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Arbeitgeber dürften bei verhaltensbedingter Kündigung nicht mit zweierlei Maß messen
26.03.2009. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die "willkürliche" Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer oder kleinerer Arbeitnehmergruppen durch den Arbeitgeber.
Anders gesagt: Begünstigt der Arbeitgeber nach einer allgemeinen Regel alle Arbeitnehmer einer bestimmten Gruppe von Arbeitnehmern oder begünstigt er alle Arbeitnehmergruppen, kann er nicht einzelne Arbeitnehmer(gruppen) von der Vergünstigung ausschließen, wenn er dafür nicht gute Sachgründe hat.
Bei verhaltensbedingten Kündigungen gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz erst einmal nicht, da solche Kündigungen immer Einzelfallentscheidungen sind. Trotzdem hat das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) entschieden, dass der Arbeitgeber auch hier den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht völlig außer acht lassen darf. Vielmehr darf er bei Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung nicht einzelne Arbeitnehmer "willkürlich" strenger beurteilen als andere: Hessisches LAG, Urteil vom 10.09.2008, 6 Sa 384/08.
- Ist der Gleichbehandlungsgrundsatz bei verhaltensbedingten Kündigungen generell außen vor?
- Der Streitfall: Bei der Verwendung von Payback-Coupons halten sich viele Verkaufskräfte nicht an die Weisungen des Arbeitgebers
- Hessisches LAG: Bei verhaltensbedingten Kündigungen ist der Gleichbehandlungsgrundsatz insoweit zu beachten, dass eine "willkürlich" strengere Beurteilung einzelner Arbeitnehmer unzulässig ist
Ist der Gleichbehandlungsgrundsatz bei verhaltensbedingten Kündigungen generell außen vor?
26.03.2009. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz besagt, dass der Arbeitgeber bei begünstigenden Maßnahmen gegenüber seinen Arbeitnehmern keinen einzelnen Arbeitnehmer aus willkürlichen Gründen schlechter als vergleichbare Arbeitnehmer behandeln darf. Verboten sind damit Schlechterstellungen gegenüber (einer Gruppe von) vergleichbaren Arbeitnehmern.
Erforderlich ist deshalb ein kollektiver Bezug bei der Handlungsweise des Arbeitgebers. Zahlt er zum Beispiel allen Arbeitnehmern, die seit zehn Jahren im Betrieb sind, eine Prämie, darf er einen einzelnen Arbeitnehmer mit zehnjähriger Betriebszugehörigkeit nicht ohne triftige Gründe von dieser Begünstigung ausnehmen. Denn er erfüllt genau wie die anderen die von dem Arbeitgeber (zumindest implizit) vorausgesetzten Kriterien.
Zahlt der Arbeitgeber dagegen nur einem einzelnen Arbeitnehmer eine Prämie wegen seiner zehnjährigen Betriebszugehörigkeit, d.h. befolgt er mit dieser Begünstigung keine allgemeine Regel (vielleicht hat der Begünstigte nur geschickt verhandelt), haben andere Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine entsprechende Prämie. Denn der Arbeitgeber hat keine generellen Kriterien aufgestellt, bei deren Vorliegen er die Leistung erbringen wollte.
Auf die Schlechterstellung eines einzelnen Arbeitnehmers bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber ist der Gleichbehandlungsgrundsatz nach der Rechtsprechung allenfalls sehr eingeschränkt anwendbar. Denn wenn eine Kündigung überprüfen, müssen sie die besondere Situation jedes einzelnen Arbeitnehmers, dem gekündigt wurde, berücksichtigen. Diese Einzelfallabwägung widerspricht der Fragestellung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, ob ein einzelner gegenüber einer Gruppe vergleichbarer Beschäftigter schlechter gestellt wird.
Dennoch fragt sich immer wieder einmal, ob der Gleichbehandlungsgrundsatz auf einen konkreten Kündigungsfall anzuwenden ist. Über einen solchen Fall hatte das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) mit Urteil vom 10.09.2008, 6 Sa 384/08, zu entscheiden.
Der Streitfall: Bei der Verwendung von Payback-Coupons halten sich viele Verkaufskräfte nicht an die Weisungen des Arbeitgebers
Die klagende Arbeitnehmerin war seit 1994 bei dem beklagten Warenhaus beschäftigt. Im Jahr 2007 wurde bei einem Verkauf von Karten für ein Konzert von Herbert Grönemeyer ein Payback-Coupon im Wert von 500 Punkten bzw. von 5 EUR an die Konzertkarten angehängt. Der Coupon konnte bis zum 31.07.2007 bei allen Payback-Partnerunternehmen, darunter auch dem beklagten Warenhaus, beim Einkauf eingelöst werden.
Bei dem Payback-System erhalten Kunden eine Payback-Karte, auf die je nach getätigtem Umsatz Rabattpunkte gebucht werden, die gegen Warenprämien, Gutscheine oder Bargeld umgetauscht werden können. Die Erfassung der Payback-Punkte erfolgt beim Kassieren des Einkaufs an der Kasse beim Einscannen.
Sondercoupons wie die 500 Punkte, die Kunden mit der Grönemeyerkarte erwerben konnten, werden auf die gleiche Weise auf der Payback-Karte der Kunden gutgeschrieben. Sämtliche Coupons im Zusammenhang mit dem Payback-System sind nur einmalig verwendbar.
Der „Grönemeyer-Coupon“ sollte zwar ebenfalls nur einmalig verwendet werden, enthielt aber keinen solchen Hinweis. Auch technisch war der Coupon mehrmals einlösbar. Seine Übertragung war ebenfalls gestattet. Allerdings hatte die Betreiberin des Rabattsystems die Einlösung des Coupons aus der Grönemeyer-Aktion auf sechsmal pro Payback-Karte begrenzt.
In einer Organisationsanweisung aus dem Jahr 2006 wurden die Mitarbeiter des Warenhauses darauf hingewiesen, bei der Grönemeyer-Aktion die angenommenen Coupons sofort bei Annahme an der Kasse durch Zerreißen zu entwerten.
Dies wurde jedoch anscheinend nicht oder nicht ausnahmslos so gehandhabt. Sowohl eine Teamleiterin Kasse als auch der Marktleiter sollen im Gegenteil erklärt haben, dass die Coupons auf Verlangen an Kunden zurückzugeben seien. Außerdem haben auch Mitarbeiter der Beklagten Coupons aus der Grönemeyeraktion benutzt. Sogar die stellvertretende Marktleiterin soll Coupons vorgelegt und diese, nachdem sie sie zurückerhalten habe, wieder eingesteckt haben.
Der Klägerin wurde vorgeworfen, 25 Gutschriften auf ihre Payback-Karte von Februar bis Mai 2007 aus dem Sondercoupon des Grönemeyer Konzerts erwirkt zu haben.
Aus diesem Grunde sprach die Beklagte Mitte Juni 2007 eine außerordentliche fristlose Kündigung aus und kündigte hilfsweise ordentlich aus verhaltensbedingten Gründen. Zur Begründung hieß es, die Klägerin habe durch ihr Verhalten entweder einen Betrug zu ihren Lasten begangen oder es bestehe jedenfalls diesbezüglich ein dringender Verdacht.
Elf weiteren Arbeitnehmern, darunter einer Teamleiterin Kasse und der stellvertretenden Marktleiterin, die die Sondercoupons ebenfalls mehrfach einlösten, kündigte die Beklagte dagegen nicht.
Die Klägerin zog vor das Arbeitsgericht Frankfurt am Main und obsiegte. Das Gericht hielt die Kündigung für unwirksam, da nicht auszuschließen sei, dass die Klägerin in rechtmäßiger Weise in den Besitz der übertragbaren Coupons gekommen sei. Eine Straftat läge dann nicht vor.
Hessisches LAG: Bei verhaltensbedingten Kündigungen ist der Gleichbehandlungsgrundsatz insoweit zu beachten, dass eine "willkürlich" strengere Beurteilung einzelner Arbeitnehmer unzulässig ist
Auch das Landesarbeitsgericht entschied zugunsten der Klägerin und wies die Berufung der Beklagten zurück. Allerdings teilte es nicht die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass die Kündigung schon aus dem Grunde unwirksam sei, weil die Klägerin möglicherweise rechtmäßig gehandelt habe. Es ließ vielmehr offen, ob das Verhalten der Klägerin die Beklagte nicht wenigstens zu einer Kündigung aufgrund eines Tatverdachts berechtigt hätte.
Die Kündigung sei aber aus einem anderen Grund unwirksam. Der vorliegende Sachverhalt hätte die Beklagte nur zu einer Abmahnung berechtigt. Das - etwaige - Fehlverhalten der Klägerin wiege nicht so schwer, dass es eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen könne. Dies ergebe sich aus zwei Gesichtspunkten.
Zum einen beurteilt das Gericht das mögliche Fehlverhalten der Klägerin deshalb milder, weil die Beklagte nicht widerlegen konnte, dass sie selbst durch unklare bzw. nicht konsequent durchgesetzte Anweisungen zu der für die Klägerin verfänglichen Situation beigetragen hat.
Zweitens sei bei der Abwägung des Einzelfalls zu Gunsten der Klägerin zu berücksichtigen, wie die Beklagte mit entsprechendem Fehlverhalten anderer Beschäftigter umgegangen sei. Zwar gelte der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht unmittelbar bei der Beurteilung einer Kündigung. Er müsse aber mittelbar in die Abwägung eingestellt werden.
Würden mehrere Kündigungen wegen eines gleichartigen Kündigungsgrundes ausgesprochen, komme es zwar auf die in jedem Einzelfall besonderen Umstände an. Bei gleicher Ausgangslage muss der Arbeitgeber aber nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts, wenn er nach einer selbstgesetzten Regel verfährt, darlegen, weshalb er in einem Einzelfall davon abweiche. Der Arbeitgeber müsse die Gründe darlegen, die eine differenzierende Behandlung mehrerer Arbeitnehmer im Lichte des Kündigungsschutzes sachlich rechtfertigten. Dies habe die Beklagte hier versäumt.
Es sei auch nicht erkennbar, dass die Beklagte nach einer derartigen Regel verfahren sei, da sowohl Beschäftigte mit sehr unterschiedlichen Betriebszugehörigkeiten von einer Kündigung betroffen gewesen seien, als auch die Anzahl der ungerechtfertigt erschlichenen Punkte, die den Gekündigten vorgeworfen werden, stark geschwankt habe.
Das Urteil des Hessischen LAG ist auf der Grundlage der gerichtlichen Tatsachenfeststellungen richtig und bedeutet auch keine Abkehr von dem Grundsatz, dass bei Kündigungen der Einzelfall maßgeblich ist und der Gleichbehandlungsgrundsatz deshalb nicht unmittelbar anwendbar ist. Die Entscheidung schützt Arbeitnehmer davor, dass ein bei anderen Beschäftigten toleriertes Fehlverhalten zu einer Kündigungsentscheidung im Einzelfall führt, ohne dass dafür weitere, sachlich nachvollziehbare Gründe erkennbar sind.
Der verallgemeinerungsfähige rechtliche Kern der Entscheidung lautet: Wird mehreren Arbeitnehmern ein gleichartiges Fehlverhalten vorgeworfen und entschließt sich der Arbeitgeber, nicht allen zu kündigen, ist er zwar grundsätzlich nicht an einer Kündigung einzelner Arbeitnehmer gehindert. Er muss aber sachliche Gründe dafür haben (und diese im Falle eines Kündigungsschutzprozesses dem Gericht erklären), dass er gerade einem bestimmten Arbeitnehmer kündigt und vergleichbaren anderen nicht.
Solche sachlichen Gründe könnte etwa das größere Ausmaß des verursachten Schadens oder die größere Vorwerfbarkeit des Fehlverhaltens bei den gekündigten Arbeitnehmern sein. Denkbar wäre auch, dass der Arbeitgeber sich darauf beruft, er habe auf ein bestimmtes vertragswidriges Verhalten zwar eine Weile lang nicht reagiert, dann aber seine Untätigkeit als falsch erkannt und sich entschlossen, künftig konsequenter zu reagieren, nämlich mit dem Ausspruch von Kündigungen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 10.09.2008, 6 Sa 384/08
- Handbuch Arbeitsrecht: Gleichbehandlungsgrundsatz
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Außerordentliche Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Verdachtskündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Verhaltensbedingte Kündigung
Letzte Überarbeitung: 18. Dezember 2017
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