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HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BAG, Ur­teil vom 26.07.2007, 8 AZR 769/06

   
Schlagworte: Betriebsübergang, Massenentlassung, Gemeinschaftsbetrieb: Kündigungsschutz
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 8 AZR 769/06
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 26.07.2007
   
Leitsätze:

 

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Mannheim, Urteil vom 12.04.2005, 12 Ca 596/04
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23.02.2006, 19 Sa 43/05
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

8 AZR 769/06
19 Sa 43/05
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ba­den-Würt­tem­berg

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

26. Ju­li 2007

UR­TEIL

Brüne, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,

pp.

1.

Be­klag­ter zu 1), Be­ru­fungs­be­klag­ter zu 1) und Re­vi­si­ons­be­klag­ter zu 1),

2.

Be­klag­te zu 2), Be­ru­fungs­be­klag­te zu 2) und Re­vi­si­ons­be­klag­te zu 2),

1.

Be­klag­te zu 3), Be­ru­fungs­be­klag­te zu 3) und Re­vi­si­ons­be­klag­te zu 3),
 


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hat der Ach­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 26. Ju­li 2007 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Hauck, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Böck und Brein­lin­ger so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Schömburg und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Wan­kel für Recht er­kannt:

Die Re­vi­si­on des Klägers ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ba­den-Würt­tem­berg - Kam­mern Mann­heim - vom 23. Fe­bru­ar 2006 - 19 Sa 43/05 - wird zurück­ge­wie­sen.


Der Kläger hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob das Ar­beits­verhält­nis des Klägers mit der D GmbH, der jet­zi­gen In­sol­venz­schuld­ne­rin, auf Grund ei­nes Be­triebsüber­g­an­ges auf die Be­klag­ten zu 2) und 3) über­ge­gan­gen ist und ob die­se ge­samt­schuld­ne­risch ver­pflich­tet sind, den Kläger wei­ter­zu­beschäfti­gen. Fer­ner strei­ten sie über die Wirk­sam­keit ei­ner von der D GmbH so­wie ei­ner vom Be­klag­ten zu 1) aus­ge­spro­che­nen Kündi­gung.


Der 1965 ge­bo­re­ne Kläger war seit 12. Au­gust 1991 bei der D GmbH, ei­nem Un­ter­neh­men des Dach­de­ck­er­hand­werks, als Zim­mer­mann beschäftigt. Er war Mit­glied des Be­triebs­rats.


Die D GmbH hat­te ih­ren Sitz und ihr Büro in der Ds­traße 16 in O. Sie un­ter­hielt ein La­ger auf dem Grundstück Ds­traße 11a in O, das sie von ei­nem ih­rer Geschäftsführer, U D, ge­mie­tet hat­te. Sie nutz­te 18 Fahr­zeu­ge, ei­nen Anhänger und ei­nen Stap­ler. Zu ih­ren Ma­schi­nen zähl­ten ua. vier auf dem Grundstück fest mon­tier­te Ma­schi­nen (For­mat­kreissäge, Ho­bel­ma­schi­ne, Ab­lenk­kreissäge und Bie­ge­ma­schi­ne), drei Las­ten­aufzüge, zwei Blech­sche­ren, ein Schweißbren­ner und ein Teer­o­fen. Des Wei­te­ren nutz­te sie Gerüsttei­le und Schut­t­roh­re. Geschäftsführer und Ge­sell­schaf­ter der D GmbH war ne­ben U D, dem jet­zi­gen Geschäftsführer der Be­klag­ten zu 2), auch U Da, der jet­zi­ge Geschäftsführer der Be­klag­ten zu 3).


Am 25. Ok­to­ber 2004 stell­ten die Geschäftsführer An­trag auf In­sol­ven­zeröff­nung über das Vermögen der D GmbH. In dem zwi­schen der D GmbH und ih­rem Be-
 


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triebs­rat ab­ge­schlos­se­nen In­ter­es­sen­aus­gleich vom 12. No­vem­ber 2004 wur­de fest­ge­stellt, dass man­gels fi­nan­zi­el­ler Mit­tel und aus­rei­chen­der Auf­träge der Geschäfts­be­trieb der D GmbH nicht fort­geführt wer­den könne und al­len Ar­beit­neh­mern gekündigt wer­den müsse. Be­stand­teil des In­ter­es­sen­aus­glei­ches war ei­ne Na­mens­lis­te der zu kündi­gen­den Mit­ar­bei­ter. Nach­dem der Be­triebs­rat nach Anhörung zu den Kündi­gun­gen am 15. No­vem­ber 2004 mit­ge­teilt hat­te, kei­ne Stel­lung­nah­me ab­zu­ge­ben, kündig­te die D GmbH mit Zu­stim­mung des vorläufi­gen In­sol­venz­ver­wal­ters, des Be­klag­ten zu 1), al­le Ar­beits­verhält­nis­se; das­je­ni­ge des Klägers mit Schrei­ben vom 17. No­vem­ber 2004 zum 30. April 2005. Das In­sol­venz­ver­fah­ren über das Vermögen der D GmbH (im Fol­gen­den: In­sol­venz­schuld­ne­rin) wur­de am 1. De­zem­ber 2004 eröff­net und der Be­klag­te zu 1) zum In­sol­venz­ver­wal­ter be­stellt. Die­ser stell­te mit Aus­nah­me des Buch­hal­ters die übri­gen 23 Ar­beit­neh­mer von ih­rer Ar­beits­pflicht frei und den Be­trieb der In­sol­venz­schuld­ne­rin da­mit ein. Nach­dem er den Be­triebs­rat mit Schrei­ben vom 13. De­zem­ber 2004, die­sem zu­ge­gan­gen am 16. De­zem­ber 2004, an­gehört hat­te, kündig­te er die Ar­beits­verhält­nis­se des Klägers und al­ler übri­gen Mit­ar­bei­ter er­neut und zwar mit noch im De­zem­ber 2004 zu­ge­gan­ge­nem Schrei­ben vom 27. De­zem­ber 2004 zum 31. März 2005. Die Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge bei der Agen­tur für Ar­beit er­folg­te am 17. Ja­nu­ar 2005. Die im Ei­gen­tum der In­sol­venz­schuld­ne­rin ste­hen­den Ar­beits­geräte und Fahr­zeu­ge veräußer­te der Be­klag­te zu 1) an die M GmbH.

Zeit­gleich mit der Stel­lung des In­sol­venz­an­tra­ges wur­den die Be­klag­ten zu 2) und 3), die Dienst­leis­tun­gen im Be­reich des Dach­de­ck­er­hand­werks an­bie­ten, ge­gründet. Bei­de nah­men ih­ren Geschäfts­be­trieb noch im Jah­re 2004 auf. Die Be­klag­te zu 2) un­terhält ihr La­ger auf dem Grundstück Ds­traße 11a. Auf die­sem im Ei­gen­tum ih­res Geschäftsführers be­find­li­chen Grundstück be­fand sich auch das La­ger der In­sol­venz­schuld­ne­rin. Das Büro der Be­klag­ten zu 2) be­fin­det sich im Pri­vat­haus ih­res Geschäftsführers in S. Die Be­klag­te zu 2) mie­te­te bzw. kauf­te von der M GmbH aus dem ehe­ma­li­gen Be­stand der In­sol­venz­schuld­ne­rin die vier auf dem Grundstück Ds­traße 11a fest in­stal­lier­ten Ma­schi­nen, drei Fahr­zeu­ge, auf de­nen noch der Schrift­zug der In­sol­venz­schuld­ne­rin an­ge­bracht war, und Büro­schreib­ti­sche. Sie nutzt die Fest­netz­num­mer der In­sol­venz­schuld­ne­rin wei­ter. Zum 1. De­zem­ber 2004 über­nahm sie von der In­sol­venz­schuld­ne­rin ei­nen Aus­zu­bil­den­den und stell­te ei­nen wei­te­ren bis 2003 bei der In­sol­venz­schuld­ne­rin beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer ein. In der Zeit bis März 2005 beschäftig­te sie je nach Ar­beits­an­fall fünf zu­vor bei der In­sol­venz­schuld­ne­rin täti­ge Mit­ar­bei­ter (zwei Dach­de­cker, ei­nen Dach­de­ck­er­hel­fer, ei­nen Speng­ler und ei­nen Iso­lie­rer) und stell­te
 


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die­se ab April 2005 fest ein. Ab 1. Mai 2005 beschäftig­te sie die frühe­re Büro­hil­fe der In­sol­venz­schuld­ne­rin.

Das Büro der Be­klag­ten zu 3) be­fin­det sich im um­ge­bau­ten ehe­ma­li­gen Ma­ga­zin der In­sol­venz­schuld­ne­rin. Fer­ner mie­te­te die Be­klag­te zu 3) ei­ne La­gerfläche von 350 qm an. Von der M GmbH kauf­te bzw. mie­te­te sie aus dem ehe­ma­li­gen Be­stand der In­sol­venz­schuld­ne­rin ei­nen Las­ten­auf­zug, ei­nen Anhänger und vier Fahr­zeu­ge. Von den Mit­ar­bei­tern der In­sol­venz­schuld­ne­rin beschäftigt sie zwei Speng­ler (ei­nen da­von bis März 2005), ei­nen Zim­mer­mann und als Aus­hil­fe bei Be­darf ei­nen Iso­lie­rer. Außer­dem stell­te sie zwei Dach­de­cker ein, die seit Jah­ren nicht mehr bei der In­sol­venz­schuld­ne­rin beschäftigt wa­ren.

Der Kläger meint, die Be­klag­ten zu 2) und 3) führ­ten seit 1. No­vem­ber 2004 den Be­trieb der In­sol­venz­schuld­ne­rin als ge­mein­sa­men Be­trieb wei­ter. Zur Um­ge­hung des § 613a BGB hätten die bei­den Geschäftsführer der Be­klag­ten zu 2) und 3) den Geschäftsführer der M GmbH ge­be­ten, die Be­triebs­mit­tel und das Ma­te­ri­al der In­sol­venz­schuld­ne­rin zu kau­fen, und ihm zu­ge­sagt, die­se dann zu über­neh­men. Die Be­klag­ten zu 2) und 3) hätten die Kun­den­kon­tak­te der In­sol­venz­schuld­ne­rin auf­recht­er­hal­ten und al­le we­sent­li­chen Be­triebs­mit­tel über­nom­men. Außer­dem tausch­ten sie die La­ger­plätze, Ma­te­ri­al, Fahr­zeu­ge, Werk­zeu­ge und Mit­ar­bei­ter un­ter­ein­an­der aus. Des Wei­te­ren ha­be die Be­klag­te zu 2) zwei Auf­träge von der In­sol­venz­schuld­ne­rin über­nom­men und zwei be­reits von der In­sol­venz­schuld­ne­rin an­ge­bahn­te Auf­träge er­hal­ten und aus­geführt. Die Be­klag­te zu 3) ha­be von der In­sol­venz­schuld­ne­rin ei­nen Auf­trag über­nom­men und zwei Auf­träge er­hal­ten und aus­geführt, die noch von der In­sol­venz­schuld­ne­rin an­ge­bahnt wor­den sei­en. Wei­ter be­haup­tet der Kläger, die Be­klag­ten zu 2) und 3) hätten Leis­tun­gen an Bau­stel­len ab­ge­rech­net, die noch von der In­sol­venz­schuld­ne­rin er­bracht wor­den sei­en.

Die aus­ge­spro­che­nen Kündi­gun­gen hält der Kläger für rechts­un­wirk­sam, weil der Be­trieb der In­sol­venz­schuld­ne­rin nicht still­ge­legt wor­den sei. Auch sei­en zum Zeit-punkt des Kündi­gungs­aus­spru­ches die In­sol­venz­schuld­ne­rin und der Be­klag­te zu 1) nicht kündi­gungs­be­rech­tigt ge­we­sen. Die Kündi­gun­gen sei­en auch des­halb un­wirk­sam, weil der Be­triebs­rat über ei­ne Be­triebs­sch­ließung und da­mit nicht ord­nungs­gemäß un­ter­rich­tet wor­den sei. So hätte dem Be­triebs­rat ins­be­son­de­re der Ver­kauf des In­ven­tars mit­ge­teilt wer­den müssen. Sch­ließlich macht der Kläger gel­tend, die Kündi­gun­gen ver­stießen ge­gen § 17 KSchG.
 


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Der Kläger hat zu­letzt be­an­tragt, 


1. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis des Klägers mit dem Be­klag­ten zu 1) durch die Kündi­gung der D GmbH vom 17. No­vem­ber 2004 nicht en­de­te;


2. die Be­klag­ten zu 2) und 3) ge­samt­schuld­ne­risch zu ver­ur­tei­len, den Kläger als Zim­mer­mann und Dach­de­cker wei­ter­zu­beschäfti­gen;

3. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis des Klägers auch nicht durch die Kündi­gung des Be­klag­ten zu 1) vom 27. De­zem­ber 2004 en­de­te;

4. fest­zu­stel­len, dass zwi­schen dem Kläger und den Be­klag­ten zu 2) und 3) seit 1. No­vem­ber 2004 ein Ar­beits­verhält­nis be­steht.

Die Be­klag­ten ha­ben Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt. 


Der Be­klag­te zu 1) hält die Kündi­gung we­gen der er­folg­ten Be­triebs­still­le­gung für so­zi­al ge­recht­fer­tigt. Er be­strei­tet, dass die Be­klag­ten zu 2) und 3) Be­triebs­mit­tel über­nom­men ha­ben und den Be­trieb in sei­ner bis­he­ri­gen Struk­tur fortführen.

Die Be­klag­te zu 2) und 3) be­strei­ten, den Be­trieb der In­sol­venz­schuld­ne­rin ge­mein­sam wei­ter­zuführen.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Die Be­ru­fung des Klägers hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ge­wie­sen und die Re­vi­si­on zu­ge­las­sen. Mit die­ser ver­folgt der Kläger sein Kla­ge­be­geh­ren wei­ter, während die Be­klag­ten die Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on be­an­tra­gen.

Ent­schei­dungs­gründe

A. Die Re­vi­si­on des Klägers ist nicht be­gründet. Durch die Kündi­gung des Be­klag­ten zu 1) vom 27. De­zem­ber 2004 ist das Ar­beits­verhält­nis des Klägers zum 31. März 2005 be­en­det wor­den.

I. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat ei­nen Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses des Klägers auf die Be­klag­ten zu 2) und 3) ver­neint, weil die­se kei­nen Ge­mein­schafts­be­trieb un­ter­hiel­ten. Dafür feh­le es an ei­ner ein­heit­li­chen Lei­tung. Der Kläger ste­he auch nicht in ei­nem Ar­beits­verhält­nis zu den Be­klag­ten zu 2) und 3) als Ar­beit­ge­ber­grup­pe,
 


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da ent­spre­chen­de ver­trag­li­che Be­zie­hun­gen nicht bestünden und § 613a BGB nicht zur An­nah­me ei­nes ein­heit­li­chen Ar­beits­verhält­nis­ses zwin­ge.


Auch ste­he der Kläger nicht in ei­nem Ar­beits­verhält­nis zur Be­klag­ten zu 2) oder zur Be­klag­ten zu 3). Der Be­trieb der In­sol­venz­schuld­ne­rin sei nicht auf die­se über­ge­gan­gen. Sie ver­folg­ten zwar den glei­chen Un­ter­neh­mens­zweck wie die In­sol­venz­schuld­ne­rin, je­doch las­se der er­heb­lich ge­rin­ge­re Mit­ar­bei­ter­stamm der Be­klag­ten zu 2) und 3) von vor­ne­her­ein nur ein be­grenz­tes Auf­trags­vo­lu­men zu und er­for­de­re ei­nen weit ge­rin­ge­ren und an­de­ren Or­ga­ni­sa­ti­ons- und Ver­wal­tungs­auf­wand als bei der In­sol­venz­schuld­ne­rin. De­ren Führungs­kon­zept sei auf die er­heb­lich klei­ne­ren Be­trie­be der Be­klag­ten zu 2) und 3) nicht über­trag­bar. Die­se hätten ins­be­son­de­re auch nicht die Haupt­be­leg­schaft über­nom­men. Das Tätig­wer­den der Be­klag­ten zu 2) auf zwei frühe­ren Bau­stel­len der In­sol­venz­schuld­ne­rin spre­che nicht für die Er­hal­tung der Be­triebs­i­den­tität. Dies sei eben­so wie der Fall der Auf­trags­an­bah­nung nur als Funk­ti­ons­nach­fol­ge an­zu­se­hen. Auch hätten die Be­klag­ten zu 2) und 3) nur je­weils Bruch­tei­le der tatsächli­chen Be­triebs­mit­tel der In­sol­venz­schuld­ne­rin ge­kauft oder an­ge­mie­tet und in ih­re neu­en Be­triebs­struk­tu­ren ein­gefügt. Der Über­gang von Be­triebs­tei­len schei­te­re be­reits dar­an, dass der Be­trieb der In­sol­venz­schuld­ne­rin nicht in über­g­angsfähi­ge Be­triebs­tei­le un­ter­glie­dert ge­we­sen sei.


Die vom Be­klag­ten zu 1) aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung ha­be das Ar­beits­verhält­nis wirk­sam zum 31. März 2005 be­en­det. Sie sei auf Grund der Be­triebs­still­le­gung gem. § 15 Abs. 4 KSchG zulässig. Die Anhörung des Be­triebs­ra­tes sei vor Aus­spruch der Kündi­gung ord­nungs­gemäß durch­geführt wor­den. Sch­ließlich sei die Kündi­gung nicht we­gen Ver­s­toßes ge­gen die Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge­pflicht un­wirk­sam. In­so­weit ge­nieße der Be­klag­te zu 1) Ver­trau­ens­schutz.

Die Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts hält im Er­geb­nis ei­ner re­vi­si­ons­recht­li­chen Über­prüfung stand.

II. Die Kla­ge auf Fest­stel­lung, dass das Ar­beits­verhält­nis des Klägers nicht durch die Kündi­gung des Be­klag­ten zu 1) vom 27. De­zem­ber 2004 be­en­det wor­den ist, ist un­be­gründet.


1. Die ge­gen den Be­klag­ten zu 1) er­ho­be­ne Kla­ge ist nicht be­reits des­halb un­schlüssig und so­mit un­be­gründet, weil der Kläger be­haup­tet, der Be­trieb sei am 1. No­vem­ber 2004 und da­mit vor dem Kündi­gungs­aus­spruch am 27. De­zem­ber 2004 gem. § 613a BGB auf die Be­klag­ten zu 2) und/oder 3) über­ge­gan­gen.
 


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a) Stützt ein Ar­beit­neh­mer sei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge ge­gen ei­nen Be­triebs­veräußerer al­lein auf die Be­haup­tung, der Be­trieb sei be­reits vor der Kündi­gung auf ei­nen Er­wer­ber über­ge­gan­gen, so führt dies zur Un­schlüssig­keit der Kla­ge. Ein Er­folg im Kündi­gungs­schutz­pro­zess setzt nämlich nach der punk­tu­el­len Streit­ge­gen­stands­theo­rie vor­aus, dass zum Zeit­punkt der Kündi­gung (noch) ein Ar­beits­verhält­nis be­steht. Dies gilt auch im Fal­le des Be­triebsüber­g­an­ges. Die Kündi­gung ei­nes Be­triebs­veräußerers nach der Be­triebsüber­tra­gung geht man­gels ei­nes mit ihm be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses ins Lee­re. Ei­ne gleich­wohl er­ho­be­ne Kla­ge auf Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung ist un­be­gründet, weil ein Ar­beits­verhält­nis mit dem Be­triebs­veräußerer nach dem ei­ge­nen Vor­brin­gen des ge­gen den Veräußerer vor­ge­hen­den Klägers nicht mehr be­steht (BAG 15. De­zem­ber 2005 - 8 AZR 202/05 - AP BGB § 613a Nr. 294 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 45 mwN). Al­ler­dings kann ein Ar­beit­neh­mer, wenn er sei­ne Kla­ge nicht nur auf die in­fol­ge des Be­triebsüber­g­an­ges ent­fal­le­ne Kündi­gungs­be­fug­nis stützt, sich das zu sei­nem Sach­vor­trag im Wi­der­spruch ste­hen­de Vor­brin­gen des Be­klag­ten, es ha­be kein Be­triebsüber­gang statt­ge­fun­den, we­nigs­tens hilfs­wei­se zu ei­gen ma­chen und sei­ne Kla­ge hier­auf stützen (BAG 15. De­zem­ber 2005 - 8 AZR 202/05 - aaO). Dann ist die Kla­ge zwar nach dem Haupt­vor­brin­gen un­schlüssig, nach dem Hilfs­vor­brin­gen je­doch schlüssig. Er­gibt sich im Ver­lau­fe des Rechts­streits auf Grund der fest­ge­stell­ten Tat­sa­chen, dass das Ar­beits­verhält­nis zum Zeit-punkt des Kündi­gungs­aus­spru­ches mit dem Kündi­gen­den nicht mehr be­stan­den hat, ist die Kündi­gungs­schutz­kla­ge un­be­gründet.


b) Das Haupt­vor­brin­gen des Klägers, der be­haup­tet, am 1. No­vem­ber 2004 sei es zu ei­nem Über­gang des Be­trie­bes der In­sol­venz­schuld­ne­rin auf die Be­klag­ten zu 2) und/oder 3) ge­kom­men, würde da­nach zur Un­schlüssig­keit der Kla­ge führen, so­weit sie sich ge­gen die vom Be­klag­ten zu 1) am 27. De­zem­ber 2004 aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung rich­tet. Der Kläger hat sei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge je­doch nicht al­lein auf die Be­haup­tung gestützt, der Be­trieb sei be­reits vor dem Kündi­gungs­aus­spruch auf die Be­klag­ten zu 2) und/oder 3) über­ge­gan­gen, son­dern er hat noch wei­te­re Un­wirk­sam­keits­gründe gel­tend ge­macht. Da­mit hat er sich den Vor­trag des Be­klag­ten zu 1) hilfs­wei­se zu ei­gen ge­macht, ein Be­triebsüber­gang ha­be nicht statt­ge­fun­den.


2. Zum Zeit­punkt des Aus­spru­ches der Kündi­gung am 27. De­zem­ber 2004 be­stand das zwi­schen dem Kläger und der In­sol­venz­schuld­ne­rin be­gründe­te Ar­beits­verhält­nis noch fort. Die­ses war nicht durch Be­triebsüber­gang auf die M GmbH, die Be-

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klag­ten zu 2) und 3) bzw. auf die Be­klag­te zu 2) oder die Be­klag­te zu 3) über­ge­gan­gen.


a) Geht ein Be­trieb oder ein Be­triebs­teil durch Rechts­geschäft auf ei­nen an­de­ren In­ha­ber über, so tritt die­ser in die Rech­te und Pflich­ten aus den im Zeit­punkt des Über­g­an­ges be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­sen ein, § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB.

Ein Be­triebsüber­gang im Sin­ne des § 613a BGB liegt vor, wenn ein neu­er Recht­sträger ei­ne wirt­schaft­li­che Ein­heit des Be­trie­bes oder Be­triebs­tei­les un­ter Wah­rung der Iden­tität fortführt. Ob ein im We­sent­li­chen un­veränder­ter Fort­be­stand der or­ga­ni­sier­ten Ge­samt­heit „Be­trieb“ bei dem neu­en In­ha­ber an­zu­neh­men ist, rich­tet sich nach den Umständen des kon­kre­ten Fal­les. Zu den maßgeb­li­chen Tat­sa­chen hierfür zählen ins­be­son­de­re die Art des be­tref­fen­den Be­trie­bes, der Über­gang der ma­te­ri­el­len Be­triebs­mit­tel wie Gebäude oder be­weg­li­che Güter so­wie de­ren Wert und Be­deu­tung, die Über­nah­me der im­ma­te­ri­el­len Be­triebs­mit­tel und der vor­han­de­nen Or­ga­ni­sa­ti­on, der Grad der Ähn­lich­keit mit der Be­triebstätig­keit des bis­he­ri­gen In­ha­bers, die Wei­ter­beschäfti­gung der Haupt­be­leg­schaft, der Über­gang von Kund­schaft und Lie­fe­ran­ten­be­zie­hun­gen und die Dau­er ei­ner even­tu­el­len Un­ter­bre­chung der Be­triebstätig­keit. Da­bei darf ei­ne Ein­heit nicht als bloße Tätig­keit ver­stan­den wer­den. Die Iden­tität der Ein­heit er­gibt sich auch aus an­de­ren Merk­ma­len, wie ih­rem Per­so­nal, ih­ren Führungs­kräften, ih­rer Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on, ih­ren Ar­beits­me­tho­den und ggf. den ihr zur Verfügung ste­hen­den Be­triebs­mit­teln. Den für das Vor­lie­gen ei­nes Über­g­an­ges maßgeb­li­chen Kri­te­ri­en kommt je nach der aus­geübten Tätig­keit und je nach den Pro­duk­ti­ons oder Be­triebs­me­tho­den un­ter­schied­li­ches Ge­wicht zu (BAG 24. Au­gust 2006 - 8 AZR 556/05 - AP BGB § 613a Nr. 315 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 59).


Der Be­triebsüber­gang tritt mit dem Wech­sel in der Per­son des In­ha­bers des Be­trie­bes ein. Der bis­he­ri­ge In­ha­ber muss sei­ne wirt­schaft­li­che Betäti­gung in dem Be­trieb ein­stel­len. Die bloße Möglich­keit zu ei­ner un­veränder­ten Fort­set­zung des Be­trie­bes genügt für die An­nah­me ei­nes Be­triebsüber­g­an­ges nicht. We­sent­li­ches Kri­te­ri­um für den Über­gang ist die tatsächli­che Wei­terführung oder Wie­der­auf­nah­me der Geschäftstätig­keit. Ei­ner be­son­de­ren Über­tra­gung ei­ner ir­gend­wie ge­ar­te­ten Lei­tungs-macht be­darf es we­gen des Merk­mals der Fortführung des Be­trie­bes nicht (BAG 6. April 2006 - 8 AZR 222/04 - AP BGB § 613a Nr. 299 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 49 mwN).


Der Über­gang ei­nes Be­triebs­tei­les steht für des­sen Ar­beit­neh­mer dem Be­triebsüber­gang gleich. Auch bei dem Er­werb ei­nes Be­triebs­tei­les ist es er­for­der­lich,
 


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dass die wirt­schaft­li­che Ein­heit ih­re Iden­tität be­wahrt. Be­triebs­tei­le sind Teil­ein­hei­ten (Teil­or­ga­ni­sa­tio­nen) des Be­trie­bes. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB setzt für den Be­triebs­teilüber­gang vor­aus, dass die über­nom­me­nen Be­triebs­mit­tel be­reits bei dem frühe­ren Be­triebs­in­ha­ber die Qua­lität ei­nes Be­triebs­tei­les hat­ten. Es reicht nicht aus, wenn der Er­wer­ber mit ein­zel­nen, bis­lang nicht teil­be­trieb­lich or­ga­ni­sier­ten Be­triebs­mit­teln ei­nen Be­trieb oder Be­triebs­teil gründet. Über­dies ist er­for­der­lich, dass der Er­wer­ber ge­ra­de die we­sent­li­chen Be­triebs­mit­tel des Teil­be­trie­bes über­nimmt (BAG 16. Fe­bru­ar 2006 - 8 AZR 211/05 - AP BGB § 613a Nr. 301 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 47 mwN).


b) Zu­tref­fend hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt er­kannt, dass zum Zeit­punkt des Aus­spru­ches der Kündi­gung durch den Be­klag­ten zu 1) das Ar­beits­verhält­nis des Klägers we­der auf die M GmbH noch auf die Be­klag­te zu 2) und/oder die Be­klag­te zu 3) über­ge­gan­gen war.


aa) Das Ar­beits­verhält­nis des Klägers ist nicht auf die M GmbH über­ge­gan­gen. Die­se hat den Be­trieb nicht über­nom­men. Zwar hat die­se Ge­sell­schaft die Ar­beits­geräte und die Fahr­zeu­ge er­wor­ben, die im Ei­gen­tum der In­sol­venz­schuld­ne­rin stan­den. Ein Be­triebsüber­gang setzt je­doch die tatsächli­che Wei­terführung oder die Wie­der­auf­nah­me der Geschäftstätig­keit des bis­he­ri­gen Be­triebs­in­ha­bers vor­aus. Dar­an fehlt es. Es ist nämlich we­der vom Be­ru­fungs­ge­richt fest­ge­stellt noch vom Kläger be­haup­tet, dass die M GmbH ei­ne be­trieb­li­che Tätig­keit im Dach­de­ck­er­hand­werk ent­fal­tet hat.


bb) Das Ar­beits­verhält­nis des Klägers war auch nicht auf die Be­klag­ten zu 2) und 3) als Ge­samt­schuld­ner über­ge­gan­gen.

Die Be­klag­ten zu 2) und 3) ha­ben den Be­trieb der In­sol­venz­schuld­ne­rin nicht als ge­mein­sa­men Be­trieb fort­geführt.

Ein ge­mein­sa­mer Be­trieb setzt vor­aus, dass sich zwei oder meh­re­re Un­ter­neh­men zur ge­mein­sa­men Führung ei­nes Be­trie­bes - zu­min­dest kon­klu­dent - recht­lich ver­bun­den ha­ben, so dass der Kern der Ar­beit­ge­ber­funk­tio­nen im so­zia­len und per­so­nel­len Be­reich von der­sel­ben in­sti­tu­tio­nel­len Lei­tung aus­geübt wird. Die An­nah­me ei­nes Ge­mein­schafts­be­trie­bes setzt ei­nen ein­heit­li­chen be­triebs­be­zo­ge­nen Lei­tungs­ap­pa­rat vor­aus (BAG 16. Fe­bru­ar 2006 - 8 AZR 211/05 - AP BGB § 613a Nr. 301 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 47 mwN).
 


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Das Lan­des­ar­beits­ge­richt ist zu Recht da­von aus­ge­gan­gen, dass die Vor­aus­set­zun­gen ei­nes ein­heit­li­chen Lei­tungs­ap­pa­ra­tes vom in­so­weit dar­le­gungs- und be­weis­pflich­ti­gen Kläger nicht sub­stan­ti­iert vor­ge­tra­gen wor­den sind. Bei­de Un­ter­neh­men ha­ben ei­ge­ne Geschäftsführer. Der Um­stand, dass die­se ver­schwägert sind, führt nicht zu der An­nah­me ei­ner ein­heit­li­chen Lei­tung (vgl. BAG 16. Fe­bru­ar 2006 - 8 AZR 211/05 - AP BGB § 613a Nr. 301 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 47). Nach den nicht mit Ver­fah­rensrügen an­ge­grif­fe­nen Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts verfügen die Be­klag­ten zu 2) und 3) über ei­nen ge­trenn­ten Mit­ar­bei­ter­stamm und nut­zen un­ter-schied­li­che Büroräume und La­gerflächen. Sie ha­ben un­ter­schied­li­che Be­triebs­mit­tel der In­sol­venz­schuld­ne­rin er­wor­ben. So­weit der Kläger be­haup­tet, die Be­klag­ten tausch­ten La­ger­plätze, Ma­te­ri­al, Fahr­zeu­ge, Werk­zeu­ge und Mit­ar­bei­ter un­ter­ein­an­der aus, ist die­ser von den Be­klag­ten be­strit­te­ne Sach­vor­trag nicht hin­rei­chend sub­stan­ti­iert.


Die Rüge des Klägers, das Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­be ihn un­ter Ver­s­toß ge­gen § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht dar­auf hin­ge­wie­sen, dass er zu den Vor­aus­set­zun­gen ei­nes ge­mein­sa­men Be­trie­bes nicht genügend sub­stan­ti­iert vor­ge­tra­gen ha­be, hat kei­nen Er­folg. Bei ei­ner Aufklärungsrüge ist dar­zu­le­gen, dass für das Ge­richt ei­ne Auf-klärungs­pflicht be­stan­den hat, die­se ver­letzt wor­den ist, was vor­ge­tra­gen wor­den wäre, wenn das Ge­richt der Aufklärungs­pflicht genügt hätte, und dass die Ent­schei­dung zu Guns­ten des Rügen­den aus­ge­fal­len wäre (BAG 13. De­zem­ber 2006 - 10 AZR 792/05 - EzA BGB 2002 § 611 Per­so­nal­ra­batt Nr. 2 mwN). Zur Dar­le­gung der Kau­sa­lität zwi­schen Ver­fah­rens­man­gel und Er­geb­nis des Be­ru­fungs­ur­teils genügt es, wenn der Schluss ge­recht­fer­tigt ist, bei rich­ti­gem Ver­fah­ren hätte das Be­ru­fungs­ge­richt mögli­cher­wei­se an­ders ent­schie­den.

Das Vor­brin­gen des Klägers, mit dem er - wie er in sei­ner Rüge dar­legt - das Vor­lie­gen ei­nes ge­mein­sa­men Be­trie­bes bei ent­spre­chen­dem Hin­weis des Be­ru­fungs-ge­richts be­gründet hätte, ist nicht ge­eig­net, die An­nah­me ei­nes ge­mein­sa­men Be­trie­bes zu be­gründen. Die vom Kläger be­haup­te­te Auf­tei­lung der Be­triebs­mit­tel spricht nicht für de­ren ge­mein­sa­me Nut­zung durch die Be­klag­ten zu 2) und 3). Da­her fehlt es an der er­for­der­li­chen Kau­sa­lität zwi­schen dem be­haup­te­ten Ver­fah­rens­man­gel und dem Be­ru­fungs­ur­teil.


cc) Das Ar­beits­verhält­nis des Klägers ist auch nicht auf die Be­klag­ten zu 2) und 3) als Ar­beit­ge­ber­grup­pe über­ge­gan­gen. Es ent­spricht zwar der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts, dass auf Ar­beit­ge­ber­sei­te meh­re­re natürli­che oder
 


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ju­ris­ti­sche Per­so­nen bzw. meh­re­re recht­lich selbständi­ge Ge­sell­schaf­ten an ei­nem Ar­beits­verhält­nis be­tei­ligt sein können. Für die An­nah­me ei­nes ein­heit­li­chen Ar­beits­verhält­nis­ses ist auch nicht Vor­aus­set­zung, dass die Ar­beit­ge­ber zu­ein­an­der in ei­nem be­stimm­ten - ins­be­son­de­re ge­sell­schafts­recht­li­chen - Rechts­verhält­nis ste­hen, ei­nen ge­mein­sa­men Be­trieb führen oder den Ar­beits­ver­trag ge­mein­sam ab­sch­ließen. Aus­rei­chend, aber auch er­for­der­lich ist ein recht­li­cher Zu­sam­men­hang zwi­schen den ar­beits-ver­trag­li­chen Be­zie­hun­gen des Ar­beit­neh­mers zu den ein­zel­nen Ar­beit­ge­bern, der es ver­bie­tet, die­se Be­zie­hun­gen recht­lich ge­trennt zu be­han­deln. Die­ser recht­li­che Zu­sam­men­hang kann sich aus ei­ner Aus­le­gung des Ver­trags­wer­kes der Par­tei­en, aber auch aus zwin­gen­den recht­li­chen Wer­tun­gen er­ge­ben (16. Fe­bru­ar 2006 - 8 AZR 211/05 - AP BGB § 613a Nr. 301 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 47 mwN). Ein sol­cher recht­li­cher Zu­sam­men­hang ar­beits­ver­trag­li­cher Be­zie­hun­gen folgt hier nicht aus ver­trag­li­chen Be­zie­hun­gen des Klägers mit den Be­klag­ten. Sol­che be­haup­tet der Kläger auch nicht. Auch § 613a BGB zwingt nicht zur An­nah­me ei­nes ein­heit­li­chen Ar­beits­verhält­nis­ses des Klägers mit den Be­klag­ten zu 2) und 3). Die­se Norm führt nur dann zum Über­gang ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses auf ei­nen ein­zi­gen Be­triebsüber­neh­mer, wenn die Iden­tität ei­nes über­nom­me­nen Be­trie­bes ge­wahrt bleibt, nicht aber zur Schaf­fung ei­nes recht­li­chen Zu­sam­men­han­ges zwi­schen Un­ter­neh­men, die ver­ein­zel­te Be­triebs­mit­tel er­wer­ben oder nut­zen (16. Fe­bru­ar 2006 - 8 AZR 211/05 - aaO).


dd) Das Ar­beits­verhält­nis des Klägers ist schließlich vor dem 27. De­zem­ber 2004 we­der auf die Be­klag­te zu 2) noch auf die Be­klag­te zu 3) über­ge­gan­gen. Es fehlt in­so­weit an ei­nem Be­triebs- oder Be­triebs­teilüber­gang.

(1) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, dass auch die Be­leg­schaftsstärke bei der Prüfung, ob ein Be­triebsüber­gang vor­liegt, ei­ne we­sent­li­che Rol­le spie­len kann, weil ei­ne er­heb­li­che Re­du­zie­rung der Be­leg­schaft in ei­nem Hand­werks­be­trieb zu an­de­ren Be­triebs­struk­tu­ren führt und sich auf den Um­fang und die Art und Wei­se der Geschäftstätig­keit und da­mit auch auf die not­wen­di­ge Be­triebs­or­ga­ni­sa­ti­on und den Ver­wal­tungs­auf­wand aus­wirkt.

Die­se Schluss­fol­ge­rung des Lan­des­ar­beits­ge­richts ist nicht zwin­gend. Die An­zahl der über­nom­me­nen Ar­beit­neh­mer ist für sich al­lein be­trach­tet kein taug­li­ches Kri­te­ri­um für die Prüfung, ob ei­ne wirt­schaft­li­che Ein­heit un­ter Wah­rung ih­rer Iden­tität über­ge­gan­gen ist. So kann ein Be­triebsüber­gang auch dann vor­lie­gen, wenn auf Grund ei­nes Sa­nie­rungs­kon­zep­tes ein er­heb­li­cher Teil des Per­so­nals ab­ge­baut wird (vgl. BAG 18. Ju­li 1996 - 8 AZR 127/94 - BA­GE 83, 302 = AP BGB § 613a Nr. 147 =
 


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EzA BGB § 613a Nr. 142). Die Be­leg­schaftsstärke kann je­doch ein Hin­weis für das Vor­lie­gen bzw. Nicht­vor­lie­gen von Umständen sein, die im Rah­men der Ge­samtwürdi­gung ei­ne Rol­le spie­len. So kann die Re­du­zie­rung der Be­leg­schaft auf ei­ner Ein­schränkung oder Um­or­ga­ni­sa­ti­on der Be­triebstätig­keit be­ru­hen (vgl. BAG 8. Au­gust 2002 - 8 AZR 583/01 - EzA BGB § 613a Nr. 209). Die Be­leg­schaftsstärke kann sich fer­ner auf Be­triebs­me­tho­den und den Grad der Ähn­lich­keit der ver­rich­te­ten Tätig­kei­ten so­wie ei­nen Über­gang der Kund­schaft aus­wir­ken, zum Bei­spiel wenn die Be­leg­schaftsstärke die Über­nah­me größerer Auf­träge nicht mehr zulässt. Ob sich die Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on und die Be­triebs­me­tho­den geändert ha­ben und sich die Tätig­kei­ten un­ter­schei­den, muss al­ler­dings für den Ein­zel­fall je­weils kon­kret fest­ge­stellt wer­den und darf nicht al­lein auf Grund der Re­du­zie­rung der Be­leg­schaft un­ter­stellt wer­den.


(2) Für die Be­ur­tei­lung, ob ein Dach­de­cker­be­trieb über­ge­gan­gen ist, ist nicht aus­sch­ließlich auf den Über­gang ma­te­ri­el­ler Be­triebs­mit­tel ab­zu­stel­len. Ob sächli­che Be­triebs­mit­tel iden­titätsprägend sind, rich­tet sich nach der Ei­gen­art des je­wei­li­gen Be­trie­bes. Sächli­che Be­triebs­mit­tel sind we­sent­lich, wenn bei wer­ten­der Be­trach­tungs­wei­se ihr Ein­satz den ei­gent­li­chen Kern des zur Wertschöpfung er­for­der­li­chen Funk­ti­ons­zu­sam­men­han­ges aus­macht und sie so­mit un­ver­zicht­bar für die auf­trags­gemäße Ver­rich­tung der Tätig­kei­ten sind (BAG 15. Fe­bru­ar 2007 - 8 AZR 431/06 - EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64 mwN). Das ist bei ei­nem Be­trieb des Dach­de­ck­er­hand­werks nicht der Fall. Zwar sind zur Er­brin­gung der Dach­de­cker­leis­tun­gen sächli­che Be­triebs­mit­tel er­for­der­lich. Ihr Ein­satz macht aber bei wer­ten­der Be­trach­tungs­wei­se nicht den Kern des zur Wertschöpfung er­for­der­li­chen Funk­ti­ons­zu­sam­men­han­ges aus. Bei der Ge­samtwürdi­gung, ob ein Bau­be­trieb über­ge­gan­gen ist, hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt vor al­lem auf die ma­te­ri­el­len, im­ma­te­ri­el­len und per­so­nel­len Mit­tel so­wie die or­ga­ni­sa­to­ri­schen Kon­zep­te, die der Durchführung der Bau­ar­bei­ten die­nen und für de­ren Fortführung von we­sent­li­cher Be­deu­tung sind, ab­ge­stellt (24. Fe­bru­ar 2000 - 8 AZR 162/99 -; 10. Ju­ni 1988 - 2 AZR 801/87 - AP BGB § 613a Nr. 82). Die­se Recht­spre­chung ist auf ei­nen Be­trieb des Dach­de­ck­er­hand­werks über­trag­bar.


(3) Ei­ne Ge­samtwürdi­gung die­ser Kri­te­ri­en er­gibt, dass we­der die Be­klag­te zu 2) noch die Be­klag­te zu 3) den Be­trieb der In­sol­venz­schuld­ne­rin un­ter Wah­rung sei­ner Iden­tität über­nom­men und fort­geführt ha­ben. Sie ha­ben viel­mehr ein­zel­ne ursprüng­lich im Ei­gen­tum der In­sol­venz­schuld­ne­rin ste­hen­de Be­triebs­mit­tel von der M GmbH er­wor­ben und in ih­re neu ge­gründe­ten, er­heb­lich klei­ne­ren Be­trie­be in­te­griert.
 


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Wie das Lan­des­ar­beits­ge­richt fest­ge­stellt hat, han­delt es sich bei den Be­klag­ten zu 2) und 3) eben­so wie bei der In­sol­venz­schuld­ne­rin um Un­ter­neh­men des Dach­de­ck­er­hand­werks. Ob und in­wie­weit sich die Tätig­kei­ten der Be­klag­ten und der In­sol­venz­schuld­ne­rin - trotz glei­chen Un­ter­neh­mens­zwecks - un­ter­schei­den, ist durch das Lan­des­ar­beits­ge­richt nicht fest­ge­stellt wor­den. Zwar ha­ben die Be­klag­ten zu 2) und 3) ih­re Be­triebstätig­keit noch im Jah­re 2004 und da­mit in zeit­li­cher Nähe zur Still­le­gung des Be­trie­bes der In­sol­venz­schuld­ne­rin auf­ge­nom­men. Dies al­lein ver­mag die An­nah­me ei­nes Be­triebsüber­g­an­ges je­doch nicht zu be­gründen.


Bei der Prüfung des Vor­lie­gens ei­nes Be­triebsüber­g­an­ges kommt auch der Fra­ge ei­ne be­son­de­re Be­deu­tung zu, in­wie­weit im­ma­te­ri­el­le Be­triebs­mit­tel wie Kun­den­kon­tak­te, Auf­trags­be­stand oder Markt­stel­lung, über­nom­men wor­den sind (BAG 16. Fe­bru­ar 2006 - 8 AZR 211/05 - AP BGB § 613a Nr. 301 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 47 mwN). Nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts ist nicht er­kenn­bar, dass die Be­klag­te zu 2) oder die Be­klag­te zu 3) sol­che im­ma­te­ri­el­len Be­triebs­mit­tel im We­sent­li­chen über­nom­men ha­ben oder nut­zen. So sind kei­ne Fest­stel­lun­gen zur Über­nah­me des Kun­den­stam­mes oder ei­ner Kun­den­kar­tei ge­trof­fen. Ei­ne sol­che Über­nah­me hat der Kläger auch nicht hin­rei­chend kon­kret be­haup­tet. Nach sei­nem Vor­brin­gen ha­ben die Geschäftsführer der Be­klag­ten zu 2) und der Be­klag­ten zu 3) die von der In­sol­venz­schuld­ne­rin auf­ge­bau­ten „Con­nec­tions“ mit­ge­nom­men. Da­bei ist nicht dar­ge­legt, wel­che der bei­den Be­klag­ten die­se Kun­den­ver­bin­dun­gen über­nom­men ha­ben soll. Es ist fer­ner vom Kläger nicht dar­ge­legt, dass die Be­klag­te zu 2) oder die Be­klag­te zu 3) ei­nen we­sent­li­chen Be­stand von Auf­trägen der In­sol­venz­schuld­ne­rin über­nom­men ha­ben. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat fest­ge­stellt, dass die Be­klag­te zu 2) kei­ne Auf­träge über­nom­men hat. Die­se Fest­stel­lung hat der Kläger nicht an­ge­grif­fen. Hin­sicht­lich der Be­klag­ten zu 3) hat das Be­ru­fungs­ge­richt dies­bezüglich kei­ne Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen. Der Kläger hat al­ler­dings be­haup­tet, die Be­klag­te zu 3) ha­be ei­nen Auf­trag über­nom­men. Dies reicht für die Dar­le­gung ei­nes Be­triebsüber­g­an­ges auf Grund Über­nah­me des Auf­trags­be­stan­des je­doch nicht aus. Glei­ches gilt für die von den Be­klag­ten zu 2) und 3) be­strit­te­ne Be­haup­tung des Klägers, die Be­klag­ten zu 2) und 3) hätten je zwei Auf­träge er­hal­ten, wel­che die In­sol­venz­schuld­ne­rin „an­ge­bahnt“ ha­be. Zum ei­nen hat der Kläger nicht kon­kret vor­ge­tra­gen, was er un­ter „An­bah­nung“ ver­steht und zum an­de­ren fehlt es an An­ga­ben, wel­che der Be­klag­ten den we­sent­li­chen Kern der an­ge­bahn­ten Auf­träge über­nom­men ha­ben soll. Ge­gen die Über­nah­me ei­nes we­sent­li­chen Tei­les des Kun­den­stam­mes oder ei­nes er­heb­li­chen Auf­trags­be-
 


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stan­des durch die Be­klag­te zu 2) oder die Be­klag­te zu 3) spricht zu­dem ihr ge­rin­ger Mit­ar­bei­ter­stand.

Dafür, dass die Be­klag­te zu 3) die Markt­stel­lung der In­sol­venz­schuld­ne­rin nutzt, gibt es kei­ne An­halts­punk­te. Der Um­stand, dass sich ihr Büro im sel­ben Gebäude be­fin­det wie das frühe­re Büro der In­sol­venz­schuld­ne­rin, ist für ei­nen Be­trieb oh­ne Lauf­kund­schaft eben­so un­er­heb­lich wie die Nut­zung des La­gers durch die Be­klag­te zu 2). Kei­ne der Be­klag­ten hat den Fir­men­na­men über­nom­men. Al­ler­dings hat der Fir­men­na­me der Be­klag­ten zu 2) Ähn­lich­keit mit dem­je­ni­gen der In­sol­venz­schuld­ne­rin. Dies be­ruht je­doch auf der Ver­wen­dung des Fa­mi­li­en­na­mens des Geschäftsführers. Dass der frühe­re Geschäftsführer der In­sol­venz­schuld­ne­rin, U D, jetzt Geschäftsführer der Be­klag­ten zu 2) ist, zieht kei­ne Er­hal­tung der Iden­tität nach sich (BAG 16. Fe­bru­ar 2006 - 8 AZR 211/05 - AP BGB § 613a Nr. 301 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 47). Die Be­klag­te zu 2) nutzt al­ler­dings die Fest­netz­num­mer der In­sol­venz­schuld­ne­rin und hat­te de­ren Na­mens­zug auf den drei Fahr­zeu­gen, die sie aus ih­rem Be­stand über­nom­men hat­te, nicht ent­fernt. Da­mit nutzt sie zwar die Markt­stel­lung und Wer­bung der In­sol­venz­schuld­ne­rin zum Teil wei­ter. Dem kommt aber an­ge­sichts der ab­neh­men­den Be­deu­tung des Fest­net­zes und der ge­rin­gen Zahl der über­nom­me­nen Fahr­zeu­ge kei­ne prägen­de Be­deu­tung zu. Die Wah­rung der Be­triebs­i­den­tität folgt auch nicht aus der Über­nah­me von Per­so­nal. We­der die Be­klag­te zu 2) noch die Be­klag­te zu 3) ha­ben ei­nen nach Zahl oder Sach­kun­de prägen­den Teil der Be­leg­schaft über­nom­men. Von den 26 Ar­beit­neh­mern der In­sol­venz­schuld­ne­rin beschäftigt die Be­klag­te zu 2) sechs und die Be­klag­te zu 3) vier wei­ter. Dass die über­nom­me­nen Mit­ar­bei­ter über be­son­de­re Sach­kun­de verfügen oder für den Be­trieb ei­ne be­son­de­re Be­deu­tung hat­ten, ist we­der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt fest­ge­stellt noch vom Kläger be­haup­tet wor­den.

Die Be­klag­te zu 2) und die Be­klag­te zu 3) ha­ben nur ver­ein­zelt sächli­che Be­triebs­mit­tel über­nom­men.

So hat die Be­klag­te zu 3) nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts von den sächli­chen Be­triebs­mit­teln der In­sol­venz­schuld­ne­rin vier der 18 Fahr­zeu­ge, ei­nen Las­ten­auf­zug und ei­nen Anhänger ge­kauft bzw. ge­mie­tet. Die­se Be­triebs­mit­tel stel­len kei­ne maßgeb­li­chen, die wirt­schaft­li­che Ein­heit in ih­rer Iden­tität prägen­den Be­triebs­mit­tel dar. Die Be­klag­te zu 2) hat das La­ger der In­sol­venz­schuld­ne­rin mit vier fest mon­tier­ten Ma­schi­nen, drei Fahr­zeu­ge so­wie zwei Büro­schreib­ti­sche über­nom­men. Die Über­nah­me der Büro­schreib­ti­sche ist für ei­nen Be­triebsüber­gang oh­ne Be­lang. Auch die Über­nah­me der drei Fahr­zeu­ge und der Ma­schi­nen be­gründet kei­nen Be-
 


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triebsüber­gang. Die­se Gerätschaf­ten die­nen nur der Vor­be­rei­tung der ei­gent­li­chen Dach­de­cker­dienst­leis­tun­gen. Ihr Ein­satz macht bei wer­ten­der Be­trach­tung nicht den Kern des zur Wertschöpfung er­for­der­li­chen Funk­ti­ons­zu­sam­men­han­ges aus.

Im Übri­gen hat die Be­klag­te zu 2) nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts we­der den Stap­ler noch den Schweißbren­ner, den Teer­o­fen, die Schut­t­roh­re, Gerüsttei­le, den Com­pu­ter und die Te­le­fon­an­la­ge über­nom­men. Ob die Be­klag­te zu 2) - wie vom Kläger be­haup­tet - ein wei­te­res Fahr­zeug, zwei Blech­sche­ren und Ma­te­ri­al über­nom­men hat, kann da­hin­ste­hen, weil ein Be­triebsüber­gang selbst dann nicht zu be­ja­hen wäre, wenn die­se Be­haup­tung des Klägers zu­träfe. Dann hätte die Be­klag­te zu 2) nämlich nur wei­te­re ein­zel­ne Be­triebs­mit­tel er­wor­ben, wel­che nicht die wirt­schaft­li­che Ein­heit des Dach­de­cker­be­trie­bes der In­sol­venz­schuld­ne­rin ge­prägt ha­ben.


ee) Es ist auch kein Be­triebs­teil, dem der Kläger zu­ge­ord­net war, auf die Be­klag­te zu 2) oder die Be­klag­te zu 3) über­ge­gan­gen. Nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts war der Be­trieb der In­sol­venz­schuld­ne­rin nicht in über­g­angsfähi­ge Be­triebs­tei­le ge­glie­dert.

3. Die Kündi­gung des Be­klag­ten zu 1) vom 27. De­zem­ber 2004 zum 31. März 2005 ist rechts­wirk­sam.

a) Die Kündi­gung ist nicht gemäß § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB, der auch im In­sol­venz­ver­fah­ren An­wen­dung fin­det (BAG 20. Sep­tem­ber 2006 - 6 AZR 249/05 - AP BGB § 613a Nr. 316 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 62 mwN), un­wirk­sam. Der Be­klag­te zu 1) hat das Ar­beits­verhält­nis nicht we­gen ei­nes Be­triebsüber­g­an­ges gekündigt, da ein sol­cher nicht vor­ge­le­gen hat.

b) Die Kündi­gung ist nicht gem. § 1 Abs. 1 KSchG rechts­un­wirk­sam. Sie ist so­zi­al ge­recht­fer­tigt iSd. § 1 Abs. 2 KSchG.

aa) Das Kündi­gungs­schutz­ge­setz ist auch bei ei­ner vom In­sol­venz­ver­wal­ter nach § 113 In­sO aus­ge­spro­che­nen Kündi­gung zu be­ach­ten, wenn es - wie im Streit­fal­le - nach sei­nem persönli­chen und be­trieb­li­chen Gel­tungs­be­reich An­wen­dung fin­det (BAG 20. Sep­tem­ber 2006 - 6 AZR 249/05 - AP BGB § 613a Nr. 316 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 62 mwN).

bb) Die Kündi­gung ist durch drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se, die ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers in dem Be­trieb ent­ge­gen­ste­hen, be­dingt.

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Dies wird auf Grund der na­ment­li­chen Be­nen­nung des Klägers in der Na­mens­lis­te des In­ter­es­sen­aus­glei­ches nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG ver­mu­tet. Die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG sind erfüllt. Es han­delt sich um ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich über ei­ne Be­triebsände­rung iSv. § 111 Satz 1 Be­trVG, nämlich ei­ne Still­le­gung des gan­zen Be­trie­bes (§ 111 Satz 3 Nr. 1 Be­trVG) der In­sol­venz­schuld­ne­rin, die mehr als 20 Ar­beit­neh­mer beschäftigt hat. Der In­ter­es­sen­aus­gleich, der vor Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens zu­stan­de ge­kom­men war, ist gem. § 112 Abs. 1 Satz 1 Be­trVG von der In­sol­venz­schuld­ne­rin und dem Be­triebs­rat nie­der­ge­legt und un­ter­schrie­ben wor­den.


Die Ver­mu­tung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG hat der Kläger nicht wi­der­legt. Der Be­trieb ist still­ge­legt wor­den. Un­ter Be­triebs­still­le­gung ist die Auflösung der zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer be­ste­hen­den Be­triebs- und Pro­duk­ti­ons­ge­mein­schaft zu ver­ste­hen, die ih­re Ver­an­las­sung und ih­ren un­mit­tel­ba­ren Aus­druck dar­in fin­det, dass der Un­ter­neh­mer die bis­he­ri­ge wirt­schaft­li­che Betäti­gung auf Dau­er oder für ei­ne ih­rer Dau­er nach un­be­stimm­te, wirt­schaft­lich nicht un­er­heb­li­che Zeit ein­stellt. Von ei­ner Still­le­gung ist aus­zu­ge­hen, wenn der Ar­beit­ge­ber sei­ne Still­le­gungs­ab­sicht un­miss­verständ­lich äußert, al­len Ar­beit­neh­mern kündigt, et­wai­ge Miet­verträge zum nächstmögli­chen Zeit­punkt auflöst, die Be­triebs­mit­tel, über die er verfügen kann, veräußert und die Be­triebstätig­keit ein­stellt (BAG 6. April 2006 - 8 AZR 222/04 - AP BGB § 613a Nr. 299 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 49 mwN). Die­se Vor­aus­set­zun­gen sind vor­lie­gend ge­ge­ben. Schon die In­sol­venz­schuld­ne­rin hat­te die Still­le­gungs­ab­sicht geäußert und al­len Ar­beit­neh­mern gekündigt. Der Be­klag­te zu 1) hat an der Still­le­gungs­ab­sicht fest­ge­hal­ten, die Be­triebs­mit­tel veräußert, Büro- und La­gerräume ab­ge­ge­ben und den Be­trieb am 1. De­zem­ber 2004 ein­ge­stellt. Ei­ne Be­triebs­veräußerung, die ei­ne Still­le­gung aus­sch­ließen würde (BAG 6. April 2006 - 8 AZR 222/04 - aaO) hat da­her nicht statt­ge­fun­den.


Darüber hin­aus hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt fest­ge­stellt, dass für den Kläger nach Still­le­gung des Be­trie­bes kei­ne wei­te­re Beschäfti­gungsmöglich­keit mehr be­stan­den hat. Da­mit lag un­abhängig von der ge­setz­li­chen Ver­mu­tung ein drin­gen­des be­trieb­li­ches Er­for­der­nis zur Kündi­gung vor. Ge­gen die­se Fest­stel­lung hat der Kläger kei­ne Ver­fah­rensrüge er­ho­ben.

c) Ob­wohl der Kläger Mit­glied des Be­triebs­ra­tes war, war die or­dent­li­che Kündi­gung nicht gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG un­zulässig. Wird ein Be­trieb still­ge­legt, darf der Ar­beit­ge­ber das Ar­beits­verhält­nis ei­nes Be­triebs­rats­mit­glie­des gem. § 15 Abs. 4

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KSchG or­dent­lich zum Still­le­gungs­zeit­punkt kündi­gen. Der Be­klag­te zu 1) hat das Ar­beits­verhält­nis des Klägers zum 31. März 2005 gekündigt. Zu die­sem Zeit­punkt war der Be­trieb be­reits still­ge­legt.


d) Die Kündi­gung ist auch nicht un­ter dem Ge­sichts­punkt der Wie­der­ho­lungskündi­gung un­zulässig. Der In­sol­venz­ver­wal­ter darf ein Ar­beits­verhält­nis auch dann mit der kur­zen Kündi­gungs­frist des § 113 Abs. 1 Satz 2 In­sO kündi­gen, wenn der In­sol­venz­schuld­ner mit sei­ner Zu­stim­mung, die er als vorläufi­ger In­sol­venz­ver­wal­ter er­teilt hat, zu­vor un­ter Ein­hal­tung der or­dent­li­chen Kündi­gungs­frist zu ei­nem späte­ren Zeit­punkt gekündigt hat. Dar­in liegt kei­ne un­zulässi­ge „Wie­der­ho­lungskündi­gung“ oder „Nachkündi­gung“. Nach § 113 Abs. 1 In­sO kann ein Ar­beits­verhält­nis vom In­sol­venz­ver­wal­ter stets oh­ne Rück­sicht auf ei­ne ver­ein­bar­te Ver­trags­dau­er oder ei­nen ver­ein­bar­ten Aus­schluss des Rechts zur or­dent­li­chen Kündi­gung mit der kur­zen Kündi­gungs­frist von drei Mo­na­ten zum Mo­nats­en­de gekündigt wer­den, so­weit nicht ei­ne noch kürze­re Frist maßgeb­lich ist. Sinn der ge­setz­li­chen Re­ge­lung ist es, dass im In­sol­venz­fal­le al­le Ar­beits­verhält­nis­se mit der Höchst­frist von drei Mo­na­ten und da­mit in­ner­halb ei­nes über­schau­ba­ren Zeit­rau­mes be­en­det wer­den können. Die In­ter­es­sen der Ar­beit­neh­mer sind durch den Scha­dens­er­satz­an­spruch des § 113 Abs. 1 Satz 3 In­sO ge­wahrt. Dem Ziel des Ge­set­zes würde es zu­wi­der­lau­fen, würde man das Kündi­gungs­recht des § 113 Abs. 1 In­sO auf die Fälle be­schränken, in de­nen nicht be­reits vor In­sol­ven­zeröff­nung vom Schuld­ner oder vom vorläufi­gen In­sol­venz­ver­wal­ter gekündigt wor­den ist. Der da­durch ent­ste­hen­de Druck auf den Schuld­ner und den vorläufi­gen In­sol­venz­ver­wal­ter, not­wen­di­ge Kündi­gun­gen möglichst bis zur In­sol­ven­zeröff­nung hin­aus­zuzögern, um nicht die In­sol­venz­mas­se unnötig zu schmälern, ließe sich mit dem Ziel des § 113 In­sO nicht ver­ein­ba­ren (BAG 13. Mai 2004 - 2 AZR 329/03 - BA­GE 110, 331 = AP Be­trVG 1972 § 102 Nr. 140 = EzA Be­trVG 2001 § 102 Nr. 7 mwN).


e) Die Kündi­gung ist nicht nach § 102 Abs. 1 Be­trVG un­wirk­sam. Die Anhörung des Be­triebs­ra­tes war trotz des Ab­schlus­ses ei­nes In­ter­es­sen­aus­glei­ches mit Na­mens­lis­te iSd. § 1 Abs. 5 KSchG und trotz der vor­an­ge­gan­ge­nen Be­triebs­still­le­gung er­for­der­lich.


aa) Die Anhörung konn­te nicht des­halb un­ter­blei­ben, weil ein In­ter­es­sen­aus­gleich mit Na­mens­lis­te vor­lag. Gespräche zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat im Rah­men von In­ter­es­sen­aus­gleichs­ver­hand­lun­gen über die Er­stel­lung ei­ner Na­mens­lis­te er­set­zen die Anhörung gem. § 102 Abs. 1 Be­trVG nicht. Dies folgt ei­ner­seits aus dem Wort-


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laut des § 1 Abs. 5 Satz 4 KSchG, an­de­rer­seits aus dem un­ter­schied­li­chen Zweck der Be­tei­li­gungs­ver­fah­ren (BAG 28. Au­gust 2003 - 2 AZR 377/02 - BA­GE 107, 221 = AP Be­trVG 1972 § 102 Nr. 134 = EzA Be­trVG 2001 § 102 Nr. 4 mwN).

bb) Die Anhörung des Be­triebs­ra­tes nach § 102 Abs. 1 Be­trVG war auch nicht des­halb ent­behr­lich, weil der Be­trieb zum Zeit­punkt des Kündi­gungs­aus­spru­ches be­reits still­ge­legt war. Die Amts­zeit des Be­triebs­ra­tes en­det zwar bei ei­ner Be­triebs­still­le­gung vor­zei­tig, weil der Weg­fall der Be­triebs­or­ga­ni­sa­ti­on gem. § 24 Nr. 4 Be­trVG das En­de der Mit­glied­schaft im Be­triebs­rat be­wirkt (BAG 14. Au­gust 2001 - 1 ABR 52/00 - AP Be­trVG 1972 § 21b Nr. 1 = EzA Be­trVG 1972 § 24 Nr. 3). Der Be­triebs­rat bleibt aber gem. § 21b Be­trVG so­lan­ge im Amt wie dies zur Wahr­neh­mung der da­mit im Zu­sam­men­hang ste­hen­den Mit­wir­kungs- und Mit­be­stim­mungs­rech­te er­for­der­lich ist. Die­ses Rest­man­dat um­fasst nicht nur die sich aus den Vor­schrif­ten der §§ 111 ff. Be­trVG er­ge­ben­den Be­tei­li­gungs­rech­te, son­dern er­streckt sich auch auf al­le sich im Zu­sam­men­hang mit der Still­le­gung er­ge­ben­den be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Mit­be­stim­mungs- und Mit­wir­kungs­rech­te. Da­zu gehören auch die Auf­ga­ben, die dar­aus fol­gen, dass trotz Be­triebs­still­le­gung noch nicht al­le Ar­beits­verhält­nis­se be­en­det sind und ein­zel­ne Ar­beit­neh­mer für ei­ne ge­wis­se Zeit mit Ab­wick­lungs­ar­bei­ten beschäftigt wer­den (BAG 12. Ja­nu­ar 2000 - 7 ABR 61/98 - AP Be­trVG 1972 § 24 Nr. 5 = EzA Be­trVG 1972 § 24 Nr. 2 mwN). Für die Kündi­gung die­ser Ar­beit­neh­mer be­steht dem­nach das Be­tei­li­gungs­recht des Be­triebs­ra­tes nach § 102 Be­trVG fort.


cc) Der Be­triebs­rat war da­her gem. § 102 Abs. 1 Be­trVG an­zuhören, be­vor der Be­klag­te zu 1) nach vor­aus­ge­gan­ge­ner Be­triebs­still­le­gung das Ar­beits­verhält­nis mit dem Kläger gem. § 113 In­sO am 27. De­zem­ber 2004 zum 31. März 2005 kündig­te. Die­se Anhörung ist ord­nungs­gemäß durch­geführt wor­den. Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG hat der Ar­beit­ge­ber dem Be­triebs­rat die Gründe für die Kündi­gung mit­zu­tei­len. Nach dem Grund­satz der sub­jek­ti­ven De­ter­mi­nie­rung muss der Ar­beit­ge­ber dem Be­triebs­rat den aus sei­ner Sicht maßgeb­li­chen Sach­ver­halt mit­tei­len. Die­sen Kündi­gungs­sach­ver­halt muss der Ar­beit­ge­ber un­ter An­ga­be von Tat­sa­chen so be­schrei­ben, dass der Be­triebs­rat oh­ne zusätz­li­che ei­ge­ne Nach­for­schun­gen die Stich­hal­tig­keit der Kündi­gungs­gründe prüfen kann (BAG 11. De­zem­ber 2003 - 2 AZR 536/02 - AP KSchG 1969 § 1 So­zia­le Aus­wahl Nr. 65 = EzA Be­trVG 2001 § 102 Nr. 5 mwN). Hat der Ar­beit­ge­ber den Be­triebs­rat be­reits vor dem Anhörungs­ver­fah­ren erschöpfend über die Kündi­gungs­gründe un­ter­rich­tet, kann er im Anhörungs­ver­fah­ren pau­schal dar­auf ver-
 


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wei­sen (BAG 20. Mai 1999 - 2 AZR 532/98 - BA­GE 91, 341 = AP KSchG 1969 § 1 Na­mens­lis­te Nr. 5 = EzA Be­trVG 1972 § 102 Nr. 102).


Nach die­sen Grundsätzen ist die Anhörung ord­nungs­gemäß er­folgt. Der Be­klag­te zu 1) hat zur Be­gründung der Kündi­gung in sei­nem Anhörungs­schrei­ben vom 13. De­zem­ber 2004 zum ei­nen auf das Anhörungs­schrei­ben vom 12. No­vem­ber 2004 ver­wie­sen, in dem als Kündi­gungs­grund die be­ab­sich­tig­te Be­triebs­still­le­gung ge­nannt war, zum an­de­ren hat er dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Be­triebs­still­le­gung in­zwi­schen be­reits vor­ge­nom­men wor­den sei. Da­mit hat er den Be­triebs­rat zu­tref­fend über den Kündi­gungs­grund „Be­triebs­still­le­gung“ in­for­miert. Die Tat­sa­che, dass der Be­klag­te zu 1) den Be­triebs­rat nicht über den Ver­kauf der sächli­chen Be­triebs­mit­tel an die M GmbH un­ter­rich­tet hat, ist unschädlich. Die­se Ver­wer­tungs­hand­lung war für den Kündi­gungs­ent­schluss nicht maßge­bend. Da der Ver­kauf nicht zu ei­nem Be­triebsüber­gang geführt hat, ist er für die Be­ur­tei­lung der Wei­ter­beschäfti­gungsmöglich­keit des Klägers auch un­er­heb­lich.

f) Die Kündi­gung ist auch nicht we­gen Ver­s­toßes ge­gen die An­zei­ge­pflicht des § 17 Abs. 1 KSchG un­wirk­sam. Aus die­sem Grun­de hat­te der Se­nat nicht zu ent­schei­den, ob das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­tref­fend an­ge­nom­men hat, der Kläger könne die ver­späte­te Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge erst­mals in der Be­ru­fungs­be­gründung rügen, weil er vom Ar­beits­ge­richt nicht gem. § 6 Satz 2 KSchG auf die mögli­che Präklu­si­on die­ses Rüge­rech­tes hin­ge­wie­sen wor­den sei.

aa) Der Be­klag­te zu 1) hat die er­for­der­li­che Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge am 17. Ja­nu­ar 2005 und da­mit der Agen­tur für Ar­beit erst nach dem Kündi­gungs­aus­spruch an­ge­zeigt. Da­mit hat er ge­gen § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSchG ver­s­toßen. Durch die aus­ge­spro­che­nen Kündi­gun­gen hat der Be­klag­te zu 1) die gekündig­ten Ar­beit­neh­mer iSd. § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG „ent­las­sen“. Un­ter „Ent­las­sen“ iSv. § 17 Abs. 1 KSchG ist der Aus­spruch der Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu ver­ste­hen. Dies hat der Se­nat im An­schluss an die Ent­schei­dung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs vom 27. Ja­nu­ar 2005 in der Rechts­sa­che „Junk“ (- C-188/03 - Eu­GHE I 2005, 885 = AP KSchG 1969 § 17 Nr. 18 = EzA KSchG § 17 Nr. 13) am 24. Au­gust 2006 (- 8 AZR 317/05 - AP KSchG 1969 § 1 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung Nr. 152 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 60) un­ter Auf­ga­be der frühe­ren Recht­spre­chung ent­schie­den.


bb) Die ver­späte­te Er­stat­tung der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge führt je­doch im Er­geb­nis nicht zur Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung. Der Grund­satz des Ver­trau­ens­schut­zes
 


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ver­bie­tet es, die vor Verkündung der Ent­schei­dung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs vom 27. Ja­nu­ar 2005 aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung für rechts­un­wirk­sam zu hal­ten (BAG 24. Au­gust 2006 - 8 AZR 317/05 - AP KSchG 1969 § 1 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung Nr. 152 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 60 mwN). Ent­ge­gen der An­sicht des Klägers ist das Ver­trau­en des Be­klag­ten zu 1) schutzwürdig, weil ihm oh­ne Ver­trau­ens­schutz rück­wir­kend Hand­lungs­pflich­ten auf­er­legt würden, die er nachträglich nicht mehr erfüllen kann (vgl. BVerfG 22. März 1983 - 2 BvR 475/78 - BVerfGE 63, 343). Es würde auch un­ter Berück­sich­ti­gung der In­ter­es­sen des Klägers ei­ne un­zu­mut­ba­re Härte für den Be­klag­ten zu 1) be­deu­ten, wenn al­lein we­gen des durch die Recht­spre­chungsände­rung ent­stan­de­nen for­mel­len Feh­lers, der für ihn nicht er­kenn­bar war, die Kündi­gung un­wirk­sam wäre. Zum Zeit­punkt des Kündi­gungs­aus­spru­ches wur­de ei­ne ent­spre­chen­de An­zei­ge­pflicht vor Aus­spruch der Kündi­gung we­der von der ständi­gen Recht­spre­chung noch von der Ver­wal­tungs­pra­xis ge­for­dert. Durch ei­ne ent­spre­chen­de Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung entstünden dem Kündi­gen­den er­heb­li­che fi­nan­zi­el­le Nach­tei­le und er müss­te noch­mals kündi­gen.

Ent­ge­gen der An­sicht von Schiek (AuR 2006, 41) ist dem Se­nat die Ent­schei­dung über den Ver­trau­ens­schutz nicht „ent­zo­gen“. Der Se­nat ist nicht zur Vor­la­ge an den Eu­ropäischen Ge­richts­hof ver­pflich­tet. Der Zwei­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts hat in sei­nen Ent­schei­dun­gen vom 1. Fe­bru­ar 2007 (- 2 AZR 15/06 -) und vom 21. Sep­tem­ber 2006 (- 2 AZR 284/06 -) aus­geführt, er ha­be le­dig­lich sei­ne ei­ge­ne Recht­spre­chung und die Aus­le­gung der na­tio­na­len Re­ge­lun­gen des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG an das Ge­mein­schafts­recht an­ge­passt. Er ha­be kein Ge­mein­schafts­recht aus-ge­legt, son­dern das na­tio­na­le Kündi­gungs­schutz­recht „richt­li­ni­en­kon­form“ an­ge­wen­det, in­dem er den Be­griff der „Ent­las­sung“ in § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG zukünf­tig iSd. vom Eu­ropäischen Ge­richts­hof ent­wi­ckel­ten Aus­le­gung der Richt­li­nie ver­stan­den wis­sen wol­le. Da­mit han­de­le es sich um ei­ne Fra­ge der na­tio­na­len Rechts­an­wen­dung. Die­ser Recht­spre­chung schließt sich der Se­nat an.


III. Die übri­gen Kla­ge­anträge sind eben­falls un­be­gründet.

1. Da das Ar­beits­verhält­nis des Klägers am 31. März 2005 sein En­de ge­fun­den hat, ist die ge­gen die Kündi­gung vom 17. No­vem­ber 2004 zum 30. April 2005 ge­rich­te­te Fest­stel­lungs­kla­ge un­be­gründet.
 


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2. Die ge­gen die Be­klag­ten zu 2) und 3) ge­rich­te­ten Fest­stel­lungs- und Wei­ter­beschäfti­gungs­kla­gen sind un­be­gründet, weil das Ar­beits­verhält­nis des Klägers nicht auf die­se Be­klag­ten über­ge­gan­gen ist.

B. Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kos­ten des er­folg­lo­sen Re­vi­si­ons­ver­fah­rens zu tra­gen.

Hauck zu­gleich für den we­gen Ab­lauf sei­ner Amts­zeit an der Un­ter­schrift ver­hin­der­ten eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Schömburg Hauck 

Böck 

Brein­lin­ger

Wan­kel

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