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Sittenwidrigkeit und Treuwidrigkeit einer Kündigung
22.09.2020.Befindet sich ein Arbeitnehmer noch in der sechsmonatigen Wartezeit und/oder arbeitet er in einem Kleinbetrieb mit maximal zehn Arbeitnehmern, fällt er nicht unter das Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Daher ist seine Chance, sich gegen ordentliche Kündigungen erfolgreich zu wehren, beschränkt.
Dann bleibt nur die Möglichkeit, auf die Unwirksamkeit der Kündigung wegen Sitten- oder Treuwidrigkeit zu pochen. Fraglich ist, ob eine Kündigung auch nachträglich treuwidrig werden kann, wenn der Arbeitgeber vor Gericht falsche Aussagen macht, um seine Kündigung zu rechtfertigen.
Nein, so das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Berliner Streitfall: BAG, Urteil vom 05.12.2019, 2 AZR 107/19.
- Wann sind Kündigungen sittenwidrig und wann treuwidrig?
- Der Berliner Nanny-Fall
- BAG: Eine Kündigung außerhalb des KSchG wird nicht rückwirkend sittenwidrig, weil der Arbeitgeber sie vor Gericht mit unwahren Behauptungen verteidigt
Wann sind Kündigungen sittenwidrig und wann treuwidrig?
Wer mindestens sechs Monate lang beschäftigt ist, genießt Kündigungsschutz nach dem KSchG, vorausgesetzt in dem Betrieb des Arbeitgebers arbeiten mehr als zehn Arbeitnehmer (§§ 1 Abs.1, 23 Abs.1 KSchG). Dann braucht der Arbeitgeber auch für eine fristgemäße Kündigung triftige sachliche Gründe, denn die Kündigung muss „sozial gerechtfertigt“ sein (§ 1 Abs.2 KSchG), um vor dem KSchG Bestand zu haben.
Außerhalb des KSchG hat der Arbeitgeber Kündigungsfreiheit, d.h. er braucht ordentliche Kündigungen nicht zu begründen. Trotzdem können auch solche Kündigungen (außerhalb des KSchG) unwirksam sein, nämlich u.a. dann, wenn sie sittenwidrig oder treuwidrig sind. Das allerdings kommt selten vor und ist vom Arbeitnehmer zu beweisen.
Sittenwidrig gemäß § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist eine Kündigung, wenn sie in extremer Weise gegen grundlegende Wertungen der Rechtsordnung verstößt. Das wäre z.B. der Fall, wenn eine Arbeitnehmerin gekündigt wird, weil sie sich einer versuchten sexuellen Nötigung durch den Arbeitgeber widersetzt hat. Auch eine Kündigung aus Rache kann sittenwidrig sein.
Kündigungen, die gegen "Treu und Glauben" (§ 242 BGB) verstoßen, sind "weniger schlimm", aber im Ergebnis ebenfalls unwirksam. Rechtlich widersprüchlich und aus diesem Grund treuwidrig ist z.B. eine Kündigung wegen eines Pflichtverstoßes, den der Arbeitgeber bereits abgemahnt hat. Denn mit einer Abmahnung, d.h. einer arbeitsrechtlichen gelben Karte, hat man noch einmal eine Chance bekommen. Die rote Karte (= Kündigung) kann es dann erst nach einem weiteren Pflichtverstoß geben (BAG, Urteil vom 13.12.2007, 6 AZR 145/07).
Der Berliner Nanny-Fall
Eine Schauspielerin beschäftigte in ihrem Privathaushalt eine Kinderfrau zur Betreuung ihrer Tochter. Der Vertrag war auf ein Jahr befristet und sollte von Juni 2016 bis Mai 2017 dauern. Trotz der Befristung, d.h. in Abweichung von § 15 Abs.3 Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG, war der Vertrag ordentlich kündbar. Die Schauspielerin beschäftigte weniger als zehn Arbeitnehmer, so dass das KSchG nicht anwendbar war.
Anfang 2017 berichtete eine zusätzlich eingestellte Kinderfrau der Schauspielerin, dass die seit Juni 2016 beschäftigte Nanny (angeblich) schlecht über ihre Chefin redete. Sie soll über die Schauspielerin gesagt haben, sie sei nie zu Hause, und wenn doch, dann würde sie sich in ihrem Zimmer einschließen. Außerdem würde sie mit ihrer Tochter nur Schokolade essen.
Die Schauspielerin sprach daraufhin im Februar 2017 eine außerordentliche fristlose Kündigung aus. Für den Fall der Unwirksamkeit dieser Kündigung kündigte sie hilfsweise ordentlich zu Ende März 2017. Die Nanny erhob Kündigungsschutzklage und konnte damit die fristlose Kündigung zu Fall bringen. Streitig war daher noch die ordentliche Kündigung und damit die Frage, ob das Arbeitsverhältnis bereits zu Ende März (durch Kündigung) oder erst Ende Juni (aufgrund der Befristung) endete.
Nach Ansicht der Nanny war die Kündigung wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) und Treuwidrigkeit (§ 242 BGB) unwirksam. Angeblich soll die Schauspielerin sie aus Rachsucht gekündigt und vor Gericht versucht haben, die fristlose Kündigung mit unwahren Behauptungen zu stützen. Daher sei das gesamte „Kündigungsverhalten“ der Arbeitgeberin sittenwidrig mit der Folge, dass auch die ordentliche Kündigung nichtig sei.
Das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 08.08.2017, 8 Ca 2025/17) und das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg (Urteil vom 17.01.2019, 10 Sa 1631/18) gaben der Schauspielerin recht.
BAG: Eine Kündigung außerhalb des KSchG wird nicht rückwirkend sittenwidrig, weil der Arbeitgeber sie vor Gericht mit unwahren Behauptungen verteidigt
Auch vor dem BAG hatte die Nanny kein Glück.. Die Kündigung war weder sittenwidrig noch treuwidrig, so die Erfurter Richter.
Denn es war verständlich und hatte nichts mit Rachsucht zu tun, dass sich die Arbeitgeberin nicht durch eine in ihrem Haushalt tätige Kinderfrau weiter kritisieren lassen wollte. Ob die Nanny die Mutterrolle ihrer Arbeitgeberin überhaupt kritisiert hatte, spielte dabei laut BAG ebenso wenig eine Rolle wie die Frage, ob sich die Nanny bei solchen Äußerungen ggf. auf ihre Meinungsfreiheit (Art.5 Grundgesetz - GG) berufen konnte. Denn auch die Schauspielerin konnte auf ihre Grundrechte pochen, denn der Streit mit der Nanny berührten ihre Privatsphäre (Art.13 Abs.1 GG) und ihr Elternrecht (Art.6 Abs.1 GG). Daher brauchte sie die Kinderfrau auch nicht vor Ausspruch der Kündigung anzuhören. Es war nämlich schlicht egal, ob und was die Nanny über ihre Chefin gesagt hatte.
Außerdem stellt das BAG klar, dass eine Kündigung nicht rückwirkend dadurch sittenwidrig wird, dass der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess durch wahrheitswidrigen Vortrag versucht, die Wirksamkeit der Kündigung zu verteidigen (Urteil, Rn.24).
Fazit: Arbeitsgerichte lassen sich nur äußerst selten davon überzeugen, dass eine ordentliche Kündigung außerhalb des KSchG wegen Sittenwidrigkeit oder Treuwidrigkeit unwirksam sein soll. Denn wenn das KSchG nicht gilt, kann der Arbeitgeber grundsätzlich nach freiem Ermessen kündigen, d.h. er kann sich von seinem „Bauchgefühl“ leiten lassen (BAG, Urteil vom 12.09.2013, 6 AZR 121/12, Rn.39).
Arbeitnehmer, die gegen eine ordentliche Kündigung im Kleinbetrieb und/oder in der Wartezeit vorgehen wollen, haben daher noch am ehesten (geringe) Chancen, wenn der Arbeitgeber notwendige Formalitäten außer Acht gelassen hat. Genau darauf sollten dementsprechend Arbeitgeber besonders achten. Denn auch wenn Kündigungsfreiheit besteht, muss die Kündigung gemäß § 623 BGB schriftlich erklärt werden (d.h. ein "wilder Kringel" genügt nicht), und der Betriebsrat muss vor der Kündigung angehört werden, denn § 102 Abs.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist auch bei Wartezeitkündigungen zu beachten.
Weitere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 05.12.2019, 2 AZR 107/19
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.01.2019, 10 Sa 1631/18
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.09.2013, 6 AZR 121/12
- Handbuch Arbeitsrecht: Anhörung des Betriebsrats
- Handbuch Arbeitsrecht: Befristung des Arbeitsvertrags (befristeter Arbeitsvertrag, Zeitvertrag)
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Außerordentliche Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Fristlose Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Fristlose Kündigung - Kündigungsgründe
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Verhaltensbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutz
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutzklage
- Tipps und Tricks: Kündigung durch den Arbeitgeber - Checkliste
- Musterschreiben: Fristlose Kündigung
- Musterschreiben: Ordentliche Kündigung
- Musterschreiben: Ordentliche verhaltensbedingte Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 20/089 Kündigung einer Pflegekraft wegen Misshandlung
- Arbeitsrecht aktuell: 20/071 Fristlose Kündigung wegen rassistischer Äußerungen
- Arbeitsrecht aktuell: 19/160 Kündigung wegen Verdachts der Geldunterschlagung
- Arbeitsrecht aktuell: 19/159 Kündigung wegen übler Nachrede per WhatsApp
- Arbeitsrecht aktuell: 18/247 BAG weicht Anhörung bei Verdachtskündigungen auf
- Arbeitsrecht aktuell: 17/134 Beleidigung des Arbeitgebers als Kündigungsgrund
- Arbeitsrecht aktuell: 17/050 Kündigung wegen Beleidigung im Kleinbetrieb
- Arbeitsrecht aktuell: 15/223 Kündigung in der Probezeit
- Arbeitsrecht aktuell: 06/16 BAG: Kündigungsschutz oder Kleinbetrieb?
- Arbeitsrecht aktuell: 01/02 Kündigungsschutz im Kleinbetrieb
Letzte Überarbeitung: 16. November 2021
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