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ARBEITSRECHT AKTUELL // 06/16

BAG: Kün­di­gungs­schutz oder Klein­be­trieb?

Bei Alt­fäl­len wer­den Er­satz­ein­stel­lun­gen für die En­de 2003 vor­han­de­nen Ar­beit­neh­mer nicht be­rück­sich­tigt: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil 21.09.2006, 2 AZR 840/05
Kündigung Wall-Street-Karton mit Frau Bei Kün­di­gun­gen wich­tig zu wis­sen: Wo liegt die Gren­ze zum Klein­be­trieb?

04.10.2006. Ge­mäß § 23 Abs.1 Satz 2 Kün­di­gungs­schutz­ge­setz (KSchG) ge­nie­ßen Ar­beit­neh­mer in Klein­be­trie­ben kei­nen Kün­di­gungs­schutz.

Da­bei sind sind "Klein­be­trie­be" nach der seit dem 01.01.2004 gel­ten­den Ge­set­zes­fas­sung Be­trie­be mit zehn oder we­ni­ger Ar­beit­neh­mern. En­de 2003 lag die Klein­be­triebs­gren­ze da­ge­gen noch bei fünf oder we­ni­ger Ar­beit­neh­mern.

Ar­beit­neh­mer, de­ren Ar­beits­ver­hält­nis schon 31.12.2003 be­stan­den hat und nach der da­ma­li­gen Ge­set­zes­la­ge un­ter Kün­di­gungs­schutz stand, be­hal­ten nach ei­ner Über­gangs­re­ge­lung ih­ren Kün­di­gungs­schutz - vor­aus­ge­setzt, die Be­triebs­grö­ße sinkt nicht un­ter fünf Ar­beit­neh­mer

Frag­lich ist, ob die Ent­las­sung ei­nes der im De­zem­ber 2003 vor­han­de­nen Ar­beit­neh­mer durch spä­te­re Neu­ein­stel­lun­gen wett­ge­macht wird oder ob es bei der Fest­stel­lung der Be­triebs­grö­ße ge­mäß der Alt­fall­re­ge­lung nur auf die am 31. De­zem­ber 2003 be­reits vor­han­de­nen Ar­beit­neh­mer an­kommt.

Die­se Fra­ge hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) vor kur­zem ge­klärt: BAG, Ur­teil 21.09.2006, 2 AZR 840/05.

Fort­gel­tung des am 31.12.2003 be­ste­hen­den Kündi­gungs­schut­zes: Wel­che Ar­beit­neh­mer zählen mit?

§ 23 Abs.1 KSchG lau­tet:

"(1) Die Vor­schrif­ten des Ers­ten und Zwei­ten Ab­schnitts gel­ten für Be­trie­be und Ver­wal­tun­gen des pri­va­ten und des öffent­li­chen Rechts, vor­be­halt­lich der Vor­schrif­ten des § 24 für die See­schif­fahrts-, Bin­nen­schif­fahrts- und Luft­ver­kehrs­be­trie­be. Die Vor­schrif­ten des Ers­ten Ab­schnitts gel­ten mit Aus­nah­me der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs.1 Satz 1 und 2 nicht für Be­trie­be und Ver­wal­tun­gen, in de­nen in der Re­gel fünf oder we­ni­ger Ar­beit­neh­mer aus­sch­ließlich der zu ih­rer Be­rufs­bil­dung Beschäftig­ten beschäftigt wer­den. In Be­trie­ben und Ver­wal­tun­gen, in de­nen in der Re­gel zehn oder we­ni­ger Ar­beit­neh­mer aus­sch­ließlich der zu ih­rer Be­rufs­aus­bil­dung Beschäftig­ten beschäftigt wer­den, gel­ten die Vor­schrif­ten des Ers­ten Ab­schnitts mit Aus­nah­me der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs.1 Satz 1 und 2 nicht für Ar­beit­neh­mer, de­ren Ar­beits­verhält­nis nach dem 31. De­zem­ber 2003 be­gon­nen hat; die­se Ar­beit­neh­mer sind bei der Fest­stel­lung der Zahl der beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer nach Satz 2 bis zur Beschäfti­gung von in der Re­gel zehn Ar­beit­neh­mern nicht zu berück­sich­ti­gen. Bei der Fest­stel­lung der Zahl der beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer nach den Sätzen 2 und 3 sind teil­zeit­beschäftig­te Ar­beit­neh­mer mit ei­ner re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von nicht mehr als 20 St­un­den mit 0,5 und nicht mehr als 30 St­un­den mit 0,75 zu berück­sich­ti­gen."

Frag­lich ist, ob Ar­beit­neh­mer, die En­de De­zem­ber 2003 auf­grund der da­ma­li­gen Fas­sung des KSchG un­ter das Ge­setz fie­len, weil da­mals mehr als fünf Ar­beit­neh­mer im Be­trieb beschäftigt wa­ren, bei ei­nem späte­ren Aus­schei­den der am 31.12.2003 beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer wei­ter­hin Kündi­gungs­schutz ge­nießen,

  • wenn die An­zahl der am 31.12.2003 beschätig­ten "Alt-Ar­beit­neh­mer" durch Be­en­di­gung ih­rer Ar­beits­verhält­nis­se zwar auf fünf oder auf ei­ne noch ge­rin­ge­re Zahl ge­sun­ken ist,
  • wenn aber dafür nach dem 2003 neue Ar­beit­neh­mer ein­ge­stellt wur­den, so daß die ge­sam­te Mit­ar­bei­ter­zahl auch nach 2003 stets bei über fünf lag,

An­ders ge­sagt: Be­hal­ten die Ar­beit­neh­mer, die am 31.12.2003 auf­grund der da­ma­li­gen Ge­set­zes­fas­sung Kündi­gungs­schutz hat­ten, die­sen Schutz auch dann, wenn ei­ni­ge ih­rer "Alt-Kol­le­gen" nach dem 31.12.2003 aus­ge­schie­den sind (mit der Fol­ge ei­ner "Alt-Ar­beit­neh­mer­zahl" von fünf oder we­ni­ger), wenn aber dafür neue Mit­ar­bei­ter ein­ge­stellt wer­den, so daß die Mit­ar­bei­ter­zahl seit En­de 2003 zwi­schen sechs und zehn pen­delt.

In ei­nem sol­chen Fall be­steht kein Kündi­gungs­schutz nach der Neu­fas­sung des Ge­set­zes, son­dern al­len­falls auf der Grund­la­ge der Über­gangs- bzw. Altfälle­re­ge­lung. Denn nach der Neu­fas­sung des Ge­set­zes sind ja mehr als zehn Ar­beit­neh­mer er­for­der­lich.

De­se Rechts­fra­ge hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt mit Ur­teil 21.09.2006 (2 AZR 840/05) geklärt.

Der Fall des BAG: Von den über fünf Ar­beit­neh­mern der 2003er-Be­leg­schaft sind im No­vem­ber 2004 nur noch drei im Be­trieb

Der Kläger war bei der Be­klag­ten, ei­ner Wert­pa­pier­han­dels­bank, seit Au­gust 2003 an­ge­stellt. Am 31.12.2003 beschäftig­te die Be­klag­te re­gelmäßig mehr als fünf Ar­beit­neh­mer.

Mit Schrei­ben vom 30.11.2004 kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis des Klägers or­dent­lich. Zu die­sem Zeit­punkt wa­ren bei ihr ein­sch­ließlich des Klägers we­ni­ger als zehn Ar­beit­neh­mer re­gelmäßig tätig. Da­her konn­te sich der Kläger nicht auf die Neu­fas­sung der Klein­be­triebs­klau­sel be­ru­fen, son­dern nur auf die Altfälle­re­ge­lung

Al­ler­dings ar­bei­te­ten zum Zeit­punkt der Kündi­gung ne­ben dem Kläger nur noch zwei Ar­beit­neh­mer, die be­reits am 31.12.2003 bei der Be­klag­ten beschäftigt wa­ren, d.h. das Fähn­lein der 2003er-Be­leg­schaft war auf drei ge­schrumpft.

Mit sei­ner Kla­ge wehr­te sich der Kläger ge­gen die Kündi­gung. Er ver­trat im Pro­zeß die Auf­fas­sung, er ge­nieße den all­ge­mei­nen Kündi­gungs­schutz nach dem KSchG. Die­ses Ge­setz sei auf Grund der Über­g­angs­re­ge­lung auf Alt-Fälle wie den vor­lie­gen­den an­wend­bar. Das Ar­beits­ge­richt und das Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­ben die Kündi­gungs­schutz­kla­ge ab­ge­wie­sen.

BAG: Kein Kündi­gungs­schutz nach der Alt­fall­re­ge­lung, wenn die 2003er-Be­leg­schaft auf fünf oder we­ni­ger sinkt

Die Re­vi­si­on des Klägers blieb vor dem BAG er­folg­los.

Denn die Altfälle-Re­ge­lung setzt nach der An­sicht des BAG vor­aus, daß die am 31.12.2003 be­ste­hen­de Si­tua­ti­on fort­be­steht. Die da­mals beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer müssen da­her auch wei­ter­hin im Be­trieb tätig sein, d.h. die An­zahl der Alt-Ar­beit­neh­mer muss nach 2003 mehr als fünf be­tra­gen.

Fa­zit: Es hilft ei­nem durch die Altfälle-Re­ge­lung ursprüng­lich ein­mal geschütz­ten Ar­beit­neh­mer al­so nichts, wenn für die nach 2003 aus­ge­schie­de­nen "Alt-Ar­beit­neh­mer" an­de­re Ar­beit­neh­mer ein­ge­stellt wor­den sind. Ei­ne sol­che "Er­satz­ein­stel­lung" reicht nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG für die An­wen­dung die­ser Be­sitz­stands­re­ge­lung nicht aus.

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Letzte Überarbeitung: 16. November 2020

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