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LAG Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 22.07.2011, 6 Sa 487/10

   
Schlagworte: AGB, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Ausschlussklausel
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen: 6 Sa 487/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 22.07.2011
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Koblenz, Urteil vom 20.07.2010, 11 Ca 1869/09
   

Ak­ten­zei­chen:
6 Sa 487/10
11 Ca 1869/09
ArbG Ko­blenz
- AK Neu­wied -
Ent­schei­dung vom 22.07.2011

Te­nor:
Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ko­blenz - Auswärti­ge Kam­mern Neu­wied - vom 20.07.2010 - 11 Ca 1869/09 - wird auf Kos­ten des Klägers zurück­ge­wie­sen.
Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand:
Die Par­tei­en strei­ten um die Ver­pflich­tung des in An­spruch ge­nom­me­nen Ar­beit­neh­mers auf Rück­zah­lung ei­ner vom Ar­beit­ge­ber ver­aus­lag­ten Geld­buße.

Der Be­klag­te war bei der Kläge­rin, die ein Trans­port­un­ter­neh­men be­treibt, in der Zeit vom 28.01.2008 bis 28.04.2008 mit ei­nem Ar­beits­ver­trag beschäftigt, der in Zif­fer 22 un­ter der Über­schrift "Aus­schluss­fris­ten" un­ter b) fol­gen­de Re­ge­lung ent­hielt:

Al­le Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis und sol­che die mit dem Ar­beits­verhält­nis in Ver­bin­dung ste­hen, ver­fal­len, wenn sie nicht in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Fällig­keit ge­genüber der an­de­ren Ver­trags­par­tei schrift­lich gel­tend ge­macht wer­den.

Lehnt die Ge­gen­par­tei den An­spruch ab, oder erklärt sie sich nicht in­ner­halb von zwei Wo­chen nach der Gel­tend­ma­chung des An­spruchs, so verfällt die­ser, wenn er nicht in­ner­halb ei­ner Frist von ei­nem wei­te­ren Mo­nat nach der Ab­leh­nung oder dem Frist­ab­lauf ge­richt­lich gel­tend ge­macht wird.

Am 07.04.2008 verhäng­te die französi­sche Po­li­zei ei­ne Geld­buße in Höhe von 1.830,-- EUR, weil der Be­klag­te sei­nen Ver­pflich­tun­gen im Hin­blick auf die Führung von Ta­cho­schei­ben nicht ord­nungs­gemäß nach­ge­kom­men war. Der Kläger zahl­te da­von 1.800,-- EUR, um dem Be­klag­ten die Wei­ter­fahrt zu ermögli­chen. Ei­ne wei­te­re Geld­buße anläss­lich ei­ner Fahrt von N nach P C in Höhe von 200,-- EUR fiel an.

Der Kläger ver­rech­ne­te ei­nen Teil­be­trag der von ihm ver­aus­lag­ten Bußgel­der in Höhe von 639,10 EUR mit dem Ge­halt des Be­klag­ten für April 2008. Mit Schrei­ben vom 26.05.2008 for­der­te der Kläger den Be­klag­ten zur Zah­lung des Rest­be­tra­ges auf.

Am 01.08.2008 ging beim Amts­ge­richt May­en ein An­trag des Klägers auf Er­lass ei­nes Mahn­be­scheids ge­gen den Be­klag­ten in Höhe von 1.390,90 EUR ein.

Der Kläger hat erst­in­stanz­lich vor­ge­tra­gen,
die ver­aus­lag­ten Geld­bußen hätten ih­ren Grund al­lei­ne in ei­nem Ver­s­toß ge­gen straßen­ver­kehrs­recht­li­che Vor­schrif­ten. Die Ver­aus­la­gung der Geld­bußen stel­le ein Ar­beit­ge­ber­dar­le­hen dar. Der Rück­zah­lungs­an­spruch aus die­sem sei erst mit der Kündi­gung des Dar­le­hens­ver­tra­ges durch das Schrei­ben vom 26.05.2008 fällig ge­wor­den.

Der Kläger hat erst­in­stanz­lich zu­letzt be­an­tragt,
den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, an den Kläger ei­nen Be­trag in Höhe von 1.360,90 EUR zzgl. 5 Pro­zent Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 11.06.2008 zu zah­len.

Der Be­klag­te hat
Kla­ge­ab­wei­sung

be­an­tragt und er­wi­dert,
die Rück­for­de­rung der ver­aus­lag­ten Geld­buße sei we­gen Ab­laufs der Aus­schluss­frist aus Zif­fer 22 b) des Ar­beits­ver­tra­ges aus­ge­schlos­sen. Im übri­gen ha­be er sei­nen Ar­beit­ge­ber mehr­fach dar­auf hin­ge­wie­sen, dass der Ta­cho­me­ter de­fekt sei.

Das Ar­beits­ge­richt Ko­blenz - Auswärti­ge Kam­mern Neu­wied - hat durch das Ur­teil vom 20.07.2010 - 11 Ca 1869/09 - die auf Rück­zah­lung ei­ner ver­aus­lag­ten Geld­buße ge­rich­te­ten Zah­lun­gen in Höhe von 1.360,90 EUR ab­ge­wie­sen, da der An­spruch gemäß § 22 b) des Ar­beits­ver­tra­ges ver­fal­len sei. Der Kläger ha­be je­den­falls die zwei­te Stu­fe der Aus­schluss­frist nicht ein­ge­hal­ten. Der An­spruch wäre bei zu Guns­ten des Klägers un­ter­stell­ter Auf­fas­sung zur recht­li­chen Qua­lität des Rück­for­de­rungs­schrei­bens vom 26.05.2008 zum 07.07.2008 ge­richt­lich gel­tend zu ma­chen ge­we­sen. Der An­trag zum Er­lass ei­nes Mahn­be­schei­des sei je­doch erst am 01.08.2008 ein­ge­gan­gen.

Zu den Ein­zel­hei­ten der Be­gründung wird auf die Ent­schei­dungs­gründe des vor­be­zeich­ne­ten Ur­teils (Sei­te 4 - 6 = Bl. 121 R - 122 R d. A.).

Ge­gen das dem Kläger am 11.08.2010 zu­ge­stell­te Ur­teil rich­tet sich des­sen am 08.09.2010 ein­ge­leg­te und am 11.10.2010 be­gründe­te Be­ru­fung. Zu de­ren Be­gründung führt der Kläger im We­sent­li­chen aus, der Vor­der­rich­ter ha­be die Rechts­la­ge ver­kannt. Ein Aus­schluss gemäß Zif­fer 22 b) des Ar­beits­ver­tra­ges sei nicht ge­ge­ben, da es sich bei dem An­spruch auf Rück­zah­lung ei­nes Dar­le­hens zur Be­glei­chung ei­ner Geld­buße we­der um ei­nen An­spruch aus ei­nem Ar­beits­verhält­nis noch um ei­nen sol­chen han­de­le, der mit die­sem in in­ne­rer Ver­bin­dung stünde. Ord­nungs­wid­rig­kei­ten blie­ben nach der Recht­spre­chung al­lei­ni­ge Sa­che des Be­trof­fe­nen; auch wenn sie bei Ge­le­gen­heit Er­brin­gung der Ar­beits­leis­tung im Rah­men ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses be­gan­gen würden. Die Aus­schluss­frist im Ar­beits­ver­trag sei im Übri­gen un­an­ge­mes­sen kurz; dies führe zu de­ren Un­wirk­sam­keit. Die Klau­sel könne auch des­halb kei­ne An­wen­dung fin­den, weil das Ar­beits­verhält­nis be­en­det ge­we­sen sei, be­vor das zur Be­glei­chung der Geld­buße gewähr­te Dar­le­hen mit Schrei­ben vom 26.05.2008 fällig ge­stellt wor­den sei.

Zu den wei­te­ren Ein­zel­hei­ten der Be­ru­fungs­be­gründung wird auf den Schrift­satz des Klägers vom 11.10.2010 (Bl. 147 - 150 d. A.) Be­zug ge­nom­men.

Der Kläger be­an­tragt,
un­ter Auf­he­bung des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Ko­blenz vom 20.07.2010 zu­ge­stellt am 11.08.2010 AZ: 11 Ca 1869/09 den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len an den Kläger ei­nen Be­trag in Höhe von 1.360,90 EUR zzgl. 5 % Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 11.06.2008 zu­zah­len.

Der Be­klag­te be­an­tragt
Zurück­wei­sung der Be­ru­fung

und führt aus,
ein Rück­zah­lungs­an­spruch aus Dar­le­hens­ver­trag schei­de man­gels aus­drück­li­cher oder kon­klu­den­ter Ver­ein­ba­rung ei­nes Ar­beit­neh­mer­dar­le­hens aus. Ein An­spruch aus Auf­trags­verhält­nis könne we­gen des Ver­falls ei­nes sol­chen of­fen blei­ben. Der Kläger könne sich auch nicht auf ei­ne Un­wirk­sam­keit der von ihm selbst auf­ge­stell­ten Geschäfts­be­din­gung be­ru­fen. Die zwei­te Stu­fe der Aus­schluss­klau­sel grif­fe ein. Auf die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses käme es nicht an.

Auf die Be­ru­fungs­er­wi­de­rung vom 17.11.2010 (Bl. 166 - 168 d. A.), den wei­te­ren Ak­ten­in­halt und die Fest­stel­lun­gen in der Sit­zungs­nie­der­schrift des Lan­des­ar­beits­ge­richts Rhein­land-Pfalz vom 20.07.2011 wird ver­wie­sen.

Ent­schei­dungs­gründe:
I.
Die statt­haf­te, so­wie form- und frist­ge­recht ein­ge­leg­te Be­ru­fung ist zulässig.

II. Das Rechts­mit­tel ist je­doch nicht be­gründet.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge auf Rückführung der ver­aus­lag­ten Geld­buße zu Recht als un­be­gründet ab­ge­wie­sen. Der Rück­for­de­rungs­an­spruch ist gemäß § 22 b) des For­mu­lar­ar­beits­ver­tra­ges ver­fal­len.

Auf­grund ei­genständ­li­cher recht­li­cher Über­prüfung macht sich die Be­ru­fungs­kam­mer die Ent­schei­dungs­gründe des Ar­beits­ge­richts zu ei­gen und stellt dies hier­mit be­zug­neh­mend auf § 69 Abs. 2 ArbGG fest.

III. Die An­grif­fe der Be­ru­fung sind nicht ge­eig­net, zu ei­ner an­de­ren Be­wer­tung des Sach­stan­des zu ge­lan­gen.

1. So­weit die Be­ru­fung der Auf­fas­sung ist, der Rück­for­de­rungs­an­spruch un­ter­fie­le nicht der ar­beits­ver­trag­li­chen Aus­schluss­fris­ten­re­ge­lung, kann dem nicht ge­folgt wer­den. Nach dem Stand der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ste­hen mit dem Ar­beits­verhält­nis in Ver­bin­dung al­le Ansprüche, die mit dem Ar­beits­verhält­nis tatsächlich oder recht­lich zu­sam­menhängen, auch wenn nur ein ent­fern­ter Zu­sam­men­hang be­steht (vgl. BAG 03.02.1961 - 1 AZR 140/59 - = AP Nr. 14 zu TVG § 4 Aus­schluss­fris­ten; zu­letzt BAG 20.02.2001 - 9 AZR 11/00 -). Die ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bar­te Aus­schluss­klau­sel soll nach ih­rem Wort­laut nicht nur Ansprüche er­fas­sen, de­ren Rechts­grund im Ar­beits­verhält­nis liegt. Es soll genügen, wenn die Be­zie­hung zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer die tatsächli­che Grund­la­ge bil­det. Im vor­lie­gen­den Fall ist der beim Kläger ein­ge­tre­te­ne "Ver­lust" auf ein Ord­nungs­wid­rig­kei­ten­ver­hal­ten des Be­klag­ten im Rah­men sei­ner für den Kläger aus­geübten Fahrtätig­keit zurück­zuführen. Da­mit lie­gen die von der Recht­spre­chung ge­for­der­ten Vor­aus­set­zun­gen der in­halt­lich auf "in Ver­bin­dung" mit dem Ar­beits­verhält­nis ste­hen­den Ansprüche ge­rich­te­ten Aus­schluss­fris­ten­re­ge­lung des For­mu­lar­ar­beits­ver­tra­ges vor. Dem steht auch die vom Kläger zu­tref­fend dar­ge­stell­te Auf­fas­sung, wo­nach Ord­nungs­wid­rig­kei­ten nach dem Stand der Recht­spre­chung al­lei­ni­ge Sa­che des Be­trof­fe­nen sei­en, nicht ent­ge­gen, da es vor­lie­gend nicht um die präven­ti­ve Über­nah­me von Bußgel­dern, son­dern um­ge­kehrt um die Ver­aus­la­gung von Bußgel­dern durch den Ar­beit­ge­ber geht.

2. Der Kläger kann sich auch nicht auf ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Kürze der Aus­schluss­frist be­ru­fen. Ei­nem Ver­wen­der all­ge­mei­ner Geschäfts­be­din­gun­gen - hier­zu gehören die Re­ge­lun­gen des am 28.01.2008 ge­schlos­se­nen For­mu­lar­ar­beits­ver­tra­ges - ist ein Rück­griff auf die Recht­spre­chung zur Un­wirk­sam­keit zu kur­zer Aus­schluss­fris­ten ver­sagt (BAG 28.09.2005 - 5 AZR 52/05 -). Ihm ist im All­ge­mei­nen kein Ver­trau­ens­schutz zu­zu­bil­li­gen (vgl. BGH 05.03.2008 - VIII ZR 95/07 -).

3. Sch­ließlich ver­mag auch der Auf­fas­sung zum Aus­schluss der An­wend­bar­keit der Aus­schluss­fris­ten­re­ge­lung des Ar­beits­ver­tra­ges we­gen zwi­schen­zeit­li­cher Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht ge­folgt wer­den. Es würde Sinn und Zweck der Aus­schluss­fris­ten­re­ge­lun­gen wi­der­spre­chen, wenn sich ei­ne Ar­beits­ver­trags­par­tei Ansprüche auf­spa­ren könn­te, um sie mit der Be­gründung, das Ar­beits­verhält­nis sei be­en­det, durch­zu­set­zen. Auch nach Ab­schluss ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses blei­ben die ver­ein­bar­ten Re­ge­lun­gen für die recht­li­che Be­ur­tei­lung ei­nes aus dem Ar­beits­verhält­nis re­sul­tie­ren­den Sach­ver­hal­tes re­le­vant.

Aus vor­ge­nann­ten Gründen muss es bei der ar­beits­ge­richt­li­chen Ent­schei­dung ver­blei­ben.

IV. Die Kos­ten sei­ner er­folg­lo­sen Be­ru­fung hat der Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tra­gen.

V. Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on ist nicht ver­an­lasst.

Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on durch das Lan­des­ar­beits­ge­richt kann selbständig durch Be­schwer­de an­ge­foch­ten wer­den.

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