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Dreijährige Kündigungsfrist ist unwirksam
27.10.2017. Im Mai 2016 berichteten wir über ein Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts (LAG) vom 19.01.2016 (3 Sa 406/15), mit dem das LAG eine vom Arbeitgeber vorgegebene vertragliche Kündigungsfrist von drei Jahren für unwirksam erklärte (Arbeitsrecht aktuell: 16/167 Verlängerte Kündigungsfrist als Benachteiligung des Arbeitnehmers).
Der Prozess war ungewöhnlich, denn hier hatte ausnahmsweise einmal der Arbeitgeber geklagt, und zwar auf die gerichtliche Feststellung, dass eine vom Arbeitnehmer ausgesprochene Kündigung erst nach dreijähriger Frist wirksam würde.
Gestern hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) das gegen den klagenden Arbeitgeber ergangene Urteil des LAG abgesegnet und entschieden, dass eine dreijährige Kündigungsfrist, die der Arbeitgeber in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vorgibt, die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers zu stark einschränkt und daher unwirksam ist: BAG, Urteil vom 26.10.2017, 6 AZR 158/16 (Pressemeldung des BAG).
- Können Arbeitgeber Kündigungsfristen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) frei festlegen, solange die gleichen Fristen für beide Parteien gelten?
- Der Streitfall: Gehaltserhöhung von 1.400,00 EUR auf 2.400,00 EUR wird mit dreijähriger Kündigungsfrist erkauft
- BAG: Eine in AGB enthaltene dreijährige Kündigungsfrist ist unwirksam
Können Arbeitgeber Kündigungsfristen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) frei festlegen, solange die gleichen Fristen für beide Parteien gelten?
Die Regel, dass eine längere Vertragslaufzeit zu längeren Kündigungsfristen im Arbeitsverhältnis führt, gilt nach § 622 Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nur für den Arbeitgeber. Arbeitnehmer dagegen können auch nach 20-jährigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses mit der sog. "Grundkündigungsfrist" von vier Wochen zum 15. oder zum Monatsende kündigen (§ 622 Abs.1 BGB).
Diese gesetzliche Besserstellung des Arbeitnehmers kann allerdings in arbeitsvertraglichen oder tarifvertraglichen Regelungen durch eine Gleichbehandlung ersetzt werden. Dann verlängert sich auch die vom Arbeitnehmer einzuhaltende Kündigungsfrist in dem Maße, in dem sie sich für den Arbeitgeber verlängert. Nach 20 Jahren Vertragsdauer können dann sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer nur mit einer Frist von sieben Monaten zum Monatsende kündigen (§ 622 Abs.6 BGB).
Ausdrückliche Obergrenzen für arbeitsvertragliche Kündigungsfristen, die Arbeitnehmer beachten müssen, sieht das Gesetz nicht vor. Allerdings erschweren allzu lange Fristen einen Arbeitgeberwechsel und schränken damit die berufliche Bewegungsfreiheit ein, die durch Art.12 Grundgesetz (GG) geschützt ist. Daher muss es irgendwo Obergrenzen für die arbeitsvertragliche Verlängerung von Kündigungsfristen geben. Die Frage ist nur, wo diese Grenzen liegen.
Ein äußerstes Limit lässt sich § 15 Abs.4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) entnehmen. Danach kann ein auf Lebenszeit des Arbeitnehmers abgeschlossener Arbeitsvertrag erstmals nach fünf Jahren gekündigt werden, und zwar mit sechsmonatiger Frist. Mehr als eine gut fünfeinhalbjährige Vertragsbindung des Arbeitnehmers (beim Lebenszeitarbeitsvertrag) ist daher gesetzlich ausgeschlossen.
Allerdings ist eine feste Vertragslaufzeit von fünf Jahren mit anschließender sechsmonatiger Kündigungsfrist eine geringere Beschränkung der Berufsfreiheit als eine mehrjährige Kündigungsfrist. Denn auch eine fünfjährige Vertragslaufzeit ist absehbar und irgendwann einmal herum, und dann gilt eine "nur" sechsmonatige Kündigungsfrist. Demgegenüber wird eine mehrjährige Kündigungsfrist nie weniger.
Und da sich kaum ein Arbeitgeber darauf einlässt, auf einen neuen Arbeitnehmer mehrere Jahre lang zu warten, müsste ein Arbeitnehmer, der eine mehrjährige Kündigungsfrist zu beachten hat, "auf gut Glück" kündigen in der Hoffnung, am Ende der langen Kündigungsfrist eine angemessene neue Stelle zu finden. Daraus folgt: "Zu lange" und in AGB festgeschriebene Kündigungsfristen sind eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers und daher gemäß § 307 Abs.1 Satz 1 BGB unwirksam. Aber welche Kündigungsfristen sind "zu lang"?
Der Streitfall: Gehaltserhöhung von 1.400,00 EUR auf 2.400,00 EUR wird mit dreijähriger Kündigungsfrist erkauft
Im Streitfall ging es um einen sächsischen Speditionskaufmann, der für 45 Stunden Arbeit pro Woche nur magere 1.400,00 EUR brutto bekam. Im Sommer 2012 war der Arbeitgeber zu einer kräftigen Gehaltserhöhung auf 2.400,00 EUR brutto bereit, ließ sich dafür aber eine beiderseitige Kündigungsfrist von drei Jahren zum Monatsende abzeichnen.
Außerdem sollte er berechtigt sein, den Kaufmann im Falle einer Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von der Arbeit bezahlt freizustellen. Und damit nicht genug: Das erhöhte Gehalt sollte drei Jahre lang eingefroren sein und im Falle einer späteren Erhöhung wieder mindestens zwei Jahre unverändert bleiben.
Im Dezember 2014 wurde bekannt, dass der Arbeitgeber eine Spähsoftware einsetzte, mit deren Hilfe er Daten von den Arbeitsplatzrechnern seiner Arbeitnehmer ausspionierte. Daraufhin kündigten sechs der sieben im Betrieb tätigen Arbeitnehmer, darunter auch der Speditionskaufmann. In seinem Kündigungsschreiben vom Dezember 2014 erklärte er, dass er "ordnungsgemäß und fristgerecht" kündige, allerdings nicht mit der vertraglich vereinbarten Frist von drei Jahren zum 31.12.2017, sondern zum 31.01.2015. Damit wollte er offenbar die gesetzliche Grundkündigungsfrist von vier Wochen zum 15. bzw. zum Monatsende (§ 622 Abs.1 BGB) einhalten.
Der Arbeitgeber verklagte ihn daraufhin mit dem Ziel der gerichtlichen Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 31.12.2017 fortbestehe. Damit hatte er vor dem Arbeitsgericht Leipzig Erfolg (Urteil vom 12.06.2015, 3 Ca 184/15), wohingegen das LAG die Klage abwies (Sächsisches LAG, Urteil vom 19.01.2016, 3 Sa 406/15, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 16/167 Verlängerte Kündigungsfrist als Benachteiligung des Arbeitnehmers).
Nach Ansicht des LAG legte diese extrem lange Kündigungsfrist dem Angestellten bei einem Arbeitgeberwechsel in unzumutbarer Weise Steine in den Weg und war deshalb mit der Berufsfreiheit (Art.12 GG) nicht zu vereinbaren. Daher war die Fristenklausel gemäß § 307 Abs.1 Satz 1 BGB unwirksam.
BAG: Eine in AGB enthaltene dreijährige Kündigungsfrist ist unwirksam
Auch in Erfurt vor dem BAG hatte der Arbeitgeber keinen Erfolg. Das BAG wies seine Revision zurück. In der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG heißt es zur Begründung:
Die hier in den AGB des Arbeitgebers enthaltene dreijährige Kündigungsfrist benachteiligte den beklagten Arbeitnehmer im Einzelfall entgegen Treu und Glauben unangemessen. Die Fristenregelung war daher gemäß § 307 Abs.1 Satz 1 BGB unwirksam.
Denn auch dann, wenn eine vom Arbeitgeber vorgegebene Kündigungsfrist für beide Vertragsparteien gilt und nicht länger als fünf Jahre und sieben Monate ist, d.h. wenn sie die gesetzlichen Grenzen des § 622 Abs.6 BGB und des § 15 Abs.4 TzBfG einhält, ist sie daraufhin zu überprüfen, ob sie eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit darstellt. Diese Prüfung ist "nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Beachtung von Art.12 Abs.1 GG" vorzunehmen, d.h. es ist nach zu fragen, ob die verlängerte Kündigungsfrist die beruflichen Bewegungsfreiheit des Arbeitnehmers unangemessen beschränkt, so die Erfurter Richter.
Diese Angemessenheitskontrolle ist nach Ansicht des BAG dann vorzunehmen, wenn die vereinbarte Kündigungsfrist "wesentlich länger ist als die gesetzliche Regelfrist des § 622 Abs.1 BGB".
Hier ist Streitfall hatte das Sächsische LAG alles richtig gemacht. Denn die strittige Klausel war trotz der beiderseitigen Verlängerung der Kündigungsfrist unausgewogen. Der Nachteil für den beklagten Arbeitnehmer wurde nämlich nicht durch die Gehaltserhöhung aufgewogen, so das BAG, "zumal die Zusatzvereinbarung das Vergütungsniveau langfristig einfror".
Fazit: In aller Regel hat eine beiderseitige Kündigungsfrist von mehr als einem Jahr für den Arbeitnehmer keinen Vorteil, und zwar aus den Gründen, die bereits das LAG überzeugend herausgestellt hat. Denn auf "normale" Arbeitnehmer werden Arbeitgeber in aller Regel höchstens einige Monate lang warten. Das zwingt Arbeitnehmer mit extrem langen Kündigungsfristen dazu, den Absprung zu wagen, ohne einen Folgearbeitsvertrag bereits in der Tasche zu haben. Diese Unsicherheit wiederum fesselt sie an das bestehende Arbeitsverhältnis und beeinträchtigt ihre Berufsfreiheit.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.10.2017, 6 AZR 158/16 (Pressemeldung des BAG)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.10.2017, 6 AZR 158/16
- Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 19.01.2016, 3 Sa 406/15
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag und Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)
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- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung des Arbeitsvertrags (Überblick)
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsfristen
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- Musterschreiben: Informationen zur Arbeitnehmer-Datenverarbeitung gemäß Art.13 DS-GVO
- Musterschreiben: Auskunftsverlangen des Arbeitnehmers gemäß Art.15 DS-GVO
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Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 29. Oktober 2018
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