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ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/130

Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung bei per­so­nel­len Ein­zel­maß­nah­men: E-Mail ge­nügt.

Die Wirk­sam­keit ei­nes sach­lich be­grün­de­ten Wi­der­spruchs des Be­triebs­rats ge­gen ei­ne per­so­nel­le Ein­zel­maß­nah­me schei­tert nicht dar­an, dass der Wi­der­spruch per E-Mail er­klärt wird: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Be­schluss vom 10.03.2009, 1 ABR 93/07
Dokument mit Unterschriftenzeile und Füller Ver­wei­gert der Be­triebs­rat die Zu­stim­mung zu ei­ner per­so­nel­len Maß­nah­me, braucht es kei­ne Un­ter­schrift

24.07.2009. Ver­wei­gert der Be­triebs­rat sei­ne Zu­stim­mung zu ei­ner per­so­nel­len Ein­zel­maß­nah­me im Sin­ne des § 99 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG), muss er das ge­mäß § 99 Abs.3 Satz 1 Be­trVG schrift­lich tun.

Und "schrift­lich" heißt un­ter An­wen­dung all­ge­mei­ner Maß­stä­be des Bür­ger­li­chen Ge­setz­buchs (BGB), dass der Be­triebs­rat die Ver­wei­ge­rung sei­ner Zu­stim­mung auf ei­nem Stück Pa­pier fest­hal­ten muss und dass der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de die­ses Stück Pa­pier ei­gen­hän­dig un­ter­schrei­ben muss.

Da­von ab­wei­chend hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) in ei­ner Ent­schei­dung vom März die­ses Jah­res klar­ge­stellt, dass der Be­triebs­rat die Ver­wei­ge­rung der auch per E-Mail er­klä­ren kann.

Auch ei­ne sol­che Er­klä­rung ent­spricht der in § 99 Abs. 3 Satz 1 Be­trVG ge­for­der­ten Schrift­lich­keit: BAG, Be­schluss vom 10.03.2009, 1 ABR 93/07.

Muss der Be­triebs­rat ei­nen Wi­der­spruch ge­gen ei­ne per­so­nel­le Ein­zel­maßnah­me stets durch den Vor­sit­zen­den un­ter­schrei­ben las­sen?

In Un­ter­neh­men mit in der Re­gel mehr als zwan­zig wahl­be­rech­tig­ten Ar­beit­neh­mern muss der Ar­beit­ge­ber gemäß § 99 Abs. 1 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) vor je­der Ein­stel­lung, Ein- und Um­grup­pie­rung und Ver­set­zung die Zu­stim­mung des Be­triebs­rats ein­ho­len.

Will der Be­triebs­rat kei­ne Zu­stim­mung erklären, kann er sie in­ner­halb ei­ner Wo­che ver­wei­gern, wo­bei ihm das Ge­setz sechs ab­sch­ließend ge­nann­te Ver­wei­ge­rungs­gründe an die Hand gibt.

Liegt ei­ne form- und frist­ge­rech­te Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung vor, muss der Ar­beit­ge­ber die ge­richt­li­che Er­set­zung der Zu­stim­mung beim Ar­beits­ge­richt be­an­tra­gen. Die­se Re­ge­lun­gen sind der Kern der Mit­be­stim­mung des Be­triebs­rats in per­so­nel­len An­ge­le­gen­hei­ten.

Ver­wei­gert der Be­triebs­rat sei­ne Zu­stim­mung, so hat er dies dem Ar­beit­ge­ber un­ter An­ga­be von Gründen in­ner­halb ei­ner Wo­che nach Un­ter­rich­tung durch den Ar­beit­ge­ber schrift­lich mit­zu­tei­len (§ 99 Abs. 3 Satz 1 Be­trVG).

Und ei­ne „schrift­li­che“ Erklärung liegt gemäß § 126 Abs. 1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) im All­ge­mei­nen nur dann vor, wenn die Erklärung schrift­lich bzw. in ei­ner Ur­kun­de fest­ge­hal­ten wird und wenn die­se Ur­kun­de vom Erklären­den ei­genhändig durch Na­mens­un­ter­schrift un­ter­zeich­net wird.

Bei der Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen Be­triebs­rat und Ar­beit­ge­ber sind sol­che stren­gen For­ma­litäten al­ler­dings nur schwer ein­zu­hal­ten, vor al­lem wenn man be­denkt, dass der Be­triebs­rat nur ei­ne Wo­che für die Ent­schei­dung darüber hat, ob er die Zu­stim­mung zu ei­ner ge­plan­ten per­so­nel­len Ein­zel­maßnah­me ver­wei­gern will oder nicht. Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­run­gen wer­den dem Ar­beit­ge­ber da­her oft per Fax oder per E-Mail be­kannt­ge­ge­ben.

Frag­lich ist, ob ei­ne sol­che Form der Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung als „schrift­lich“ im Sin­ne von § 99 Abs. 3 Satz 1 Be­trVG an­zu­se­hen ist. Zu die­ser Fra­ge hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) mit Be­schluss vom 10.03.2009 (1 ABR 93/07) Stel­lung ge­nom­men.

Der Streit­fall: Be­triebs­rat ver­wei­gert die Zu­stim­mung zu ei­ner ge­plan­ten Ein­stel­lung recht­zei­tig und mit ausführ­li­cher Be­gründung, aber "nur" per E-Mail

Ein im Be­reich des Frank­fur­ter Flug­ha­fens täti­ges Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men mit et­wa 780 Ar­beit­neh­mern such­te ei­nen „Ope­ra­ti­ons Agent“. Die Stel­le wur­de zunächst in­ner­be­trieb­lich aus­ge­schrie­ben, doch war der Be­triebs­rat mit der Stel­len­aus­schrei­bung nicht ein­ver­stan­den, da er die in ihr an­ge­ge­be­ne Vergütungs­grup­pe im Hin­blick auf die Auf­ga­ben ei­nes „Ope­ra­ti­ons Agent“ als zu nied­rig an­sah.

Auf die Aus­schrei­bung mel­de­ten sich zwei be­triebs­an­gehöri­ge Be­wer­ber. Der Ar­beit­ge­ber ent­schied sich je­doch für ei­nen ex­ter­nen Be­wer­ber.

Mit In­for­ma­ti­ons­schrei­ben vom 10.10.2006 teil­te er dem Be­triebs­rat mit, dass er den ex­ter­nen Be­wer­ber zum 15.10.2006 ein­stel­len und ent­spre­chend der in der Stel­len­aus­schrei­bung ge­nann­ten bzw. eher nied­ri­gen Vergütungs­grup­pe be­zah­len wol­le. In die­sem Zu­sam­men­hang wur­de der Be­triebs­rat um Erklärung der Zu­stim­mung ge­be­ten. Das Schrei­ben ging dem Be­triebs­rat am 12.10.2006 zu. Der Be­triebs­rat ver­wei­ger­te in­ner­halb der ge­setz­li­chen Wo­chen­frist, nämlich am 16.10.2006, sei­ne Zu­stim­mung, und zwar per E-Mail.

Der Wi­der­spruch wur­de da­mit be­gründet, dass die in der Aus­schrei­bung ge­nann­te Vergütungs­grup­pe un­rich­tig sei. Aus Sicht des Be­triebs­rats war da­mit ei­ne ord­nungs­gemäße Stel­len­aus­schrei­bung un­ter­blie­ben.

Der Ar­beit­ge­ber lei­te­te auf­grund des Wi­der­spruchs ein ar­beits­ge­richt­li­ches Zu­stim­mungs­er­set­zungs­ver­fah­ren ein, wo­bei er in ers­ter Li­nie die Fest­stel­lung be­gehr­te, dass die Zu­stim­mung des Be­triebs­rats zu der be­ab­sich­tig­ten Ein­stel­lung des Ope­ra­ti­ons Agent als er­teilt gel­te. Hilfs­wei­se, d.h. für den Fall der Ab­wei­sung die­ses An­trags, be­an­trag­te er die Er­set­zung der vom Be­triebs­rat ver­wei­ger­ten Zu­stim­mung.

So­wohl das Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main (Be­schluss vom 10.03.2009, 1 ABR 93/07) als auch das für die Be­schwer­de zuständi­ge Hes­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) ga­ben dem Ar­beit­ge­ber recht (Hess. LAG, Be­schluß vom 08.03.2007, 19 BV 725/06), d.h. sie ent­schie­den, dass die Zu­stim­mung des Be­triebs­rats zu der Ein­stel­lung als er­teilt gel­te.

Zur Be­gründung be­rie­fen sich bei­de Ge­rich­te dar­auf, dass der Be­triebs­rat die Wo­chen­frist für die Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung versäumt ha­be. Zwar hat­te er ei­ne sol­che Erklärung ab­ge­ge­ben, aber per E-Mail und da­her nicht schrift­lich.

BAG: Der Be­triebs­rat die Zu­stim­mung zu ei­ner ge­plan­ten per­so­nel­len Maßnah­me auch per E-Mail ver­wei­gern

Das BAG hob die Ent­schei­dung des LAG auf.

Es ent­schied zwar im Er­geb­nis wie die Vor­in­stan­zen, d.h. ge­gen den Be­triebs­rat, al­ler­dings aus an­de­ren Gründen, da es nämlich den vom Be­triebs­rat an­geführ­ten Grund für sei­ne Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung (Un­ter­blei­ben ei­ner Aus­schrei­bung im Be­trieb, § 99 Abs. 2 Nr. 5 Be­trVG) als nicht ge­ge­ben an­sah. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­triebs­rats war, so das BAG, ei­ne in­ner­be­trieb­li­che Aus­schrei­bung der Stel­le vor­ge­nom­men wor­den, so dass der Be­triebs­rat die Zu­stim­mung zu Un­recht ver­wei­gert hat­te.

An­ders als die Vor­in­stan­zen prüfte das BAG den vom Be­triebs­rat an­ge­ge­be­nen Grund für die Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung, da es die vom Be­triebs­rat erklärte Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung als form­ge­recht bzw. als „schrift­lich“ be­wer­te­te. Nach An­sicht des BAG kann ei­ne Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung nämlich auch per E-Mail erklärt wer­den, d.h. sie ist - ent­ge­gen der Vor­schrift des § 126 Abs. 1 BGB - als „schrift­lich“ im Sin­ne von § 99 Abs. 3 Satz 1 Be­trVG an­zu­se­hen.

Zur Be­gründung ver­weist das BAG dar­auf, dass die im BGB ent­hal­te­nen Vor­schrif­ten über die Schrift­form auf „rechts­geschäft­li­che Wil­lens­erklärun­gen“ zu­ge­schnit­ten sind, vor al­lem auf Verträge bzw. ver­trags­be­gründen­de Erklärun­gen. Sie pas­sen da­her nicht auf die Erklärung ei­ner Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung nach § 99 Be­trVG. Das Schrift­lich­keits­er­for­der­nis des § 99 Abs. 3 Satz 1 Be­trVG zielt, so das BAG, nur dar­auf, dass der Ar­beit­ge­ber die vom Be­triebs­rat an­ge­nom­me­nen Gründe für sei­ne Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung in si­che­rer Wei­se erfährt.

Dafür braucht es aber nach An­sicht des BAG kei­ne ei­genhändig vom Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den un­ter­schrie­be­ne Ur­kun­de. Viel­mehr reicht auch ei­ne E-Mail aus.

Fa­zit: Die­se Ent­schei­dung passt zu der ak­tu­el­len Recht­spre­chung des BAG zu den for­mel­len An­for­de­run­gen, de­nen ei­ne Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung genügen muss. Schon En­de 2008 hat­te das BAG ent­schie­den, dass auch ein vom Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den nicht un­ter­schrie­be­nes Fax­schrei­ben für ei­ne „schrift­li­che“ Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung genügt (BAG, Be­schluss vom 09.12.2008, 1 ABR 79/07 - wir be­rich­te­ten darüber in Ar­beits­recht ak­tu­ell 09/097: Ver­wei­ge­rung der Zu­stim­mung zu per­so­nel­len Maßnah­men oh­ne Un­ter­schrift).

Auch in der Sa­che ist dem Be­schluss des BAG vom 10.03.2009 zu­zu­stim­men. Die recht­li­chen Zweck­set­zun­gen, die hin­ter den Vor­schrif­ten des BGB zum Schrift­for­mer­for­der­nis ste­hen, pas­sen nicht auf § 99 Be­trVG.

Das BAG er­leich­tert Be­triebsräten da­her mit gu­ten Gründen ih­re Ar­beit im Be­reich der per­so­nel­len Ein­zel­maßnah­men, in­dem es sie von überflüssi­gen For­ma­litäten be­freit.

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Letzte Überarbeitung: 21. August 2018

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