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LAG Hamm, Ur­teil vom 20.02.2015, 13 Sa 1386/14

   
Schlagworte: Betriebsrat, Arbeitszeit
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Aktenzeichen: 13 Sa 1386/14
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 20.02.2015
   
Leitsätze: 1. Bei der Wahrnehmung von Amtsaufgaben als Betriebsratsmitglied handelt es sich nicht um Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes, so dass u.a. die Regelung des § 5 Abs. 1 ArbZG zur elfstündigen ununterbrochenen Ruhezeit keine direkte Anwendung findet.
2. Allerdings sind im Rahmen der Prüfung, ob wegen einer bevorstehenden Betriebsratstätigkeit die Erbringung der Arbeitsleistung ganz oder teilweise unzumutbar ist, die mit der Einhaltung einer Ruhezeit angestrebten Ziele zu berücksichtigen.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hagen, Urteil vom 14.08.2014, 4 Ca 2022/13
nachgehend:
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.01.2017, 7 AZR 224/15
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm, 13 Sa 1386/14

Te­nor:

Auf die Be­ru­fung des Klägers - un­ter Zurück­wei­sung der Be­ru­fung im Übri­gen - wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ha­gen vom 14.08.2014 - 4 Ca 2022/13 - teil­wei­se ab­geändert und der Te­nor zu den Zif­fern 1. und 2. ins­ge­samt wie folgt neu ge­fasst:
Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, dem Kläger auf dem in­di­vi­du­el­len Ar­beits­zeit­kon­to 4,5 St­un­den gut­zu­schrei­ben.
Im Übri­gen wird die Kla­ge ab­ge­wie­sen.
Von den Kos­ten des Rechts­streits hat der Kläger 1/4 und die Be­klag­te 3/4 zu tra­gen.
Die Re­vi­si­on wird für die Be­klag­te zu­ge­las­sen. Für den Kläger wird die Re­vi­si­on nicht zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten zweit­in­stanz­lich (noch) um den An­spruch auf Gut­schrift von St­un­den im Zu­sam­men­hang mit Be­triebs­ratstätig­kei­ten.

Der Kläger ist Mit­glied des im Be­trieb der Be­klag­ten be­ste­hen­den elfköpfi­gen Be­triebs­ra­tes. Er ar­bei­tet im Rah­men ei­ner 35-St­un­den-Wo­che als An­la­gen­be­die­ner im Drei­schicht­be­trieb.

- 2 -

Auf das Ar­beits­verhält­nis fin­den kraft Haus­ta­rif­ver­trag im We­sent­li­chen die Be­stim­mun­gen der Ta­rif­verträge für die Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie NRW An­wen­dung. Da­ne­ben gel­ten u.a. die Re­ge­lun­gen ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung zur Ar­beits­zeit­fle­xi­bi­li­sie­rung vom 04.05.2004 ein­sch­ließlich ei­ner Ergänzung vom 09.06.2011. In­so­weit wird Be­zug ge­nom­men auf die mit Be­klag­ten­schrift­satz vom 18.07.2014 ein­ge­reich­ten Ko­pi­en (BI. 107 ff. d. A.).

Am 16.07.2013 war der Kläger für die Nacht­schicht von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr ein­ge­teilt. 

Bei nor­ma­lem Ver­lauf hätte er bei Ab­zug von 0,5 St­un­den für die ge­setz­li­che Pau­se ins­ge­samt 7,5 St­un­den ge­ar­bei­tet. Bei ei­ner ge­schul­de­ten Sol­l­ar­beits­zeit von sie­ben St­un­den wären ihm dann 0,5 St­un­den auf sei­nem in­di­vi­du­el­len Ar­beits­zeit­kon­to gut­ge­schrie­ben wor­den.

Tatsächlich hat der Kläger mit Rück­sicht auf an­ste­hen­de Be­triebs­rats­auf­ga­ben nur bis 02.30 Uhr ge­ar­bei­tet.

Er nahm dann am 17.07.2013 in der Zeit von 13.00 Uhr bis 15.30 Uhr an ei­ner Be­triebs­rats­sit­zung teil und be­haup­tet, zu­vor von 11.45 Uhr bis 13.00 Uhr eben­falls Amtstätig­kei­ten wahr­ge­nom­men zu ha­ben.

Ihm wur­den - in­zwi­schen un­strei­tig - für die Nacht­schicht vom 16. auf den 17.07.2013 ins­ge­samt 5,5 St­un­den gut­ge­schrie­ben, und zwar für den Zeit­raum bis 03.00 Uhr und dann wie­der für die Zeit von 05.00 Uhr bis 06.00 Uhr.

Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, un­ter Berück­sich­ti­gung der Be­stim­mun­gen des § 37 Abs. 2 Be­trVG und des § 5 Abs. 1 Arb­ZG (11stündi­ge Ru­he­zeit) sei er be­rech­tigt ge­we­sen, die Nacht­schicht vom 16. auf den 17.07.2013 vor­zei­tig zu be­en­den, um dann am 17.07.2013 aus­ge­ruht sei­nen Be­triebs­rats­auf­ga­ben nach­kom­men zu können. In der Zeit von 11.45 Uhr bis 13.00 Uhr sei er für den Be­triebs­rat da­mit beschäftigt ge­we­sen, die von den ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­mern ver­rich­te­te Mehr­ar­beit an­hand ar­beit­ge­ber­seits über­las­se­ner Lis­ten zu kon­trol­lie­ren; da­ne­ben ha­be er sich auf die be­vor­ste­hen­de Be­triebs­rats­sit­zung vor­be­rei­tet.

Erst­in­stanz­lich hat der Kläger be­an­tragt, 

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn 84,73 € brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig­keit zu zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, 

die Kla­ge ab­zu­wei­sen. 

Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, zwar sei im Fal­le der er­for­der­li­chen Wahr­neh­mung von Be­triebs­ratstätig­kei­ten außer­halb der Ar­beits­zeit ei­ne ge­wis­se Dau­er der Er­ho­lung zu berück­sich­ti­gen, wo­bei al­ler­dings nicht auf die nur für ei­ne Ar­beitstätig­keit maßgeb­li­che 11stündi­ge Ru­he­zeit ab­ge­stellt wer­den könne. An­ge­mes­sen sei­en acht St­un­den, so dass hier der Kläger am 17.07.2013 erst ab 05.00 Uhr zu Recht der Ar­beit fern­ge­blie­ben sei, um dann ab 13.00 Uhr an der Be­triebs­rats­sit­zung teil­zu­neh­men.

Der vor­an­ge­gan­ge­ne Zeit­raum von 11.45 Uhr bis 13.00 Uhr müsse un­berück­sich­tigt blei­ben, weil nicht er­sicht­lich sei, war­um der Kläger in die­ser Zeit er­for­der­li­che Amtstätig­kei­ten aus­geübt ha­be.

Zu­dem sei zu berück­sich­ti­gen, dass ein Aus­gleichs­an­spruch nach § 37 Abs. 3 Be­trVG auf die Frei­stel­lung nach § 37 Abs. 2 Be­trVG an­ge­rech­net wer­den könne.

Das Ar­beits­ge­richt hat mit Ur­teil vom 14.08.2014 die Kla­ge ab­ge­wie­sen. So­weit hier von re­le­vant, hat es im We­sent­li­chen aus­geführt, der Kläger ha­be nicht ver­mocht, die Er­for­der­lich­keit der Be­triebs­ratstätig­keit am 17.07.2013 von 11.45 Uhr bis 13.00 Uhr
dar­zu­le­gen. Die Ansprüche für die Zeit der Teil­nah­me an der Be­triebs­rats­sit­zung wie für die Zeit des vor­zei­ti­gen Ab­bruchs der Nacht­schicht sei­en erfüllt wor­den.

- 3 -

Ge­gen die­se Ent­schei­dung wen­det sich der Kläger mit sei­ner Be­ru­fung. 

Er ist der Mei­nung, ne­ben der Zeit der Teil­nah­me an der Be­triebs­rats­sit­zung müsse ihm auch die Zeit der Vor­be­rei­tung auf die Sit­zung ein­sch­ließlich der Kon­trol­le der Mehr­ar­beits­lis­ten gut­ge­schrie­ben wer­den.

Die Ar­beits­be­frei­ung am 17.07.2013 ab 02.30 Uhr sei not­wen­dig ge­we­sen, um die Ge­samt­be­las­tung durch Ar­beits- und Amtstätig­keit in Gren­zen zu hal­ten.

Des­halb sei­en ihm ins­ge­samt 5,75 St­un­den gut­zu­schrei­ben. 

Der Kläger be­an­tragt, 

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ha­gen vom 14.08.2014 - 4 Ca 2022/13 - ab­zuändern und die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, dem Kläger auf dem in­di­vi­du­el­len Ar­beits­zeit­kon­to 5,75 St­un­den gut­zu­schrei­ben.

Die Be­klag­te be­an­tragt, 

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen. 

Sie führt aus, der Vor­trag zur Not­wen­dig­keit von Be­triebs­ratstätig­keit am 17.07.2013 im Zeit­raum von 11.45 Uhr bis 13.00 Uhr sei un­verändert nicht aus­rei­chend. Im Übri­gen sei­en sämt­li­che Ansprüche erfüllt.

We­gen des wei­te­ren Vor­brin­gens der Par­tei­en wird auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst de­ren An­la­gen ergänzend Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

Die zulässi­ge Be­ru­fung des Klägers ist in dem sich aus dem Te­nor er­sicht­li­chen Um­fang be­gründet; im Übri­gen war sie als un­be­gründet zurück­zu­wei­sen.

I. Der Kläger hat ge­genüber der Be­klag­ten aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 37 Abs. 2 Be­trVG ei­nen An­spruch dar­auf, dass ihm die laut Mit­ar­bei­ter-Pro­to­koll (BI. 8 d. A.) für den 17.07.2013 von 03.00 Uhr bis 05.00 Uhr ab­ge­zo­ge­nen zwei St­un­den gut­ge­schrie­ben wer­den.

Nach § 37 Abs. 2 Be­trVG sind Mit­glie­der des Be­triebs­ra­tes von ih­rer be­ruf­li­chen Tätig­keit oh­ne Min­de­rung des Ar­beits­ent­gel­tes zu be­frei­en, wenn und so­weit es nach Um­fang und Art des Be­triebs zur ord­nungs­gemäßen Durchführung ih­rer Auf­ga­ben er­for­der­lich ist. Da­mit soll nach der zu­tref­fen­den Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (07.06.1989 - 7 AZR 500/88 - AP Be­trVG 1972 § 37 Nr. 72) ei­ner­seits die Amtsführung ge­si­chert und an­de­rer­seits das Be­triebs­rats­mit­glied bei der Amts­ausübung vor Ent­gelt­nach­tei­len durch Ar­beits­versäum­nis geschützt wer­den. Des­halb ist § 37 Abs. 2 Be­trVG nicht nur dann ein­schlägig, wenn die Wahr­neh­mung von Be­triebs­rats­auf­ga­ben un­mit­tel­bar den Aus­fall der Ar­beits­leis­tung zur Fol­ge hat. Ei­ne Min­de­rung des Ar­beits­ent­gelts darf viel­mehr auch dann nicht ein­tre­ten, wenn ei­ne Be­triebs­ratstätig­keit außer­halb der Ar­beits­zeit liegt, sie aber die Er­brin­gung der Ar­beits­leis­tung unmöglich bzw. un­zu­mut­bar ge­macht hat (BAG, a.a.O.).

Die­se Vor­aus­set­zun­gen sind hier erfüllt. Geht man in­so­weit vom Be­ginn der Be­triebs­rats­sit­zung am 17.07.2013 um 13.00 Uhr aus, war es dem Kläger in je­dem Fall schon ab 03.00 Uhr nicht mehr zu­mut­bar, sei­ne Ar­beits­leis­tung als An­la­gen­be­die­ner in der Nacht­schicht zu er­brin­gen.

1. In dem Zu­sam­men­hang ist al­ler­dings vor­aus­zu­schi­cken, dass § 5 Abs. 1 Arb­ZG mit der dar­in zwin­gend vor­ge­ge­be­nen un­un­ter­bro­che­nen Ru­he­zeit von min­des­tens 11 St­un­den hier nicht gilt, weil es sich bei der Wahr­neh­mung von Be­triebs­rats­auf­ga­ben nicht um Ar­beits­zeit nach dem Ar­beits­zeit­ge­setz han­delt.

- 4 -

a) Un­ter Ar­beit im Sin­ne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Arb­ZG ist je­de Tätig­keit zu ver­ste­hen, die der Be­frie­di­gung ei­nes ent­spre­chen­den ar­beit­ge­ber­sei­ti­gen Bedürf­nis­ses dient (BAG, 25.04.1962 - 4 AZR 213/61 - AP BGB § 611 Mehr­ar­beits­vergütung Nr. 6; Anz­in­ger/Ko­ber­ski, Arb­ZG, 4. Aufl., § 2 Rn. 9; Ba­eck/Deutsch, Arb­ZG, 3. Aufl., § 2 Rn. 4). So wird auch in Art. 2 Abs. 1 der Richt­li­nie 2003/88/EG als ein maßgeb­li­cher As­pekt für Ar­beits­zeit her­vor­ge­ho­ben, dass der Ar­beit­neh­mer dem Ar­beit­ge­ber zur Verfügung steht. Prägend für das Vor­lie­gen von Ar­beit ist al­so, dass für ei­nen Ar­beit­ge­ber be­stimm­te, sei­nem Wei­sungs­recht nach § 106 Ge­wO un­ter­lie­gen­de Tätig­kei­ten ver­rich­tet wer­den.

b) Die­se Vor­aus­set­zun­gen lie­gen bei der Er­le­di­gung von Be­triebs­rats­auf­ga­ben nicht vor. Denn der Be­triebs­rat und sei­ne Mit­glie­der wer­den zum Wohl der Ar­beit­neh­mer und des Be­triebs (§ 2 Abs. 1 Be­trVG) auf­grund ei­nes ih­nen in ei­ner de­mo­kra­ti­schen Wahl ver­lie­he­nen Man­dats tätig und neh­men in die­ser Po­si­ti­on Amts­auf­ga­ben wahr, oh­ne da­bei an ir­gend­wel­che für ei­ne Ar­beit im Sin­ne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Arb­ZG prägen­den Wei­sun­gen des Ar­beit­ge­bers ge­bun­den zu sein.

Bestätigt wird die­ses Er­geb­nis durch die Be­stim­mung des § 37 Abs. 1 Be­trVG, wo­nach Be­triebs­rats­mit­glie­der ein Eh­ren­amt führen, al­so Amts- und kei­ne Ar­beitstätig­kei­ten ausführen. Da­zu passt wie­der­um die Re­ge­lung in § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 Be­trVG, wo­nach auf­ge­wen­de­te Zeit un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen „wie" Mehr­ar­beit zu vergüten ist, sie al­so tatsächlich kei­ne Mehr­ar­beit ist, son­dern in dem kon­kre­ten Zu­sam­men­hang ent­geltmäßig nur so zu be­han­deln ist.

Nach al­le­dem sind al­so die Vor­schrif­ten des Ar­beits­zeit­ge­set­zes ein­sch­ließlich der Be­stim­mung des § 5 Abs. 1 Arb­ZG nicht un­mit­tel­bar an­wend­bar (vgl. BAG, 19.07.1977 - 1 AZR 376/74 - AP Be­trVG 1972 § 37 Nr. 29; 07.06.1989 - 7 AZR 500/88 - AP Be­trVG 1972 § 37 Nr. 72; LAG Schles­wig-Hol­stein, 30.08.2005 - 5 Sa 161/05 - ju­ris; ArbG Lübeck, 07.12.1999 - 6 Ca 2589/99 - NZA-RR 2000, 427; Man­stet­ten, AiB 1996, 214; Wie­bau­er, NZA 2013, 540; Till­manns, ArbR 2012, 477; a.A. Schul­ze, ArbR 2012, 475).

2. Al­ler­dings ist im Rah­men der an­zu­stel­len­den Ein­zel­fal­lerwägun­gen zur Un­zu­mut­bar­keit der Ar­beits­leis­tung we­gen be­vor­ste­hen­der Be­triebs­ratstätig­keit ei­ner­seits zu berück­sich­ti­gen, dass na­ment­lich die Teil­nah­me an ei­ner Be­triebs­rats­sit­zung von den An­for­de­run­gen an Auf­merk­sam­keit und geis­ti­ger Leis­tungsfähig­keit den­je­ni­gen bei der Er­brin­gung der ver­trag­lich ge­schul­de­ten Ar­beits­leis­tung nicht nach­steht (BAG, 07.06.1989 - 7 AZR 500/88 -AP Be­trVG 1972 § 37 Nr. 72).

An­de­rer­seits ist der Schutz­zweck des § 5 Abs. 1 Arb­ZG zu be­ach­ten, wo­nach die elfstündi­ge un­un­ter­bro­che­ne Ru­he­zeit der an­ge­mes­se­nen Ent­span­nung und Er­ho­lung so­wie der Ent­fal­tung der Persönlich­keit außer­halb des Be­rufs­le­bens dient (vgl. BT-Druck­sa­che 10/2188, S. 14); es soll si­cher­ge­stellt wer­den, dass Beschäftig­te nicht we­gen Übermüdung oder we­gen ei­nes un­re­gelmäßigen Ar­beits­rhyth­mus sich selbst, Kol­le­gen oder sons­ti­ge Per­so­nen ver­let­zen und we­der kurz- noch lang­fris­tig ih­re Ge­sund­heit schädi­gen (vgl. Art. 2 Abs. 9 RL 2003/88/EG).

Na­ment­lich wird durch den Zeit­rah­men des § 5 Abs. 1 Arb­ZG der Er­kennt­nis Rech­nung ge­tra­gen, dass der in­di­vi­du­el­le men­sch­li­che Schlaf­be­darf zur not­wen­di­gen Re­ge­ne­rie­rung von Körper und Geist un­ter­schied­lich ist und zwi­schen sechs bis zu über acht St­un­den lie­gen kann, wo­bei ei­ne Um­fra­ge ein Mit­tel von sie­ben St­un­den 14 Mi­nu­ten er­ge­ben hat (Ge­sund­heits­be­richt­er­stat­tung des Bun­des, Heft 27, Schlafstörun­gen, 2005, hrsgg. vom Ro­bert-Koch-In­sti­tut, S. 7).

Un­ter Berück­sich­ti­gung der auf­ge­zeig­ten Ge­sichts­punk­te ist es nicht zu be­an­stan­den, wenn der Kläger zur Gewähr­leis­tung der in­di­vi­du­ell für ihn not­wen­di­gen Zei­ten der Ent­span­nung und Er­ho­lung ins­ge­samt 10 St­un­den in An­spruch ge­nom­men hat, be­vor er am 17.07.2013 ab 13.00 Uhr an ei­ner Be­triebs­rats­sit­zung teil­nahm, die ihn, wo­von aus­ge­gan­gen wer­den kann, hin­sicht­lich des Gra­des der Auf­merk­sam­keit und der geis­ti­gen Leis­tungsfähig­keit ver­gleich­bar ge­for­dert hat wie sei­ne Tätig­keit als An­la­gen­be­die­ner.

- 5 -

Dem­ent­spre­chend war es im Sin­ne des § 37 Abs. 2 Be­trVG zur Si­cher­stel­lung ei­ner ord­nungs­gemäßen Durchführung der be­vor­ste­hen­den Amts­auf­ga­be, an der zwei­ein­halbstündi­gen Be­triebs­rats­sit­zung teil­zu­neh­men, auch er­for­der­lich, be­reits um 03.00 Uhr die Ar­beit zu be­en­den. Dar­aus folgt wie­der­um, dass dem Kläger (auch) die fol­gen­den zwei St­un­den ent­spre­chend den zu­grun­de lie­gen­den Ab­re­den zur Ar­beits­zeit­fle­xi­bi­li­sie­rung auf sei­nem in­di­vi­du­el­len Ar­beits­zeit­kon­to gut­zu­schrei­ben sind (vgl. BAG, 15.02.2012 - 7 AZR 774/10 - AP Be­trVG 1972 § 37 Nr. 154).

II. Ein An­spruch auf Gut­schrift wei­te­rer 2,5 St­un­den er­gibt sich aus § 37 Abs. 3 Satz 1 Be­trVG, weil der Kläger am 17.07.2013 aus be­triebs­be­ding­ten Gründen außer­halb sei­ner Ar­beits­zeit an der von 13.00 Uhr bis 15.30 Uhr dau­ern­den Be­triebs­rats­sit­zung teil­ge­nom­men hat.

Nach der zu­tref­fen­den Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (zu­letzt 28.05.2014 - 7 AZR 404/12 - ZTR 2014, 677 m.w.N.) lie­gen be­triebs­be­ding­te Gründe im­mer dann vor, wenn be­stimm­te Ge­ge­ben­hei­ten und Sach­zwänge in­ner­halb der Sphäre des Be­triebs die Un­durchführ­bar­keit von Be­triebs­ratstätig­kei­ten während der Ar­beits­zeit be­din­gen.

Wenn hier der elfköpfi­ge Be­triebs­rat in ei­nem Schicht­be­trieb mit Rück­sicht auf be­trieb­li­che Not­wen­dig­kei­ten (§ 30 Satz 2 Be­trVG), na­ment­lich den (un­ter­schied­li­chen) Schicht­ein­satz sei­ner Mit­glie­der, nach vor­he­ri­ger Verständi­gung der Be­klag­ten § 30 Satz 3 Be­trVG) für den 17.07.2013 ab 13.00 Uhr ei­ne Sit­zung ab­ge­hal­ten hat, kann man­gels Wi­der­spruch der Be­klag­ten für den Kläger da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass des­sen Teil­nah­me an die­ser Sit­zung außer­halb sei­ner in­di­vi­du­el­len Ar­beits­zeit durch Gründe in der Sphäre der Be­klag­ten be­dingt war. Des­halb kann er für die 2,5 St­un­den Frei­zeit­aus­gleich bzw. ei­ne ent­spre­chen­de Gut­schrift auf sei­nem Ar­beits­zeit­kon­to ver­lan­gen.

Der von der Be­klag­ten in dem Zu­sam­men­hang vor­ge­brach­te An­rech­nungs­ein­wand greift nicht durch, weil der Kläger, wie aus­geführt, gemäß § 37 Abs. 2 Be­trVG für den aus­ge­fal­le­nen Teil der Nacht­schicht in vol­lem Um­fang ei­nen Zeit­aus­gleich ver­lan­gen kann und ihm da­ne­ben gemäß § 37 Abs. 3 Satz 1 Be­trVG zur Be­gren­zung sei­ner Ar­beits­be­las­tung in­fol­ge der Teil­nah­me an der Be­triebs­rats­sit­zung ei­ne zusätz­li­che Gut­schrift von 2,5 St­un­den zu­steht.

III. Hin­ge­gen kann der Kläger nicht ver­lan­gen, dass ihm wei­te­re 1,25 St­un­den für den Zeit­raum von 11.45 Uhr bis 13.00 Uhr am 17.07.2013 gut­ge­schrie­ben wer­den, weil in­so­weit die Vor­aus­set­zun­gen des § 37 Abs. 3 Satz 1 Be­trVG nicht erfüllt sind.

Denn un­abhängig da­von, ob der Kläger im ge­nann­ten Zeit­raum tatsächlich er­for­der­li­che Be­triebs­ratstätig­kei­ten ver­rich­tet hat, steht sei­nem Be­geh­ren ent­ge­gen, dass von ihm kei­ne Ge­sichts­punk­te dafür vor­ge­bracht wor­den sind, war­um er (auch) die­se Amts­auf­ga­ben aus be­triebs­be­ding­ten Gründen außer­halb sei­ner in­di­vi­du­el­len Ar­beits­zeit er­brin­gen muss­te. Kon­kret hätte er dar­le­gen müssen, war­um es ihm we­gen wel­cher ent­ge­gen­ste­hen­den be­trieb­li­chen Ge­ge­ben­hei­ten nicht möglich war, die Mehr­ar­beits­kon­trol­len so­wie die Vor­be­rei­tung auf die Be­triebs­rats­sit­zung während sei­ner übli­chen Ar­beits­zeit, na­ment­lich z.B. in den ers­ten St­un­den der Nacht­schicht vom 16. auf den 17.07.2013, vor­zu­neh­men.

We­gen der grundsätz­li­chen Be­deu­tung der in­so­weit ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Rechts­fra­ge war für die Be­klag­te die Re­vi­si­on gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zu­zu­las­sen. Im Übri­gen la­gen kei­ne Gründe für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on vor.

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