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LAG Ham­burg, Ur­teil vom 18.06.2009, 2 Sa 176/08

   
Schlagworte: Betriebsvereinbarung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Aktenzeichen: 2 Sa 176/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 18.06.2009
   
Leitsätze:
Vorinstanzen:
   


Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg


Ur­teil

Im Na­men des Vol­kes

Geschäfts­zei­chen:
2 Sa 176/08
( 11 Ca 81/08 ArbG Ham­burg) 

In dem Rechts­streit

Verkündet am:

18. Ju­ni 2009

Oh­de

JOS`in
Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le


er­kennt das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg, Zwei­te Kam­mer, auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 10. März 2009 durch den

Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Beck als Vor­sit­zen­den
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Mee­der
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Schmuck

für Recht:

Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 06. Au­gust 2009 - 11 Ca 81/08 – wird zurück­ge­wie­sen.

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Die Kläge­rin hat die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens zu tra­gen.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.



R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g


Ge­gen die­ses Ur­teil kann Re­vi­si­on bei dem Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­legt wer­den. Die Re­vi­si­on kann nur dar­auf gestützt wer­den, dass das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts auf der Ver­let­zung ei­ner Rechts­norm be­ruht.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss ent­hal­ten:
- die Be­zeich­nung des Ur­teils, ge­gen das die Re­vi­si­on ge­rich­tet wird;
- die Erklärung, dass ge­gen die­ses Ur­teil Re­vi­si­on ein­ge­legt wird.
Mit der Re­vi­si­ons­schrift soll ei­ne Aus­fer­ti­gung oder be­glau­big­te Ab­schrift des an­ge­foch­te­nen Ur­teils vor­ge­legt wer­den.

Die Re­vi­si­on ist zu be­gründen. Die Re­vi­si­ons­be­gründung muss ent­hal­ten:
- die Erklärung, in­wie­weit das Ur­teil an­ge­foch­ten und des­sen Auf­he­bung be­an­tragt
wird (Re­vi­si­ons­anträge),

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- die An­ga­be der Re­vi­si­ons­gründe, und zwar,
a) die be­stimm­te Be­zeich­nung der Umstände, aus de­nen sich die Rechts­ver­let­zung er­gibt,
b) so­weit die Re­vi­si­on dar­auf gestützt wird, dass das Ge­setz in Be­zug auf das Ver­fah­ren ver­letzt sei, die Be­zeich­nung der Tat­sa­chen, die den Man­gel er­ge­ben.

Die Re­vi­si­on kann nur ein Rechts­an­walt oder ei­ne Rechts­anwältin, der bzw. die bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­sen ist, oder ei­ne Ge­werk­schaft, ei­ne Ver­ei­ni­gung von Ar­beit­ge­bern oder ein Zu­sam­men­schluss sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ein­le­gen und be­gründen. Dies gilt ent­spre­chend für ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der vor­ge­nann­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­rer Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt, und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

Die Frist für die Ein­le­gung der Re­vi­si­on (Not­frist) beträgt ei­nen Mo­nat, die Frist für die Be­gründung der Re­vi­si­on zwei Mo­na­te. Die Re­vi­si­ons­be­gründungs­frist kann auf An­trag ein­mal bis zu ei­nem wei­te­ren Mo­nat verlängert wer­den.

Die Re­vi­si­ons­frist und die Re­vi­si­ons­be­gründungs­frist be­gin­nen mit dem Ta­ge der von Amts we­gen er­folg­ten Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils des Lan­des­ar­beits­ge­richts, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Hin­weis:

1. Die An­schrift des Bun­des­ar­beits­ge­richts lau­tet:

Hu­go-Preuß-Platz 1 – 99084 Er­furt

2. Aus tech­ni­schen Gründen sind die Re­vi­si­ons­schrift, die Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift

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Aus­fer­ti­gung (und für je­den wei­te­ren Be­tei­lig­ten ei­ne Aus­fer­ti­gung mehr) bei dem Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­zu­rei­chen.

3. Zur Möglich­keit der Ein­le­gung der Re­vi­si­on mit­tels elek­tro­ni­schen Do­ku­ments wird auf die Ver­ord­nung vom 9. März 2006 (BGBl I, 519 ff) hin­ge­wie­sen.

T a t b e s t a n d

Die Par­tei­en strei­ten um die Ver­pflich­tung der Be­klag­ten, ih­ren Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mern an­zu­bie­ten, Mehr­ar­beits­stun­den bzw. ver­fal­le­ne Zeit­gut­ha­ben durch Be­zah­lung oder in Frei­zeit ab­zu­gel­ten. Da­bei geht es um die Erfüllung von Ansprüchen aus ei­nem ehe­mals im Be­trieb der Be­klag­ten An­wen­dung fin­den­den Ta­rif­ver­trag.


Die Be­klag­te gehört zum P-Kon­zern. Durch Be­triebs­ver­ein­ba­rung gemäß § 3 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz sind bei der Be­klag­ten zwei Be­triebsräte ge­bil­det, nämlich ein Be­triebs­rat für den Außen­dienst und ein Be­triebs­rat für den In­nen­dienst. Im Außen­dienst beschäftigt die Be­klag­te ca. 650 Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer, im In­nen­dienst ca. 319 Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter.

Die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten, die P MS GmbH, war Mit­glied von N., dem Ver­band

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M. Ham­burg /Schles­wig-Hol­stein an. Die Be­klag­te ist nicht Mit­glied von N. und nicht ta­rif­ge­bun­den.

Die Kläge­rin, die GM., ist in den Be­trie­ben der Be­klag­ten und de­ren Rechts­vorgänge­rin ver­tre­ten.

Der zwi­schen der Kläge­rin und N. ge­schlos­se­ne Man­tel­ta­rif­ver­trag für die M. Ham­burg/Schles­wig-Hol­stein sieht vor, dass mit 13 % al­ler Beschäftig­ten ei­nes Be­trie­bes ei­ne länge­re in­di­vi­du­el­le re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit von bis zu 40 St­un­den ver­ein­bart wer­den kann (Zif­fer 1.2.2 i. V. m. 1.2 MTV).

Un­ter dem Da­tum des 22. De­zem­ber 2005 schloss die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten mit dem Be­triebs­rat für den Außen­dienst die Be­triebs­ver­ein­ba­rung für den tech­ni­schen Außen­dienst (VM-PW-1004/2005), die ab dem 1. März 2006 galt. Die Ge­genstände der vor­ge­nann­ten Be­triebs­ver­ein­ba­rung be­tref­fen u. a. die Dau­er der re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit, die Ver­tei­lung der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit auf die Wo­chen­ta­ge so­wie die Vergütung von Mehr­ar­beit. Aus­zugs­wei­se heißt es in der Be­triebs­ver­ein­ba­rung:

„1. Gel­tungs­be­reich

1.1. Persönlich
Die­se Be­triebs­ver­ein­ba­rung gilt für die nach­fol­gen­den Mit­ar­bei­ter/in­nen des tech­ni­schen Außen­diens­tes, d. h.

- Ser­vice-Tech­ni­ker (SVT)
- Tech­ni­sche Sup­port-In­ge­nieu­re (TSI)
- An­wen­dungs­trai­ner (SAT)...

2. Ar­beits­zeit
2.1 Dau­er der re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit ...

Die Dau­er der re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit beträgt 35 St­un­den pro

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Wo­che ge­ar­bei­tet. Dar­aus er­gibt sich ei­ne Wo­chen­ar­beits­zeit von 40 St­un­den. Hin­sicht­lich der Vergütung die­ser St­un­den wird ei­ne ge­son­der­te Re­ge­lung ge­trof­fen. Die tägli­che Sol­l­ar­beits­zeit beträgt 1/5 der je­weils gülti­gen Wo­chen­ar­beits­zeit und wird in der Re­gel an fünf Werk­ta­gen in der Wo­che von Mon­tag bis Frei­tag er­bracht. ...

4. Zeit­kon­ten

4.1. Persönli­ches Zeit­kon­to

Zeit­gut­ha­ben und Zeit­un­ter­schrei­tun­gen, die sich aus der Sal­die­rung von Ist-und Sol­l­ar­beits­zeit am En­de des Mo­nats un­ter Ver­rech­nung des Über­trags aus dem Vor­mo­nat er­ge­ben, dürfen 40 Mi­nus­stun­den nicht un­ter- und 150 Plus­stun­den nicht über­schrei­ten.
Über die­se Gren­ze hin­aus­ge­hen­de Zeit­gut­ha­ben ver­fal­len, die­se können we­der vergütet noch aus­ge­gli­chen wer­den. ...

9. Bo­nus

Als Aus­gleich für die Erhöhung der Wo­chen­ar­beits­zeit im un­ter 2. die­ser Be­triebs­ver­ein­ba­rung ge­nann­ten Um­fang er­hal­ten die Mit­ar­bei­ter/in­nen an­stel­le et­wai­ger an­de­rer Vergütungs­ansprüche ei­nen leis­tungs- bzw. er­folgs­abhängi­gen Bo­nus, des­sen Zah­lung an die Er­rei­chung spe­zi­fi­scher Pa­ra­me­ter ge­bun­den ist und des­sen Ver­tei­lung in ei­ner ge­son­der­ten Pro­to­koll­no­tiz zu die­ser Be­triebs­ver­ein­ba­rung ge­re­gelt wird ...“.

Hin­sicht­lich des In­halts die­ser Be­triebs­ver­ein­ba­rung wird auf den als An­la­ge A 2 vor­ge­leg­ten Text der Be­triebs­ver­ein­ba­rung ergänzend Be­zug ge­nom­men (Bl. 27 ff. d. A.).

Außer­dem schloss die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten am 14. Fe­bru­ar 2007 mit dem Be­triebs­rat für den In­nen­dienst die Be­triebs­ver­ein­ba­rung „Glei­ten­de Ar­beits­zeit im In­nen­dienst“ (VM-PW 1001/2007), die ab dem 1. März 2007 gültig war. Die­se Be­triebs­ver­ein­ba­rung re­gel­te u. a. die Dau­er der re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit, den

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Gleit­zeit­rah­men und den persönli­chen Gleit­zeit­rah­men der Mit­ar­bei­ter. Aus­zugs­wei­se weist sie fol­gen­den Wort­laut auf:

„2. Gel­tungs­be­reich ...

2.2 Persönlich

Die­se Ver­ein­ba­rung gilt grundsätz­lich für al­le dem Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz un­ter­lie­gen­den voll­zeit­beschäftig­ten Mit­ar­bei­ter/in­nen, mit Aus­nah­me der lei­ten­den An­ge­stell­ten i. S. von § 5 Abs. 3 Be­trVG, der Leih­ar­bei­ter/in­nen und der­je­ni­gen Mit­ar­bei­ter/in­nen mit ab­wei­chend ge­re­gel­ter Ar­beits­zeit. Für Teil­zeit­beschäftig­te sind die nach­ste­hen­den Be­stim­mun­gen sinn­gemäß an­zu­wen­den.

3. Ar­beits­zeit

3.1. Dau­er der re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit (Soll­zeit)

Die Dau­er der re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit er­gibt sich aus dem Ar­beits­ver­trag bzw. aus dem je­weils gülti­gen Ta­rif­ver­trag.
Die tägli­che Sol­l­ar­beits­zeit beträgt ein Fünf­tel der je­weils gülti­gen Wo­chen­ar­beits­zeit und wird in der Re­gel an 5 Werk­ta­gen in der Wo­che von Mon­tag bis Frei­tag er­bracht. ...

3.3. Gleit­zeit­rah­men

Der Gleit­zeit­rah­men ist die Zeit zwi­schen 06:00 Uhr und 22:00 Uhr. In die­ser Zeit hat der/die Mit­ar­bei­ter/in das Recht, Be­ginn und En­de der An­we­sen­heit am Ar­beits­platz in­di­vi­du­ell zu be­stim­men. ...

4. Gleit­zeit­kon­to...

4.1. Persönli­cher Gleit­zeit­spiel­raum

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Zeit­gut­ha­ben und Zeit­un­ter­schrei­tun­gen, die sich aus der Sal­die­rung von Ist-und Sol­l­ar­beits­zeit am En­de des Mo­nats un­ter Ver­rech­nung des Über­trags aus dem Vor­mo­nat er­ge­ben, dürfen 20 Mi­nus­stun­den nicht un­ter- und 70 Plus­stun­den nicht über­schrei­ten.
Über die­se Gren­ze hin­aus­ge­hen­de Zeit­gut­ha­ben ver­fal­len, die­se können we­der aus­ge­gli­chen noch vergütet wer­den ...“

Hin­sicht­lich des Wort­lauts der vor­ge­nann­ten Be­triebs­ver­ein­ba­rung wird ergänzend auf den als An­la­ge A 1 vor­ge­leg­ten Text der Be­triebs­ver­ein­ba­rung Be­zug ge­nom­men (Bl. 14 ff. d. A.).

Die Pro­to­koll­no­tiz 1 zur Be­triebs­ver­ein­ba­rung „Glei­ten­de Ar­beits­zeit im In­nen­dienst“ weist aus­zugs­wei­se fol­gen­den Wort­laut auf (Bl. 21 ff. d. A.):

„...
2. Mehr­ar­beit

Al­le Mit­ar­bei­ter/in­nen sind für die Gel­tungs­dau­er die­ser Pro­to­koll­no­tiz ver­pflich­tet, bei ent­spre­chen­dem Ar­beits­an­fall, durch­schnitt­lich fünf St­un­den pro Wo­che Mehr­ar­beit zu leis­ten, für die sie ab­wei­chend von Zif­fer 4.6 der Be­triebs­ver­ein­ba­rung zur Glei­ten­den Ar­beits­zeit ei­nen Aus­gleich gemäß Zif­fer 3 ff. er­hal­ten. Mit­ar­bei­ter/in­nen mit ei­ner in­di­vi­du­el­len In­cen­ti­ve-Zu­sa­ge er­hal­ten kei­nen zusätz­li­chen Aus­gleich gemäß Zif­fer 3 ff..Teil­zeit­beschäftig­te Mit­ar­bei­ter/in­nen soll­ten Mehr­ar­beit ana­log zu ih­rem Beschäfti­gungs­grad leis­ten.

3. Aus­gleich

Je­de/r Mit­ar­bei­ter/in, die/der im ab­ge­lau­fe­nen Geschäfts­jahr der Re­ge­lung in Zif­fer 2 nach­ge­kom­men ist, erhält als Aus­gleich im Fol­ge­jahr ei­nen Ziel­er­rei­chungs­bo­nus, der ein­mal jähr­lich aus­ge­zahlt wird.

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4. Höhe der Bo­nus­zah­lung...“

Mit Schrei­ben vom 27. März 2007 for­der­te die Kläge­rin die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten auf, die aus ih­rer Sicht ta­rif­wid­ri­gen Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen zu be­sei­ti­gen (Bl. 104 f. d. A.).

Mit Wir­kung zum 4. Au­gust 2008 wur­den die bei­den Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen für den tech­ni­schen Außen­dienst und „Glei­ten­de Ar­beits­zeit im In­nen­dienst“ durch die je­wei­li­gen Be­triebs­par­tei­en in Re­ge­lungs­ab­re­den überführt (für den Außen­dienst An­la­ge A 4, Bl. 257; für den In­nen­dienst An­la­ge A 5, Bl. 258 d. A.).

Zum 6. Au­gust 2008 kam es zwi­schen der Be­klag­ten und der P MS GmbH zu ei­ner Ver­schmel­zung. Seit die­sem Zeit­punkt gal­ten die Ta­rif­verträge, die zwi­schen N. und der IG Me­tall ab­ge­schlos­sen wor­den sind, nicht mehr im Be­trieb der Be­klag­ten, da die­se nicht ta­rif­ge­bun­den ist.

Die Kläge­rin hat die Be­sei­ti­gung ta­rif­wid­ri­ger Aus­wir­kun­gen der vor­ge­nann­ten Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen für die hier­von be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer der Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten be­gehrt. Sie hat ge­meint, die erst­in­stanz­lich ge­stell­ten Klag­anträge sei­en hin­rei­chend be­stimmt im Sin­ne von § 253 ZPO und auch nicht zu weit ge­fasst, da die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten ge­wusst ha­be, wel­che Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter re­gelmäßig 35 St­un­den pro Wo­che ar­bei­te­ten und darüber hin­aus­ge­hend auf­grund der Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ge­ar­bei­tet hätten. Der Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten sei­en auch die­je­ni­gen Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter be­kannt ge­we­sen, bei de­nen es zum Ver­fall von St­un­den auf­grund der be­an­stan­de­ten Re­ge­lun­gen in den Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ge­kom­men sei. Der Kläge­rin selbst sei ei­ne na­ment­li­che Be­nen­nung die­ser Beschäftig­ten nicht möglich, weil ihr die Zeit­kon­ten der ein­zel­nen Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer nicht be­kannt sei­en und sie auch nicht wis­sen könne, bei wel­chen Beschäftig­ten es zum Ver­fall von St­un­den ge­kom­men sei. Die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten ha­be durch den Ab­schluss ta­rif­wid­ri­ger Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ge­gen § 87 Abs. 1 Ein­gangs­satz Be­trVG, § 77 Abs. 3 Be­trVG und Art. 9 Abs. 3 des Grund­ge­set­zes ver­s­toßen. Die ta­rif­wid­ri­gen Aus­wir­kun­gen die­ser Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen auf die Ar­beit­neh­mer müss­ten be­sei­tigt wer­den.

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Die Kläge­rin hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass u. a. die Bo­nus­re­ge­lung in Zif­fer 9 der Ar­beits­zeit­re­ge­lung für den tech­ni­schen Außen­dienst, auf­grund de­rer die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten als Aus­gleich für die Erhöhung der Wo­chen­ar­beits­zeit um re­gelmäßig fünf St­un­den an­stel­le et­wai­ger an­de­rer Vergütungs­ansprüche ei­nen leis­tungs- bzw. er­folgs­abhängi­gen Bo­nus zah­len wol­le, un­wirk­sam sei. Des Wei­te­ren sei die in Zif­fer 4.1. Abs. 2 der Be­triebs­ver­ein­ba­rung für den tech­ni­schen Außen­dienst ent­hal­te­ne Re­ge­lung, die vor­se­he, dass über 150 Plus­stun­den hin­aus­ge­hen­de Zeit­gut­ha­ben ver­fal­len und we­der vergütet noch aus­ge­gli­chen wer­den könn­ten, un­wirk­sam. Das Glei­che gel­te für die in Zif­fer 2 ff. der Pro­to­koll­no­tiz 1 zur Be­triebs­ver­ein­ba­rung „Glei­ten­de Ar­beits­zeit im In­nen­dienst“ ent­hal­te­nen Re­ge­lun­gen, wo­nach für durch­schnitt­lich fünf St­un­den pro Wo­che Mehr­ar­beit nicht die sich aus Zif­fer 4.6. der Be­triebs­ver­ein­ba­rung i. V. m. dem Ta­rif­ver­trag er­ge­ben­de Mehr­ar­beits­vergütung zu zah­len sei, son­dern im Fol­ge­jahr ein Ziel­er­rei­chungs­bo­nus ge­zahlt wer­de, des­sen Höhe sich am Grad der Ziel­er­rei­chung an­hand der Mess­größen Um­satz, Brut­to­mar­ge und Kos­ten der Or­ga­ni­sa­ti­on be­mes­se. Die durch die­se Be­triebs­ver­ein­ba­rung ein­geführ­te Bo­nus­re­ge­lung er­set­ze die übli­che ta­rif­ver­trag­li­che Vergütung durch ei­ne an­de­re Vergütungs­re­ge­lung. Auch dies sei un­wirk­sam. Glei­ches gel­te auch für die in Zif­fer 4.1. Abs. 2 der Be­triebs­ver­ein­ba­rung zur Glei­ten­den Ar­beits­zeit im In­nen­dienst ent­hal­te­ne Re­ge­lung, auf­grund der Zeit­gut­ha­ben des Gleit­zeit­kon­tos, das 70 Plus­stun­den über­schrei­te, ver­fal­len und we­der aus­ge­gli­chen noch vergütet wer­den könn­ten. Denn die Be­stim­mun­gen zum Ver­fall von Zeit­gut­ha­ben, die ober­halb ei­ner be­stimm­ten St­un­den­an­zahl lägen, er­setz­ten den ta­rif­ver­trag­lich in § 11 Zif­fer 1 des MTV ge­re­gel­ten Grund­satz, dass ge­leis­te­te Ar­beit zu vergüten sei.

Die Kläge­rin hat ge­meint, die Be­sei­ti­gungs­anträge sei­en gemäß § 1004, 823 BGB i. V. m. Ar­ti­kel 9 Abs. 3 GG be­gründet, da die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ge­schaf­fen ha­be, die an die Stel­le der gel­ten­den kol­lek­ti­ven Ord­nung des Ta­rif­ver­tra­ges tre­ten soll­ten. Die­se An­spruchs­grund­la­ge ge­be der Kläge­rin aber nicht nur ei­nen An­spruch auf Un­ter­las­sung ta­rif­wid­ri­ger Re­ge­lun­gen. Viel­mehr könne die Kläge­rin auch die Be­sei­ti­gung der Be­ein­träch­ti­gung ver­lan­gen. Die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten ha­be ei­ne verlänger­te Wo­chen­ar­beits­zeit im Außen­dienst bzw. ei­ne re­gelmäßige Mehr­ar­beit von fünf St­un­den im In­nen­dienst ent­ge­gen ge­nom­men und ha­be hierfür ei­nen Bo­nus in ei­ner Höhe ge­zahlt, der deut­lich un­ter dem ta­rif­ver­trag­lich ge­schul­de­ten Ent­gelt ge­le­gen ha­be. Die dar­in lie­gen­de Störung des Grund­rechts aus Ar­ti­kel 9 Abs. 3 GG könne nur da­durch be­sei­tigt wer­den, dass die Be­klag­te den bei ihr beschäftig­ten Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mern

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an­bie­te, die über die re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit hin­aus­ge­hen­de Ar­beits­zeit durch Vergütung oder Frei­zeit ab­zu­gel­ten. Glei­ches gel­te auch für die auf­grund der un­wirk­sa­men Re­ge­lung der Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ver­fal­le­nen St­un­den. Zwar sei der Be­sei­ti­gungs­an­spruch des § 1004 BGB grundsätz­lich nur auf die Be­sei­ti­gung der Be­ein­träch­ti­gung für die Zu­kunft aus­ge­rich­tet, so­dass die Her­stel­lung des frühe­ren Zu­stan­des durch Be­sei­ti­gung der aus der Be­ein­träch­ti­gung re­sul­tie­ren­den Fol­gen nicht ver­langt wer­den könne. In An­be­tracht des Grund­rechts der Ko­ali­ti­ons­frei­heit tre­te je­doch in­so­weit ei­ne Be­son­der­heit auf. Die aus­geübte Ta­rif­au­to­no­mie wer­de durch ta­rif­wid­ri­ge Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ver­letzt, die nor­ma­tiv im Be­trieb an die Stel­le des Ta­rif­ver­tra­ges tre­ten. Dies führe im Er­geb­nis da­zu, dass die Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer Leis­tun­gen er­bräch­ten, zu de­nen sie auf­grund des Ta­rif­ver­tra­ges nicht ver­pflich­tet sei­en. Da sie an­ge­sichts der struk­tu­rel­len Un­ter­le­gen­heit der ein­zel­nen Ar­beit­neh­mer ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber die Ri­si­ken ar­beits­recht­li­cher Aus­ein­an­der­set­zun­gen fürch­te­ten, sei ein kol­lek­ti­ver Schutz er­for­der­lich, um zu ver­hin­dern, dass ein Ar­beit­ge­ber die Früch­te sei­ner ta­rif­ver­trags­wid­ri­gen Hand­lun­gen sank­ti­ons­los be­hal­ten dürfe. Von da­her sei ei­ne ver­fas­sungs­kon­for­me Aus­le­gung des § 1004 BGB ge­bo­ten, da die Ko­ali­ti­ons­frei­heit oh­ne ei­nen ent­spre­chen­den An­spruch auf Fol­gen­be­sei­ti­gung nur un­zu­rei­chend ge­gen Be­ein­träch­ti­gun­gen geschützt sei. Dem An­spruch der Kläge­rin stünden auch nicht die ta­rif­ver­trag­li­chen Aus­schluss­fris­ten ent­ge­gen, da die­se für die kla­gen­de Ge­werk­schaft kei­ne Gel­tung be­an­spruch­ten, so­weit es um die Be­sei­ti­gung der Fol­gen der Ver­let­zung der Ta­rif­au­to­no­mie ge­he. Zu­dem be­gründe erst die er­streb­te Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten, den bei ihr beschäftig­ten Ar­beit­neh­mern Re­ge­lun­gen zur Be­sei­ti­gung der Fol­gen des Ta­rif­ver­trags­bru­ches an­zu­bie­ten, die Ansprüche der Ar­beit­neh­mer, so­dass Aus­schluss­fris­ten nicht ein­grei­fen könn­ten. Sch­ließlich sei die Be­ru­fung der Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten auf die ta­rif­li­chen Aus­schluss­fris­ten we­gen des Ver­bots wi­dersprüchli­chen Ver­hal­tens un­wirk­sam.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

1. die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, den Mit­ar­bei­tern und Mit­ar­bei­te­rin­nen, die von der Ar­beits­zeit­re­ge­lung für den tech­ni­schen Außen­dienst (VM-PW 1004/2005) er­fasst wer­den, für die ab 01.03.2006 über 35 St­un­den pro Wo­che hin­aus­ge­hen­den Mehr­ar­beits­stun­den (Aus­gleichs­zeiträume 01.03. bis 31.08.2006; 01.09.2006 bis 28.02.2007, 01.03. bis 31.08.2007;

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01.09.2007 bis 29.02.2008) an­zu­bie­ten, die Zeit­gut­ha­ben durch Be­zah­lung oder in Frei­zeit ab­zu­gel­ten.

2. die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, den von der Ar­beits­zeit­re­ge­lung für den tech­ni­schen Außen­dienst (VM-PW-1004/2005) be­trof­fe­nen Mit­ar­bei­tern und Mit­ar­bei­te­rin­nen an­zu­bie­ten, al­le gemäß Zif­fer 4.1. der BV „Ar­beits­zeit­re­ge­lung für den tech­ni­schen Außen­dienst (VM-PW-1004/2005)“ ver­fal­le­nen Zeit­gut­ha­ben durch Frei­zeit oder Be­zah­lung ab­zu­gel­ten;

3. die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, den in den Gel­tungs­be­reich der Be­triebs­ver­ein­ba­rung „Glei­ten­de Ar­beits­zeit im In­nen­dienst (VM-PW-1001/2007)“ fal­len­den Mit­ar­bei­tern und Mit­ar­bei­te­rin­nen an­zu­bie­ten, al­le über durch­schnitt­lich 35 St­un­den pro Wo­che (Aus­gleichs­zeit­raum 01.03. bis 31.08.2007; 01.09.2007 bis 29.02.2008) hin­aus­ge­hen­den Mehr­ar­beits­stun­den durch Frei­zeit oder Be­zah­lung ab­zu­gel­ten;

4. die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, den Mit­ar­bei­tern und Mit­ar­bei­te­rin­nen, die in den Gel­tungs­be­reich der Be­triebs­ver­ein­ba­rung „Glei­ten­de Ar­beits­zeit im In­nen­dienst (VM-PW-1001/2007)“ fal­len, an­zu­bie­ten, al­le gemäß Zif­fer 4.1. Abs. 2 die­ser BV ver­fal­le­nen Zeit­gut­ha­ben durch Be­zah­lung oder Frei­zeit ab­zu­gel­ten.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass die Anträge der Kläge­rin be­reits un­zulässig sei­en, da sie man­gels Be­nen­nung der Mit­glie­der der Kläge­rin nicht hin­rei­chend be­stimmt sei­en. Außer­dem feh­le es an ei­ner An­spruchs­grund­la­ge für die Anträge, da die­se im Er­geb­nis auf die Gel­tend­ma­chung in­di­vi­du­el­ler Ansprüche hin­aus­lie­fen. Zwar könne der Kläge­rin ein Un­ter­las­sungs­an­spruch ge­gen ta­rif­un­ter­schrei­ten­de Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen zu­ste­hen, um ei­ne

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Störung ih­rer ver­fas­sungsmäßig geschütz­ten Rechts­po­si­ti­on zu be­en­den. Die mit den streit­ge­genständ­li­chen Anträgen ver­folg­ten in­di­vi­du­el­len Ansprüche sei­en dem­ge­genüber für die Betäti­gung oder den Be­stand der Kläge­rin nicht von Be­deu­tung. Dies wer­de be­reits dar­in deut­lich, dass die Kläge­rin selbst ta­rif­li­che Aus­schluss­fris­ten mit­ge­re­gelt ha­be, die ent­spre­chen­de Ansprüche selbst dann aus­sch­ließen könn­ten, wenn sie ursprüng­lich be­stan­den hätten. Im Übri­gen stünden die Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen für den tech­ni­schen Außen­dienst und den In­nen­dienst im Ein­klang mit den Vor­ga­ben des MTV. So sei die Re­ge­lung der 35-St­un­den-Wo­chen­ar­beits­zeit plus fünf St­un­den Mehr­ar­beit we­gen § 6 Zif­fer 4 des MTV möglich. Die Re­ge­lung hin­sicht­lich von acht St­un­den tägli­cher Ar­beits­zeit sei nur de­kla­ra­to­risch ge­meint ge­we­sen. Zu­dem schließe der Ta­rif­ver­trag ei­ne Sams­tags­ar­beit nicht ge­ne­rell aus, zu­mal die­se nur auf Ein­z­elfälle be­zo­gen ge­we­sen sei. Die Re­ge­lung hin­sicht­lich der 150 Plus­stun­den ha­be nur der Ei­gen­ver­ant­wort­lich­keit der Mit­ar­bei­ter die­nen sol­len. Not­wen­di­ge Mehr­ar­beit sei auch dann vergütet wor­den. Auch die Be­triebs­ver­ein­ba­rung zum Außen­dienst sei ta­rif­kon­form. Zwei­fel könn­ten sich al­len­falls hin­sicht­lich der Pro­to­koll­no­tiz im Hin­blick auf die Bo­nus­zah­lung er­ge­ben ha­ben. Die Be­klag­te hat ge­meint, der Kläge­rin ge­he es auch nicht um ei­ge­ne Rech­te als Ko­ali­ti­on. Zu­dem würde sich die Kläge­rin mit ih­ren Anträgen über die zu be­ach­ten­den ta­rif­li­chen Aus­schluss­fris­ten hin­weg­set­zen.

Das Ar­beits­ge­richt hat mit Ur­teil vom 6. Au­gust 2008 – 11 Ca 81/08 – Bl. 178 ff. d. A. – die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Die Anträge sei­en zulässig, je­doch un­be­gründet. Die Kla­ge sei zulässig, da die Klag­anträge hin­rei­chend be­stimmt sei­en. Die Anträge bezögen sich auf al­le Ar­beit­neh­mer, die un­ter die Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen fal­len. Da­mit sei der Ar­beit­neh­mer­kreis für die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten hin­rei­chend be­stimm­bar. Die Kläge­rin sei auch pro­zessführungs­be­fugt. Da die Kläge­rin sich auf die Ko­ali­ti­ons­frei­heit be­ru­fe, lie­ge kei­ne Pro­zess­stand­schaft für ih­re Mit­glie­der vor. Die Kla­ge sei aber un­be­gründet. Denn es ste­he der Kläge­rin kei­ne An­spruchs­grund­la­ge aus Ar­ti­kel 9 Abs. 3 des GG i. V. m. § 1004 BGB zur Sei­te. Dies gel­te auch dann, wenn die streit­ge­genständ­li­chen Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen tatsächlich im Wi­der­spruch zu Ta­rif­re­ge­lun­gen stünden. Zwar gäbe es nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts grundsätz­lich ei­nen An­spruch der Ge­werk­schaft auf Un­ter­las­sung ta­rif­wid­ri­ger Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen. Die­ser Un­ter­las­sungs­an­spruch um­fas­se aber nicht ei­nen An­spruch der Ge­werk­schaft auf Erfüllung ta­rif­ver­trag­li­cher Ansprüche der Ar­beit­neh­mer bei ta­rif­wid­ri­gen Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen. Ei­nen Fol­gen­be­sei­ti­gungs-Erfüllungs­an­spruch gäbe es recht­lich nicht. Denn § 1004 BGB ge­be nur ei­nen An­spruch auf Störungs­be­sei­ti­gung bzw. auf Un­ter­las­sung künf­ti­ger Störung, nicht aber

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auf Her­stel­lung des frühe­ren Zu­stan­des durch Fol­gen­be­sei­ti­gung. Hier kom­me höchs­tens ein Scha­den­er­satz­an­spruch in Be­tracht. Der Un­ter­las­sungs­an­spruch der Ge­werk­schaft hin­sicht­lich der wei­te­ren An­wen­dung ta­rif­wid­ri­ger Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen rei­che aus. Das von der IG Me­tall an­ge­streb­te Ziel könne auch nicht im We­ge ei­ner ver­fas­sungs­kon­for­men Aus­le­gung des § 1004 BGB er­reicht wer­den, da es in­so­weit an ei­ner ge­setz­li­chen Grund­la­ge feh­le. Da­her könne of­fen blei­ben, ob die Klag­anträge zu weit ge­fasst sei­en, weil sie sich auf sämt­li­che Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer bezögen. Da­hin­ste­hen könne auch, ob die ta­rif­li­chen Aus­schluss­fris­ten et­wai­gen kläge­ri­schen Ansprüchen wirk­sam ent­ge­gen­ge­hal­ten wer­den könn­ten.

Ge­gen das der Kläge­rin am 25. Sep­tem­ber 2008 (Bl. 196 d. A.) zu­ge­stell­te Ur­teil des Ar­beits­ge­richts vom 6. Au­gust 2008, auf des­sen Be­gründung ergänzend Be­zug ge­nom­men wird, hat die­se mit Schrift­satz vom 16. Ok­to­ber 2008, bei Ge­richt am 17. Ok­to­ber 2008 ein­ge­gan­gen (Bl. 205 d. A.), Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se nach Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist bis zum 29. De­zem­ber 2008 (Bl. 223 d. A.) mit Schrift­satz vom 22. De­zem­ber 2008, bei Ge­richt am glei­chen Ta­ge ein­ge­gan­gen (Bl. 227 d. A.), be­gründet.

Mit ih­rem Be­ru­fungs­vor­brin­gen ver­folgt die Kläge­rin ih­re Ansprüche ge­genüber der Be­klag­ten wei­ter. Die­se haf­te nach § 20 des Um­wand­lungs­ge­set­zes als Rechts­nach­fol­ge­rin für al­le Ver­bind­lich­kei­ten ih­rer Rechts­vorgänge­rin. Bei die­ser gal­ten die Ta­rif­verträge der M. Ham­burg/Schles­wig-Hol­stein bis zum 6. Au­gust 2008. Zu den Re­ge­lun­gen des Man­tel­ta­rif­ver­tra­ges und den nach ih­rer Auf­fas­sung da­von ab­wei­chen­den Re­ge­lun­gen der Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen für den Außen­dienst und für den In­nen­dienst macht die Kläge­rin wei­te­re Ausführun­gen. Der Um­stand, dass die Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer der Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten auf­grund der vor­ge­nann­ten Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen länger ge­ar­bei­tet hätten als ta­rif­lich ge­re­gelt, las­se sich nicht rückgängig ma­chen. Die Kläge­rin sei auch an­spruchs­be­rech­tigt. Zum ei­nen ver­letz­ten die Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ih­re Ko­ali­ti­ons­betäti­gungs­frei­heit. Denn Ar­ti­kel 9 Abs. 3 S. 2 des GG ver­bie­te auch ta­rif­wid­ri­ge Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen. Zu­dem sei­en die Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen nich­tig gemäß § 77 Abs. 3 Be­trVG. Ar­ti­kel 9 Abs. 3 GG sei als sons­ti­ges Recht i. S. v. § 823 Abs. 1 BGB geschützt. Die Kläge­rin könne die Be­sei­ti­gung der Be­ein­träch­ti­gun­gen nach § 1004 Abs. 1 i. V. m. § 823 BGB ver­lan­gen. Zum an­de­ren dürfe nicht über­se­hen wer­den, dass die in­di­vi­du­el­le Rechts­durch­set­zung sei­tens der Ar­beit­neh­mer auf er­heb­li­che Hin­der­nis­se stoße. Ei­nes der Ri­si­ken für die Ar­beit­neh­mer sei die Maßre­ge­lungs­ge­fahr durch den Ar­beit­ge­ber. Zu­dem

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dürfe der zusätz­li­che An­pas­sungs­druck durch die ta­rif­wid­ri­gen Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen nicht un­terschätzt wer­den. Die Ko­ali­ti­on selbst ha­be das Recht, die Ein­hal­tung der Ta­rif­verträge zu ver­lan­gen. Dies er­ge­be sich u. a. aus der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts. Als An­spruchs­grund­la­gen sei­en § 23 Abs. 3 Be­trVG, § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Ar­ti­kel 9 Abs. 3 GG und § 1004 i. V. m. § 823 BGB zu nen­nen. Ein Aus­gleich sei auch für die Ver­gan­gen­heit zu leis­ten. Denn der Kläge­rin sei ein Scha­den ent­stan­den, da die prak­ti­sche Wirk­sam­keit der Ta­rif­au­to­no­mie ei­ne ver­bands­po­li­ti­sche Exis­tenz­fra­ge für die Kläge­rin sei. Die Ver­let­zung ih­rer Ko­ali­ti­ons­betäti­gungs­frei­heit durch die ta­rif­wid­ri­gen Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ver­wirk­li­che sich bei den Beschäftig­ten. Im Streit­fall ma­che die Kläge­rin ei­ge­ne Rech­te gel­tend. Das Ziel der Anträge der Kläge­rin sei der Aus­gleich der Fol­gen ta­rif­wid­ri­gen Vor­ge­hens. Durch die Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ha­be die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten ei­ne an­de­re kol­lek­ti­ve Ord­nung an die Stel­le der ta­rif­ver­trag­li­chen Ord­nung ge­setzt. We­gen der Gleich­stel­lungs­ab­re­de sei dies auch für die Außen­sei­ter be­deut­sam. Ei­ne na­ment­li­che Nen­nung der Außen­sei­ter sei schon des­halb nicht er­for­der­lich, da es sich um ei­nen ei­ge­nen An­spruch der Kläge­rin han­de­le. Da al­ler­dings nicht zu ver­ken­nen sei, dass mögli­cher­wei­se ein­zel­ne Ar­beit­neh­mer mit den Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ein­ver­stan­den sei­en, ha­be die Kläge­rin mit ih­ren Anträgen auch nur die Ver­pflich­tung der Be­klag­ten zur Un­ter­brei­tung ei­nes An­ge­bots an die be­tref­fen­den Ar­beit­neh­mer be­an­tragt. Die ta­rif­ver­trag­li­chen Aus­schluss­fris­ten grif­fen schon des­halb nicht, da die Kläge­rin vor­lie­gend ei­ge­ne Ansprüche gel­tend ma­che. Ver­sa­ge man der Kläge­rin den gel­tend ge­mach­ten An­spruch, so lie­ge ei­ne Lücke im Rechts­schutz vor. Denn we­gen der übli­cher­wei­se lan­gen Ver­fah­rens­dau­er könne ein ge­werk­schaft­li­cher Un­ter­las­sungs­an­spruch oft nicht zum Er­folg führen.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 06.08.2008, Az: 11 Ca 81/08 wie folgt ab­zuändern:

1. die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, Mit­ar­bei­tern und Mit­ar­bei­te­rin­nen, die von der Ar­beits­zeit­re­ge­lung für den tech­ni­schen Außen­dienst (VM-PW-1004/2005) er­fasst wer­den, für die in der Zeit vom 01.03.2006 bis 03.08.2008 über 35 St­un­den pro Wo­che hin­aus­ge­hen­den Mehr­ar­beits­stun­den (Aus­gleichs­zei­gräume 01.03. bis 31.08.2006; 01.09.2006 bis 28.02.2007; 01.03. bis 31.08.2007; 01.09.2007 bis 29.02.2008; 01.03.2008 bis

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03.08.2008) an­zu­bie­ten, die Zeit­gut­ha­ben durch Be­zah­lung oder in Frei­zeit ab­zu­gel­ten.

2. die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, den von der Ar­beits­zeit­re­ge­lung für den tech­ni­schen Außen­dienst (VM-PW-1004/2005) be­trof­fe­nen Mit­ar­bei­tern und Mit­ar­bei­te­rin­nen an­zu­bie­ten, al­le gemäß Zif­fer 4.1. der BV „Ar­beits­zeit­re­ge­lung für den tech­ni­schen Außen­dienst (\TM PW-1004/2005)“ bis zum 01.08.2008 ver­fal­le­nen Zeit­gut­ha­ben durch Frei­zeit oder Be­zah­lung ab­zu­gel­ten;

3. die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, den in den Gel­tungs­be­reich der Be­triebs­ver­ein­ba­rung „Glei­ten­de Ar­beits­zeit im In­nen­dienst (\TM-PW-1001/2007) fal­len­den Mit­ar­bei­tern und Mit­ar­bei­te­rin­nen an­zu­bie­ten, al­le im Zeit­raum 01.03.2007 bis 03.08.2008 über durch­schnitt­lich 35 St­un­den pro Wo­che (Aus­gleichs­zeit­raum 01.03. bis 31.08.2007; 01.09.2007 bis 29.02.2008; 01.03.2008 bis 03.08.2008) hin­aus­ge­hen­den Mehr­ar­beits­stun­den durch Frei­zeit oder Be­zah­lung ab­zu­gel­ten.

4. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, den Mit­ar­bei­tern und Mit­ar­bei­te­rin­nen, die in den Gel­tungs­be­reich der Be­triebs­ver­ein­ba­rung „Glei­ten­de Ar­beits­zeit im In­nen­dienst (VM-PW-1001/2007) fal­len, an­zu­bie­ten, al­le gemäß Zif­fer 4.1. Abs. 2 die­ser BV bis zum 01.08.2008 ver­fal­le­nen Zeit­gut­ha­ben durch Be­zah­lung oder Frei­zeit ab­zu­gel­ten.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung der Kläge­rin zurück­zu­wei­sen.

Sie hält die kläge­ri­schen Anträge für un­zulässig und je­den­falls für un­be­gründet. Ein An­spruch aus § 23 Abs. 3 Be­trVG ste­he der Kläge­rin nicht zur Sei­te. Denn es ge­he bei die­ser Vor­schrift nicht um Scha­dens­er­satz, da ein Ver­schul­den in­so­weit un­er­heb­lich sei. Bei § 23 Abs. 3
 


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Be­trVG ge­he es nur um noch an­hal­ten­de Störun­gen des Mit­be­stim­mungs­rechts und nicht um die Rechts­po­si­ti­on ei­ner Ge­werk­schaft. Schon auf­grund der Auf­he­bung der Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen be­ste­he zu­dem kei­ne Gefähr­dung der Ta­rif­au­to­no­mie mehr. Auch könne die Kläge­rin nicht Ansprüche ih­rer Mit­glie­der auf Erfüllung ta­rif­li­cher Re­ge­lun­gen ein­kla­gen. Dies könne auch der Be­triebs­rat im Rah­men von § 23 Abs. 3 Be­trVG nicht; ent­spre­chen­des gel­te auch für ei­ne Ge­werk­schaft.

Auf § 1004 BGB i. V. m. § 823 BGB i. V. m. Ar­ti­kel 9 Abs. 3 GG könne sich die Kläge­rin auch nicht mit Er­folg be­ru­fen. Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts rei­che die bloße Ver­let­zung ein­zel­ner Ta­rif­re­ge­lun­gen in­so­weit nicht aus. Zu­dem führe ei­ne et­wai­ge Ta­rif­un­ter­schrei­tung nicht zu ei­nem Scha­den bei der Kläge­rin, son­dern nur bei ein­zel­nen Ar­beit­neh­mern. Zwar gäbe es ei­nen Un­ter­las­sungs­an­spruch ge­gen ei­ne kon­kur­rie­ren­de be­trieb­li­che Norm­set­zung, nicht aber ei­nen An­spruch auf Voll­zug ab­ge­schlos­se­ner Ta­rif­verträge. Denn die Ge­werk­schaft ha­be ja die Möglich­keit, auf den ta­rif­ver­trags­sch­ließen­den Ar­beit­ge­ber­ver­band ein­zu­wir­ken. Zu­dem feh­le es an ei­nem Vor­trag zu dem Scha­den hin­sicht­lich der ge­werk­schaft­li­chen Betäti­gungsmöglich­kei­ten der Kläge­rin. Auch sei ei­ne na­ment­li­che Be­nen­nung der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer er­for­der­lich für die Zulässig­keit der Anträge. Zu­dem wäre Vor­aus­set­zung für ei­nen Fol­gen­be­sei­ti­gungs­an­spruch, dass ein Un­ter­las­sungs­an­spruch bis zur Be­en­di­gung der Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ge­ge­ben ge­we­sen wäre. Auch dar­an feh­le es. Im Übri­gen ha­be die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten den Vor­rang des Ta­rif­ver­tra­ges hin­rei­chend be­ach­tet. Auch könne die Kläge­rin nicht Ansprüche der bei ihr nicht or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mer wahr­neh­men. Oh­ne­hin schei­te­re der kläge­ri­sche An­spruch an den ta­rif­ver­trag­li­chen Aus­schluss­fris­ten.

Ergänzend wird auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze der Par­tei­en nebst An­la­gen und Be­weis­an­ge­bo­te Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

I.


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Die Be­ru­fung ist statt­haft (§ 64 Abs.1, Abs.2 ArbGG) und, weil sie form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den ist (§§ 64 Abs.6 S.1, 66 Abs.1 ArbGG, 519, 520 ZPO), auch im Übri­gen zulässig.


II.

Die Be­ru­fung ist un­be­gründet, weil die Kla­ge zulässig, aber un­be­gründet ist.

1. Die Anträge der Kläge­rin sind zulässig.

a) Die Klag­anträge sind hin­rei­chend be­stimmt.

Die Klag­anträge zu 1) bis 4) sind hin­rei­chend be­stimmt im Sin­ne des § 253 ZPO. Die er­ho­be­nen Ansprüche sind hin­sicht­lich In­halt und Um­fang hin­rei­chend kon­kret be­zeich­net. Aus der For­mu­lie­rung die­ser Anträge geht in Ver­bin­dung mit dem persönli­chen An­wen­dungs­be­reich der in den Anträgen be­nann­ten bei­den ehe­mals im Be­trieb der Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten gel­ten­den Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen über Ar­beits­zeit aus­rei­chend deut­lich her­vor, dass sich die be­gehr­te Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten auf sämt­li­che Ar­beit­neh­mer be­zieht, die in den An­wen­dungs­be­reich der Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen fal­len. Dies sind gemäß Zif­fer 1.1 der Be­triebs­ver­ein­ba­rung „Ar­beits­zeit­re­ge­lung für den tech­ni­schen Außen­dienst“ (VM-PW-1004/2005) Ser­vice-Tech­ni­ker (SVT), Tech­ni­sche Sup­port-In­ge­nieu­re (TSI) und An­wen­dungs­trai­ner (SAT). Gemäß Zif­fer 2.2 der Be­triebs­ver­ein­ba­rung „Glei­ten­de Ar­beits­zeit im In­nen­dienst“ (VM-PW-1001/2007) sind dies die­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer, die dem dort nie­der­ge­leg­ten Gel­tungs­be­reich un­ter­fal­len. Für die Be­klag­te wäre da­her im Fal­le ei­ner ent­spre­chen­den Ver­ur­tei­lung er­kenn­bar, wel­chen Mit­ar­bei­tern sie ein ent­spre­chen­des An­ge­bot auf Ab­gel­tung durch Be­zah­lung oder Frei­zeit zu un­ter­brei­ten hätte.

Der Zulässig­keit steht auch nicht die Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 19. März 2003 (4 AZR 271/02) ent­ge­gen, wor­in hin­sicht­lich der hin­rei­chen­den Be­stimmt­heit der Klag­anträge die na­ment­li­che Be­nen­nung der Ge­werk­schafts­mit­glie­der, die in den dor­ti­gen

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Anträgen nicht er­folgt war, ge­for­dert wor­den ist. Denn vor­lie­gend geht es – an­ders als in dem vom Bun­des­ar­beits­ge­richt ent­schie­de­nen Fall – nicht um ei­nen Un­ter­las­sungs­an­trag, son­dern um die Ver­pflich­tung der Be­klag­ten, den un­ter den Gel­tungs­be­reich der ehe­ma­li­gen Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen fal­len­den Beschäftig­ten ein An­ge­bot zu un­ter­brei­ten. Während der Ar­beit­ge­ber in der vor­ge­nann­ten Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts nicht wuss­te und nicht wis­sen konn­te, wel­che Ar­beit­neh­mer Ge­werk­schafts­mit­glie­der sind, de­nen ge­genüber er im Fal­le der Ver­ur­tei­lung ein be­stimm­tes Ver­hal­ten zu un­ter­las­sen hätte, und er zu­dem auch nicht nach ei­ner Mit­glied­schaft fra­gen durf­te (s. nur Däubler/Kitt­ner/Kle­be, Be­trVG, 10. Aufl., § 94 Rn. 20 m.w.N.), ist der Per­so­nen­kreis für die Be­klag­te im vor­lie­gen­den Fall hin­rei­chend be­stimm­bar. Dies gilt je­den­falls –wie hier- bei ei­ner be­trieb­li­chen Re­ge­lung, die sich un­abhängig von der be­ste­hen­den Ta­rif­bin­dung auf die ge­sam­te Be­leg­schaft oder be­stimm­te Tei­le der­sel­ben er­streckt (LAG Ba­den-Würt­tem­berg v. 07.12.2007, Ar­buR 2008, S. 185ff.). Denn in die­sem Fall kann die an­ge­grif­fe­ne Re­ge­lung nur für al­le be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer oder gar nicht Be­stand ha­ben. Auch er­ge­ben sich im Streit­fall – an­ders als in der Fall­ge­stal­tung, die der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zu­grun­de lag – kei­ne Be­den­ken hin­sicht­lich der Ein­schränkung der Ver­tei­di­gungsmöglich­kei­ten des Ar­beit­ge­bers auf­grund der An­trag­stel­lung der Kläge­rin.

Die Fra­ge, ob die Anträge in der Sa­che zu weit ge­fasst sind, weil sie sämt­li­che von den Ar­beits­zeit­re­ge­lun­gen be­trof­fe­nen Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten als Adres­sa­ten ei­nes von die­ser zu un­ter­brei­ten­den An­ge­bots be­nennt, ist dem­ge­genüber ei­ne Fra­ge der ma­te­ri­ell­recht­li­chen Be­gründet­heit der Anträge.

b) Die Kläge­rin ist auch pro­zessführungs­be­fugt.

Das Ar­beits­ge­richt hat auch zu­tref­fend fest­ge­stellt, dass die Kläge­rin pro­zessführungs­be­fugt ist. Dies­bezüglich bestünden er­heb­li­che Zwei­fel, wenn die Kläge­rin die gel­tend ge­mach­ten Klag­ansprüche nicht als ei­ge­ne Ansprüche, son­dern als Ansprüche der Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten bzw. ih­rer Mit­glie­der gel­tend ma­chen würde. Denn in­so­weit sind we­der An­halts­punk­te für ei­ne ge­setz­li­che noch für ei­ne ge­willkürte Pro­zess­stand­schaft der Kläge­rin ge­ge­ben. Von ei­ner feh­len­den Pro­zess­stand­schaft ei­ner Ge­werk­schaft zur Gel­tend­ma­chung ta­rif­ver­trag­li­cher Ansprüche ih­rer Mit­glie­der geht auch das Bun­des­ar­beits­ge­richts aus. So wird in der Ent­schei­dung vom 20. April 1999 (1 ABR 72/98, BA­GE 91, 210) zum Un­ter­las­sungs­an­spruch der Ge­werk­schaf­ten bei ta­rif­wid­ri­gen be­trieb­li­chen Re­ge­lun­gen

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aus­geführt, dass ein sol­cher al­ler­dings nicht die Be­fug­nis der Ge­werk­schaft ein­sch­ließt, In­di­vi­dual­ansprüche ih­rer Mit­glie­der ein­zu­kla­gen. Denn der Un­ter­las­sungs­an­spruch die­ne nur dem Schutz der kol­lek­ti­ven Ko­ali­ti­ons­frei­heit.

Vor­lie­gend stützt sich die Kläge­rin nach ih­rem Vor­trag je­doch nicht auf ei­ne Gel­tend­ma­chung der In­di­vi­dual­ansprüche ih­rer Mit­glie­der oder sämt­li­cher Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten, son­dern aus­drück­lich auf die ihr gemäß Art. 9 Abs. 3 des Grund­ge­set­zes zu­kom­men­den Ko­ali­ti­ons­frei­heit, aus der sie ei­nen An­spruch ge­gen die Be­klag­te dar­auf her­lei­tet, die Fol­gen der An­wen­dung ta­rif­wid­ri­ger Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen für den Zeit­raum ih­rer Gel­tung bis zum 3. Au­gust 2008 in den Be­trie­ben der Be­klag­ten zu be­sei­ti­gen. Die­se Be­haup­tung der In­ha­ber­schaft ei­nes gel­tend ge­mach­ten Rechts ist für die Be­ja­hung der Pro­zessführungs­be­fug­nis im Rah­men der Zulässig­keitsprüfung aus­rei­chend (vgl. Zöller(-Voll­kom­mer), ZPO, 27. Aufl., Vor § 50 Rn 18). Die Fra­ge, ob der be­haup­te­te An­spruch ma­te­ri­ell­recht­lich tatsächlich be­steht, ist dem­ge­genüber nicht im Rah­men der Zulässig­keit, son­dern im Rah­men der Be­gründet­heit der Kla­ge zu prüfen.

2. Die Anträge der Kläge­rin zu 1) bis 4) sind un­be­gründet.

Die Kläge­rin hat kei­nen An­spruch ge­genüber der Be­klag­ten dar­auf, die­se zu ver­pflich­ten, den Beschäftig­ten, die in den Gel­tungs­be­reich der ehe­ma­li­gen Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen „Ar­beits­zeit­re­ge­lung für den Tech­ni­schen Außen­dienst“ vom 22. De­zem­ber 2005 und „Glei­ten­de Ar­beits­zeit im In­nen­dienst“ vom 14. Fe­bru­ar 2007 fal­len, an­zu­bie­ten, al­le über 35 St­un­den pro Wo­che hin­aus­ge­hen­den Mehr­ar­beits­stun­den bzw. ver­fal­le­ne Zeit­gut­ha­ben durch Be­zah­lung oder Frei­zeit ab­zu­gel­ten. Denn der Kläge­rin steht kein An­spruch zu auf Be­sei­ti­gung der Fol­gen, zu de­nen es auf­grund der An­wen­dung der bei­den ehe­ma­li­gen Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ge­kom­men ist. Denn in­so­weit fehlt es an ei­ner Rechts­grund­la­ge.

a) Dass die ehe­ma­li­ge Be­klag­te, die P MS GmbH, auf­grund Um­wand­lung er­lo­schen ist, steht al­ler­dings et­wai­gen Ansprüchen der Kläge­rin nicht ent­ge­gen. Denn gemäß § 20 des Um­wand­lungs­ge­set­zes haf­tet die Be­klag­te auch für Ver­bind­lich­kei­ten der Rechts­vorgänge­rin.

b) Es spre­chen auch gu­te Gründe für den Vor­trag der Kläge­rin, dass die bei­den

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dem 4. Au­gust 2008 in Re­ge­lungs­ab­re­den überführt wor­den sind (zur Pro­ble­ma­tik s. BAG v. 20.11.1990, 1 AZR 643/89), ge­gen den Man­tel­ta­rif­ver­trag für die M. Ham­burg/Schles­wig-Hol­stein ver­s­toßen ha­ben, der die re­gelmäßige Wo­chen­ar­beits­zeit mit 35 St­un­den fest­ge­legt hat (§ 3 Zif­fer 1.1. MTV, hin­sicht­lich ent­spre­chen­der Be­zah­lung s. § 3 Zif­fer 1.3). Dies gilt ins­be­son­de­re in An­be­tracht der in der Be­triebs­ver­ein­ba­rung für den Außen­dienst von 2005 ver­ein­bar­ten fünf re­gelmäßigen Mehr­ar­beits­stun­den pro Wo­che, des ge­re­gel­ten Ver­falls von Plus­stun­den ab 150 auf dem Zeit­kon­to und des leis­tungs- und er­folgs­ori­en­tier­ten Bo­nus als Aus­gleichs­leis­tung so­wie der ent­spre­chen­den Be­stim­mun­gen in der Be­triebs­ver­ein­ba­rung für den In­nen­dienst von 2007 hin­sicht­lich des Ver­falls von Zeit­gut­ha­ben bei über 70 St­un­den und der Re­ge­lung re­gelmäßiger Mehr­ar­beit in der Pro­to­koll­no­tiz Nr. 1 ein­sch­ließlich des Ziel­er­rei­chungs­bo­nus. Doch kann dies letzt­lich da­hin­ge­stellt blei­ben, da ein ge­werk­schaft­li­cher Fol­gen­be­sei­ti­gungs­an­spruch im Hin­blick auf vor­an­ge­gan­ge­ne man­geln­de Ta­riferfüllung durch den Ar­beit­ge­ber kei­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge hat.

c) Zwar kann ei­ne Ge­werk­schaft nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts gemäß Art. 9 Abs. 3 GG i.V.m. § 1004 BGB von ei­nem Ar­beit­ge­ber un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen die Un­ter­las­sung der An­wen­dung ta­rif­wid­ri­ger Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ver­lan­gen. So hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt in der Ent­schei­dung vom 20. April 1999 (a.a.O.) aus­geführt, dass ei­ner Ge­werk­schaft zur Ab­wehr von Ein­grif­fen in die kol­lek­ti­ve Ko­ali­ti­ons­frei­heit ein Un­ter­las­sungs­an­spruch ent­spre­chend § 1004 BGB zu­steht. Denn nach all­ge­mei­ner Auf­fas­sung – so das Ge­richt - könne der in § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB ge­re­gel­te Un­ter­las­sungs­an­spruch zur Ab­wehr von Ein­grif­fen in al­le nach § 823 BGB geschütz­ten Rech­te, Le­bensgüter und In­ter­es­sen her­an­ge­zo­gen wer­den. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt schließt hier­aus in ständi­ger Recht­spre­chung, dass sich ei­ne Ko­ali­ti­on ge­gen rechts­wid­ri­ge Ein­grif­fe in ih­re von Art. 9 Abs. 3 des Grund­ge­set­zes gewähr­leis­te­te kol­lek­ti­ve Ko­ali­ti­ons­frei­heit mit Hil­fe von Un­ter­las­sungs­kla­gen weh­ren kann (Ur­teil v. 17.04.1998, 1 AZR 364/97; Be­schluss v. 20.04.1999, a.a.O.). Zum Schutz­be­reich des § 823 BGB in Ver­bin­dung mit Art. 9 Abs. 3 des Grund­ge­set­zes gehöre nämlich auch das Recht der Ko­ali­ti­on auf ko­ali­ti­onsmäßige Betäti­gung. Der Grund­rechts­schutz der Ko­ali­ti­ons­frei­heit rich­te sich auch ge­gen pri­vat­recht­li­che Be­schränkun­gen. Ihm kommt da­her nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts auch Dritt­wir­kung zu (BAG v. 20.04.1999, a.a.O.) Dem­nach sind Ab­re­den, die die Ko­ali­ti­ons­frei­heit ein­schränken oder zu

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be­hin­dern su­chen, nich­tig. Hier­auf ge­rich­te­te Maßnah­men sei­en rechts­wid­rig und mit Rechts­be­hel­fen zu ver­hin­dern.

Da­nach kann ei­ne Ge­werk­schaft von ei­nem Ar­beit­ge­ber gestützt auf Art. 9 Abs. 3 GG i.V.m. § 1004 BGB zwar ver­lan­gen, dass er die An­wen­dung ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung, Re­ge­lungs­ab­re­de oder ei­ner ver­trag­li­chen Ein­heits­re­ge­lung, durch die ent­spre­chen­de Ta­rif­nor­men ver­drängt wer­den sol­len, un­terlässt. Die­ser Un­ter­las­sungs­an­spruch der Ge­werk­schaft um­fasst je­doch – wie das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend fest­ge­stellt hat - nicht auch den ge­gen den Ar­beit­ge­ber ge­rich­te­ten An­spruch, die Fol­gen der An­wen­dung ei­ner be­trieb­li­chen ta­rif­wid­ri­gen Re­ge­lung durch Erfüllung der ta­rif­ver­trag­li­chen Ansprüche der Ar­beit­neh­mer zu be­sei­ti­gen.

d) Ob ei­ne Ge­werk­schaft ne­ben der Un­ter­las­sung der An­wen­dung ta­rif­wid­ri­ger be­trieb­li­cher Re­ge­lun­gen auch die Be­sei­ti­gung der durch die An­wen­dung sol­cher Re­ge­lun­gen ent­stan­de­nen Fol­gen und da­mit im Er­geb­nis die Erfüllung des Ta­rif­ver­tra­ges von dem Ar­beit­ge­ber ver­lan­gen kann, ist von der Recht­spre­chung bis­lang nicht ent­schie­den. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt weist in sei­nem Be­schluss vom 20. April 1999 (a.a.O.) al­ler­dings dar­auf hin, dass der Un­ter­las­sungs­an­spruch der Ge­werk­schaf­ten ge­gen ta­rif­wid­ri­ge be­trieb­li­chen Re­ge­lun­gen nicht auch die Be­fug­nis um­fas­se, In­di­vi­dual­ansprüche der Ge­werk­schafts­mit­glie­der ein­zu­kla­gen. Denn der Un­ter­las­sungs­an­spruch die­ne nur dem Schutz der kol­lek­ti­ven Ko­ali­ti­ons­frei­heit.

In der Li­te­ra­tur sind die Auf­fas­sun­gen ge­teilt. Ei­ni­ge be­ja­hen ei­nen ge­werk­schaft­li­chen Fol­gen­be­sei­ti­gungs­an­spruch mit dem Ar­gu­ment, ei­ne Be­sei­ti­gung der Störung im Sin­ne des § 1004 BGB sei nur in der Wei­se möglich, dass die ta­rif­lich ga­ran­tier­ten Leis­tun­gen nachträglich in vol­ler Höhe er­bracht würden (Däubler, AiB 1999, S. 481ff.; zu­stim­mend Kitt­ner/Zwan­zi­ger, Ar­beits­recht, Hand­buch, 4. Aufl., § 18 Rn. 114; s. auch Wal­ker, ZfA 2000, S. 38). An­de­re leh­nen ei­nen An­spruch der Ge­werk­schaf­ten auf rea­le Ta­riferfüllung ab un­ter Hin­weis dar­auf, dass § 1004 BGB nur ei­nen ne­ga­ti­ven Ab­wehran­spruch gewähre (Löwisch/Rieb­le, TVG, 2. Aufl., § 4 Rn. 53; Er­fur­ter Kom­men­tar zum ArbR(-Fran­zen), 9. Aufl., § 1 TVG Rn. 90; wohl auch Berg/Pla­tow, DB 1999, S. 2366).
 


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Der zu­letzt ge­nann­ten Auf­fas­sung gebührt aus rechts­dog­ma­ti­schen Gründen der Vor­zug. Denn die Vor­schrift des § 1004 BGB gewährt le­dig­lich ei­nen An­spruch auf Be­sei­ti­gung ei­ner be­ste­hen­den so­wie auf Un­ter­las­sung ei­ner künf­ti­gen Störung, nicht je­doch auch auf Her­stel­lung des frühe­ren Zu­stan­des durch Be­sei­ti­gung der Fol­gen ei­ner Störung (s. z.B. BGH v. 12.12.2003, NJW 2004, S. 1035; Pa­landt(-Bas­sen­ge), BGB, 68. Aufl., § 1004 Rn. 28). Kon­sti­tu­tiv ist in­so­weit die Ge­genwärtig­keit der Ein­wir­kung (BGH, a.a.O.). Es muss sich um ei­ne ste­tig sich er­neu­ern­de Quel­le der Rechts­guts­ver­let­zung han­deln (Pa­landt, a.a.O., Einf vor § 823 Rn. 29). Vor­lie­gend sind je­doch die streit­ge­genständ­li­chen Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen seit Au­gust 2008 nicht mehr in Kraft und nach der Ver­schmel­zung zum 6. Au­gust 2008 be­steht auch kei­ne Ta­rif­bin­dung des Ar­beit­ge­bers mehr. Ei­ne Fort­dau­er der ta­rif­wid­ri­gen Störung ist nicht mehr ge­ge­ben.

e) Ei­ne Fol­gen­be­sei­ti­gung kann da­nach al­len­falls im We­ge ei­nes
Scha­den­er­satz­an­spru­ches ver­langt wer­den. Die Kläge­rin be­ruft sich zur Be­gründung ih­rer Auf­fas­sung in­so­weit auf die Not­wen­dig­keit der Her­lei­tung ei­nes ent­spre­chen­den (Fol­gen-)Be­sei­ti­gungs­an­spruchs im We­ge ei­ner ver­fas­sungs­kon­for­men Aus­le­gung von § 1004 BGB un­ter Berück­sich­ti­gung der ver­fas­sungsmäßig ga­ran­tier­ten Ko­ali­ti­ons­frei­heit in Ver­bin­dung mit § 823 Abs. 1 BGB. Zwar ist die Ko­ali­ti­ons­frei­heit des Art. 9 Abs. 3 GG als geschütz­tes „sons­ti­ges Recht“ im Sin­ne des § 823 Abs. 1 BGB an­zu­se­hen, wo­mit ins­be­son­de­re auch die ge­werk­schaft­li­che Betäti­gungs­frei­heit zum Schutz­be­reich gehört (BAG v. 20.04.1999, a.a.O.). Doch setzt ein ent­spre­chen­der Scha­dens­er­satz­an­spruch ei­nen ei­ge­nen Scha­den bei der Kläge­rin und nicht bei ein­zel­nen ih­rer Mit­glie­der vor­aus.

Zwar gibt es – wor­auf auch das Ar­beits­ge­richt hin­ge­wie­sen hat - rechts­po­li­tisch gu­te Ar­gu­men­te dafür, den Ge­werk­schaf­ten - de le­ge fe­ren­da - zusätz­lich zum Un­ter­las­sungs­an­spruch bei ta­rif­wid­ri­gen be­trieb­li­chen Re­ge­lun­gen auch das Recht ein­zuräum­en, von ei­nem Ar­beit­ge­ber die Be­sei­ti­gung der Fol­gen sol­cher Re­ge­lun­gen für die hier­von be­trof­fe­nen Mit­ar­bei­ter bzw. je­den­falls für die hier­von be­trof­fe­nen Mit­glie­der der Ge­werk­schaft ver­lan­gen zu können. Denn es ist na­he­lie­gend, dass ein sol­cher An­spruch der Ge­werk­schaf­ten den An­reiz für Ar­beit­ge­ber, un­ter Be­tei­li­gung des Be­triebs­rats ta­rif­wid­ri­ge be­trieb­li­che Re­ge­lun­gen zu schaf­fen und die­se an die Stel­le der be­ste­hen­den kol­lek­ti­ven Ord­nung zu set­zen, stark re­du­zie­ren würde. Auch

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ist die in der ju­ris­ti­schen Dis­kus­si­on viel­fach bemühte Ein­wir­kungs­kla­ge der Ge­werk­schaft ge­gen den ta­rif­ver­trags­sch­ließen­den Ar­beit­ge­ber­ver­band (s. BAG v. 09.06.1982, AP Nr. 1 zu § 1 TVG Durchführungs­pflicht; BAG v. 29.04.1992, AP Nr. 3 zu § 1 TVG Durchführungs­pflicht) kein wirk­lich ef­fek­ti­ves Mit­tel des Rechts­schut­zes
ge­gen den Ta­rif­bruch (zu Recht kri­tisch Wal­ker, Fest­schrift Schaub (1998) S. 743, 758f.; Däubler, a.a.O., S. 481). Sch­ließlich hat die Kläge­rin auch zu­tref­fend dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Er­he­bung von In­di­vi­dual­kla­gen durch die vom Ta­rif­bruch be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer von die­sen als in ho­hem Maße ri­si­ko­be­haf­tet er­lebt würde und zu­dem auf­grund ab­ge­schlos­se­ner ta­rif­wid­ri­ger Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen zusätz­li­cher An­pas­sungs­druck be­steht.

Doch hat die Kläge­rin nicht sub­stan­ti­iert dar­ge­legt, dass ihr durch die An­wen­dung der ehe­ma­li­gen Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen in den Be­trie­ben der Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten tatsächlich ein ei­ge­ner Scha­den ent­stan­den ist. Durch die Ab­wei­chun­gen vom Man­tel­ta­rif­ver­trag der M. auf­grund der Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen mag ein Scha­den bei den in den Gel­tungs­be­reich der Re­ge­lun­gen fal­len­den Ar­beit­neh­mern ent­stan­den sein, der in Form ver­fal­le­ner Zeit­gut­ha­ben oder ge­rin­ge­rer Mehr­ar­beits­vergütung zum Aus­druck kommt. Die­sen kann die Kläge­rin je­doch – wie mehr­fach dar­ge­legt – nicht im ei­ge­nen Na­men gel­tend ma­chen. Die­se in­di­vi­du­el­len Schäden stel­len auch noch nicht die Ko­ali­ti­ons­betäti­gungs­frei­heit der Kläge­rin in Fra­ge. Wenn die Kläge­rin ar­gu­men­tiert, die prak­ti­sche Wirk­sam­keit der Ta­rif­au­to­no­mie sei für sie ei­ne ver­bands­po­li­ti­sche Exis­tenz­fra­ge, so ist dies im Grund­satz si­cher rich­tig. Die Wirk­sam­keit der Ta­rif­au­to­no­mie wird aber noch nicht durch die Ver­let­zung ein­zel­ner Ta­rif­vor­schrif­ten in ein­zel­nen Be­trie­ben be­droht (s. BAG v. 20.04.1999, a.a.O.; s. auch ErfK(-Fran­zen), a.a.O., § 1 TVG Rn. 90), zu­mal die Kläge­rin bei fort­dau­ern­den Rechts­verstößen mit der Un­ter­las­sungs­kla­ge vor­ge­hen könn­te. Zu­dem hat die Kläge­rin ei­nen kon­kre­ten ei­ge­nen Scha­den durch die An­wen­dung der ehe­ma­li­gen Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen in den Be­trie­ben der Be­klag­ten – et­wa durch Mit­glie­der­ver­lus­te auf­grund der Nicht­be­ach­tung des Man­tel­ta­rif­ver­tra­ges – nicht dar­ge­tan. Nach al­lem ist auch ein im We­ge ei­ner ver­fas­sungs­kon­for­men Aus­le­gung des § 1004 BGB ge­won­ne­ner Fol­gen­be­sei­ti­gungs­an­spruch als Scha­dens­er­satz­an­spruch nicht zu be­ja­hen.

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f) Ih­ren An­spruch kann die Kläge­rin auch nicht mit Er­folg auf § 23 Abs. 3 des Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes stützen. Denn des­sen Schutz­zweck ist auf die Si­che­rung der Mit­be­stim­mungs­rech­te des Be­triebs­ra­tes ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber ge­rich­tet, nicht auf den Schutz der Ko­ali­ti­ons­betäti­gungs­frei­heit. Mit der Vor­schrift soll das ord­nungs­gemäße Funk­tio­nie­ren der Be­triebs­ver­fas­sung im Zu­sam­men­spiel von Be­triebs­rat und Ar­beit­ge­ber gewähr­leis­tet wer­den BAG v. 20.04.1999, a.a.O.). So hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt in der vor­ge­nann­ten Ent­schei­dung auch in Zwei­fel ge­zo­gen, ob § 23 Abs. 3 Be­trVG über­haupt zur Ab­wehr von Verstößen ge­gen § 77 Abs. 3 Be­trVG ge­eig­net ist. Je­den­falls aber gibt auch die Be­triebs­ver­fas­sung dem Be­triebs­rat – ent­spre­chend wie den Ge­werk­schaf­ten bei Ta­rif­verstößen, die sich in­di­vi­du­ell aus­wir­ken – nicht das Recht , Ansprüche ein­zel­ner Be­leg­schafts­mit­glie­der zu ver­fol­gen. Zu­dem stellt § 23 Abs. 3 Be­trVG kei­ne Scha­dens­er­satz­re­ge­lung dar, da er ver­schul­dens­un­abhängig ist (Fit­ting u.a., Be­trVG, 24. Aufl., § 23 Rn. 64).

g) Da die Kläge­rin kei­nen An­spruch ge­genüber der Be­klag­ten auf Be­sei­ti­gung der Fol­gen hat, die durch die An­wen­dung der ehe­ma­li­gen Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen „Ar­beits­zeit­re­ge­lung für den Tech­ni­schen Außen­dienst“ vom 22. De­zem­ber 2005 und „Glei­ten­de Ar­beits­zeit im In­nen­dienst“ vom 14. Fe­bru­ar 2007 durch ih­re Rechts­vorgänge­rin ent­stan­den sind, kann da­hin­ge­stellt blei­ben, ob die Anträge der Kläge­rin zu weit ge­fasst sind, weil sie sich auf sämt­li­che Mit­ar­bei­ter und Mit­ar­bei­te­rin­nen, die in den Gel­tungs­be­reich der ehe­ma­li­gen Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen fal­len, be­zie­hen und un­berück­sich­tigt las­sen, dass der Man­tel­ta­rif­ver­trag der M. Ham­burg/Schles­wig-Hol­stein in § 3 Zif­fer 1.2.2 ge­stat­tet, mit 13 Pro­zent der im Ta­rif­be­reich beschäftig­ten Mit­ar­bei­tern ei­ne wöchent­li­che Ar­beits­zeit bis zu 40 St­un­den zu ver­ein­ba­ren.

h) Auf­grund der vor­ste­hen­den Ausführun­gen kann auch da­hin­ge­stellt blei­ben, ob den gel­tend ge­mach­ten Ansprüchen der Kläge­rin die im Man­tel­ta­rif­ver­trag ent­hal­te­nen Aus­schluss­fris­ten ent­ge­gen­ste­hen oder be­reits des­halb nicht, weil die Kläge­rin ei­ge­ne Rech­te gel­tend macht (so Däubler, a.a.O., S. 483).

Nach al­lem war die Be­ru­fung der Kläge­rin zurück­zu­wei­sen.

26

III.


Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 97 ZPO.

Die Re­vi­si­on war zu­zu­las­sen, da die Sa­che grundsätz­li­che Be­deu­tung hat (§ 72 Abs. 2 Zif­fer 1 ArbGG).

Beck 

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