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LAG Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 07.07.2011, 2 Sa 228/11

   
Schlagworte: Schadensersatz, Eigenkündigung, Auflösungsverschulden
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen: 2 Sa 228/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 07.07.2011
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Trier, Urteil vom 16.03.2011, 4 Ca 1235/10
   

Ak­ten­zei­chen:
2 Sa 228/11
4 Ca 1235/10
ArbG Trier
Ent­schei­dung vom 07.07.2011

Te­nor:
Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Trier vom 16.03.2011 - 4 Ca 1235/10 - wird auf sei­ne Kos­ten zurück­ge­wie­sen.
Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand:
Der Kläger be­gehrt von der Be­klag­ten Scha­dens­er­satz aus Auflösungs­ver­schul­den.

Er war seit 02.01.2007 als Schweißer mit ei­nem durch­schnitt­li­chen Brut­to­mo­nats­ge­halt von zu­letzt 1.900,-- EUR beschäftigt. Er kündig­te selbst das Ar­beits­verhält­nis mit Schrei­ben vom 26.08.2010 zum 30.09.2010.

We­gen wirt­schaft­li­cher Schwie­rig­kei­ten be­fand sich die Be­klag­te zu­min­dest im Jah­re 2010 in ständi­gen Schwie­rig­kei­ten, die Ar­beits­vergütun­gen recht­zei­tig aus­zu­zah­len. Sie be­fand sich je­den­falls seit Fe­bru­ar 2010 mit den Lohn­zah­lun­gen an den Kläger in per­ma­nen­tem Ver­zug. We­gen der Ein­zel­hei­ten wird auf den Tat­be­stand des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Trier vom 16.03.2011 ver­wie­sen.

Der Kläger be­gehrt Scha­dens­er­satz mit der Be­haup­tung, er sei durch ein pflicht­wid­ri­ges, schuld­haf­tes Ver­hal­ten der Be­klag­ten zu ei­ner Ei­genkündi­gung ver­an­lasst wor­den. Er macht als Scha­dens­po­si­ti­on gel­tend, dass das Kündi­gungs­schutz­ge­setz auf sein Ar­beits­verhält­nis An­wen­dung fin­de. Der Scha­den be­lau­fe sich ana­log §§ 9, 10 KSchG auf 3.483,83 EUR.

Der Kläger hat be­an­tragt,
die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn Scha­dens­er­satz in Höhe von 3.483,33 EUR brut­to zu zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,
die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hat be­haup­tet, der Kläger ha­be sie le­dig­lich an­ge­mahnt, nie­mals ab­ge­mahnt, bei der fast drei Mo­na­te nach der letz­ten An­mah­nung vom Kläger aus­ge­spro­che­nen Ei­genkündi­gung feh­le es an ei­nem ak­tu­el­len Auslöser.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des ers­ter In­stanz wird auf den Tat­be­stand des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Trier vom 16.03.2011 ver­wie­sen.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen und im We­sent­li­chen aus­geführt, als Scha­dens­er­satz­an­spruch kom­me grundsätz­lich § 628 Abs. 2 BGB in Be­tracht. Die­se Norm set­ze zwar kei­ne außer­or­dent­li­che/frist­lo­se Kündi­gung vor­aus, sie grei­fe auch im Fal­le ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung ein. Grund für den An­spruch sei das Auflösungs­ver­schul­den des Ver­trags­part­ners, nicht der For­mal­akt der frist­lo­sen Kündi­gung. Vor­aus­set­zung sei al­ler­dings stets, dass ein wich­ti­ger Grund im Sin­ne von § 626 Abs. 1 BGB vor­lie­ge. Die­ser könne grundsätz­lich auch mit ständi­gem Ver­zug bei Lohn­zah­lun­gen be­gründet sein. Es könne dem Ar­beit­neh­mer auch bei ge­rin­ge­ren Beträgen nicht mehr zu­mut­bar sein, sein Ar­beits­verhält­nis bis zum Ab­lauf der or­dent­li­chen Kündi­gungs­frist fort­zu­set­zen, wenn der Ar­beit­ge­ber zum wie­der­hol­ten Ma­le mit den Vergütungs­leis­tun­gen in Ver­zug kommt. Die Ver­zugs­leis­tun­gen lägen vor. Zur Wirk­sam­keit der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung sei aber ei­ne vor­he­ri­ge ver­geb­li­che Ab­mah­nung er­for­der­lich ge­we­sen. Die­se feh­le hier. Hier­zu führt das Ar­beits­ge­richt im Ein­zel­nen aus.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten der Ur­teils­be­gründung wird auf die vor­be­zeich­ne­te Ent­schei­dung ver­wie­sen.

Das Ur­teil wur­de dem Kläger am 25.03.2011 zu­ge­stellt. Er hat hier­ge­gen am 20.04.2011 Be­ru­fung ein­ge­legt und sei­ne Be­ru­fung mit am 25.05.2011 ein­ge­gan­ge­nem Schrift­satz be­gründet.

Der Kläger rügt, das Ar­beits­ge­richt ha­be we­der im Ein­zel­nen ge­prüft, noch be­gründet, aus wel­chen Gründen es im vor­lie­gen­den Fall er­for­der­lich ge­we­sen sei, ei­ne Ab­mah­nung aus­zu­spre­chen. Es läge ge­ra­de nicht der Re­gel­fall vor, dass ei­ne Ab­mah­nung er­for­der­lich war. Sie sei aus­nahms­wei­se ent­behr­lich, wenn es sich um be­son­ders schwer­wie­gen­de Pflicht­ver­let­zun­gen han­de­le, de­ren Rechts­wid­rig­keit dem pflicht­wid­rig Han­deln­den oh­ne Wei­te­res er­kenn­bar und bei de­nen es aus­ge­schlos­sen sei, dass der Ver­trags­part­ner ein sol­ches Ver­hal­ten hin­neh­me bzw. wenn sie zur ir­re­pa­ra­blen Störung der Ver­trags­be­zie­hun­gen führe. Außer­dem sei sie ent­behr­lich, wenn auch im Fal­le ei­ne Ab­mah­nung kei­ne Aus­sicht auf ei­ne Rück­kehr des Ver­trags­part­ners zum ver­trags­kon­for­men Ver­hal­ten mehr be­ste­he. Die Be­klag­te ha­be sich je­den­falls seit Fe­bru­ar 2010 ständig mit den Lohn­zah­lun­gen an den Kläger in Ver­zug be­fun­den. Sie ha­be sich be­harr­lich ge­wei­gert, das ge­schul­de­te Ar­beits­ent­gelt recht­zei­tig zu zah­len. Des­halb sei ei­ne Ab­mah­nung ent­behr­lich ge­we­sen.

Der Kläger be­an­tragt,
das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Trier vom 16.03.2011 - 4 Ca 1235/10 - ab­zuändern und die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an den Kläger Scha­dens­er­satz in Höhe von 3.483,33 EUR brut­to zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,
die Be­ru­fung kos­ten­pflich­tig zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­digt das an­ge­foch­te­ne Ur­teil.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des im Be­ru­fungs­ver­fah­ren wird auf den vor­ge­tra­ge­nen In­halt der Schriftsätze der Par­tei­en, die Ge­gen­stand der münd­li­chen Ver­hand­lung wa­ren, ver­wie­sen. Wei­ter wird ver­wie­sen auf die Fest­stel­lun­gen zum Sit­zungs­pro­to­koll vom 07.07.2011.

Ent­schei­dungs­gründe:
I.
Die Be­ru­fung des Klägers ist zulässig, sie ist form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO).

II. Das Rechts­mit­tel der Be­ru­fung hat in der Sa­che je­doch kei­nen Er­folg. Das Ar­beits­ge­richt hat im Er­geb­nis und in der Be­gründung voll­kom­men zu­tref­fend die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Im Be­ru­fungs­ver­fah­ren sind kei­ne neu­en rechts­er­heb­li­chen Ge­sichts­punk­te auf­ge­tre­ten, die ei­ne Ab­wei­chung von dem vom Ar­beits­ge­richt ge­fun­de­nen Er­geb­nis recht­fer­ti­gen könn­ten. Die Be­ru­fungs­kam­mer nimmt da­her gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG voll umfäng­lich Be­zug auf die Be­gründung des ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teils.

Le­dig­lich we­gen der An­grif­fe im Be­ru­fungs­ver­fah­ren sei kurz auf Fol­gen­des hin­zu­wei­sen:
Mit sei­ner Be­ru­fung greift der Kläger die tatsächli­chen und recht­li­chen Fest­stel­lun­gen des Ar­beits­ge­richts nur in­so­weit an, als er Ausführun­gen da­zu macht, dass im kon­kre­ten Ein­zel­fall ei­ne Ab­mah­nung, die nicht aus­ge­spro­chen wur­de, aus­nahms­wei­se ent­behr­lich war.

Mit die­sem Be­ru­fungs­vor­brin­gen kann der Kläger kei­nen Er­folg ha­ben.

Die Be­ru­fungs­kam­mer kann ins­be­son­de­re nicht fest­stel­len, dass ei­ne Ab­mah­nung, al­so ei­ne Erklärung, der Kläger wer­de das Ar­beits­verhält­nis außer­or­dent­lich kündi­gen, zu kei­ner Verände­rung des Ver­hal­tens der Be­klag­ten geführt ha­be. Wenn der Be­klag­ten be­wusst wird, dass der Kläger den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses mit der künf­ti­gen pünkt­li­chen Lohn­zah­lung ver­knüpft, im Nich­terfüllungs­fal­le ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung in Aus­sicht stellt, ver­bun­den mit dem Um­stand, dass er dann zusätz­lich noch Scha­dens­er­satz ver­lan­gen kann, wäre es für die Be­klag­te si­cher nicht unmöglich ge­we­sen, durch Um­schich­tung von Lohn­zah­lun­gen (et­wa der­ge­stalt, dass an­de­re Mit­ar­bei­ter auf ih­re Ent­gelt­leis­tun­gen noch ei­ni­ge Ta­ge länger hätten war­ten müssen), dem Kläger ei­ne pünkt­li­che Lohn­zah­lung zu ga­ran­tie­ren. Dass dies nicht unmöglich war, be­legt der Um­stand, dass die Be­klag­te in kei­nem Zeit­punkt wirk­lich zah­lungs­unfähig war, son­dern nur Schwie­rig­kei­ten hat­te, sämt­li­che For­de­run­gen recht­zei­tig zu erfüllen.

Ge­gen den Um­stand, dass der Kläger be­rech­tigt war, das Ar­beits­verhält­nis außer­or­dent­lich zu kündi­gen, spricht wei­ter ent­schei­dend, dass der Kläger selbst nicht da­von aus­ging, dass ein Grund vor­liegt, der es ihm un­zu­mut­bar mach­te, das Ar­beits­verhält­nis bis zum Ab­lauf der or­dent­li­chen Kündi­gungs­frist ein­zu­hal­ten, weil er ge­ra­de selbst durch sei­ne aus­ge­spro­che­ne or­dent­li­che Ei­genkündi­gung die­se or­dent­li­che Kündi­gungs­frist wahr­te.

Er­gibt sich nach al­lem, dass ge­ra­de kein Aus­nah­me­tat­be­stand vor­lag, der ei­ne Ab­mah­nung aus­nahms­wei­se ent­behr­lich mach­te, er­weist sich die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung als zu­tref­fend. Die hier­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung muss­te er­folg­los blei­ben.

III. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt § 97 Abs. 1 ZPO. Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on war nicht ver­an­lasst.

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