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ARBEITSRECHT AKTUELL // 14/205

Wann ist ei­ne Än­de­rungs­kün­di­gung ver­hält­nis­mä­ßig?

Ei­ne Hal­bie­rung der Ar­beits­zeit bei glei­chem St­un­den­lohn ist bes­ser als ei­ne Lohn­ab­sen­kung bei gleich­blei­ben­der Ar­beits­zeit: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 10.04.2014, 2 AZR 812/12
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07.06.2014. Spricht der Ar­beit­ge­ber ei­ne Än­de­rungs­kün­di­gung aus, stellt er den Ar­beit­neh­mer vor die Wahl, das Än­de­rungs­an­ge­bot an­zu­neh­men oder zu ge­hen. Das ist ei­ne Wahl zwi­schen zwei Übeln, denn meist sol­len Än­de­rungs­an­ge­bo­te die Ver­trags­be­din­gun­gen ver­schlech­tern.

Hat der Ar­beit­neh­mer Kün­di­gungs­schutz nach dem Kün­di­gungs­schutz­ge­setz (KSchG), kann er das Än­de­rungs­an­ge­bot un­ter dem Vor­be­halt an­neh­men, dass die vom Ar­beit­ge­ber ge­wünsch­ten Ver­trags­än­de­run­gen an­ge­mes­sen sind, d.h. "so­zi­al ge­recht­fer­tigt" (§ 2 KSchG). Dann kann er ge­richt­lich über­prü­fen las­sen, ob die Ver­trags­än­de­rung § 2 KSchG ent­spricht oder nicht.

Bei die­ser Prü­fung kommt un­ter an­de­rem es dar­auf an, dass die Ver­schlech­te­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen nicht über das not­wen­di­ge Maß hin­aus­geht, d.h. der Ar­beit­ge­ber muss die am we­nigs­ten "schmerz­haf­te" Ver­trags­än­de­rung vor­schla­gen.

Hier­zu hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) vor kur­zem ent­schie­den, dass die Hal­bie­rung der Ar­beits­zeit bei glei­chem St­un­den­lohn we­ni­ger be­las­tend ist als ei­ne Lohn­ab­sen­kung bei gleich­blei­ben­der Ar­beits­zeit: BAG, Ur­teil vom 10.04.2014, 2 AZR 812/12.

Was für Ar­beit­neh­mer wich­ti­ger - der St­un­den­lohn oder das Mo­nats­ge­halt?

Hat ein Ar­beit­neh­mer mit Kündi­gungs­schutz ei­ne Ände­rungskündi­gung er­hal­ten und un­ter dem Vor­be­halt der "so­zia­len Recht­fer­ti­gung" (§ 2 KSchG) an­ge­nom­men, muss das Ge­richt im Rah­men ei­ner Ände­rungs­schutz­kla­ge prüfen,

Kündigt der Ar­beit­ge­ber z.B. ei­nen Ver­triebs­lei­ter aus be­triebs­be­ding­ten Gründen, weil die Ver­triebs­lei­tung künf­tig vom kaufmänni­schen Geschäftsführer er­le­digt wer­den soll, und bie­tet die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses als Verkäufer an, d.h. oh­ne Lei­tungs­auf­ga­ben und zu ei­nem ge­rin­ge­ren Ge­halt, dann hat der Ar­beit­ge­ber die ers­te Hürde zwar ge­nom­men (Ver­triebs­lei­ter­auf­ga­ben gibt es eben künf­tig nicht mehr, dafür aber Ver­kaufs­auf­ga­ben), aber nicht oh­ne wei­te­res auch die zwei­te Hürde. Hier kommt es dar­auf an, ob auch die Ge­halts­ab­sen­kung im zu­mut­ba­ren Rah­men bleibt, d.h. dem (Ex-)Ver­triebs­lei­ter soll­te zu­min­dest das im Be­trieb übli­che Verkäufer­ge­halt ver­blei­ben.

Aber wel­che Ver­tragsände­rung be­las­tet den Ar­beit­neh­mer we­ni­ger und ist da­her vom Ar­beit­ge­ber bei ei­ner Ände­rungskündi­gung an­zu­bie­ten,

  • ei­ne hal­be Stel­le statt ei­ner bis­he­ri­gen Voll­zeit­stel­le, dafür mit ver­gleich­ba­ren Ar­beits­auf­ga­ben und glei­cher Ein­grup­pie­rung, oder
  • ei­ne Voll­zeit­stel­le mit höhe­rem Ge­samt­ge­halt im Ver­gleich zu der hal­ben Stel­le, al­ler­dings mit ge­rin­ger zu be­wer­ten­den Auf­ga­ben und nied­ri­ge­rer Ein­grup­pie­rung?

Streit zwi­schen Ge­mein­de­re­fe­ren­tin und Erz­bis­tum führt zum Ent­zug der mis­sio ca­no­ni­ca und zur Ge­halts­ab­sen­kung um fünf Ent­gelt­grup­pen per Ände­rungskündi­gung

In dem vom BAG ent­schie­de­nen Fall la­gen ei­ne stu­dier­te Theo­lo­gin (FH) und Ge­mein­de­re­fe­ren­tin und ihr Ar­beit­ge­ber, ei­ne ka­tho­li­sches Erz­bis­tum, mit­ein­an­der im Streit. Der Streit führ­te zum Ent­zug der kirch­li­chen Lehr­be­fug­nis für die Er­tei­lung des ka­tho­li­schen Re­li­gi­ons­un­ter­richts (mis­sio ca­no­ni­ca) und im nächs­ten Schritt zur per­so­nen­be­ding­ten Kündi­gung, denn für die Ausübung des Am­tes der Ge­mein­de­re­fe­ren­tin ist nach kirch­li­chem Recht die mis­sio ca­no­ni­ca er­for­der­lich.

Die per­so­nen­be­ding­te Kündi­gung sprach das Bis­tum als Ände­rungskündi­gung aus. Dem Ände­rungs­an­ge­bot zu­fol­ge hätte die Kläge­rin, die zu­vor nach Ent­gelt­grup­pe 10 be­zahlt wur­de und et­wa 3.900,00 EUR brut­to im Mo­nat er­hielt, künf­tig als Se­kretärin ar­bei­ten sol­len und sich mit ei­ner Be­zah­lung gemäß Ent­gelt­grup­pe 5 ab­fin­den sol­len. Die Kläge­rin lehn­te das Ände­rungs­an­ge­bot ab und er­hob dem­zu­fol­ge kei­ne Ände­rungs­schutz­kla­ge, son­dern ei­ne "nor­ma­le" Kündi­gungs­schutz­kla­ge.

Ihr Ar­gu­ment: Die Her­ab­stu­fung um fünf Ent­gelt­grup­pen führe zu ei­ner zu weit­ge­hen­den Ein­kom­mens­ver­rin­ge­rung. Das sei un­verhält­nismäßig. Im­mer­hin gab es die Möglich­keit, sie im In­sti­tut für Re­li­gi­onspädago­gik und Me­di­en­ar­beit mit re­li­gi­onspädago­gi­schen Auf­ga­ben zu beschäfti­gen, und zwar auf ei­ner hal­ben Stel­le mit der­sel­ben Ein­grup­pie­rung wie bis­her.

Das Bis­tum hielt dem ent­ge­gen, dass die Kläge­rin mit der voll­zei­ti­gen Tätig­keit als Se­kretärin 2.650,82 EUR brut­to und auf der hal­ben Stel­le im In­sti­tut für Re­li­gi­onspädago­gik nur 1.997,10 EUR brut­to ver­dient hätte.

Ar­beits­ge­richt Pa­der­born (Ur­teil vom 23.11.2011, 2 Ca 561/11) und Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Hamm wie­sen die Kla­ge ab (LAG Hamm, Ur­teil vom 17.07.2012, 10 Sa 890/12).

BAG: Ei­ne Hal­bie­rung der Ar­beits­zeit bei glei­chem St­un­den­lohn ist bes­ser als ei­ne Lohn­ab­sen­kung bei gleich­blei­ben­der Ar­beits­zeit

Das BAG hob das Ur­teil des LAG auf und ver­wies den Rechts­streit zurück an das LAG. Denn mögli­cher­wei­se hätte das Bis­tum die Kläge­rin auf der von ihr be­nann­ten Stel­le beschäfti­gen können, und in die­sem Fall wäre das strei­ti­ge Ände­rungs­an­ge­bot (voll­zei­ti­ge Stel­le als Se­kretärin) auf­grund der er­heb­li­chen Re­du­zie­rung der St­un­den­lohn un­verhält­nismäßig.

Denn, so BAG: Auch wenn man mit ei­ner hal­ben Stel­le bei glei­cher Ein­grup­pie­rung nur die Hälf­te des bis­he­ri­gen Voll­zeit­ge­hal­tes ver­dient, ist das im­mer noch bes­ser als ei­ne voll­zei­ti­ge Ar­beit auf ei­ner er­heb­lich ge­rin­ger be­wer­te­ten Stel­le.

Denn ent­schei­dend aus Ar­beit­neh­mer­sicht ist nicht der zeit­li­che Um­fang ei­ner Ar­beits­ver­pflich­tung, son­dern die Wer­tig­keit der Auf­ga­ben und die Be­zah­lung. Außer­dem kann der Ar­beit­neh­mer die durch die Ar­beits­zeit­re­du­zie­rung frei wer­den­de Zeit an­der­wei­tig nut­zen, und er kann sei­ne be­ruf­li­che Qua­li­fi­ka­ti­on auf­recht­er­hal­ten, wenn er wei­ter auf sei­nem bis­he­ri­gen Qua­li­fi­ka­ti­ons­ni­veau ar­bei­tet.

Dass die Kläge­rin hier im Streit­fall die Tätig­keit im In­sti­tut für Re­li­gi­onspädago­gik zunächst ab­ge­lehnt hat­te, hin­der­te sie nicht dar­an, sich später im Kündi­gungs­schutz­pro­zess auf die­se Ein­satzmöglich­keit zu be­ru­fen. Denn es ist an­er­kannt, dass der Ar­beit­ge­ber bei ei­ner Ände­rungskündi­gung auch sol­che Ar­bei­ten an­bie­ten muss, die der Ar­beit­neh­mer früher ein­mal (oh­ne den Druck ei­ner Ände­rungskündi­gung) ab­ge­lehnt hat.

Und auf die Zu­mut­bar­keit des Ände­rungs­an­ge­bots kam es hier an, ob­wohl die Kläge­rin das An­ge­bot zurück­ge­wie­sen und ei­ne iso­lier­te Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­ho­ben hat­te. Denn ob der Ar­beit­neh­mer das Ände­rungs­an­ge­bot un­ter Vor­be­halt an­nimmt und Ände­rungs­schutz­kla­ge er­hebt oder ob es ab­lehnt und ei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge ein­reicht - in bei­dem Fällen gel­ten die­sel­ben recht­li­chen Maßstäbe für die Be­ur­tei­lung der so­zia­len Recht­fer­ti­gung der Ver­tragsände­rung bzw. der Kündi­gung.

Fa­zit: Ar­beit­ge­ber soll­ten bei ei­ner Ände­rungskündi­gung im­mer sämt­li­che in Be­tracht kom­men­den Ver­tragsände­run­gen an­bie­ten, d.h. dem Ar­beit­neh­mer zur Aus­wahl an­bie­ten. Nur dann wird der vom KSchG ge­woll­te Be­stands­schutz wirk­lich ernst ge­nom­men. Die Be­loh­nung für den Ar­beit­ge­ber liegt dar­in, dass sich der Ar­beit­neh­mer auf die­je­ni­gen Ein­satzmöglich­kei­ten, die er im Rah­men ei­ner Ände­rungskündi­gung ab­ge­lehnt hat, später im Kündi­gungs­schutz- oder Ände­rungs­schutz­ver­fah­ren nicht mehr be­ru­fen kann.

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Letzte Überarbeitung: 29. August 2019

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