­net ua. den Ein­bau von Böden, Türen, Fens­tern und Türele­men­ten aus­drück­lich dem Tisch­ler­hand­werk zu. Dies gilt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 TischlMstrV auch für die Ausführung von In­nen­aus­bau­ar­bei­ten aus Holz-, Holz­werk- und Kunst­stof­fen. Die vom Be­klag­ten ar­beits­zeit­lich über­wie­gend aus­geführ­ten Tätig­kei­ten zählen so­mit auch zu den Tätig­kei­ten ei­nes Be­trie­bes des Schrei­ner­hand­werks iSv. § 1 Abs. 2 Ab­schn. VII Nr. 11 VTV. Die Be­grif­fe Schrei­ner- und Tisch­ler­hand­werk wer­den syn­onym ver­wen­det.

c) Da­mit sind die im Be­trieb des Be­klag­ten ar­beits­zeit­lich über­wie­gend aus­geführ­ten Ar­bei­ten „So­wohl-als-auch-Tätig­kei­ten“ iSd. Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts. Für die­se hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt zu Ab­gren­zungs­zwe­cken meh­re­re Kri­te­ri­en ent­wi­ckelt, die in ständi­ger Recht­spre­chung an­ge­wandt und wei­ter­ent­wi­ckelt wor­den sind (14. Ok­to­ber 1987 - 4 AZR 317/87 - BA­GE 56, 214; 23. Au­gust 1995 - 10 AZR 105/95 - AP TVG § 1 Ta­rif­verträge: Bau Nr. 193 = EzA TVG § 4 Bau­in­dus­trie Nr. 79; 22. Ja­nu­ar 1997 - 10 AZR 223/96 - BA­GE 85, 81 mwN; 16. Mai 2001 - 10 AZR 438/00 - AP TVG § 1 Ta­rif­verträge: Dach­de­cker Nr. 7 = EzA TVG § 4 Bau­in­dus­trie Nr. 106; 25. Ju­li 2001 - 10 AZR 483/00 - BA­GE 98, 250, 256; 14. De­zem­ber 2005

 

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- 10 AZR 115/05 -). Für die Aus­nah­me aus dem be­trieb­li­chen Gel­tungs­be­reich des VTV kommt es da­nach grundsätz­lich dar­auf an, ob ne­ben den „So­wohl-als-auch-Tätig­kei­ten” in nicht un­er­heb­li­chem Um­fang, min­des­tens zu 20 % der be­trieb­li­chen Ge­samt­ar­beits­zeit, Ar­bei­ten aus­geführt wer­den, die aus­sch­ließlich dem vom be­trieb­li­chen Gel­tungs­be­reich aus­ge­nom­me­nen Ge­werk als ty­pisch zu­zu­ord­nen sind, oder ob die­se Ar­bei­ten in nicht un­er­heb­li­chem Um­fang, eben­falls min­des­tens zu 20 % der be­trieb­li­chen Ge­samt­ar­beits­zeit, von ge­lern­ten Ar­beit­neh­mern die­ses Ge­wer­kes aus­geführt wer­den oder ob ei­ne ent­spre­chen­de Auf­sicht durch ei­nen Fach­mann oder meh­re­re Fach­leu­te die­ses Ge­wer­kes un­mit­tel­bar am Ar­beits­platz be­steht.

d) Da­nach wäre der Be­trieb des Be­klag­ten an sich als Be­trieb des Schrei­ner­hand­werks vom be­trieb­li­chen Gel­tungs­be­reich des VTV aus­ge­nom­men, weil nach den von der ZVK nicht mit Ge­genrügen an­ge­grif­fe­nen und so­mit bin­den­den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts mit der Her­stel­lung von Son­der­an­fer­ti­gun­gen in der be­triebs­ei­ge­nen Werk­statt zu min­des­tens 20 % der be­trieb­li­chen Ge­samt­ar­beits­zeit aus-schließlich dem Tisch­ler­hand­werk zu­zu­rech­nen­de Ar­bei­ten aus­geführt wur­den. Die Rück­aus­nah­me­re­ge­lung in § 1 Abs. 2 Ab­schn. VII Nr. 11 VTV, wo­nach Be­trie­be des Schrei­ner­hand­werks vom be­trieb­li­chen Gel­tungs­be­reich des VTV nur aus­ge­nom­men wer­den, so­weit nicht Fer­tig­bau-, Dämm-(Iso­lier-), Tro­cken­bau- und Mon­ta­ge­bau­ar­bei­ten oder Zim­mer­ar­bei­ten aus­geführt wer­den, be­wirkt je­doch, dass der ar­beits­zeit­lich über­wie­gend Tro­cken­bau- und Mon­ta­ge­bau­ar­bei­ten ausführen­de Be­trieb des Be­klag­ten von der Aus­nah­me nicht er­fasst wird, son­dern un­ter den be­trieb­li­chen Gel­tungs­be­reich des VTV fällt. Dar­auf, ob da­ne­ben in der be­triebs­ei­ge­nen Werk­statt in nicht un­er­heb­li­chem Um­fang Ar­bei­ten aus­geführt wur­den, die aus­sch­ließlich dem Schrei­ner­hand­werk als ty­pisch zu­zu­ord­nen sind, oder ob die „So­wohl-als-auch-Tätig­kei­ten“ in nicht un­er­heb­li­chem Um­fang von ge­lern­ten Schrei­nern aus­geführt wur­den oder ob ei­ne ent­spre­chen­de Auf­sicht durch ei­nen Fach­mann des Schrei­ner­hand­werks un­mit­tel­bar am Ar­beits­platz be­stan­den hat, kommt es nicht an (vgl. BAG 29. Sep­tem­ber 2004 - 10 AZR 562/03 -; 7. Ju­li 1999 - 10 AZR 582/98 - AP TVG § 1 Ta­rif­verträge: Bau Nr. 221 = EzA TVG § 4 Bau­in­dus­trie Nr. 95; 22. Sep­tem­ber 1993 - 10 AZR 207/92 - BA­GE 74, 238, 243; vgl. zur Rück­aus­nah­me bei Ausführung von Zim­mer­ar­bei­ten auch 14. De­zem­ber 2005 - 10 AZR 321/05 - EzA TVG § 4 Bau­in­dus­trie Nr. 125 und 14. De­zem­ber 2005 - 10 AZR 115/05 - so­wie zur Rück­aus­nah­me für Be­trie­be des Ma¬ler- oder La­ckie­rer­hand­werks bei Ausführung von Wärmedämmver­bund­sys­tem­ar­bei­ten 19. Ju­li 2000 - 10 AZR 918/98 - AP TVG § 1 Ta­rif­verträge: Bau Nr. 232 = EzA TVG § 4 Bau­in­dus­trie Nr. 98). Maßge­bend ist, dass die ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­mer des Be-

 

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klag­ten nach den bin­den­den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht ar­beits-zeit­lich über­wie­gend aus­sch­ließlich dem Tisch­ler­hand­werk zu­zu­rech­nen­de Ar­bei­ten aus­geführt ha­ben. Ent­ge­gen der An­nah­me des Lan­des­ar­beits­ge­richts wäre der Be­trieb des Be­klag­ten al­ler­dings un­ter die­ser Vor­aus­set­zung nicht als Be­trieb des Schrei­ner­hand­werks gemäß § 1 Abs. 2 Ab­schn. VII Nr. 11 VTV vom be­trieb­li­chen Gel­tungs­be­reich des VTV aus­ge­nom­men. Der Be­trieb des Be­klag­ten wäre man­gels ar­beits­zeit­lich über­wie­gen­der Ausführung von „So­wohl-als-auch-Tätig­kei­ten“ vom be­trieb­li­chen Gel­tungs­be­reich des VTV von vorn­her­ein nicht er­fasst. Genügte ent­spre­chend der Auf­fas­sung des Be­klag­ten für die Aus­nah­me be­reits die Ausführung ty­pi­scher Tisch­ler­ar­bei­ten in nicht un­er­heb­li­chem Um­fang, wäre die Rück­aus­nah­me­re­ge­lung überflüssig (BAG 14. De­zem­ber 2005 - 10 AZR 321/05 - aaO und 14. De­zem­ber 2005 - 10 AZR 115/05 -).

2. Mit Recht hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt er­kannt, dass der VTV auf Grund der All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung mit un­mit­tel­ba­rer und zwin­gen­der Wir­kung für den Be­klag­ten galt (§ 5 Abs. 4 TVG). Der Be­trieb des Be­klag­ten wur­de im Kla­ge­zeit­raum nicht von ei­ner Ein­schränkung der All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung des VTV er­fasst. Der Hin­weis des Be­klag­ten auf die Re­ge­lung in Ab­schn. III Nr. 5 Ers­ter Teil, Ein­schränkun­gen der All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung auf An­trag (Große Ein­schränkungs­klau­sel), in der Be­kannt­ma­chung über die All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung von Ta­rif­ver­trags­wer­ken für das Bau­ge­wer­be vom 24. Fe­bru­ar 2006 (BAnz. Nr. 71 vom 11. April 2006 S. 2729 ff.), geht fehl. Die­se Be­stim­mung fand im Kla­ge­zeit­raum kei­ne An­wen­dung. Sie ist erst am 1. Ja­nu­ar 2005 in Kraft ge­tre­ten. Im Übri­gen lägen auch die Vor­aus­set­zun­gen die­ser Ein­schränkungs­klau­sel nicht vor. Im Kla­ge­zeit­raum wur­de der Be­trieb des Be­klag­ten nicht von ei­nem ge­genüber den Rah­men- und So­zi­al­kas­sen­ta­rif­verträgen des Bau­ge­wer­bes spe­zi­el­le­ren Ta­rif­ver­trag er­fasst.

3. Die für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärten Bau­ta­rif­verträge wur­den nicht durch den MTV CGD/DHV ver­drängt. Die Ver­drängung der für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärten Bau­ta­rif­verträge durch ei­nen spe­zi­el­le­ren Ta­rif­ver­trag setzt die Rechts­wirk­sam­keit die­ses Ta­rif­ver­tra­ges vor­aus. Dar­an fehlt es.

a) So­weit der Ar­beit­ge­ber nach § 1 Abs. 3 AEntG nicht ge­setz­lich zur Abführung von Beiträgen zur Ur­laubs­kas­se ver­pflich­tet ist (BAG 18. Ok­to­ber 2006 - 10 AZR 576/05 - zur Veröffent­li­chung in der Amt­li­chen Samm­lung vor­ge­se­hen; 13. Mai 2004 - 10 AS 6/04 -) kommt nach dem Grund­satz der Spe­zia­lität in ei­nem Fall der Ta­rif­kon-

 

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kur­renz bzw. Ta­rifp­lu­ra­lität al­lein der Ta­rif­ver­trag zur An­wen­dung, der dem Be­trieb räum­lich, be­trieb­lich, fach­lich und persönlich am nächs­ten steht und des­halb den Er-for­der­nis­sen und Ei­gen­ar­ten des Be­trie­bes und der dar­in täti­gen Ar­beit­neh­mer am bes­ten ge­recht wird (BAG 25. Ju­li 2001 - 10 AZR 599/00 - BA­GE 98, 263; 26. Ja­nu­ar 1994 - 10 AZR 611/92 - BA­GE 75, 298; 24. Ja­nu­ar 1990 - 4 AZR 561/89 - AP TVG § 1 Ta­rif­verträge: Bau Nr. 126 = EzA TVG § 4 Ta­rif­kon­kur­renz Nr. 6 mwN). Ein Fall der Ta­rif­kon­kur­renz oder Ta­rifp­lu­ra­lität liegt je­doch nicht vor. So­weit der MTV CGD/DHV von der nicht ta­riffähi­gen CGD ab­ge­schlos­sen wur­de, ist die­ser Ta­rif­ver­trag nich­tig, so dass ei­ne nor­ma­ti­ve Bin­dung des Be­klag­ten an die­sen Ta­rif­ver­trag von vorn­her­ein aus­schei­det.

b) Das Ar­beits­ge­richt Ge­ra hat mit Be­schluss vom 17. Ok­to­ber 2002, der Rechts­kraft er­lang­te, fest­ge­stellt, dass die CGD kei­ne Ge­werk­schaft im ar­beits­recht­li­chen Sin­ne ist. Die­se rechts­kräfti­ge Ent­schei­dung hat Wir­kung für und ge­gen al­le (BAG 28. März 2006 - 1 ABR 58/04 - NZA 2006, 1112, auch zur Veröffent­li­chung in der Amt­li­chen Samm­lung vor­ge­se­hen; 6. Ju­ni 2000 - 1 ABR 10/99 - BA­GE 95, 36, 39). Da­mit steht fest, dass die CGD bei der Un­ter­zeich­nung des MTV CGD/DHV kei­ne Ta­rif­ver­trags­par­tei iSd. § 2 Abs. 1 TVG war. Ihr fehl­te die Ta­riffähig­keit und da­mit die Be­fug­nis, Ta­rif­verträge ab­zu­sch­ließen. Sch­ließt ei­ne Ver­ei­ni­gung oh­ne Ta­riffähig­keit ei­nen Ta­rif¬ver­trag ab, ist die­ser Ta­rif­ver­trag un­wirk­sam und da­mit nich­tig (BAG 27. No­vem­ber 1964 - 1 ABR 13/63 - BA­GE 16, 329; MünchArbR/Löwisch/Rieb­le 2. Aufl. Bd. 3 § 255 Rn. 79; dies. TVG 2. Aufl. § 2 Rn. 178; Däubler/Pe­ter TVG 2. Aufl. § 2 Rn. 180; Ga­mill-scheg Kol­lek­ti­ves Ar­beits­recht Bd. I § 14 I. 4; HWK/Hens­s­ler 2. Aufl. § 2 TVG Rn. 3; Ja­cobs Ta­rif­ein­heit und Ta­rif­kon­kur­renz S. 121; Buch­ner DB 2004, 1042; Feud­ner BB 2004, 2297, 2301; Böhm DB 2003, 2598, 2599; ders. in DB 2004, 137; Schöne DB 2004, 136).

c) Oh­ne Er­folg rügt der Be­klag­te, das Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­be zu Un­recht an­ge­nom­men, der MTV CGD/DHV sei von An­fang an nich­tig ge­we­sen. Die­ser Ta­rif­ver­trag wur­de, so­weit er von der CGD ab­ge­schlos­sen wur­de, nicht erst mit dem Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Ge­ra vom 17. Ok­to­ber 2002 un­wirk­sam. Die Ent­schei­dung über die Ta­riffähig­keit ei­ner Ver­ei­ni­gung nach § 2a Abs. 1 Nr. 4, § 97 ArbGG be­gründet oder be­en­det nicht erst die Ta­riffähig­keit, son­dern stellt die Ta­riffähig­keit oder Ta­rif­unfähig­keit nur fest. Das wird auch aus der Re­ge­lung in § 97 Abs. 5 ArbGG deut­lich, wo­nach das Ge­richt das Ver­fah­ren bis zur Er­le­di­gung des Be­schluss­ver­fah­rens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG aus­zu­set­zen hat, wenn die Ent­schei­dung des Rechts­streits da­von

 

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abhängt, ob ei­ne Ver­ei­ni­gung ta­riffähig ist. Die­se Ver­pflich­tung zur Aus­set­zung des Ver­fah­rens wäre weit­ge­hend sinn­los und überflüssig, wenn die Ent­schei­dung über die Ta­riffähig­keit oder Ta­rif­unfähig­keit ei­ner Ver­ei­ni­gung ent­spre­chend der Rechts­auf­fas­sung des Be­klag­ten nur für die Zeit nach der Verkündung der Ent­schei­dung von Be­deu­tung wäre. Dass die CGD zum Zeit­punkt des Ab­schlus­ses des Ta­rif­ver­tra­ges am 25. Ja­nu­ar 1999 ta­riffähig ge­we­sen ist, ih­re Ta­riffähig­keit später ent­fal­len ist und die Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts Ge­ra den Zeit­punkt des Ab­schlus­ses des MTV CGD/DHV nicht um­fasst, hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt nicht fest­ge­stellt. Der Be­klag­te hat dies auch nicht be­haup­tet.

d) Zu Un­recht meint der Be­klag­te, aus Gründen der Rechts­si­cher­heit und des Ver­trau­ens­schut­zes und auf Grund der ex­trem schwie­ri­gen Rück­ab­wick­lung von Ansprüchen nach dem MTV CGD/DHV sei ei­ne An­wen­dung der Vor­schrif­ten die­ses Ta­rif­ver­tra­ges bis zur Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts Ge­ra vom 17. Ok­to­ber 2002 ge­bo­ten. Der gu­te Glau­be an die Ta­riffähig­keit ei­ner Ver­ei­ni­gung wird nicht geschützt (Oet­ker in Wie­de­mann TVG 6. Aufl. § 2 Rn. 15). Leis­tun­gen nach dem MTV CGD/DHV wur­den zwi­schen der ZVK und dem Be­klag­ten nicht aus­ge­tauscht. Des­halb be­darf es zwi­schen den Par­tei­en auch kei­ner Rück­ab­wick­lung von Ansprüchen nach dem MTV CGD/DHV. Es ist auch nicht zu er­ken­nen, dass ein Ver­trau­en des Be­klag­ten auf die Ta­riffähig­keit der CGD schutzwürdi­ger ist als das Ver­trau­en ei­nes Ar­beit­ge­bers, der oh­ne Er­folg gel­tend ge­macht hat, ein voll wirk­sa­mer Ta­rif­ver­trag ste­he sei­nem Be­trieb räum­lich, be­trieb­lich, fach­lich und persönlich näher als der VTV. Ein sol­cher Ar­beit­ge­ber ist zur Zah­lung von Beiträgen an die ZVK ver­pflich­tet. Der Be­klag­te konn­te auch für den Fall ei­ner der Kla­ge der ZVK statt­ge­ben­den Ent­schei­dung Vor­keh­run­gen tref­fen, ins­be­son­de­re in Be­zug auf die Er­stat­tung der ge­leis­te­ten Ur­laubs­vergütung.

e) Auch der Hin­weis des Be­klag­ten auf die Ta­riffähig­keit der DHV hilft ihm nicht wei­ter. Bei dem MTV CGD/DHV han­delt es sich um ei­nen mehr­glied­ri­gen Ta­rif­ver­trag, bei des­sen Ab­schluss auf der Ge­werk­schafts­sei­te so­wohl die CGD als auch der DHV und so­mit auf ei­ner Sei­te meh­re­re Ver­ei­ni­gun­gen be­tei­ligt wa­ren (BAG 29. Ju­ni 2004 - 1 AZR 143/03 - AP TVG § 1 Nr. 36; 10. No­vem­ber 1993 - 4 AZR 184/93 - AP TVG § 1 Ta­rif­verträge: Ein­zel­han­del Nr. 43 = EzA TVG § 4 Ein­zel­han­del Nr. 25). Woll­ten CGD und DHV ei­nen ein­zi­gen, sie ge­mein­sam bin­den­den ein­heit­li­chen Ta­rif­ver­trag ab­sch­ließen, führ­te die Ta­rif­unfähig­keit der CGD un­ge­ach­tet ei­ner Ta­riffähig­keit des DHV zur Nich­tig­keit des MTV CGD/DHV (Oet­ker in Wie­de­mann TVG § 2 Rn. 17). Aber auch dann, wenn die CGD und der DHV trotz der Zu­sam­men­fas­sung in ei­ner Ur­kun­de von-

 

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ein­an­der un­abhängi­ge, recht­lich selbständi­ge Ta­rif­verträge ab­sch­ließen woll­ten, fehl­te es an ei­ner Ta­rif­kon­kur­renz bzw. Ta­rifp­lu­ra­lität. Die feh­len­de Ta­riffähig­keit der CGD führ­te in die­sem Fall zwar nicht zur Nich­tig­keit des MTV CGD/DHV, so­weit die­ser mit dem DHV ab­ge­schlos­sen wor­den ist (Oet­ker in Wie­de­mann aaO; Buch­ner DB 2004, 1042, 1043 f.). Je­doch steht der An­nah­me von Ta­rif­kon­kur­renz bzw. Ta­rifp­lu­ra­lität die feh­len­de Ta­rif­zuständig­keit des DHV für den Ab­schluss von Ta­rif­verträgen für ge­werb­li­che Ar­beit­neh­mer ent­ge­gen.

aa) Je­de Ge­werk­schaft ent­schei­det für sich, für wel­che Ar­beit­neh­mer und in wel­chen Wirt­schafts­be­rei­chen sie tätig wer­den will (BAG 25. Sep­tem­ber 1996 - 1 ABR 4/96 - BA­GE 84, 166, 177). Die Ta­rif­zuständig­keit rich­tet sich da­bei grundsätz­lich nach dem in der Sat­zung des Ver­ban­des fest­ge­leg­ten Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich (BAG 14. No­vem­ber 2001 - 10 AZR 76/01 - BA­GE 99, 310, 313).

bb) Nach § 2 Nr. 1 Satz 1 der auf dem 16. Ver­bands­tag des DHV am 17. /18. Ok­to­ber 1998 be­schlos­se­nen Sat­zung (Sat­zung) war die­ser ei­ne Ge­werk­schaft der An­ge­stell­ten im Han­del, in der In­dus­trie und im pri­va­ten und öffent­li­chen Dienst­lei­tungs­be­reich. Die Mit­glied­schaft im DHV konn­ten al­le An­ge­stell­ten im Han­del, in der In­dus­trie und im pri­va­ten und öffent­li­chen Dienst­leis­tungs­be­reich (or­dent­li­che Mit­glie­der) so­wie die zu ei­nem An­ge­stell­ten­be­ruf Aus­zu­bil­den­den und Be­rufs­anwärter er­wer­ben (§ 3 Nr. 1 Sat­zung). Dar­aus und dem Ver­bands­na­men „Deut­scher Han­dels- und In­dus­trie­an­ge­stell­ten-Ver­band“ wird deut­lich, dass sich die Ta­rif­zuständig­keit des DHV we­der im Kla­ge­zeit­raum noch bei der Un­ter­zeich­nung des MTV CGD/DHV auf den Ab­schluss von Ta­rif­verträgen für ge­werb­li­che Ar­beit­neh­mer er­streckt hat. Der Be­klag­te hat dies auch nicht be­haup­tet. Es ist nicht zu er­ken­nen, dass der DHV sei­ne Ta­rif­zuständig­keit über­schrei­ten woll­te. Aber selbst wenn zu Guns­ten des Be­klag­ten an­ge-nom­men würde, der DHV hätte beim Ab­schluss des MTV CGD/DHV auch für ge­werb­li­che Ar­beit­neh­mer tätig wer­den wol­len, wäre die­ser Ta­rif­ver­trag in­so­weit nich­tig (Löwisch/Rieb­le TVG § 2 Rn. 185; ErfK/Schaub/Fran­zen 6. Aufl. § 2 TVG Rn. 38). Sch­ließt ei­ne ta­riffähi­ge Ver­ei­ni­gung außer­halb ih­rer in der Sat­zung fest­ge­leg­ten Ta­rif­zustän-dig­keit ei­nen Ta­rif­ver­trag ab, ist die­ser in­so­weit nich­tig (vgl. BAG 29. Sep­tem­ber 2004 - 10 AZR 562/03 - ; 14. No­vem­ber 2001 - 10 AZR 76/01 - BA­GE 99, 310; 28. Ju­li 1993 - 10 AZR 55/91 -).
4. Auch der Über­lei­tungs­ta­rif­ver­trag vom 1. März 2004 be­wirk­te im Kla­ge­zeit¬ 27
raum kei­ne Ta­rif­kon­kur­renz bzw. Ta­rifp­lu­ra­lität. Die Über­lei­tung des MTV CGD/DHV

 

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auf die Ta­rif­ge­mein­schaft Christ­li­cher Ge­werk­schaf­ten für Holz-Kunst­stoff er­folg­te mit Wir­kung ab dem 1. März 2004. Sie ist da­mit für die Mo­na­te De­zem­ber 1998 bis No-vem­ber 1999 oh­ne Be­deu­tung.

5. Zu Un­recht meint der Be­klag­te, je­den­falls ha­be der MTV GHK als sachnähe­rer Ta­rif­ver­trag den VTV im Kla­ge­zeit­raum ver­drängt.

a) Da der Haupt­vor­stand der Ge­werk­schaft Holz und Kunst­stoff den MTV GHK zum 31. De­zem­ber 1992 gekündigt hat, setzt ei­ne Bin­dung des Be­klag­ten an die­sen Ta­rif­ver­trag vor­aus, dass der Be­klag­te be­reits vor Ab­lauf des Ta­rif­ver­tra­ges mit­tel­bar Mit­glied ei­ner Ta­rif­ver­trags­par­tei des MTV GHK war. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat dies nicht fest­ge­stellt. Aus vom Be­klag­ten vor­ge­leg­ten Schriftstücken er­gibt sich nur, dass er im De­zem­ber 1996 die Meis­ter­prüfung im Tisch­ler­hand­werk be­stan­den hat, am 22. Sep­tem­ber 1998 Mit­glied der Tisch­le­r­in­nung O war und am 25. No­vem­ber 2003 der Tisch­le­r­in­nung B an­gehört hat.

b) Selbst wenn zu Guns­ten des Be­klag­ten da­von aus­ge­gan­gen wird, dass er an den MTV GHK in­fol­ge ei­ner In­nungs­mit­glied­schaft ge­bun­den war und die­ser Ta­rif­ver­trag nach dem Grund­satz der Spe­zia­lität die für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärten Bau­ta­rif­verträge ver­drängt hat, so­weit der Be­klag­te nicht nach § 1 Abs. 3 AEntG ge­setz­lich zur Abführung von Beiträgen zur Ur­laubs­kas­se ver­pflich­tet war, lag auf Grund der Kündi­gung des MTV GHK zum 31. De­zem­ber 1992 im Kla­ge­zeit­raum kei­ne Ta­rif­kon­kur­renz bzw. Ta­rifp­lu­ra­lität mehr vor. Gemäß § 4 Abs. 5 TVG gel­ten nach Ab­lauf ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges sei­ne Rechts­nor­men zwar wei­ter, bis sie durch ei­ne an­de­re Ab­ma­chung er­setzt wer­den. Dies war bei den Ta­rif­vor­schrif­ten des ab­ge­lau­fe­nen MTV GHK ab dem 1. Ja­nu­ar 1993 der Fall.

aa) Mit Wir­kung zum 1. Ja­nu­ar 1993 wur­den der VTV idF des Ände­rungs­ta­rif­ver­tra­ges vom 10. Sep­tem­ber 1992 und der Bun­des­rah­men­ta­rif­ver­trag für das Bau­ge­wer­be vom 3. Fe­bru­ar 1981 idF des Ta­rif­ver­tra­ges vom 10. Sep­tem­ber 1992 (BRTV) für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärt. Gleich­zei­tig trat der Ta­rif­ver­trag zur Über­lei­tung des Bun-des­rah­men­ta­rif­ver­tra­ges für Ar­bei­ter auf das Ge­biet der fünf neu­en Bun­desländer und des Ost­teils des Lan­des Ber­lin (Über­lei­tungs­ta­rif­ver­trag BRTV) vom 11. Fe­bru­ar 1991 idF des Ta­rif­ver­tra­ges vom 19. Mai 1992 mit Ab­lauf des 31. De­zem­ber 1992 außer Kraft (vgl. AVE-Be­kannt­ma­chung vom 8. De­zem­ber 1992, BAnz. Nr. 236 vom 16. De­zem­ber 1992 S. 9366 f.). Da­mit sind die Vor­schrif­ten des BRTV und des VTV ab dem 1. Ja­nu­ar 1993 als „an­de­re Ab­ma­chung“ iSv. § 4 Abs. 5 TVG gemäß § 5 Abs. 4

 

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TVG an die Stel­le der zum 31. De­zem­ber 1992 ab­ge­lau­fe­nen Be­stim­mun­gen des MTV GHK ge­tre­ten (vgl. BAG 19. Ja­nu­ar 1962 - 1 AZR 147/61 - AP TVG § 5 Nr. 11; 4. De­zem­ber 1974 - 5 AZR 75/74 - AP TVG § 3 Nr. 2; 28. Mai 1997 - 4 AZR 546/95 - BA­GE 86, 43, 51; Bay­reu­ther Ta­rif­au­to­no­mie als kol­lek­tiv aus­geübte Pri­vat­au­to­no­mie S. 367 f.; Löwisch/Rieb­le TVG § 4 Rn. 394; Däubler/Be­p­ler TVG § 4 Rn. 898). Dem steht nicht ent­ge­gen, dass der MTV GHK und die all­ge­mein­ver­bind­li­chen Bau­ta­rif­verträge von un­ter­schied­li­chen Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ab­ge­schlos­sen wur­den. Ent­schei­dend ist, dass der Be­trieb des Be­klag­ten dem be­trieb­li­chen Gel­tungs­be­reich der für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärten Bau­ta­rif­verträge un­ter­fiel, der MTV GHK nach sei­nem Ab­lauf nur noch ei­ne be­schränk­te Schutz­wir­kung ent­fal­tet hat und da­mit den Er­for­der­nis­sen und Ei­gen­ar­ten des Be­trie­bes und der dar­in täti­gen Ar­beit­neh­mer nicht mehr bes­ser als die Bau­ta­rif­verträge ge­recht wer­den konn­te.

bb) Sinn und Zweck der Nach­wir­kungs­re­ge­lung in § 4 Abs. 5 TVG ist es, bis zum Zu­stan­de­kom­men ei­ner an­de­ren Ab­ma­chung den Rechts­zu­stand zu er­hal­ten und da­mit dem ta­rif­li­chen Ord­nungs­prin­zip Rech­nung zu tra­gen (BAG 20. Sep­tem­ber 2006 - 10 AZR 496/05 -; 24. No­vem­ber 1999 - 4 AZR 666/98 - BA­GE 93, 34, 39). Ar­beits­verhält­nis­se sol­len nach Be­en­di­gung ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges nicht in­halts­leer wer­den oder durch dis­po­si­ti­ves Ge­set­zes­recht ergänzt wer­den müssen. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt ver­neint al­ler­dings in ständi­ger Recht­spre­chung ei­ne nor­ma­ti­ve Wir­kung von Ta­rif­re­ge­lun­gen nach § 4 Abs. 5 TVG, wenn das Ar­beits­verhält­nis erst während der Nach­wir-kungs­zeit be­gründet wird (vgl. 6. Ju­ni 1958 - 1 AZR 515/57 - BA­GE 6, 90; 29. Ja­nu­ar 1975 - 4 AZR 218/74 - BA­GE 27, 22; 3. De­zem­ber 1985 - 4 ABR 60/85 - BA­GE 50, 258; 7. No­vem­ber 2001 - 4 AZR 703/00 - BA­GE 99, 283; 11. Ju­ni 2002 - 1 AZR 390/01 - BA­GE 101, 288). Die un­ter­schied­li­che Qua­lität der Rechts­nor­men ei­nes voll wirk­sa­men und ei­nes nach­wir­ken­den Ta­rif­ver­tra­ges hätte zur Fol­ge, dass auf im Nach­wir­kungs­zeit­raum be­gründe­te Ar­beits­verhält­nis­se we­der die Vor­schrif­ten des ab­ge­lau­fe­nen Ta­rif­ver­tra­ges noch die Be­stim­mun­gen ei­nes für all­ge­mein­ver­bind­lich er-klärten Ta­rif­ver­tra­ges kraft nor­ma­ti­ver Wir­kung An­wen­dung fänden, wenn ein für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärter Ta­rif­ver­trag nicht als an­de­re Ab­ma­chung iSv. § 4 Abs. 5 TVG ver­stan­den würde. Auf die Ar­beits­verhält­nis­se der vier vom Be­klag­ten nach dem 31. De­zem­ber 1992 ein­ge­stell­ten Tisch­ler und da­mit auf die Ar­beits­verhält­nis­se von 80 % der im Kla­ge­zeit­raum von ihm beschäftig­ten ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­mer würden auch bei bei­der­sei­ti­ger Ta­rif­ge­bun­den­heit we­der die Be­stim­mun­gen des ab­ge­lau­fe­nen MTV GHK noch die Vor­schrif­ten der all­ge­mein­ver­bind­li­chen Bau­ta­rif­verträge An­wen-dung fin­den. Ein sol­ches Er­geb­nis stünde mit Sinn und Zweck der All­ge­mein­ver­bind-

 

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li­cherklärung von Ta­rif­verträgen nicht im Ein­klang und wi­derspräche dem Grund­satz der Spe­zia­lität, der nicht be­zweckt, dass kein Ta­rif­ver­trag zur An­wen­dung kommt, son-dern der Ta­rif­ver­trag, der dem Be­trieb am nächs­ten steht.

c) Dem steht die Ent­schei­dung des Vier­ten Se­nats des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 20. April 2005 (- 4 AZR 288/04 - AP TVG § 4 Nach­wir­kung Nr. 43 = EzA TVG § 4 Nach­wir­kung Nr. 38) nicht ent­ge­gen. Der Vier­te Se­nat hat of­fen­ge­las­sen, ob ein all­ge­mei­ne­rer Ta­rif­ver­trag, der nach Ein­tritt der Nach­wir­kung ei­nes spe­zi­el­le­ren Ta­rif­ver­tra-ges wirk­sam wird, auch dann nach § 4 Abs. 5 TVG als „an­de­re Ab­ma­chung” an des­sen Stel­le tritt, wenn über ei­nen - veränder­ten - Neu­ab­schluss des spe­zi­el­le­ren Ta­rif­ver­tra­ges ver­han­delt wird (vgl. Löwisch/Rieb­le FS Schaub S. 457, 462; Däubler/Be­p­ler TVG § 4 Rn. 860 f.; Bay­reu­ther Ta­rif­au­to­no­mie als kol­lek­tiv aus­geübte Pri­vat­au­to­no­mie S. 368 f.; Ja­cobs Ta­rif­ein­heit und Ta­rif­kon­kur­renz S. 301 ff.). Sol­che Ver­hand­lun­gen hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt nicht fest­ge­stellt. Der Be­klag­te hat auch nicht be­haup­tet, dass und ge­ge­be­nen­falls bis zu wel­chem Zeit­punkt Ver­hand­lun­gen über den Neu­ab­schluss des MTV GHK geführt wur­den.

6. So­weit der Be­klag­te un­ter Be­zug­nah­me auf den Be­schluss des Se­nats vom 13. Mai 2004 (- 10 AS 6/04 -) die Auf­fas­sung ver­tritt, an dem Grund­satz der Spe­zia­lität und dem Vor­rang ei­nes sachnähe­ren Ta­rif­ver­tra­ges im Fal­le von Ta­rif­kon­kur­renz bzw. Ta­rifp­lu­ra­lität sei auch im Gel­tungs­be­reich des AEntG un­ein­ge­schränkt fest­zu­hal­ten, und meint, das AEntG grei­fe in der Aus­le­gung des Se­nats rück­wir­kend und un­zulässig in die ver­fas­sungs­recht­li­chen Rech­te der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en in Sach­sen-An­halt ein, setzt der vom Be­klag­ten be­haup­te­te Ver­s­toß ge­gen die Ta­rif­au­to­no­mie vor­aus, dass sein Be­trieb von ei­nem ge­genüber den all­ge­mein­ver­bind­li­chen Bau­ta­ri­fen spe­zi­el­le­ren, sachnähe­ren Ta­rif­ver­trag er­fasst wor­den ist. Die­se Vor­aus­set­zung ist nicht erfüllt.

7. Sch­ließlich weist der Be­klag­te in sei­nem Schrift­satz vom 30. Ok­to­ber 2006 auch oh­ne Er­folg auf die Ver­ein­ba­rung zwi­schen dem Zen­tral­ver­band des Deut­schen Bau­ge­wer­bes e.V., dem Haupt­ver­band der Deut­schen Bau­in­dus­trie e.V., der In­dus­trie-ge­werk­schaft Bau­en-Agrar-Um­welt und dem Bun­des­ver­band Holz und Kunst­stoff vom 19. De­zem­ber 2005 hin, wo­nach die Ver­trags­par­tei­en die­ser Ver­ein­ba­rung sich ua. ei­nig sind, dass der Rechts­zu­stand, wie er vor der Ände­rung der Recht­spre­chung des Se­nats (13. Mai 2004 - 10 AS 6/04 -) be­stan­den hat, auch nach des­sen Ände­rung be­ste­hen bleibt, und auf Altfälle, die auf der Ent­schei­dung des Se­nats vom 13. Mai 2004 be­ru­hen, die Re­ge­lung der Großen Ein­schränkungs­klau­sel idF vom 1. Ja­nu­ar 2005

 

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An­wen­dung fin­den soll. In­so­weit han­delt es sich nicht um den Hin­weis auf ei­ne rück­wir­kend in Kraft ge­tre­te­ne nor­ma­ti­ve Re­ge­lung, son­dern auf ein schuld­recht­li­ches, nicht-ta­rif­ver­trag­li­ches Übe­r­ein­kom­men und da­mit um un­zulässi­ges neu­es Vor­brin­gen in der Re­vi­si­ons­in­stanz. Das Re­vi­si­ons­ge­richt prüft, ob die Vor­in­stanz über die Kla­ge rechts­feh­ler­frei ent­schie­den hat. Sei­ner Be­ur­tei­lung un­ter­liegt da­bei nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur das­je­ni­ge Par­tei­vor­brin­gen, das aus dem Be­ru­fungs­ur­teil oder dem Sit­zungs­pro­to­koll er­sicht­lich ist. Es gilt der Grund­satz, dass die Ur­teils­grund­la­ge mit dem En­de der Be­ru­fungs­ver­hand­lung ab­ge­schlos­sen wird (BAG 3. Mai 2006 - 10 AZR 310/05 -; BGH 25. April 1988 - II ZR 252/86 - NJW 1988, 3092, 3094).

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