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ARBEITSRECHT AKTUELL // 17/050

Kün­di­gung we­gen Be­lei­di­gung im Klein­be­trieb

Wer sei­nen im Be­trieb mit­ar­bei­ten­den 72-jäh­ri­gen Chef als ar­beits­scheu be­lei­digt und ihm mit dem Ver­rat von Be­triebs­ge­heim­nis­sen droht, kann frist­los ge­kün­digt wer­den: Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 17.11.2016, 5 Sa 275/16
Rechte Hand mit roter Karte

15.02.2017. Wer in ei­nem klei­nen Fa­mi­li­en­be­trieb für sei­ne El­tern oder Schwie­ger­el­tern ar­bei­tet, hat ein sehr spe­zi­el­les Ver­hält­nis zu sei­nem Chef.

Der muss sich da­her manch­mal „über­deut­li­che Wor­te“ an­hö­ren, die ei­nen nor­ma­len Ar­beit­ge­ber so­fort zur Kün­di­gung be­we­gen wür­den.

In ei­nem ak­tu­el­len Fall hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Rhein­land-Pfalz deut­lich ge­macht, dass auch die fa­mi­liä­re Ver­bun­den­heit zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer nicht je­de Be­lei­di­gung des Ar­beit­neh­mers ent­schul­digt: LAG Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 17.11.2016, 5 Sa 275/16.

Rau­er Ton im Fa­mi­li­en­be­trieb oder schon Be­lei­di­gung?

Will der Ar­beit­ge­ber ei­nem Ar­beit­neh­mer aus ver­hal­tens­be­ding­ten Gründen außer­or­dent­lich und frist­los kündi­gen, braucht er dafür ei­nen wich­ti­gen Grund im Sin­ne von § 626 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB). Das ist ein Pflicht­ver­s­toß, der so er­heb­lich ist, dass es dem Ar­beit­ge­ber nicht zu­zu­mu­ten ist, die or­dent­li­che Kündi­gungs­frist ab­zu­war­ten. Auch schwe­re Be­lei­di­gun­gen des Ar­beit­ge­bers, ei­nes an­de­ren Be­triebs­an­gehöri­gen oder ei­nes Kun­den können ei­nen wich­ti­gen Grund für ei­ne frist­lo­se Kündi­gung dar­stel­len.

Ob ei­ne be­lei­di­gen­de Äußerung im Ein­zel­fall aus­rei­chend „schwer­wie­gend“ ist oder nicht, hängt von den Si­tua­ti­ons­umständen ab. Ei­ne spon­ta­ne Äußerung in ei­nem hit­zi­gen Wort­ge­fecht ist z.B. kei­ne so er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zung wie ei­ne wohlüber­leg­te schrift­li­che Be­lei­di­gung in ei­ner E-Mail oder in ei­nem Brief. Außer­dem spielt der nor­ma­le Um­gangs­ton zwi­schen den Be­tei­lig­ten ei­ne wich­ti­ge Rol­le.

Aber sind auch Be­lei­di­gun­gen in ei­nem klei­nen Fa­mi­li­en­be­trieb zwi­schen den dort ar­bei­ten­den Fa­mi­li­en­mit­glie­dern we­ni­ger schwer­wie­gend als in ei­nem „nor­ma­len“ größeren Be­trieb?

Streit im Fa­mi­li­en­be­trieb: Schwie­ger­sohn be­zeich­net 72-jähri­gen Be­triebs­in­ha­ber und Schwie­ger­va­ter als „ar­beits­scheu“

In dem vom LAG ent­schie­de­nen Fall hat­te ein 72-jähri­ger St­ein­metz­meis­ter und In­ha­ber ei­nes klei­nen Hand­werks­be­triebs ei­nen sei­ner drei Ar­beit­neh­mer, sei­nen Schwie­ger­sohn, per An­walts­schrei­ben da­zu auf­ge­for­dert, ihm die Zu­gangs­codes zu dem Fir­men-PC mit­zu­tei­len, sich künf­tig beim Ver­las­sen des Be­triebs ab­zu­mel­den und die ge­setz­li­chen Ru­he­zei­ten ein­zu­hal­ten.

Der Schwie­ger­sohn, eben­falls St­ein­metz­meis­ter und knapp 30 Jah­re im Be­trieb beschäftigt, ver­fass­te dar­auf­hin ein lan­ges wüten­des Schrei­ben, in dem er die For­de­run­gen sei­nes Schwie­ger­va­ters im We­sent­li­chen zurück­wies und sich da­bei auf „Pri­vi­le­gi­en“ be­rief, die an­geb­lich in­fol­ge ei­ner jah­re­lan­gen Be­triebsübung ent­stan­den sein soll­ten.

Bei die­ser Ge­le­gen­heit warf er sei­nem Schwie­ger­va­ter vor, er sei „ar­beits­scheu“. Soll­te sich der Streit wei­ter verschärfen, würde er es der Öffent­lich­keit ge­genüber nicht mehr ver­schwei­gen, dass sein Schwie­ger­va­ter in­fol­ge überhöhter Pri­vatent­nah­men Schul­den in Höhe von 600.000,00 EUR an­gehäuft ha­be.

Dar­auf­hin erklärte der Schwie­ger­va­ter und Be­triebs­in­ha­ber post­wen­dend die frist­lo­se Kündi­gung. Die da­ge­gen er­ho­be­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge des Schwie­ger­sohns hat­te in der ers­ten In­stanz kei­nen Er­folg (Ar­beits­ge­richt Ko­blenz, Ur­teil vom 03.03.2016, 5 Ca 1647/15).

LAG Rhein­land-Pfalz: Wer sei­nen im Be­trieb mit­ar­bei­ten­den 72-jähri­gen Chef als ar­beits­scheu be­lei­digt und ihm mit dem Ver­rat von Be­triebs­ge­heim­nis­sen droht, kann frist­los gekündigt wer­den

Auch in der Be­ru­fung vor dem LAG Rhein­land-Pfalz hat­te der gekündig­te Schwie­ger­sohn kein Glück. Das LAG wies sei­ne Be­ru­fung zurück.

Denn die Be­zeich­nung des Schwie­ger­va­ters als „ar­beits­scheu“ war trotz der fa­mi­liären Ver­bun­den­heit der Be­tei­lig­ten ei­ne schwe­re Be­lei­di­gung, so das Ge­richt. Da­bei geht das LAG zwar zu­guns­ten des Klägers da­von aus, dass „of­fe­ne Wor­te“ zwi­schen Fa­mi­li­en­an­gehöri­gen auch ein­mal deut­li­cher bzw. dras­ti­scher aus­fal­len können. Da der Kläger sei­nen Schwie­ger­va­ter aber in dem Schmähbrief ge­siezt und den Brief mit vie­len ju­ris­ti­schen Be­le­gen ge­spickt hat­te, war sei­ne Be­lei­di­gung nicht als Teil ei­nes spon­ta­nen in­ner­fa­mi­liären Wut­aus­bruchs an­zu­se­hen.

Er­schwe­rend kam hin­zu, dass der Kläger die Be­fol­gung der ihm er­teil­ten Wei­sun­gen aus­drück­lich ver­wei­ger­te und sei­nen Schwie­ger­va­ter in dem Brief da­mit be­droht hat­te, ihn in der Öffent­lich­keit an­zu­pran­gern. Sol­che Pflicht­verstöße sind im All­ge­mei­nen ein aus­rei­chen­der "wich­ti­ger" Grund für ei­ne frist­lo­se Kündi­gung, so die Main­zer Rich­ter.

Bei der Abwägung des Be­en­di­gungs­in­ter­es­ses auf Sei­ten des Ar­beit­ge­bers ge­gen das In­ter­es­se des gekündig­ten Schwie­ger­sohns, das Ar­beits­verhält­nis fort­zu­set­zen, über­wo­gen die In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers. Denn trotz der lan­gen Beschäfti­gungs­dau­er von fast 30 Jah­ren wa­ren die vie­len Pflicht­verstöße so er­heb­lich, dass das Ver­trau­ens­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en zerstört war.

Fa­zit: Auch Fa­mi­li­en­an­gehöri­ge, die seit Jahr­zehn­ten in ei­nem klei­nen Fa­mi­li­en­be­trieb ar­bei­ten, ge­nießen kei­ne ar­beits­recht­li­che Nar­ren­frei­heit. Kehrt ihr An­gehöri­ger, dem der Be­trieb gehört, den Chef her­aus, müssen sie sei­ne Ar­beits­an­wei­sun­gen be­fol­gen. Und wenn sie ih­ren Ar­beit­ge­ber schon be­lei­di­gen, dann bes­ser nicht schrift­lich.

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Letzte Überarbeitung: 16. November 2020

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