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LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 22.10.2010, 6 Sa 1580/10

   
Schlagworte: Betriebsübergang, Betriebsübergang: Widerspruch
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 6 Sa 1580/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 22.10.2010
   
Leitsätze:

1. Ein für den Arbeitnehmer zu Protokoll erklärter Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber ist jedenfalls dann gemäß §§ 125 Satz 1, 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nichtig, wenn er nicht vorgelesen und genehmigt worden ist.

2. In der Berufungserwiderung des Arbeitnehmers, der für die Zeit nach einem Betriebsübergang gegen den Veräußerer eine Vergütungsforderung verfolgt, ist eine konkludente Bestätigung seines Widerspruchs i.S.d. § 141 Abs. 1 BGB zu sehen, die im Falle der Beglaubigung dieses Schriftsatzes durch seinen Prozessbevollmächtigten die erforderliche Schriftform wahrt und für die auch der Prozessbevollmächtigte des Arbeitgebers entsprechend § 81 ZPO Empfangsvollmacht besitzt.

3. Eine Kündigung, die vom Betriebsveräußerer nach dem Betriebsübergang vorsorglich ausgesprochen worden ist, entfaltet ab Zugang ihre Wirkung, sobald der Arbeitnehmer sein Widerspruchsrecht gemäß § 613a Abs. 6 BGG ausgeübt hat, weil dadurch das Arbeitsverhältnis durchgängig zum Veräußerer bestanden hat.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 06.05.2010, 2 Ca 17160/09
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

 

Verkündet

am 22.10.2010

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)

6 Sa 1580/10

2 Ca 17160/09
Ar­beits­ge­richt Ber­lin

S., RHS
als Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

 

Im Na­men des Vol­kes

 

Ur­teil

In dem Rechts­streit

pp 

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Kam­mer 6,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 22. Ok­to­ber 2010
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt C. als Vor­sit­zen­den
so­wie die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin A. und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter M.

für Recht er­kannt:

1. Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 06.05.2010 – 2 Ca 17160/09 – im Kos­ten­aus­spruch und in­so­weit geändert, wie fest­ge­stellt wor­den ist, dass das Ar­beits­verhält­nis des Klägers mit der Be­klag­ten durch de­ren Kündi­gung vom 18.11.2009 nicht auf­gelöst wor­den sei, und die Kla­ge in­so­weit ab­ge­wie­sen.
2. Die wei­ter­ge­hen­de Be­ru­fung wird zurück­ge­wie­sen.
3. Die Kos­ten des Rechts­streits ers­ter In­stanz ha­ben bei ei­nem Streit­wert von 3.605,36 € der Kläger zu 25 % und die Be­klag­te zu 75 % zu tra­gen, während die Kos­ten der Be­ru­fungs­in­stanz bei ei­nem Streit­wert von 1.589,36 € dem Kläger zu 56,71 % und der Be­klag­ten zu 43,29 % auf­er­legt wer­den.
4. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen. 

 

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T a t b e s t a n d

Der Kläger ist Stu­dent. Er trat Mit­te Ja­nu­ar 2009 als Verkäufer in die Diens­te der Be­klag­ten und wur­de in ei­ner Fi­lia­le in den Räum­lich­kei­ten ei­nes Kauf­hau­ses in Ber­lin beschäftigt.

Im An­schluss an ei­ne münd­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten vom 30. März 2009 wur­de durch in­zwi­schen rechts­kräfti­ges Versäum­nis­ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 21. Ju­li 2009 – 35 Ca 11919/09 – fest­ge­stellt, dass der Kläger in ei­nem un­gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis zur Be­klag­ten mit ei­ner Beschäfti­gung von 13 St­un­den pro Wo­che und ei­ner St­un­den­vergütung von 8,00 € ste­he.

Ab dem 1. No­vem­ber 2009 über­nahm ein an­de­res Un­ter­neh­men die Fi­lia­le der Be­klag­ten auf Fran­chise­ba­sis. Die­se kündig­te das Ar­beits­verhält­nis des Klägers im Rah­men des vor­lie­gen­den Rechts­streits in ei­nem Schrift­satz vom 9. No­vem­ber 2009 zum 16. April 2009 und er­neut mit Schrei­ben vom 18. No­vem­ber 2009 zum 31. De­zem­ber 2009. Im erst­in­stanz­li­chen Ver­hand­lungs­ter­min vom 6. Mai 2010 erklärte der Kläger­ver­tre­ter zu Pro­to­koll, ei­nem Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses auf den Fran­chise­neh­mer der Be­klag­ten zu wi­der­spre­chen.

Das Ar­beits­ge­richt Ber­lin hat fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die bei­den Kündi­gun­gen der Be­klag­ten nicht auf­gelöst wor­den sei. Zu­gleich hat es ein Versäum­nis­ur­teil vom 3. No­vem­ber 2009 mit ei­ner Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten zur Zah­lung von 1.352,01 € brut­to auf­recht­er­hal­ten und die Be­klag­te ver­ur­teilt, an den Kläger ei­nen wei­te­ren Be­trag in die­ser Höhe zu zah­len, und zwar je­weils nebst Ver­zugs­zin­sen auf mo­nat­li­che Teil­beträge von 450,67 € ab dem 1. der ein­zel­nen Fol­ge­mo­na­te. Zur Be­gründung hat es im We­sent­li­chen aus­geführt, man­gels Un­ter­rich­tung über ei­nen Be­triebsüber­gang ha­be der Kläger dem Über­gang sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses noch am 6. Mai 2010 wi­der­spre­chen können. Sein des­halb zur Be­klag­ten fort­be­ste­hen­des Ar­beits­verhält­nis sei durch de­ren Kündi­gung vom 18. No­vem­ber 2009 nicht auf­gelöst wor­den, weil die­se we­gen des Be­triebsüber­gangs aus­ge­spro­chen wor­den sei. Die Schrift­satzkündi­gung vom 9. No­vem­ber 2009 sei be­reits am Schrift­for­mer­for­der­nis ge­schei­tert, weil dem Kläger­ver­tre­ter le­dig­lich ei­ne Ko­pie die­ses Schrift­sat­zes über­sandt wor­den sei. Auf­grund An­nah­me­ver­zugs schul­de die Be­klag­te dem Kläger Vergütung für Ju­li bis De­zem­ber 2009. Ein An­ge­bot der Ar­beits­leis­tung sei mit Rück­sicht auf die un­wirk­sa­me Kündi­gung vom 30. März 2009 ent­behr­lich ge­we­sen.

Ge­gen die­ses ihr am 28. Ju­ni 2010 zu­ge­stell­te Ur­teil rich­tet sich die am 31. Ju­li 2010 ein­ge­leg­te und am 30. Au­gust 2010, ei­nem Mon­tag, be­gründe­te Be­ru­fung der Be­klag­ten. Sie meint, so­fern nicht der Wi­der­spruch des Klägers oh­ne­hin for­mun­wirk­sam sei, ha­be sie

 

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des­sen Ar­beits­verhält­nis mit ih­rem Schrei­ben vom 18. No­vem­ber 2009 des­halb kündi­gen können, weil sie we­gen des Be­triebsüber­gangs selbst kei­ne Beschäfti­gungsmöglich­keit mehr für den Kläger ge­habt ha­be. Man­gels ei­ner ent­spre­chen­den Ver­ein­ba­rung sei al­len­falls ei­ne Ar­beits­zeit von zehn St­un­den pro Wo­che zu­grun­de zu le­gen, wor­aus sich ein Vergütungs­an­spruch von mo­nat­lich le­dig­lich 336,00 € brut­to er­ge­ben hätte.

Die Be­klag­te be­an­tragt nach Be­rich­ti­gung der An­ga­be des ArbG Aa­chen als erst­in­stanz­li­chen Ge­richts in der Be­ru­fungs­be­gründung,

un­ter Ände­rung des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 6. Mai 2010
– 2 Ca 17160/09 – die Kla­ge in­so­weit ab­zu­wei­sen, wie fest­ge­stellt wor­den sei,

a) dass sie ver­ur­teilt wer­de, ei­nen mo­nat­li­chen Be­trag über 336,00 € brut­to hin­aus zu zah­len und

b) dass das Ar­beits­verhält­nis des Klägers zu ihr durch ih­re Kündi­gung vom 18. No­vem­ber 2009 nicht be­en­det wor­den sei.

Der Kläger be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Er ist der An­sicht, die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 18. No­vem­ber 2009 ha­be durch sei­nen Wi­der­spruch nicht mehr wirk­sam wer­den können, weil die­se da­mit als emp­fangs­bedürf­ti­ge Wil­lens­erklärung in die Dis­po­si­ti­on des Empfängers ge­stellt ge­we­sen wäre.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Par­tei­vor­brin­gens wird auf den Tat­be­stand des an­ge­foch­te­nen Ur­teils und die in der Be­ru­fungs­in­stanz ge­wech­sel­ten Schriftsätze Be­zug ge­nom­men.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1. Die Be­ru­fung ist zulässig.

1.1 Sie ist gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, § 222 Abs. 2 ZPO frist­gemäß be­gründet wor­den.

1.2 Dass der An­trag in der Be­ru­fungs­be­gründung ge­gen ein Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Aa­chen ge­rich­tet ge­we­sen ist, war unschädlich, weil es sich da­bei im Hin­blick auf die An­ga­be des zweit­in­stanz­li­chen Ak­ten­zei­chens und die im Übri­gen zu­tref­fen­den Da­ten des an­ge­foch­te­nen Ur­teils um ei­ne unschädli­che Falsch­be­zeich­nung han­del­te.

2. Die Be­ru­fung ist teil­wei­se be­gründet.

2.1 Das Ar­beits­verhält­nis des Klägers ist durch die or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten vom 18. No­vem­ber 2009 zum En­de die­ses Jah­res auf­gelöst wor­den.

 

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2.1.1 Trotz des un­strei­tig mit Wir­kung zum 1. No­vem­ber 2009 er­folg­ten Be­triebs-teilüber­gangs auf ei­nen Fran­chise­neh­mer der Be­klag­ten war von ei­nem Fort­be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses des Klägers zu ihr aus­zu­ge­hen.

2.1.1.1 Al­ler­dings ist der zunächst § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ein­ge­tre­te­ne Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses auf den Fran­chise­neh­mer noch nicht durch den vom Kläger­ver­tre­ter im erst­in­stanz­li­chen Ver­hand­lungs­ter­min vom 6. Mai 2010 zu Pro­to­koll erklärten Wi­der­spruch gemäß § 613a Abs. 6 BGB be­sei­tigt wor­den. Die­ser Wi­der­spruch war man­gels der er­for­der­li­chen Schrift­form gemäß § 125 Satz 1 BGB nich­tig. Dar­an änder­te nichts, dass er zu Pro­to­koll erklärt wor­den ist. So­weit die schrift­li­che Form gemäß § 126 Abs. 4 BGB durch no­ta­ri­el­le Be­ur­kun­dung und die­se gemäß § 127a BGB bei ei­nem ge­richt­li­chen Ver­gleich durch die Auf­nah­me der Erklärun­gen in ein nach den Vor­schrif­ten der ZPO er­rich­te­tes Pro­to­koll er­setzt wird, ließ sich dies auf den vor­lie­gen­den Fall ei­nes ein­sei­ti­gen Rechts­geschäfts schon des­halb nicht über­tra­gen (da­hin­ge­stellt BGH, Ur­teil vom 06.05.1959 – V ZR 97/58 – DB 1959, 790), weil die gemäß §§ 160 Abs. 3 Nr. 1, 162 Abs. 1 Satz 1 und 3 ZPO er­for­der­li­che Ver­le­sung und Ge­neh­mi­gung nicht im Pro­to­koll ver­merkt wor­den ist.

2.1.1.2 Der Wi­der­spruch des Klägers ist in der er­for­der­li­chen Form bestätigt wor­den, was gemäß § 141 Abs. 1 BGB als er­neu­te Vor­nah­me an­zu­se­hen war.

2.1.1.2.1 Ei­ne Bestäti­gung stellt ei­ne emp­fangs­bedürf­ti­ge Wil­lens­erklärung dar, die auch durch schlüssi­ges Ver­hal­ten zum Aus­druck ge­bracht wer­den kann. Dem steht auch das Schrift­for­mer­for­der­nis des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht ent­ge­gen (vgl. BAG, Ur­teil vom 13.07.2006 – 8 AZR 382/05 – AP BGB § 613a Wi­der­spruch Nr. 1 zu II 1 b aa (3) der Gründe). Vor­lie­gend ist aus der Sicht der Be­klag­ten mit den Ausführun­gen des Kläger­ver­tre­ters in der Be­ru­fungs­er­wi­de­rung in Ver­bin­dung mit dem zu­vor schon schriftsätz­lich an­gekündig­ten Zurück­wei­sungs­an­trag hin­rei­chend deut­lich zum Aus­druck ge­bracht wor­den, an dem von ihr in Fra­ge ge­stell­ten Wi­der­spruch fest­hal­ten zu wol­len (§ 133 BGB).

2.1.1.2.2 Die­se Bestäti­gung erfüll­te auch das Schrift­for­mer­for­der­nis für ei­nen Wi­der­spruch gemäß § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB. Durch den Be­glau­bi­gungs­ver­merk un­ter der Ab­schrift der Be­ru­fungs­er­wi­de­rung hat der Kläger­ver­tre­ter zu­gleich die Ver­ant­wor­tung für den In­halt die­ses Schrift­sat­zes über­nom­men (vgl. BAG, Ur­teil vom 13.07.2006 – 8 AZR 382/05 – AP BGB § 613a Wi­der­spruch Nr. 1 zu II 1 b bb der Gründe).

2.1.1.2.3 Die Bestäti­gung des Wi­der­spruchs war von der Pro­zess­voll­macht des Kläger­ver­tre­ters ge­deckt. Zwar ermäch­tigt ei­ne Pro­zess­voll­macht gemäß § 81 ZPO grundsätz­lich nur zu al­len den Rechts­streit be­tref­fen­den Pro­zess­hand­lun­gen. Sie er­streckt

 

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sich je­doch auch auf ma­te­ri­ell-recht­li­che Erklärun­gen, die in ei­nem in­ne­ren Zu­sam­men­hang mit dem Ge­gen­stand des Rechts­streits ste­hen (BGH, Ur­teil vom 20.03.1992 – V ZR 7/91 – NJW 1992, 1963 zu II 3 der Gründe). Ein sol­cher Zu­sam­men­hang be­steht, wenn wie vor­lie­gend zur Durch­set­zung ei­ner rechtshängi­gen Zah­lungs­for­de­rung der Fort­be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses zum Be­triebs­veräußerer An­spruchs­vor­aus­set­zung ist.

2.1.1.2.4 Die Be­klag­ten­ver­tre­ter verfügten auch über die er­for­der­li­che Emp­fangs­voll­macht. Ih­re Pro­zess­voll­macht er­streck­te sich in glei­cher Wei­se wie die Pro­zess­voll­macht der Kläger­ver­tre­ter auch auf ei­nen Wi­der­spruch ge­gen den Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses des Klägers als ei­ner Vor­aus­set­zung für den ge­gen die Be­klag­te er­ho­be­nen Zah­lungs­an­spruch für No­vem­ber und De­zem­ber 2009.

2.1.1.2.5 Sch­ließlich war auch die Mo­nats­frist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB für die Erklärung ei­nes Wi­der­spruchs man­gels ei­ner den An­for­de­run­gen des § 613a Abs. 5 BGB ent­spre­chen­den Un­ter­rich­tung des Klägers über den Be­triebs­teilüber­gang und des­sen Fol­gen noch nicht ab­ge­lau­fen (da­zu BAG, Ur­teil vom 24.05.2005 – 8 AZR 398/04 – BA­GE 114, 374 = AP BGB § 613a Nr. 284 zu II 2 c der Gründe). Ei­ne Ver­wir­kung des Wi­der­spruchs­rechts gemäß § 242 BGB (da­zu BAG, Ur­teil vom 15.02.2007 – 8 AZR 431/06 – BA­GE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 zu II 3 b (2) der Gründe) konn­te mit Rück­sicht auf den be­reits am 6. Mai 2010 zu Pro­to­koll erklärten Wi­der­spruch eben­falls nicht ein­ge­tre­ten sei.

2.1.1.3 Durch die Bestäti­gung des Wi­der­spruchs ist der zunächst gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ein­ge­tre­te­ne Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses auf den Fran­chise­neh­mer der Be­klag­ten rück­wir­kend weg­ge­fal­len. Die­se in § 613a Abs. 6 BGB nicht aus­drück­lich an­ge­ord­ne­te Rück­wir­kung er­gibt sich aus der durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG geschütz­ten Ar­beits­platz­frei­heit des Ar­beit­neh­mers (BAG, Ur­teil vom 13.07.2006 – 8 AZR 305/05 – BA­GE 119, 91 = AP BGB § 613a Nr. 312 zu II 2 b der Gründe).

2.1.2 Das so­nach über den 31. Ok­to­ber 2009 hin­aus zur Be­klag­ten fort­be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis des Klägers ist durch de­ren Kündi­gung vom 18. No­vem­ber 2009 mit der Frist des § 622 Abs. 1 BGB zum En­de des Jah­res auf­gelöst wor­den.

2.1.2.1 Die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 18. No­vem­ber 2009 war nicht als Verfügung ei­nes Nicht­be­rech­tig­ten i.S.d. § 185 Abs. 1 BGB an­zu­se­hen. In­dem der Kläger dem Über­gang sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses mit rück­wir­ken­der Kraft wi­der­spro­chen hat, be­fand sich die Be­klag­te durchgängig in der Stel­lung sei­nes Ar­beit­ge­bers. Dass da­mit die Wirk­sam­keit der Kündi­gung als ei­ner ge­stal­te­ten Wil­lens­erklärung zur Dis­po­si­ti­on des Klägers als de­ren Empfänger ge­stellt war, stand nicht ent­ge­gen. Viel­mehr ist der da­mit

 

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ver­bun­de­ne Schwe­be­zu­stand in der ge­setz­li­chen Re­ge­lung ei­nes rück­wir­ken­den Wi­der­spruchs­rechts an­ge­legt (LAG Köln, Ur­teil vom 02.08.2010 – 2 Sa 176/10 – ju­ris R 36). Zu­dem ist auch mit der Einräum­ung ei­nes Rechts zur un­verzügli­chen Zurück­wei­sung ei­nes ein­sei­ti­gen Rechts­geschäfts oh­ne Voll­machts­vor­la­ge gemäß § 174 Satz 1 BGB und der Möglich­keit, bei un­be­an­stan­de­ter Vor­nah­me ei­nes ein­sei­ti­gen Rechts­geschäfts oh­ne Ver­tre­tungs­macht den Ver­tre­te­nen gemäß §§ 177 Abs. 2, 180 Satz 2 BGB zur Ge­neh­mi­gung auf­zu­for­dern, die Wirk­sam­keit ei­ner Kündi­gung des Ar­beit­ge­bers zur Dis­po­si­ti­on des Ar­beit­neh­mers ge­stellt.

2.1.2.2 Die Kündi­gung war nicht gemäß § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB un­wirk­sam, weil sie von der Be­klag­ten nicht we­gen des Be­triebs­teilüber­gangs aus­ge­spro­chen wor­den ist. Viel­mehr hat die Be­klag­te gekündigt, weil sie selbst mit Rück­sicht auf die­sen Über­gang kei­ne Beschäfti­gungsmöglich­keit mehr für den Kläger hat­te. Dar­in ist ei­ne Kündi­gung aus ei­nem an­de­ren Grund i.S.d. § 613a Abs. 4 Satz 2 BGB zu se­hen (vgl. BAG, Ur­teil vom 31.05.2007 – 2 AZR 276/06 – BA­GE 123, 1 = AP KSchG 1969 § 1 So­zi­al­aus­wahl Nr. 94 zu B I der Gründe).

2.1.2.3 Ab­ge­se­hen da­von, dass die Kündi­gung man­gels Möglich­keit ei­ner Wei­ter-beschäfti­gung des Klägers im Un­ter­neh­men der Be­klag­ten oh­ne­hin gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 3 KSchG aus drin­gen­den be­trieb­li­chen Gründen so­zi­al ge­recht­fer­tigt ge­we­sen wäre, hat der dafür be­weisführungs­be­las­te­te Kläger (da­zu BAG, Ur­teil vom 26.06.2008 – 2 AZR 264/07 – AP KSchG 1969 § 23 Nr. 42 R 20 ff.) nach sub­stan­ti­ier­ter Ein­las­sung der Be­klag­ten, auch in an­de­ren Städten kei­ne Fi­lia­le mehr be­trie­ben zu ha­ben, sei­ne Be­haup­tung von ins­ge­samt mehr als zehn Beschäftig­ten nicht un­ter Be­weis ge­stellt.

2.2 Der Kläger hat gemäß § 615 Satz 1 BGB für die Zeit von Ju­li bis De­zem­ber 2009 An­spruch auf die ver­ein­bar­te Vergütung von mo­nat­lich (13 x 8 x 13 : 3 =) 450,67 € brut­to.

2.2.1 Auf­grund ih­rer un­wirk­sa­men Kündi­gung vom 30. März 2009 be­fand sich die Be­klag­te gemäß § 296 BGB in An­nah­me­ver­zug, oh­ne dass es noch ei­nes An­ge­bots des Klägers be­durft hätte. Die­ser An­nah­me­ver­zug ist durch den zunächst be­wirk­ten, durch den Wi­der­spruch des Klägers aber wie­der in Weg­fall ge­tre­te­nen Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses auf den Fran­chise­neh­mer nicht be­en­det wor­den (vgl. BAG, Ur­teil vom 24.07.2008 – 8 AZR 1020/06 – ju­ris R 49).

2.2.2 Mit Rück­sicht auf die im rechts­kräfti­gen Versäum­nis­ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 21. Ju­li 2009 – 35 Ca 11919/09 – auf ei­ne ent­spre­chen­de Zwi­schen­fest­stel­lungs­kla­ge des Klägers gemäß § 256 Abs. 2 ZPO ge­trof­fe­ne Fest­stel­lung ei­ner wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 13 St­un­den und ei­ner St­un­den­vergütung von 8,00 € kam es auf den da­von

 

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ab­wei­chen­den Vor­trag der Be­klag­ten zum Um­fang der tatsächli­chen Beschäfti­gung des Klägers in den Mo­na­ten Ja­nu­ar bis März 2009 nicht an.

2.2.3 An­der­wei­ti­ger Ver­dienst, den sich der Kläger gemäß § 615 Satz 2 BGB hätte an­rech­nen las­sen müssen, hat er nach sei­ner An­ga­be in der Be­ru­fungs­er­wi­de­rung als Stu­dent nicht er­zielt.

2.3 Ge­gen ih­re Ver­ur­tei­lung zur Zah­lung von Ver­zugs­zin­sen schon ab dem 1. des je­wei­li­gen Fol­ge­mo­nats gemäß §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB hat sich die Be­klag­te nicht ge­wandt, ob­wohl Fällig­keit gemäß § 614 Satz 2 BGB frühes­tens an die­sem Tag und zum Teil gemäß § 193 BGB so­gar erst noch später ein­ge­tre­ten war (da­zu BAG, Ur­teil vom 15.05.2001 – 1 AZR 672/00 – BA­GE 98, 1 = AP BGB § 242 Gleich­be­hand­lung Nr. 176 zu II der Gründe).

3. Ne­ben­ent­schei­dun­gen

3.1 Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO.

3.2 Die Vor­aus­set­zun­gen des § 72 Abs. 2 ArbGG für ei­ne Zu­las­sung der Re­vi­si­on wa­ren nicht erfüllt. Ins­be­son­de­re kam kei­ner ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Rechts­fra­ge grundsätz­li­che Be­deu­tung zu, weil ent­we­der auf höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung zurück­ge­grif­fen wer­den konn­te oder wie bei der Fra­ge der Be­rech­ti­gung des Ar­beit­ge­bers zu ei­ner be­reits vor ei­nem Wi­der­spruch des Ar­beit­neh­mers erklärten Kündi­gung kein Klärungs­be­darf be­stand, weil sich die­se Fra­ge ein­deu­tig be­ant­wor­ten ließ. Dem­ent­spre­chend hat auch das LAG Köln in sei­ner un­ter 2.1.2.1 her­an­ge­zo­ge­nen Ent­schei­dung die Re­vi­si­on nicht aus die­sem, son­dern aus ei­nem an­de­ren Grund zu­ge­las­sen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Ge­gen die­ses Ur­teil ist kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

 

C.

A.

H. M.
 

 

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