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LAG Hamburg, Urteil vom 18.06.2009, 2 Sa 176/08
Schlagworte: | Betriebsvereinbarung | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Hamburg | |
Aktenzeichen: | 2 Sa 176/08 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 18.06.2009 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | ||
Landesarbeitsgericht Hamburg
Urteil
Im Namen des Volkes
Geschäftszeichen:
2 Sa 176/08
( 11 Ca 81/08 ArbG Hamburg)
In dem Rechtsstreit
Verkündet am:
18. Juni 2009
Ohde
JOS`in
Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
erkennt das Landesarbeitsgericht Hamburg, Zweite Kammer, auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. März 2009 durch den
Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Beck als Vorsitzenden
den ehrenamtlichen Richter Meeder
den ehrenamtlichen Richter Schmuck
für Recht:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 06. August 2009 - 11 Ca 81/08 – wird zurückgewiesen.
2
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Urteil kann Revision bei dem Bundesarbeitsgericht eingelegt werden. Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf der Verletzung einer Rechtsnorm beruht.
Die Revisionsschrift muss enthalten:
- die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Revision gerichtet wird;
- die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Revision eingelegt wird.
Mit der Revisionsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Die Revision ist zu begründen. Die Revisionsbegründung muss enthalten:
- die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt
wird (Revisionsanträge),
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- die Angabe der Revisionsgründe, und zwar,
a) die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt,
b) soweit die Revision darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
Die Revision kann nur ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin, der bzw. die bei einem deutschen Gericht zugelassen ist, oder eine Gewerkschaft, eine Vereinigung von Arbeitgebern oder ein Zusammenschluss solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder einlegen und begründen. Dies gilt entsprechend für juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Die Frist für die Einlegung der Revision (Notfrist) beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Revision zwei Monate. Die Revisionsbegründungsfrist kann auf Antrag einmal bis zu einem weiteren Monat verlängert werden.
Die Revisionsfrist und die Revisionsbegründungsfrist beginnen mit dem Tage der von Amts wegen erfolgten Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils des Landesarbeitsgerichts, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Hinweis:
1. Die Anschrift des Bundesarbeitsgerichts lautet:
Hugo-Preuß-Platz 1 – 99084 Erfurt
2. Aus technischen Gründen sind die Revisionsschrift, die Revisionsbegründungsschrift
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Ausfertigung (und für jeden weiteren Beteiligten eine Ausfertigung mehr) bei dem Bundesarbeitsgericht einzureichen.
3. Zur Möglichkeit der Einlegung der Revision mittels elektronischen Dokuments wird auf die Verordnung vom 9. März 2006 (BGBl I, 519 ff) hingewiesen.
T a t b e s t a n d
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern anzubieten, Mehrarbeitsstunden bzw. verfallene Zeitguthaben durch Bezahlung oder in Freizeit abzugelten. Dabei geht es um die Erfüllung von Ansprüchen aus einem ehemals im Betrieb der Beklagten Anwendung findenden Tarifvertrag.
Die Beklagte gehört zum P-Konzern. Durch Betriebsvereinbarung gemäß § 3 Betriebsverfassungsgesetz sind bei der Beklagten zwei Betriebsräte gebildet, nämlich ein Betriebsrat für den Außendienst und ein Betriebsrat für den Innendienst. Im Außendienst beschäftigt die Beklagte ca. 650 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, im Innendienst ca. 319 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die P MS GmbH, war Mitglied von N., dem Verband
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M. Hamburg /Schleswig-Holstein an. Die Beklagte ist nicht Mitglied von N. und nicht tarifgebunden.
Die Klägerin, die GM., ist in den Betrieben der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin vertreten.
Der zwischen der Klägerin und N. geschlossene Manteltarifvertrag für die M. Hamburg/Schleswig-Holstein sieht vor, dass mit 13 % aller Beschäftigten eines Betriebes eine längere individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von bis zu 40 Stunden vereinbart werden kann (Ziffer 1.2.2 i. V. m. 1.2 MTV).
Unter dem Datum des 22. Dezember 2005 schloss die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit dem Betriebsrat für den Außendienst die Betriebsvereinbarung für den technischen Außendienst (VM-PW-1004/2005), die ab dem 1. März 2006 galt. Die Gegenstände der vorgenannten Betriebsvereinbarung betreffen u. a. die Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die Wochentage sowie die Vergütung von Mehrarbeit. Auszugsweise heißt es in der Betriebsvereinbarung:
„1. Geltungsbereich
1.1. Persönlich
Diese Betriebsvereinbarung gilt für die nachfolgenden Mitarbeiter/innen des technischen Außendienstes, d. h.
- Service-Techniker (SVT)
- Technische Support-Ingenieure (TSI)
- Anwendungstrainer (SAT)...
2. Arbeitszeit
2.1 Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ...
Die Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit beträgt 35 Stunden pro
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Woche gearbeitet. Daraus ergibt sich eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden. Hinsichtlich der Vergütung dieser Stunden wird eine gesonderte Regelung getroffen. Die tägliche Sollarbeitszeit beträgt 1/5 der jeweils gültigen Wochenarbeitszeit und wird in der Regel an fünf Werktagen in der Woche von Montag bis Freitag erbracht. ...
4. Zeitkonten
4.1. Persönliches Zeitkonto
Zeitguthaben und Zeitunterschreitungen, die sich aus der Saldierung von Ist-und Sollarbeitszeit am Ende des Monats unter Verrechnung des Übertrags aus dem Vormonat ergeben, dürfen 40 Minusstunden nicht unter- und 150 Plusstunden nicht überschreiten.
Über diese Grenze hinausgehende Zeitguthaben verfallen, diese können weder vergütet noch ausgeglichen werden. ...
9. Bonus
Als Ausgleich für die Erhöhung der Wochenarbeitszeit im unter 2. dieser Betriebsvereinbarung genannten Umfang erhalten die Mitarbeiter/innen anstelle etwaiger anderer Vergütungsansprüche einen leistungs- bzw. erfolgsabhängigen Bonus, dessen Zahlung an die Erreichung spezifischer Parameter gebunden ist und dessen Verteilung in einer gesonderten Protokollnotiz zu dieser Betriebsvereinbarung geregelt wird ...“.
Hinsichtlich des Inhalts dieser Betriebsvereinbarung wird auf den als Anlage A 2 vorgelegten Text der Betriebsvereinbarung ergänzend Bezug genommen (Bl. 27 ff. d. A.).
Außerdem schloss die Rechtsvorgängerin der Beklagten am 14. Februar 2007 mit dem Betriebsrat für den Innendienst die Betriebsvereinbarung „Gleitende Arbeitszeit im Innendienst“ (VM-PW 1001/2007), die ab dem 1. März 2007 gültig war. Diese Betriebsvereinbarung regelte u. a. die Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, den
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Gleitzeitrahmen und den persönlichen Gleitzeitrahmen der Mitarbeiter. Auszugsweise weist sie folgenden Wortlaut auf:
„2. Geltungsbereich ...
2.2 Persönlich
Diese Vereinbarung gilt grundsätzlich für alle dem Betriebsverfassungsgesetz unterliegenden vollzeitbeschäftigten Mitarbeiter/innen, mit Ausnahme der leitenden Angestellten i. S. von § 5 Abs. 3 BetrVG, der Leiharbeiter/innen und derjenigen Mitarbeiter/innen mit abweichend geregelter Arbeitszeit. Für Teilzeitbeschäftigte sind die nachstehenden Bestimmungen sinngemäß anzuwenden.
3.1. Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (Sollzeit)
Die Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag bzw. aus dem jeweils gültigen Tarifvertrag.
Die tägliche Sollarbeitszeit beträgt ein Fünftel der jeweils gültigen Wochenarbeitszeit und wird in der Regel an 5 Werktagen in der Woche von Montag bis Freitag erbracht. ...
3.3. Gleitzeitrahmen
Der Gleitzeitrahmen ist die Zeit zwischen 06:00 Uhr und 22:00 Uhr. In dieser Zeit hat der/die Mitarbeiter/in das Recht, Beginn und Ende der Anwesenheit am Arbeitsplatz individuell zu bestimmen. ...
4. Gleitzeitkonto...
4.1. Persönlicher Gleitzeitspielraum
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Zeitguthaben und Zeitunterschreitungen, die sich aus der Saldierung von Ist-und Sollarbeitszeit am Ende des Monats unter Verrechnung des Übertrags aus dem Vormonat ergeben, dürfen 20 Minusstunden nicht unter- und 70 Plusstunden nicht überschreiten.
Über diese Grenze hinausgehende Zeitguthaben verfallen, diese können weder ausgeglichen noch vergütet werden ...“
Hinsichtlich des Wortlauts der vorgenannten Betriebsvereinbarung wird ergänzend auf den als Anlage A 1 vorgelegten Text der Betriebsvereinbarung Bezug genommen (Bl. 14 ff. d. A.).
Die Protokollnotiz 1 zur Betriebsvereinbarung „Gleitende Arbeitszeit im Innendienst“ weist auszugsweise folgenden Wortlaut auf (Bl. 21 ff. d. A.):
„...
2. Mehrarbeit
Alle Mitarbeiter/innen sind für die Geltungsdauer dieser Protokollnotiz verpflichtet, bei entsprechendem Arbeitsanfall, durchschnittlich fünf Stunden pro Woche Mehrarbeit zu leisten, für die sie abweichend von Ziffer 4.6 der Betriebsvereinbarung zur Gleitenden Arbeitszeit einen Ausgleich gemäß Ziffer 3 ff. erhalten. Mitarbeiter/innen mit einer individuellen Incentive-Zusage erhalten keinen zusätzlichen Ausgleich gemäß Ziffer 3 ff..Teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter/innen sollten Mehrarbeit analog zu ihrem Beschäftigungsgrad leisten.
3. Ausgleich
Jede/r Mitarbeiter/in, die/der im abgelaufenen Geschäftsjahr der Regelung in Ziffer 2 nachgekommen ist, erhält als Ausgleich im Folgejahr einen Zielerreichungsbonus, der einmal jährlich ausgezahlt wird.
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4. Höhe der Bonuszahlung...“
Mit Schreiben vom 27. März 2007 forderte die Klägerin die Rechtsvorgängerin der Beklagten auf, die aus ihrer Sicht tarifwidrigen Betriebsvereinbarungen zu beseitigen (Bl. 104 f. d. A.).
Mit Wirkung zum 4. August 2008 wurden die beiden Betriebsvereinbarungen für den technischen Außendienst und „Gleitende Arbeitszeit im Innendienst“ durch die jeweiligen Betriebsparteien in Regelungsabreden überführt (für den Außendienst Anlage A 4, Bl. 257; für den Innendienst Anlage A 5, Bl. 258 d. A.).
Zum 6. August 2008 kam es zwischen der Beklagten und der P MS GmbH zu einer Verschmelzung. Seit diesem Zeitpunkt galten die Tarifverträge, die zwischen N. und der IG Metall abgeschlossen worden sind, nicht mehr im Betrieb der Beklagten, da diese nicht tarifgebunden ist.
Die Klägerin hat die Beseitigung tarifwidriger Auswirkungen der vorgenannten Betriebsvereinbarungen für die hiervon betroffenen Arbeitnehmer der Rechtsvorgängerin der Beklagten begehrt. Sie hat gemeint, die erstinstanzlich gestellten Klaganträge seien hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 ZPO und auch nicht zu weit gefasst, da die Rechtsvorgängerin der Beklagten gewusst habe, welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßig 35 Stunden pro Woche arbeiteten und darüber hinausgehend aufgrund der Betriebsvereinbarungen gearbeitet hätten. Der Rechtsvorgängerin der Beklagten seien auch diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekannt gewesen, bei denen es zum Verfall von Stunden aufgrund der beanstandeten Regelungen in den Betriebsvereinbarungen gekommen sei. Der Klägerin selbst sei eine namentliche Benennung dieser Beschäftigten nicht möglich, weil ihr die Zeitkonten der einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht bekannt seien und sie auch nicht wissen könne, bei welchen Beschäftigten es zum Verfall von Stunden gekommen sei. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe durch den Abschluss tarifwidriger Betriebsvereinbarungen gegen § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG, § 77 Abs. 3 BetrVG und Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes verstoßen. Die tarifwidrigen Auswirkungen dieser Betriebsvereinbarungen auf die Arbeitnehmer müssten beseitigt werden.
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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass u. a. die Bonusregelung in Ziffer 9 der Arbeitszeitregelung für den technischen Außendienst, aufgrund derer die Rechtsvorgängerin der Beklagten als Ausgleich für die Erhöhung der Wochenarbeitszeit um regelmäßig fünf Stunden anstelle etwaiger anderer Vergütungsansprüche einen leistungs- bzw. erfolgsabhängigen Bonus zahlen wolle, unwirksam sei. Des Weiteren sei die in Ziffer 4.1. Abs. 2 der Betriebsvereinbarung für den technischen Außendienst enthaltene Regelung, die vorsehe, dass über 150 Plusstunden hinausgehende Zeitguthaben verfallen und weder vergütet noch ausgeglichen werden könnten, unwirksam. Das Gleiche gelte für die in Ziffer 2 ff. der Protokollnotiz 1 zur Betriebsvereinbarung „Gleitende Arbeitszeit im Innendienst“ enthaltenen Regelungen, wonach für durchschnittlich fünf Stunden pro Woche Mehrarbeit nicht die sich aus Ziffer 4.6. der Betriebsvereinbarung i. V. m. dem Tarifvertrag ergebende Mehrarbeitsvergütung zu zahlen sei, sondern im Folgejahr ein Zielerreichungsbonus gezahlt werde, dessen Höhe sich am Grad der Zielerreichung anhand der Messgrößen Umsatz, Bruttomarge und Kosten der Organisation bemesse. Die durch diese Betriebsvereinbarung eingeführte Bonusregelung ersetze die übliche tarifvertragliche Vergütung durch eine andere Vergütungsregelung. Auch dies sei unwirksam. Gleiches gelte auch für die in Ziffer 4.1. Abs. 2 der Betriebsvereinbarung zur Gleitenden Arbeitszeit im Innendienst enthaltene Regelung, aufgrund der Zeitguthaben des Gleitzeitkontos, das 70 Plusstunden überschreite, verfallen und weder ausgeglichen noch vergütet werden könnten. Denn die Bestimmungen zum Verfall von Zeitguthaben, die oberhalb einer bestimmten Stundenanzahl lägen, ersetzten den tarifvertraglich in § 11 Ziffer 1 des MTV geregelten Grundsatz, dass geleistete Arbeit zu vergüten sei.
Die Klägerin hat gemeint, die Beseitigungsanträge seien gemäß § 1004, 823 BGB i. V. m. Artikel 9 Abs. 3 GG begründet, da die Rechtsvorgängerin der Beklagten Betriebsvereinbarungen geschaffen habe, die an die Stelle der geltenden kollektiven Ordnung des Tarifvertrages treten sollten. Diese Anspruchsgrundlage gebe der Klägerin aber nicht nur einen Anspruch auf Unterlassung tarifwidriger Regelungen. Vielmehr könne die Klägerin auch die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe eine verlängerte Wochenarbeitszeit im Außendienst bzw. eine regelmäßige Mehrarbeit von fünf Stunden im Innendienst entgegen genommen und habe hierfür einen Bonus in einer Höhe gezahlt, der deutlich unter dem tarifvertraglich geschuldeten Entgelt gelegen habe. Die darin liegende Störung des Grundrechts aus Artikel 9 Abs. 3 GG könne nur dadurch beseitigt werden, dass die Beklagte den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
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anbiete, die über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit durch Vergütung oder Freizeit abzugelten. Gleiches gelte auch für die aufgrund der unwirksamen Regelung der Betriebsvereinbarungen verfallenen Stunden. Zwar sei der Beseitigungsanspruch des § 1004 BGB grundsätzlich nur auf die Beseitigung der Beeinträchtigung für die Zukunft ausgerichtet, sodass die Herstellung des früheren Zustandes durch Beseitigung der aus der Beeinträchtigung resultierenden Folgen nicht verlangt werden könne. In Anbetracht des Grundrechts der Koalitionsfreiheit trete jedoch insoweit eine Besonderheit auf. Die ausgeübte Tarifautonomie werde durch tarifwidrige Betriebsvereinbarungen verletzt, die normativ im Betrieb an die Stelle des Tarifvertrages treten. Dies führe im Ergebnis dazu, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Leistungen erbrächten, zu denen sie aufgrund des Tarifvertrages nicht verpflichtet seien. Da sie angesichts der strukturellen Unterlegenheit der einzelnen Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber die Risiken arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen fürchteten, sei ein kollektiver Schutz erforderlich, um zu verhindern, dass ein Arbeitgeber die Früchte seiner tarifvertragswidrigen Handlungen sanktionslos behalten dürfe. Von daher sei eine verfassungskonforme Auslegung des § 1004 BGB geboten, da die Koalitionsfreiheit ohne einen entsprechenden Anspruch auf Folgenbeseitigung nur unzureichend gegen Beeinträchtigungen geschützt sei. Dem Anspruch der Klägerin stünden auch nicht die tarifvertraglichen Ausschlussfristen entgegen, da diese für die klagende Gewerkschaft keine Geltung beanspruchten, soweit es um die Beseitigung der Folgen der Verletzung der Tarifautonomie gehe. Zudem begründe erst die erstrebte Verurteilung der Beklagten, den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern Regelungen zur Beseitigung der Folgen des Tarifvertragsbruches anzubieten, die Ansprüche der Arbeitnehmer, sodass Ausschlussfristen nicht eingreifen könnten. Schließlich sei die Berufung der Rechtsvorgängerin der Beklagten auf die tariflichen Ausschlussfristen wegen des Verbots widersprüchlichen Verhaltens unwirksam.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte wird verurteilt, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die von der Arbeitszeitregelung für den technischen Außendienst (VM-PW 1004/2005) erfasst werden, für die ab 01.03.2006 über 35 Stunden pro Woche hinausgehenden Mehrarbeitsstunden (Ausgleichszeiträume 01.03. bis 31.08.2006; 01.09.2006 bis 28.02.2007, 01.03. bis 31.08.2007;
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01.09.2007 bis 29.02.2008) anzubieten, die Zeitguthaben durch Bezahlung oder in Freizeit abzugelten.
2. die Beklagte wird verurteilt, den von der Arbeitszeitregelung für den technischen Außendienst (VM-PW-1004/2005) betroffenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen anzubieten, alle gemäß Ziffer 4.1. der BV „Arbeitszeitregelung für den technischen Außendienst (VM-PW-1004/2005)“ verfallenen Zeitguthaben durch Freizeit oder Bezahlung abzugelten;
3. die Beklagte wird verurteilt, den in den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung „Gleitende Arbeitszeit im Innendienst (VM-PW-1001/2007)“ fallenden Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen anzubieten, alle über durchschnittlich 35 Stunden pro Woche (Ausgleichszeitraum 01.03. bis 31.08.2007; 01.09.2007 bis 29.02.2008) hinausgehenden Mehrarbeitsstunden durch Freizeit oder Bezahlung abzugelten;
4. die Beklagte wird verurteilt, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die in den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung „Gleitende Arbeitszeit im Innendienst (VM-PW-1001/2007)“ fallen, anzubieten, alle gemäß Ziffer 4.1. Abs. 2 dieser BV verfallenen Zeitguthaben durch Bezahlung oder Freizeit abzugelten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Anträge der Klägerin bereits unzulässig seien, da sie mangels Benennung der Mitglieder der Klägerin nicht hinreichend bestimmt seien. Außerdem fehle es an einer Anspruchsgrundlage für die Anträge, da diese im Ergebnis auf die Geltendmachung individueller Ansprüche hinausliefen. Zwar könne der Klägerin ein Unterlassungsanspruch gegen tarifunterschreitende Betriebsvereinbarungen zustehen, um eine
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Störung ihrer verfassungsmäßig geschützten Rechtsposition zu beenden. Die mit den streitgegenständlichen Anträgen verfolgten individuellen Ansprüche seien demgegenüber für die Betätigung oder den Bestand der Klägerin nicht von Bedeutung. Dies werde bereits darin deutlich, dass die Klägerin selbst tarifliche Ausschlussfristen mitgeregelt habe, die entsprechende Ansprüche selbst dann ausschließen könnten, wenn sie ursprünglich bestanden hätten. Im Übrigen stünden die Betriebsvereinbarungen für den technischen Außendienst und den Innendienst im Einklang mit den Vorgaben des MTV. So sei die Regelung der 35-Stunden-Wochenarbeitszeit plus fünf Stunden Mehrarbeit wegen § 6 Ziffer 4 des MTV möglich. Die Regelung hinsichtlich von acht Stunden täglicher Arbeitszeit sei nur deklaratorisch gemeint gewesen. Zudem schließe der Tarifvertrag eine Samstagsarbeit nicht generell aus, zumal diese nur auf Einzelfälle bezogen gewesen sei. Die Regelung hinsichtlich der 150 Plusstunden habe nur der Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter dienen sollen. Notwendige Mehrarbeit sei auch dann vergütet worden. Auch die Betriebsvereinbarung zum Außendienst sei tarifkonform. Zweifel könnten sich allenfalls hinsichtlich der Protokollnotiz im Hinblick auf die Bonuszahlung ergeben haben. Die Beklagte hat gemeint, der Klägerin gehe es auch nicht um eigene Rechte als Koalition. Zudem würde sich die Klägerin mit ihren Anträgen über die zu beachtenden tariflichen Ausschlussfristen hinwegsetzen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 6. August 2008 – 11 Ca 81/08 – Bl. 178 ff. d. A. – die Klage abgewiesen. Die Anträge seien zulässig, jedoch unbegründet. Die Klage sei zulässig, da die Klaganträge hinreichend bestimmt seien. Die Anträge bezögen sich auf alle Arbeitnehmer, die unter die Betriebsvereinbarungen fallen. Damit sei der Arbeitnehmerkreis für die Rechtsvorgängerin der Beklagten hinreichend bestimmbar. Die Klägerin sei auch prozessführungsbefugt. Da die Klägerin sich auf die Koalitionsfreiheit berufe, liege keine Prozessstandschaft für ihre Mitglieder vor. Die Klage sei aber unbegründet. Denn es stehe der Klägerin keine Anspruchsgrundlage aus Artikel 9 Abs. 3 des GG i. V. m. § 1004 BGB zur Seite. Dies gelte auch dann, wenn die streitgegenständlichen Betriebsvereinbarungen tatsächlich im Widerspruch zu Tarifregelungen stünden. Zwar gäbe es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich einen Anspruch der Gewerkschaft auf Unterlassung tarifwidriger Betriebsvereinbarungen. Dieser Unterlassungsanspruch umfasse aber nicht einen Anspruch der Gewerkschaft auf Erfüllung tarifvertraglicher Ansprüche der Arbeitnehmer bei tarifwidrigen Betriebsvereinbarungen. Einen Folgenbeseitigungs-Erfüllungsanspruch gäbe es rechtlich nicht. Denn § 1004 BGB gebe nur einen Anspruch auf Störungsbeseitigung bzw. auf Unterlassung künftiger Störung, nicht aber
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auf Herstellung des früheren Zustandes durch Folgenbeseitigung. Hier komme höchstens ein Schadenersatzanspruch in Betracht. Der Unterlassungsanspruch der Gewerkschaft hinsichtlich der weiteren Anwendung tarifwidriger Betriebsvereinbarungen reiche aus. Das von der IG Metall angestrebte Ziel könne auch nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des § 1004 BGB erreicht werden, da es insoweit an einer gesetzlichen Grundlage fehle. Daher könne offen bleiben, ob die Klaganträge zu weit gefasst seien, weil sie sich auf sämtliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezögen. Dahinstehen könne auch, ob die tariflichen Ausschlussfristen etwaigen klägerischen Ansprüchen wirksam entgegengehalten werden könnten.
Gegen das der Klägerin am 25. September 2008 (Bl. 196 d. A.) zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts vom 6. August 2008, auf dessen Begründung ergänzend Bezug genommen wird, hat diese mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2008, bei Gericht am 17. Oktober 2008 eingegangen (Bl. 205 d. A.), Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29. Dezember 2008 (Bl. 223 d. A.) mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2008, bei Gericht am gleichen Tage eingegangen (Bl. 227 d. A.), begründet.
Mit ihrem Berufungsvorbringen verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche gegenüber der Beklagten weiter. Diese hafte nach § 20 des Umwandlungsgesetzes als Rechtsnachfolgerin für alle Verbindlichkeiten ihrer Rechtsvorgängerin. Bei dieser galten die Tarifverträge der M. Hamburg/Schleswig-Holstein bis zum 6. August 2008. Zu den Regelungen des Manteltarifvertrages und den nach ihrer Auffassung davon abweichenden Regelungen der Betriebsvereinbarungen für den Außendienst und für den Innendienst macht die Klägerin weitere Ausführungen. Der Umstand, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Rechtsvorgängerin der Beklagten aufgrund der vorgenannten Betriebsvereinbarungen länger gearbeitet hätten als tariflich geregelt, lasse sich nicht rückgängig machen. Die Klägerin sei auch anspruchsberechtigt. Zum einen verletzten die Betriebsvereinbarungen ihre Koalitionsbetätigungsfreiheit. Denn Artikel 9 Abs. 3 S. 2 des GG verbiete auch tarifwidrige Betriebsvereinbarungen. Zudem seien die Betriebsvereinbarungen nichtig gemäß § 77 Abs. 3 BetrVG. Artikel 9 Abs. 3 GG sei als sonstiges Recht i. S. v. § 823 Abs. 1 BGB geschützt. Die Klägerin könne die Beseitigung der Beeinträchtigungen nach § 1004 Abs. 1 i. V. m. § 823 BGB verlangen. Zum anderen dürfe nicht übersehen werden, dass die individuelle Rechtsdurchsetzung seitens der Arbeitnehmer auf erhebliche Hindernisse stoße. Eines der Risiken für die Arbeitnehmer sei die Maßregelungsgefahr durch den Arbeitgeber. Zudem
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dürfe der zusätzliche Anpassungsdruck durch die tarifwidrigen Betriebsvereinbarungen nicht unterschätzt werden. Die Koalition selbst habe das Recht, die Einhaltung der Tarifverträge zu verlangen. Dies ergebe sich u. a. aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Als Anspruchsgrundlagen seien § 23 Abs. 3 BetrVG, § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Artikel 9 Abs. 3 GG und § 1004 i. V. m. § 823 BGB zu nennen. Ein Ausgleich sei auch für die Vergangenheit zu leisten. Denn der Klägerin sei ein Schaden entstanden, da die praktische Wirksamkeit der Tarifautonomie eine verbandspolitische Existenzfrage für die Klägerin sei. Die Verletzung ihrer Koalitionsbetätigungsfreiheit durch die tarifwidrigen Betriebsvereinbarungen verwirkliche sich bei den Beschäftigten. Im Streitfall mache die Klägerin eigene Rechte geltend. Das Ziel der Anträge der Klägerin sei der Ausgleich der Folgen tarifwidrigen Vorgehens. Durch die Betriebsvereinbarungen habe die Rechtsvorgängerin der Beklagten eine andere kollektive Ordnung an die Stelle der tarifvertraglichen Ordnung gesetzt. Wegen der Gleichstellungsabrede sei dies auch für die Außenseiter bedeutsam. Eine namentliche Nennung der Außenseiter sei schon deshalb nicht erforderlich, da es sich um einen eigenen Anspruch der Klägerin handele. Da allerdings nicht zu verkennen sei, dass möglicherweise einzelne Arbeitnehmer mit den Betriebsvereinbarungen einverstanden seien, habe die Klägerin mit ihren Anträgen auch nur die Verpflichtung der Beklagten zur Unterbreitung eines Angebots an die betreffenden Arbeitnehmer beantragt. Die tarifvertraglichen Ausschlussfristen griffen schon deshalb nicht, da die Klägerin vorliegend eigene Ansprüche geltend mache. Versage man der Klägerin den geltend gemachten Anspruch, so liege eine Lücke im Rechtsschutz vor. Denn wegen der üblicherweise langen Verfahrensdauer könne ein gewerkschaftlicher Unterlassungsanspruch oft nicht zum Erfolg führen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 06.08.2008, Az: 11 Ca 81/08 wie folgt abzuändern:
1. die Beklagte wird verurteilt, Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die von der Arbeitszeitregelung für den technischen Außendienst (VM-PW-1004/2005) erfasst werden, für die in der Zeit vom 01.03.2006 bis 03.08.2008 über 35 Stunden pro Woche hinausgehenden Mehrarbeitsstunden (Ausgleichszeigräume 01.03. bis 31.08.2006; 01.09.2006 bis 28.02.2007; 01.03. bis 31.08.2007; 01.09.2007 bis 29.02.2008; 01.03.2008 bis
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03.08.2008) anzubieten, die Zeitguthaben durch Bezahlung oder in Freizeit abzugelten.
2. die Beklagte wird verurteilt, den von der Arbeitszeitregelung für den technischen Außendienst (VM-PW-1004/2005) betroffenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen anzubieten, alle gemäß Ziffer 4.1. der BV „Arbeitszeitregelung für den technischen Außendienst (\TM PW-1004/2005)“ bis zum 01.08.2008 verfallenen Zeitguthaben durch Freizeit oder Bezahlung abzugelten;
3. die Beklagte wird verurteilt, den in den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung „Gleitende Arbeitszeit im Innendienst (\TM-PW-1001/2007) fallenden Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen anzubieten, alle im Zeitraum 01.03.2007 bis 03.08.2008 über durchschnittlich 35 Stunden pro Woche (Ausgleichszeitraum 01.03. bis 31.08.2007; 01.09.2007 bis 29.02.2008; 01.03.2008 bis 03.08.2008) hinausgehenden Mehrarbeitsstunden durch Freizeit oder Bezahlung abzugelten.
4. Die Beklagte wird verurteilt, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die in den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung „Gleitende Arbeitszeit im Innendienst (VM-PW-1001/2007) fallen, anzubieten, alle gemäß Ziffer 4.1. Abs. 2 dieser BV bis zum 01.08.2008 verfallenen Zeitguthaben durch Bezahlung oder Freizeit abzugelten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält die klägerischen Anträge für unzulässig und jedenfalls für unbegründet. Ein Anspruch aus § 23 Abs. 3 BetrVG stehe der Klägerin nicht zur Seite. Denn es gehe bei dieser Vorschrift nicht um Schadensersatz, da ein Verschulden insoweit unerheblich sei. Bei § 23 Abs. 3
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BetrVG gehe es nur um noch anhaltende Störungen des Mitbestimmungsrechts und nicht um die Rechtsposition einer Gewerkschaft. Schon aufgrund der Aufhebung der Betriebsvereinbarungen bestehe zudem keine Gefährdung der Tarifautonomie mehr. Auch könne die Klägerin nicht Ansprüche ihrer Mitglieder auf Erfüllung tariflicher Regelungen einklagen. Dies könne auch der Betriebsrat im Rahmen von § 23 Abs. 3 BetrVG nicht; entsprechendes gelte auch für eine Gewerkschaft.
Auf § 1004 BGB i. V. m. § 823 BGB i. V. m. Artikel 9 Abs. 3 GG könne sich die Klägerin auch nicht mit Erfolg berufen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts reiche die bloße Verletzung einzelner Tarifregelungen insoweit nicht aus. Zudem führe eine etwaige Tarifunterschreitung nicht zu einem Schaden bei der Klägerin, sondern nur bei einzelnen Arbeitnehmern. Zwar gäbe es einen Unterlassungsanspruch gegen eine konkurrierende betriebliche Normsetzung, nicht aber einen Anspruch auf Vollzug abgeschlossener Tarifverträge. Denn die Gewerkschaft habe ja die Möglichkeit, auf den tarifvertragsschließenden Arbeitgeberverband einzuwirken. Zudem fehle es an einem Vortrag zu dem Schaden hinsichtlich der gewerkschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten der Klägerin. Auch sei eine namentliche Benennung der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erforderlich für die Zulässigkeit der Anträge. Zudem wäre Voraussetzung für einen Folgenbeseitigungsanspruch, dass ein Unterlassungsanspruch bis zur Beendigung der Betriebsvereinbarungen gegeben gewesen wäre. Auch daran fehle es. Im Übrigen habe die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Vorrang des Tarifvertrages hinreichend beachtet. Auch könne die Klägerin nicht Ansprüche der bei ihr nicht organisierten Arbeitnehmer wahrnehmen. Ohnehin scheitere der klägerische Anspruch an den tarifvertraglichen Ausschlussfristen.
Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und Beweisangebote Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
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Die Berufung ist statthaft (§ 64 Abs.1, Abs.2 ArbGG) und, weil sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 64 Abs.6 S.1, 66 Abs.1 ArbGG, 519, 520 ZPO), auch im Übrigen zulässig.
II.
Die Berufung ist unbegründet, weil die Klage zulässig, aber unbegründet ist.
1. Die Anträge der Klägerin sind zulässig.
a) Die Klaganträge sind hinreichend bestimmt.
Die Klaganträge zu 1) bis 4) sind hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 ZPO. Die erhobenen Ansprüche sind hinsichtlich Inhalt und Umfang hinreichend konkret bezeichnet. Aus der Formulierung dieser Anträge geht in Verbindung mit dem persönlichen Anwendungsbereich der in den Anträgen benannten beiden ehemals im Betrieb der Rechtsvorgängerin der Beklagten geltenden Betriebsvereinbarungen über Arbeitszeit ausreichend deutlich hervor, dass sich die begehrte Verurteilung der Beklagten auf sämtliche Arbeitnehmer bezieht, die in den Anwendungsbereich der Betriebsvereinbarungen fallen. Dies sind gemäß Ziffer 1.1 der Betriebsvereinbarung „Arbeitszeitregelung für den technischen Außendienst“ (VM-PW-1004/2005) Service-Techniker (SVT), Technische Support-Ingenieure (TSI) und Anwendungstrainer (SAT). Gemäß Ziffer 2.2 der Betriebsvereinbarung „Gleitende Arbeitszeit im Innendienst“ (VM-PW-1001/2007) sind dies diejenigen Arbeitnehmer, die dem dort niedergelegten Geltungsbereich unterfallen. Für die Beklagte wäre daher im Falle einer entsprechenden Verurteilung erkennbar, welchen Mitarbeitern sie ein entsprechendes Angebot auf Abgeltung durch Bezahlung oder Freizeit zu unterbreiten hätte.
Der Zulässigkeit steht auch nicht die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19. März 2003 (4 AZR 271/02) entgegen, worin hinsichtlich der hinreichenden Bestimmtheit der Klaganträge die namentliche Benennung der Gewerkschaftsmitglieder, die in den dortigen
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Anträgen nicht erfolgt war, gefordert worden ist. Denn vorliegend geht es – anders als in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall – nicht um einen Unterlassungsantrag, sondern um die Verpflichtung der Beklagten, den unter den Geltungsbereich der ehemaligen Betriebsvereinbarungen fallenden Beschäftigten ein Angebot zu unterbreiten. Während der Arbeitgeber in der vorgenannten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nicht wusste und nicht wissen konnte, welche Arbeitnehmer Gewerkschaftsmitglieder sind, denen gegenüber er im Falle der Verurteilung ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen hätte, und er zudem auch nicht nach einer Mitgliedschaft fragen durfte (s. nur Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 10. Aufl., § 94 Rn. 20 m.w.N.), ist der Personenkreis für die Beklagte im vorliegenden Fall hinreichend bestimmbar. Dies gilt jedenfalls –wie hier- bei einer betrieblichen Regelung, die sich unabhängig von der bestehenden Tarifbindung auf die gesamte Belegschaft oder bestimmte Teile derselben erstreckt (LAG Baden-Württemberg v. 07.12.2007, ArbuR 2008, S. 185ff.). Denn in diesem Fall kann die angegriffene Regelung nur für alle betroffenen Arbeitnehmer oder gar nicht Bestand haben. Auch ergeben sich im Streitfall – anders als in der Fallgestaltung, die der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde lag – keine Bedenken hinsichtlich der Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers aufgrund der Antragstellung der Klägerin.
Die Frage, ob die Anträge in der Sache zu weit gefasst sind, weil sie sämtliche von den Arbeitszeitregelungen betroffenen Mitarbeiter der Beklagten als Adressaten eines von dieser zu unterbreitenden Angebots benennt, ist demgegenüber eine Frage der materiellrechtlichen Begründetheit der Anträge.
b) Die Klägerin ist auch prozessführungsbefugt.
Das Arbeitsgericht hat auch zutreffend festgestellt, dass die Klägerin prozessführungsbefugt ist. Diesbezüglich bestünden erhebliche Zweifel, wenn die Klägerin die geltend gemachten Klagansprüche nicht als eigene Ansprüche, sondern als Ansprüche der Mitarbeiter der Beklagten bzw. ihrer Mitglieder geltend machen würde. Denn insoweit sind weder Anhaltspunkte für eine gesetzliche noch für eine gewillkürte Prozessstandschaft der Klägerin gegeben. Von einer fehlenden Prozessstandschaft einer Gewerkschaft zur Geltendmachung tarifvertraglicher Ansprüche ihrer Mitglieder geht auch das Bundesarbeitsgerichts aus. So wird in der Entscheidung vom 20. April 1999 (1 ABR 72/98, BAGE 91, 210) zum Unterlassungsanspruch der Gewerkschaften bei tarifwidrigen betrieblichen Regelungen
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ausgeführt, dass ein solcher allerdings nicht die Befugnis der Gewerkschaft einschließt, Individualansprüche ihrer Mitglieder einzuklagen. Denn der Unterlassungsanspruch diene nur dem Schutz der kollektiven Koalitionsfreiheit.
Vorliegend stützt sich die Klägerin nach ihrem Vortrag jedoch nicht auf eine Geltendmachung der Individualansprüche ihrer Mitglieder oder sämtlicher Mitarbeiter der Beklagten, sondern ausdrücklich auf die ihr gemäß Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes zukommenden Koalitionsfreiheit, aus der sie einen Anspruch gegen die Beklagte darauf herleitet, die Folgen der Anwendung tarifwidriger Betriebsvereinbarungen für den Zeitraum ihrer Geltung bis zum 3. August 2008 in den Betrieben der Beklagten zu beseitigen. Diese Behauptung der Inhaberschaft eines geltend gemachten Rechts ist für die Bejahung der Prozessführungsbefugnis im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung ausreichend (vgl. Zöller(-Vollkommer), ZPO, 27. Aufl., Vor § 50 Rn 18). Die Frage, ob der behauptete Anspruch materiellrechtlich tatsächlich besteht, ist demgegenüber nicht im Rahmen der Zulässigkeit, sondern im Rahmen der Begründetheit der Klage zu prüfen.
2. Die Anträge der Klägerin zu 1) bis 4) sind unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegenüber der Beklagten darauf, diese zu verpflichten, den Beschäftigten, die in den Geltungsbereich der ehemaligen Betriebsvereinbarungen „Arbeitszeitregelung für den Technischen Außendienst“ vom 22. Dezember 2005 und „Gleitende Arbeitszeit im Innendienst“ vom 14. Februar 2007 fallen, anzubieten, alle über 35 Stunden pro Woche hinausgehenden Mehrarbeitsstunden bzw. verfallene Zeitguthaben durch Bezahlung oder Freizeit abzugelten. Denn der Klägerin steht kein Anspruch zu auf Beseitigung der Folgen, zu denen es aufgrund der Anwendung der beiden ehemaligen Betriebsvereinbarungen gekommen ist. Denn insoweit fehlt es an einer Rechtsgrundlage.
a) Dass die ehemalige Beklagte, die P MS GmbH, aufgrund Umwandlung erloschen ist, steht allerdings etwaigen Ansprüchen der Klägerin nicht entgegen. Denn gemäß § 20 des Umwandlungsgesetzes haftet die Beklagte auch für Verbindlichkeiten der Rechtsvorgängerin.
b) Es sprechen auch gute Gründe für den Vortrag der Klägerin, dass die beiden
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dem 4. August 2008 in Regelungsabreden überführt worden sind (zur Problematik s. BAG v. 20.11.1990, 1 AZR 643/89), gegen den Manteltarifvertrag für die M. Hamburg/Schleswig-Holstein verstoßen haben, der die regelmäßige Wochenarbeitszeit mit 35 Stunden festgelegt hat (§ 3 Ziffer 1.1. MTV, hinsichtlich entsprechender Bezahlung s. § 3 Ziffer 1.3). Dies gilt insbesondere in Anbetracht der in der Betriebsvereinbarung für den Außendienst von 2005 vereinbarten fünf regelmäßigen Mehrarbeitsstunden pro Woche, des geregelten Verfalls von Plusstunden ab 150 auf dem Zeitkonto und des leistungs- und erfolgsorientierten Bonus als Ausgleichsleistung sowie der entsprechenden Bestimmungen in der Betriebsvereinbarung für den Innendienst von 2007 hinsichtlich des Verfalls von Zeitguthaben bei über 70 Stunden und der Regelung regelmäßiger Mehrarbeit in der Protokollnotiz Nr. 1 einschließlich des Zielerreichungsbonus. Doch kann dies letztlich dahingestellt bleiben, da ein gewerkschaftlicher Folgenbeseitigungsanspruch im Hinblick auf vorangegangene mangelnde Tariferfüllung durch den Arbeitgeber keine gesetzliche Grundlage hat.
c) Zwar kann eine Gewerkschaft nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gemäß Art. 9 Abs. 3 GG i.V.m. § 1004 BGB von einem Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen die Unterlassung der Anwendung tarifwidriger Betriebsvereinbarungen verlangen. So hat das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 20. April 1999 (a.a.O.) ausgeführt, dass einer Gewerkschaft zur Abwehr von Eingriffen in die kollektive Koalitionsfreiheit ein Unterlassungsanspruch entsprechend § 1004 BGB zusteht. Denn nach allgemeiner Auffassung – so das Gericht - könne der in § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB geregelte Unterlassungsanspruch zur Abwehr von Eingriffen in alle nach § 823 BGB geschützten Rechte, Lebensgüter und Interessen herangezogen werden. Das Bundesarbeitsgericht schließt hieraus in ständiger Rechtsprechung, dass sich eine Koalition gegen rechtswidrige Eingriffe in ihre von Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes gewährleistete kollektive Koalitionsfreiheit mit Hilfe von Unterlassungsklagen wehren kann (Urteil v. 17.04.1998, 1 AZR 364/97; Beschluss v. 20.04.1999, a.a.O.). Zum Schutzbereich des § 823 BGB in Verbindung mit Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes gehöre nämlich auch das Recht der Koalition auf koalitionsmäßige Betätigung. Der Grundrechtsschutz der Koalitionsfreiheit richte sich auch gegen privatrechtliche Beschränkungen. Ihm kommt daher nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch Drittwirkung zu (BAG v. 20.04.1999, a.a.O.) Demnach sind Abreden, die die Koalitionsfreiheit einschränken oder zu
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behindern suchen, nichtig. Hierauf gerichtete Maßnahmen seien rechtswidrig und mit Rechtsbehelfen zu verhindern.
Danach kann eine Gewerkschaft von einem Arbeitgeber gestützt auf Art. 9 Abs. 3 GG i.V.m. § 1004 BGB zwar verlangen, dass er die Anwendung einer Betriebsvereinbarung, Regelungsabrede oder einer vertraglichen Einheitsregelung, durch die entsprechende Tarifnormen verdrängt werden sollen, unterlässt. Dieser Unterlassungsanspruch der Gewerkschaft umfasst jedoch – wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat - nicht auch den gegen den Arbeitgeber gerichteten Anspruch, die Folgen der Anwendung einer betrieblichen tarifwidrigen Regelung durch Erfüllung der tarifvertraglichen Ansprüche der Arbeitnehmer zu beseitigen.
d) Ob eine Gewerkschaft neben der Unterlassung der Anwendung tarifwidriger betrieblicher Regelungen auch die Beseitigung der durch die Anwendung solcher Regelungen entstandenen Folgen und damit im Ergebnis die Erfüllung des Tarifvertrages von dem Arbeitgeber verlangen kann, ist von der Rechtsprechung bislang nicht entschieden. Das Bundesarbeitsgericht weist in seinem Beschluss vom 20. April 1999 (a.a.O.) allerdings darauf hin, dass der Unterlassungsanspruch der Gewerkschaften gegen tarifwidrige betrieblichen Regelungen nicht auch die Befugnis umfasse, Individualansprüche der Gewerkschaftsmitglieder einzuklagen. Denn der Unterlassungsanspruch diene nur dem Schutz der kollektiven Koalitionsfreiheit.
In der Literatur sind die Auffassungen geteilt. Einige bejahen einen gewerkschaftlichen Folgenbeseitigungsanspruch mit dem Argument, eine Beseitigung der Störung im Sinne des § 1004 BGB sei nur in der Weise möglich, dass die tariflich garantierten Leistungen nachträglich in voller Höhe erbracht würden (Däubler, AiB 1999, S. 481ff.; zustimmend Kittner/Zwanziger, Arbeitsrecht, Handbuch, 4. Aufl., § 18 Rn. 114; s. auch Walker, ZfA 2000, S. 38). Andere lehnen einen Anspruch der Gewerkschaften auf reale Tariferfüllung ab unter Hinweis darauf, dass § 1004 BGB nur einen negativen Abwehranspruch gewähre (Löwisch/Rieble, TVG, 2. Aufl., § 4 Rn. 53; Erfurter Kommentar zum ArbR(-Franzen), 9. Aufl., § 1 TVG Rn. 90; wohl auch Berg/Platow, DB 1999, S. 2366).
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Der zuletzt genannten Auffassung gebührt aus rechtsdogmatischen Gründen der Vorzug. Denn die Vorschrift des § 1004 BGB gewährt lediglich einen Anspruch auf Beseitigung einer bestehenden sowie auf Unterlassung einer künftigen Störung, nicht jedoch auch auf Herstellung des früheren Zustandes durch Beseitigung der Folgen einer Störung (s. z.B. BGH v. 12.12.2003, NJW 2004, S. 1035; Palandt(-Bassenge), BGB, 68. Aufl., § 1004 Rn. 28). Konstitutiv ist insoweit die Gegenwärtigkeit der Einwirkung (BGH, a.a.O.). Es muss sich um eine stetig sich erneuernde Quelle der Rechtsgutsverletzung handeln (Palandt, a.a.O., Einf vor § 823 Rn. 29). Vorliegend sind jedoch die streitgegenständlichen Betriebsvereinbarungen seit August 2008 nicht mehr in Kraft und nach der Verschmelzung zum 6. August 2008 besteht auch keine Tarifbindung des Arbeitgebers mehr. Eine Fortdauer der tarifwidrigen Störung ist nicht mehr gegeben.
e) Eine Folgenbeseitigung kann danach allenfalls im Wege eines
Schadenersatzanspruches verlangt werden. Die Klägerin beruft sich zur Begründung ihrer Auffassung insoweit auf die Notwendigkeit der Herleitung eines entsprechenden (Folgen-)Beseitigungsanspruchs im Wege einer verfassungskonformen Auslegung von § 1004 BGB unter Berücksichtigung der verfassungsmäßig garantierten Koalitionsfreiheit in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB. Zwar ist die Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG als geschütztes „sonstiges Recht“ im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB anzusehen, womit insbesondere auch die gewerkschaftliche Betätigungsfreiheit zum Schutzbereich gehört (BAG v. 20.04.1999, a.a.O.). Doch setzt ein entsprechender Schadensersatzanspruch einen eigenen Schaden bei der Klägerin und nicht bei einzelnen ihrer Mitglieder voraus.
Zwar gibt es – worauf auch das Arbeitsgericht hingewiesen hat - rechtspolitisch gute Argumente dafür, den Gewerkschaften - de lege ferenda - zusätzlich zum Unterlassungsanspruch bei tarifwidrigen betrieblichen Regelungen auch das Recht einzuräumen, von einem Arbeitgeber die Beseitigung der Folgen solcher Regelungen für die hiervon betroffenen Mitarbeiter bzw. jedenfalls für die hiervon betroffenen Mitglieder der Gewerkschaft verlangen zu können. Denn es ist naheliegend, dass ein solcher Anspruch der Gewerkschaften den Anreiz für Arbeitgeber, unter Beteiligung des Betriebsrats tarifwidrige betriebliche Regelungen zu schaffen und diese an die Stelle der bestehenden kollektiven Ordnung zu setzen, stark reduzieren würde. Auch
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ist die in der juristischen Diskussion vielfach bemühte Einwirkungsklage der Gewerkschaft gegen den tarifvertragsschließenden Arbeitgeberverband (s. BAG v. 09.06.1982, AP Nr. 1 zu § 1 TVG Durchführungspflicht; BAG v. 29.04.1992, AP Nr. 3 zu § 1 TVG Durchführungspflicht) kein wirklich effektives Mittel des Rechtsschutzes
gegen den Tarifbruch (zu Recht kritisch Walker, Festschrift Schaub (1998) S. 743, 758f.; Däubler, a.a.O., S. 481). Schließlich hat die Klägerin auch zutreffend darauf hingewiesen, dass die Erhebung von Individualklagen durch die vom Tarifbruch betroffenen Arbeitnehmer von diesen als in hohem Maße risikobehaftet erlebt würde und zudem aufgrund abgeschlossener tarifwidriger Betriebsvereinbarungen zusätzlicher Anpassungsdruck besteht.
Doch hat die Klägerin nicht substantiiert dargelegt, dass ihr durch die Anwendung der ehemaligen Betriebsvereinbarungen in den Betrieben der Rechtsvorgängerin der Beklagten tatsächlich ein eigener Schaden entstanden ist. Durch die Abweichungen vom Manteltarifvertrag der M. aufgrund der Betriebsvereinbarungen mag ein Schaden bei den in den Geltungsbereich der Regelungen fallenden Arbeitnehmern entstanden sein, der in Form verfallener Zeitguthaben oder geringerer Mehrarbeitsvergütung zum Ausdruck kommt. Diesen kann die Klägerin jedoch – wie mehrfach dargelegt – nicht im eigenen Namen geltend machen. Diese individuellen Schäden stellen auch noch nicht die Koalitionsbetätigungsfreiheit der Klägerin in Frage. Wenn die Klägerin argumentiert, die praktische Wirksamkeit der Tarifautonomie sei für sie eine verbandspolitische Existenzfrage, so ist dies im Grundsatz sicher richtig. Die Wirksamkeit der Tarifautonomie wird aber noch nicht durch die Verletzung einzelner Tarifvorschriften in einzelnen Betrieben bedroht (s. BAG v. 20.04.1999, a.a.O.; s. auch ErfK(-Franzen), a.a.O., § 1 TVG Rn. 90), zumal die Klägerin bei fortdauernden Rechtsverstößen mit der Unterlassungsklage vorgehen könnte. Zudem hat die Klägerin einen konkreten eigenen Schaden durch die Anwendung der ehemaligen Betriebsvereinbarungen in den Betrieben der Beklagten – etwa durch Mitgliederverluste aufgrund der Nichtbeachtung des Manteltarifvertrages – nicht dargetan. Nach allem ist auch ein im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des § 1004 BGB gewonnener Folgenbeseitigungsanspruch als Schadensersatzanspruch nicht zu bejahen.
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f) Ihren Anspruch kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg auf § 23 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes stützen. Denn dessen Schutzzweck ist auf die Sicherung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates gegenüber dem Arbeitgeber gerichtet, nicht auf den Schutz der Koalitionsbetätigungsfreiheit. Mit der Vorschrift soll das ordnungsgemäße Funktionieren der Betriebsverfassung im Zusammenspiel von Betriebsrat und Arbeitgeber gewährleistet werden BAG v. 20.04.1999, a.a.O.). So hat das Bundesarbeitsgericht in der vorgenannten Entscheidung auch in Zweifel gezogen, ob § 23 Abs. 3 BetrVG überhaupt zur Abwehr von Verstößen gegen § 77 Abs. 3 BetrVG geeignet ist. Jedenfalls aber gibt auch die Betriebsverfassung dem Betriebsrat – entsprechend wie den Gewerkschaften bei Tarifverstößen, die sich individuell auswirken – nicht das Recht , Ansprüche einzelner Belegschaftsmitglieder zu verfolgen. Zudem stellt § 23 Abs. 3 BetrVG keine Schadensersatzregelung dar, da er verschuldensunabhängig ist (Fitting u.a., BetrVG, 24. Aufl., § 23 Rn. 64).
g) Da die Klägerin keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Beseitigung der Folgen hat, die durch die Anwendung der ehemaligen Betriebsvereinbarungen „Arbeitszeitregelung für den Technischen Außendienst“ vom 22. Dezember 2005 und „Gleitende Arbeitszeit im Innendienst“ vom 14. Februar 2007 durch ihre Rechtsvorgängerin entstanden sind, kann dahingestellt bleiben, ob die Anträge der Klägerin zu weit gefasst sind, weil sie sich auf sämtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die in den Geltungsbereich der ehemaligen Betriebsvereinbarungen fallen, beziehen und unberücksichtigt lassen, dass der Manteltarifvertrag der M. Hamburg/Schleswig-Holstein in § 3 Ziffer 1.2.2 gestattet, mit 13 Prozent der im Tarifbereich beschäftigten Mitarbeitern eine wöchentliche Arbeitszeit bis zu 40 Stunden zu vereinbaren.
h) Aufgrund der vorstehenden Ausführungen kann auch dahingestellt bleiben, ob den geltend gemachten Ansprüchen der Klägerin die im Manteltarifvertrag enthaltenen Ausschlussfristen entgegenstehen oder bereits deshalb nicht, weil die Klägerin eigene Rechte geltend macht (so Däubler, a.a.O., S. 483).
Nach allem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die Revision war zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG).
Beck
Meeder
Schmuck
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