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BAG, Be­schluss vom 10.11.2009, 1 ABR 54/08

   
Schlagworte: Dienstkleidung, Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten, Arbeitszeit
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 1 ABR 54/08
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 10.11.2009
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Bielefeld, Beschluss vom 24.10.2007, 6 BV 32/07
Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 23.04.2008, 10 TaBV 131/07
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

1 ABR 54/08

10 TaBv 131/07

Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

10. No­vem­ber 2009

BESCHLUSS

Klapp, Ur­kunds­be­am­ter der Geschäfts­stel­le

In dem Be­schluss­ver­fah­ren

mit den Be­tei­lig­ten

1.

An­trag­stel­ler, Be­schwer­deführer und Rechts­be­schwer­deführer,

2.

hat der Ers­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der Anhörung vom 10. No­vem­ber 2009 durch die Präsi­den­tin des Bun­des­ar­beits­ge­richts Schmidt, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Linck und Dr. Koch so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Frisch­holz und Berg für Recht er­kannt:


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Auf die Rechts­be­schwer­de des Be­triebs­rats wird der Be­schluss des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm vom 23. April 2008 - 10 TaBV 131/07 - teil­wei­se auf­ge­ho­ben und wie folgt neu ge­fasst:

Auf die Be­schwer­de des Be­triebs­rats wird der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Bie­le­feld vom 24. Ok­to­ber 2007 - 6 BV 32/07 - ab­geändert.

Es wird fest­ge­stellt, dass dem Be­triebs­rat ein Mit­be­stim­mungs­recht zu­steht, so­weit die Ar­beit­ge­be­rin die Ar­beit­neh­mer an­weist, außer­halb ih­rer durch Ar­beits­ein­satz­pla­nung fest­ge­leg­ten Ar­beits­zeit die von ihr ge­stell­te Fir­men­klei­dung an- und aus­zu­zie­hen.

Von Rechts we­gen!

Gründe

A. Die Be­tei­lig­ten strei­ten über das Be­ste­hen ei­nes Mit­be­stim­mungs­rechts des Be­triebs­rats, so­weit die Ar­beit­ge­be­rin die Ar­beit­neh­mer an­weist, die von ihr zur Verfügung ge­stell­te Fir­men­klei­dung außer­halb der er­fass­ten Ar­beits­zeit an- und ab­zu­le­gen.

Die Ar­beit­ge­be­rin be­treibt bun­des­weit Ein­rich­tungshäuser. Der an­trag­stel­len­de Be­triebs­rat ist in der Nie­der­las­sung B ge­bil­det.

Nach der bei der Ar­beit­ge­be­rin gel­ten­den Ge­samt­be­triebs­ver­ein­ba­rung (GBV) „Fir­men­klei­dung“ sind die Mit­ar­bei­ter ver­pflich­tet, in den in Nr. 1.1 der GBV ge­nann­ten Be­rei­chen Möbel, Sa­tel­lit, Kas­se, Kun­den­ser­vice, Wa­ren­aus­ga­be, Re­stau­rant und KO­MEIN die ih­nen ge­stell­te Ar­beits-, Be­rufs- bzw. Schutz­klei­dung zu tra­gen. Mit Aus­nah­me der Be­rei­che Re­stau­rant und KO­MEIN er­hal­ten die Ar­beit­neh­mer Klei­dungsstücke in den Far­ben „blau/gelb“. In ei­nem „Staff-Clot­hing-Ord­ner“, auf den in der GBV „Fir­men­klei­dung“ Be­zug ge­nom­men wird, sind im Ein­zel­nen Form, Far­be, Schnitt und Ma­te­ri­al der Klei­dung fest­ge­legt. Die GBV ge­stat­tet den Ar­beit­neh­mern, die Fir­men­klei­dung

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be­reits auf dem Weg zur und von der Ar­beitsstätte zu tra­gen. Es be­steht aber auch die Möglich­keit, sich im Be­trieb der Ar­beit­ge­be­rin um­zu­klei­den.

Für die Nie­der­las­sung B sind des Wei­te­ren in der Be­triebs­ver­ein­ba­rung (BV) „Ar­beits­zei­ten“ Be­ginn und En­de der tägli­chen Ar­beits­zeit, La­ge und Dau­er der re­gelmäßigen wöchent­li­chen und tägli­chen Ar­beits­zeit so­wie die Grundsätze für die Auf­stel­lung der Ar­beits­ein­satz­pläne ge­re­gelt. In der BV „Ar­beits­zeit­er­fas­sungs­an­la­ge“ ist die elek­tro­ni­sche Er­fas­sung und Bu­chung der Ar­beits­zei­ten ver­ein­bart. Da­nach wer­den die „Kommt-/Geht­zei­ten“ ent­spre­chend der BV „Ar­beits­zeit“ in näher be­stimm­ten Ter­mi­nals er­fasst.

Die Ar­beit­ge­be­rin er­mahn­te im März und April 2007 Ar­beit­neh­mer, weil sie erst nach dem Um­klei­den das Ar­beits­zei­t­en­de in das Zeit­er­fas­sungs­gerät ein­ge­ge­ben hat­ten. Dar­auf­hin lei­te­te der Be­triebs­rat das anhängi­ge Be­schluss­ver­fah­ren ein. Er macht gel­tend, das Um­klei­den gehöre zur Ar­beits­zeit und ha­be da­her in­ner­halb der er­fass­ten „Kommt-“ und „Geht­zei­ten“ zu er­fol­gen. Mit ih­rer An­wei­sung zur zeit­li­chen La­ge der Um­klei­de­zeit ha­be die Ar­beit­ge­be­rin ein­sei­tig Be­ginn und En­de der Ar­beits­zeit iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 Be­trVG geändert.

Der Be­triebs­rat hat - so­weit für das Rechts­be­schwer­de­ver­fah­ren noch von Be­deu­tung - be­an­tragt

fest­zu­stel­len, dass ihm ein Mit­be­stim­mungs­recht zu­steht, so­weit die Ar­beit­ge­be­rin die Ar­beit­neh­mer an­weist, außer­halb ih­rer durch Ar­beits­ein­satz­pla­nung fest­ge­leg­ten Ar­beits­zeit die von ihr ge­stell­te Fir­men­klei­dung an- und aus­zu­zie­hen;

hilfs­wei­se

die Ar­beit­ge­be­rin zu ver­pflich­ten, ih­re An­wei­sung, die Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer iSv. § 5 Abs. 1 Be­trVG des Be­trie­bes der Ar­beit­ge­be­rin in B mögen vor dem Be­ginn und nach dem En­de der Ar­beits­zeit die Ar­beits­klei­dung an­zie­hen bzw. aus­zie­hen bis zu dem Zeit­punkt zurück­zu­neh­men oder in sons­ti­ger ge­eig­ne­ter Wei­se außer Kraft zu set­zen, bis zu wel­chem der Be­triebs­rat dem vor­ste­hen­den Re­ge­lungs­ge­gen­stand der An­wei­sung zu­stimmt bzw. bis zu wel­chem die Zu­stim­mung des Be­triebs­ra­tes hier­zu durch ei­nen Spruch ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le

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er­setzt wird so­wie

der Ar­beit­ge­be­rin auf­zu­ge­ben, es zukünf­tig zu un­ter­las­sen, die Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer iSv. § 5 Be­trVG oh­ne Zu­stim­mung des Be­triebs­ra­tes bzw. oh­ne den die Zu­stim­mung des Be­triebs­ra­tes er­set­zen­den Spruch ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le an­zu­wei­sen, die­se mögen ih­re Ar­beits­klei­dung vor dem Be­ginn und nach dem En­de der Ar­beits­zeit an­zie­hen bzw. aus­zie­hen.

Die Ar­beit­ge­be­rin hat die Ab­wei­sung der Anträge be­an­tragt.

Während des erst­in­stanz­li­chen Ver­fah­rens hat die zwi­schen­zeit­lich zur Re­ge­lung der Fra­ge, an wel­chem Ort die Ar­beits­zeit iSd. BV „Ar­beits­zei­ten“ be­ginnt und en­det, ein­ge­setz­te Ei­ni­gungs­stel­le be­schlos­sen, das Ei­ni­gungs­stel­len­ver­fah­ren bis zum Ab­schluss des vor­lie­gen­den Ver­fah­rens ru­hen zu las­sen. Das Ar­beits­ge­richt hat den Haupt­an­trag ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die um die Hilfs­anträge so­wie ei­nen wei­te­ren An­trag er­wei­ter­te Be­schwer­de des Be­triebs­rats zurück­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­be­schwer­de ver­folgt der Be­triebs­rat den erst­in­stanz­li­chen Haupt­an­trag so­wie die Hilfs­anträge wei­ter.

B. Die Rechts­be­schwer­de des Be­triebs­rats hat Er­folg.

I. Der Haupt­an­trag des Be­triebs­rats ist zulässig.

1. Der An­trag be­darf der Klar­stel­lung. Nach Wort­laut und Vor­brin­gen des Be­triebs­rats be­zieht sich das Fest­stel­lungs­be­geh­ren aus­sch­ließlich auf Ar­beit­neh­mer, die nach der GBV „Fir­men­klei­dung“ ver­pflich­tet sind, während der Ar­beit die von der Ar­beit­ge­be­rin ge­stell­te Fir­men­klei­dung iSd. Nr. 1 die­ser Ge­samt­be­triebs­ver­ein­ba­rung zu tra­gen. Al­lein bei die­sen Beschäftig­ten geht der Be­triebs­rat da­von aus, dass es sich bei den je­wei­li­gen Um­klei­de­vorgängen um Ar­beit han­de­le, de­ren Er­brin­gung außer­halb der mit­be­stimm­ten La­ge der Ar­beits­zeit nicht ein­sei­tig von der Ar­beit­ge­be­rin fest­ge­legt wer­den könne. 

 

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2. Mit die­sem In­halt ist der An­trag hin­rei­chend be­stimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Er be­trifft die Fest­stel­lung ei­nes be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Rechts­verhält­nis­ses (§ 256 ZPO). Dem Be­triebs­rat geht es nicht um die Fest­stel­lung ei­nes Mit­be­stim­mungs­rechts bei der An­wei­sung der Ar­beit­ge­be­rin, son­dern bei der da­mit ein­her­ge­hen­den Ände­rung der zeit­li­chen La­ge der Ar­beits­zeit. Hierfür be­steht auch das er­for­der­li­che Fest­stel­lungs­in­ter­es­se. Die Ar­beit­ge­be­rin stellt das vom Be­triebs­rat in An­spruch ge­nom­me­ne Mit­be­stim­mungs­recht in Ab­re­de. Dem Fest­stel­lungs­in­ter­es­se steht nicht ent­ge­gen, dass im Be­trieb der Ar­beit­ge­be­rin durch die BV „Ar­beits­zeit“ Be­ginn und En­de der tägli­chen Ar­beits­zeit ge­re­gelt sind, denn die­se Be­triebs­ver­ein­ba­rung enthält kei­ne Re­ge­lung bezüglich der Um­klei­de­zei­ten. Et­was an­de­res folgt auch nicht aus der Ein­set­zung ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le zur Re­ge­lung der Fra­ge, an wel­chem Ort die Ar­beits­zeit be­ginnt bzw. en­det. Hier­durch entfällt das recht­li­che In­ter­es­se des Be­triebs­rats an der be­an­trag­ten ge­richt­li­chen Fest­stel­lung ei­nes Mit­be­stim­mungs­rechts schon des­halb nicht, weil die Ei­ni­gungs­stel­le ihr Ver­fah­ren bis zum Ab­schluss des vor­lie­gen­den Ver­fah­rens zum Ru­hen ge­bracht hat (vgl. Se­nat 1. Ju­li 2003 - 1 ABR 20/02 - zu B II 2 der Gründe, BA­GE 107, 1).

II. Der Haupt­an­trag ist be­gründet. Die mit der An­wei­sung der Ar­beit­ge­be­rin, sich vor Be­ginn bzw. nach dem En­de der durch die Zeit­er­fas­sungs­an­la­ge er­fass­ten Ar­beits­zeit um­zu­zie­hen, ein­her­ge­hen­de Ände­rung der zeit­li­chen La­ge der Ar­beits­zeit un­ter­liegt nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 Be­trVG dem Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­rats. Das An- und Aus­zie­hen der Fir­men­klei­dung ist Ar­beits­zeit im Sin­ne die­ses Mit­be­stim­mungs­tat­be­stands.

1. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 Be­trVG hat der Be­triebs­rat mit­zu­be­stim­men über Be­ginn und En­de der tägli­chen Ar­beits­zeit. Der Ar­beits­zeit­be­griff in § 87 Abs. 1 Nr. 2 Be­trVG ist nicht de­ckungs­gleich mit dem Be­griff der vergütungs­pflich­ti­gen Ar­beits­zeit und dem des Ar­beits­zeit­ge­set­zes oder der Richt­li­nie 2003/88/EG über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 4. No­vem­ber 2003 (ABl. EG Nr. L 299 S. 9). Viel­mehr be­stimmt sich der Ar­beits­zeit­be­griff in § 87 Abs. 1 Nr. 2 Be­trVG nach dem Zweck des Mit­be­stim­mungs­rechts. Die­ser be­steht dar­in, die In­ter­es­sen der Ar­beit­neh­mer an

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der La­ge ih­rer Ar­beits­zeit und da­mit zu­gleich ih­rer frei­en und für die Ge­stal­tung ih­res Pri­vat­le­bens nutz­ba­ren Zeit zur Gel­tung zu brin­gen. Dem­ent­spre­chend be­trifft das Mit­be­stim­mungs­recht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 Be­trVG die La­ge der Gren­ze zwi­schen Ar­beits­zeit und Frei­zeit. Ar­beits­zeit iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 Be­trVG ist des­halb die Zeit, während de­rer der Ar­beit­neh­mer die von ihm in ei­nem be­stimm­ten zeit­li­chen Um­fang ver­trag­lich ge­schul­de­te Ar­beits­leis­tung tatsächlich er­brin­gen soll. Ei­ne mit­be­stim­mungs­pflich­ti­ge Ände­rung der La­ge der Ar­beits­zeit liegt vor, wenn der Ar­beit­neh­mer sei­ne ver­trag­lich ge­schul­de­te Ar­beit außer­halb des fest­ge­leg­ten Zeit­raums er­bringt oder er­brin­gen soll (Se­nat 14. No­vem­ber 2006 - 1 ABR 5/06 - Rn. 26 f., BA­GE 120, 162).

2. Um­klei­de­zei­ten gehören zur ver­trag­lich ge­schul­de­ten Ar­beits­leis­tung, wenn das Um­klei­den ei­nem frem­den Bedürf­nis dient und nicht zu­gleich ein ei­ge­nes Bedürf­nis erfüllt. Das An­klei­den mit vor­ge­schrie­be­ner Dienst­klei­dung ist nicht le­dig­lich fremdnützig und da­mit nicht Ar­beits­zeit, wenn sie zu Hau­se an­ge­legt und - oh­ne be­son­ders auffällig zu sein - auch auf dem Weg zur Ar­beitsstätte ge­tra­gen wer­den kann (BAG 11. Ok­to­ber 2000 - 5 AZR 122/99 - BA­GE 96, 45, 51).

3. Mit ih­rer An­wei­sung, die Fir­men­klei­dung vor Be­ginn bzw. nach dem En­de der durch die Zeit­er­fas­sungs­an­la­ge er­fass­ten Ar­beits­zeit an- und aus­zu­zie­hen, hat die Ar­beit­ge­be­rin die La­ge der Ar­beits­zeit ein­sei­tig geändert. Die Ar­beit­neh­mer wer­den hier­durch an­ge­hal­ten, Ar­beit außer­halb des durch die Be­triebs­ver­ein­ba­run­genAr­beits­zeit“ und „Ar­beits­zeit­er­fas­sungs­an­la­ge“ fest­ge­leg­ten Zeit­raums des Be­ginns und En­des der Ar­beits­zeit zu er­brin­gen.

a) Das An- und Ab­le­gen der in der GBV „Fir­men­klei­dung“ so­wie dem „Staff-Clot­hing-Ord­ner“ näher be­schrie­be­nen Fir­men­klei­dung ist le­dig­lich fremdnützig und da­mit Ar­beit iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 Be­trVG 1972.

aa) Die An­nah­me des Lan­des­ar­beits­ge­richts, die Fir­men­klei­dung sei nicht be­son­ders auffällig, weil et­wa die Hälf­te der Be­leg­schaft sie be­reits zu Hau­se an­le­ge, ist für den Se­nat nicht bin­dend (§ 559 Abs. 2 ZPO). Un­abhängig da­von, ob das Lan­des­ar­beits­ge­richt die dar­auf ge­rich­te­te sehr gro­be Schätzung der

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Ar­beit­ge­be­rin oh­ne ei­ge­ne Fes­testel­lun­gen im Be­schluss­ver­fah­ren sei­ner Ent­schei­dung zu­grun­de le­gen durf­te, rügt die Rechts­be­schwer­de zu Recht, dass die be­son­de­re Auffällig­keit ei­ner Fir­men­klei­dung im öffent­li­chen Raum ob­jek­tiv zu be­stim­men ist und nicht von dem Ver­hal­ten ei­nes Teils der Be­leg­schaft abhängt. Ei­ner Zurück­ver­wei­sung der Sa­che an das Lan­des­ar­beits­ge­richt be­darf es nicht. Der Se­nat kann die Auffällig­keit der Fir­men­klei­dung selbst be­ur­tei­len (§ 563 Abs. 3 ZPO), weil der ent­schei­dungs­er­heb­li­che Sach­ver­halt fest­steht und ei­ne wei­te­re Tat­sa­chen­fest­stel­lung nicht er­for­der­lich ist.

bb) Das Tra­gen ei­ner ein­heit­li­chen Klei­dung iSd. Nr. 1 GBV „Fir­men klei­dung“ ist nach dem Sinn und dem Zweck die­ser Ge­samt­be­triebs­ver­ein­ba­rung ei­ner­seits Aus­druck ei­ner be­stimm­ten Fir­men­kul­tur der Ar­beit­ge­be­rin und ei­ner dar­auf ge­rich­te­ten Iden­ti­fi­ka­ti­on der Beschäftig­ten. An­de­rer­seits dient es vor al­lem dem Zweck, den Kun­den ih­rer Ein­rich­tungshäuser das Auf­fin­den und An­spre­chen ih­rer Mit­ar­bei­ter in den weitläufi­gen Ver­kaufsräum­en und Selbst­be­die­nungs­la­gern zu er­leich­tern. Da­zu ist die von der Ar­beit­ge­be­rin zu stel­len­de Ober­be­klei­dung grundsätz­lich in ei­nem mar­kan­ten und si­gnal­ge­ben­den „blau/gelb“ ge­hal­ten. Die­ser Far­ben­kom­bi­na­ti­on be­dient sich das Un­ter­neh­men deutsch­land­weit ein­heit­lich in al­len Nie­der­las­sun­gen. Die Farb­ge­bung selbst ist Teil des Mar­ke­tings des Un­ter­neh­mens, das auf ei­ne un­ver­wech­sel­ba­re As­so­zia­ti­on mit sei­nem skan­di­na­vi­schen Ur­sprungs­land ge­rich­tet ist. Darüber hin­aus ist der Na­me des Un­ter­neh­mens deut­lich sicht­bar auf der Vor­der­sei­te der Hem­den, Shirts und Wes­ten so­weit auf den Gesäßta­schen der Ho­sen an­ge­bracht. Ein Beschäftig­ter, der die­se Fir­men­klei­dung auf dem Weg von und zur Ar­beit trägt, ist im öffent­li­chen Raum oh­ne Wei­te­res als ein sol­cher der Ar­beit­ge­be­rin iden­ti­fi­zier­bar und da­mit auffällig ge­klei­det.

cc) So­weit die Ar­beit­ge­be­rin meint, der be­son­de­ren Auffällig­keit ste­he ent­ge­gen, dass das Tra­gen der Fir­men­klei­dung nach Far­be, Form und Schnitt zu­mut­bar sei, berück­sich­tigt sie nicht, dass nicht die sub­jek­ti­ve Zu­mut­bar­keit die­ser Merk­ma­le, son­dern die Uni­for­mität der Farb­ge­bung so­wie der an­ge­brach­te Na­me des Un­ter­neh­mens für die Auffällig­keit der Klei­dung im öffent­li­chen Raum maßge­bend sind. An ei­ner da­mit zwangsläufig ver­bun­de­nen

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Of­fen­le­gung des Ar­beit­ge­bers ge­genüber Drit­ten so­wie ei­ner Ver­brei­tung des Be­kannt­heits­gra­des des Un­ter­neh­mens be­steht kein ob­jek­tiv fest­stell­ba­res ei­ge­nes In­ter­es­se der Ar­beit­neh­mer; viel­mehr dient das Tra­gen der Fir­men­klei­dung auf dem Weg von und zur Ar­beit, zu dem auch die Be­triebs­par­tei­en die Ar­beit­neh­mer we­gen des da­mit ver­bun­de­nen Ein­griffs in die pri­va­te Le­bensführung nicht ver­pflich­ten könn­ten, al­lein dem In­ter­es­se der Ar­beit­ge­be­rin.

b) Da nicht nur das Tra­gen der von der Ar­beit­ge­be­rin ge­stell­ten Fir­men­klei­dung, son­dern auch de­ren An- und Ab­le­gen fremdnützig ist, zählt auch die Zeit des Um­klei­de­vor­gangs im Be­trieb zur Ar­beits­zeit iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 Be­trVG. Nach­dem gem. § 3 Nr. 2 BV „Ar­beits­zeit­er­fas­sungs­an­la­ge“ die Ar­beits­zeit des Beschäftig­ten mit der Ein­ga­be sei­ner „Kommt­zeit“ be­ginnt und mit der Ein­ga­be der „Geht­zeit“ en­det, hat die Ar­beit­ge­be­rin mit ih­rer An­wei­sung, die Fir­men­klei­dung außer­halb die­ser Zei­ten an- und aus­zu­zie­hen, ein­sei­tig die La­ge der Ar­beits­zeit geändert. Ei­ne sol­che Ände­rung un­ter­liegt des­halb gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 Be­trVG der Mit­be­stim­mung des Be­triebs­rats.

III. Die Hilfs­anträge sind nicht zur Ent­schei­dung an­ge­fal­len. Sie hat der Be­triebs­rat nur für den Fall der Un­zulässig­keit des Haupt­an­trags ge­stellt.

Schmidt Koch Linck

Berg Frisch­holz

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