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HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BAG, Ur­teil vom 26.10.2016, 7 AZR 140/15

   
Schlagworte: Befristung: Sachgrundlos, Tarifvertrag
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 7 AZR 140/15
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 26.10.2016
   
Leitsätze: Ein Tarifvertrag, der die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen bis zu einer Gesamtdauer von fünf Jahren bei fünfmaliger Verlängerungsmöglichkeit zulässt, hält sich im Rahmen des verfassungs- und unionsrechtlich zulässigen Gestaltungsrahmens nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Essen, Urteil vom 17.07.2014, 5 Ca 590/14
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 09.12.2014, 17 Sa 892/14
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

7 AZR 140/15
17 Sa 892/14
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Düssel­dorf

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
26. Ok­to­ber 2016

UR­TEIL

Schie­ge, Ur­kunds­be­am­ter
der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Sieb­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der Be­ra­tung vom 26. Ok­to­ber 2016 durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Gräfl, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Dr. Kiel und Was­kow so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Zwis­ler und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Holz­hau­sen für Recht er­kannt:

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Die Re­vi­si­on des Klägers ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf vom 9. De­zem­ber 2014 - 17 Sa 892/14 - wird zurück­ge­wie­sen.

Der Kläger hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit der Be­fris­tung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses.

Der Kläger wur­de auf­grund Ar­beits­ver­trags vom 16. De­zem­ber 2011 be­fris­tet für den Zeit­raum vom 15. Ja­nu­ar 2012 bis zum 31. De­zem­ber 2013 im Be­trieb der Be­klag­ten als kaufmänni­scher Mit­ar­bei­ter beschäftigt. Am 11./16. De­zem­ber 2013 ver­ein­bar­ten die Par­tei­en ei­ne Verlänge­rung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum 31. März 2014. Bei­de Be­fris­tun­gen er­folg­ten nach § 9 Abs. 1 des Ar­beits­ver­trags „gemäß § 14 Abs. 2 Tz­B­fG in Ver­bin­dung mit Zif­fer 2.3.1. der der­zeit von der Ar­beit­ge­ber­ver­ei­ni­gung En­er­gie­wirt­schaft­li­cher Un­ter­neh­men e.V. (AVE) ab­ge­schlos­se­nen und für die Ge­sell­schaft an­wend­ba­ren Man­tel­ta­rif­ver­trag“. Ziff. 2.3.1. des am 1. März 2012 zwi­schen der AVE und der IG BCE für die E.ON Ser­vice GmbH und die Be­klag­te als Mit­glie­der der Ta­rif­grup­pe „Dienst­leis­tung“ ab­ge­schlos­se­nen Man­tel­ta­rif­ver­trags (MTV) be­stimmt:

„Höchst­zulässi­ge Be­fris­tungs­dau­er und An­zahl der Verlänge­rung

Die ka­len­dermäßige Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges oh­ne Vor­lie­gen ei­nes sach­li­chen Grun­des ist bis zu ei­ner Dau­er von fünf Jah­ren zulässig; bis zu die­ser Ge­samt­dau­er ist auch die höchs­tens fünf­ma­li­ge Verlänge­rung ei­nes ka­len­dermäßig be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges zulässig.“

Mit der beim Ar­beits­ge­richt am 27. Fe­bru­ar 2014 ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge hat der Kläger die Auf­fas­sung ver­tre­ten, Ziff. 2.3.1. MTV sei un­wirk­sam. Der

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Grund­satz, dass der un­be­fris­te­te Ar­beits­ver­trag die Re­gel und der be­fris­te­te Ar­beits­ver­trag die Aus­nah­me dar­stel­le, wer­de durch die ta­rif­li­che Aus­deh­nung sach­grund­lo­ser Be­fris­tun­gen bis zur Dau­er von fünf Jah­ren nicht mehr ge­wahrt. Außer­dem ha­be der Ge­setz­ge­ber die ta­rif­li­che Öff­nungs­klau­sel zu­ge­las­sen, um bran­chen­spe­zi­fi­sche Lösun­gen zu er­leich­tern. Ei­ne be­son­de­re Not­wen­dig­keit, die sach­grund­lo­se Be­fris­tungsmöglich­keit für Ar­beits­verträge in der En­er­gie­wirt­schaft zu er­wei­tern, sei nicht zu er­ken­nen. Da der Man­tel­ta­rif­ver­trag nicht auf­grund beid­sei­ti­ger Ver­bands­zu­gehörig­keit, son­dern le­dig­lich auf­grund ver­trag­li­cher Ver­ein­ba­rung zur An­wen­dung ge­lan­ge, un­ter­lie­ge er außer­dem der AGB-Kon­trol­le.

Der Kläger hat be­an­tragt

fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en nicht auf­grund der Be­fris­tung im Ar­beits­ver­trag vom 11. De­zem­ber 2013 zum 31. März 2014 be­en­det ist.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung des Klägers zurück­ge­wie­sen. Mit der Re­vi­si­on ver­folgt der Kläger sei­nen Kla­ge­an­trag wei­ter. Die Be­klag­te be­an­tragt, die Re­vi­si­on zurück­zu­wei­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on des Klägers ist un­be­gründet. Die Vor­in­stan­zen ha­ben die Kla­ge zu Recht ab­ge­wie­sen. Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en hat auf­grund der Be­fris­tung am 31. März 2014 ge­en­det.

A. Die Kla­ge ist als Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge zulässig. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten fehlt ihr nicht des­halb das Rechts­schutz­bedürf­nis, weil der Kläger ab dem 1. April 2014 im un­mit­tel­ba­ren An­schluss an das mit der Be­klag­ten ver­ein­bar­te Fris­ten­de ei­nen un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag mit der E ab­ge­schlos­sen hat. Die Be­gründung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses mit ei­nem an­de-

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ren Ar­beit­ge­ber lässt das Rechts­schutz­bedürf­nis für ei­ne Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge nicht ent­fal­len. Dies er­gibt sich be­reits dar­aus, dass sich der Ar­beit­neh­mer im Fall ei­nes ob­sie­gen­den Ur­teils ge­gen den dann nach § 615 Satz 1 BGB be­ste­hen­den An­spruch auf Vergütung aus An­nah­me­ver­zug nach § 615 Satz 2 BGB das­je­ni­ge an­rech­nen las­sen muss, was er durch an­der­wei­ti­ge Ver­wen­dung sei­ner Diens­te zu er­wer­ben böswil­lig un­terlässt. Dies setzt vor­aus, dass er nach der ver­ein­bar­ten Ver­trags­be­en­di­gung ein an­der­wei­ti­ges Ar­beits­verhält­nis ein­ge­hen kann, oh­ne sei­ne Rechts­po­si­ti­on im Be­fris­tungs­kon­troll­ver­fah­ren ein­zubüßen. Sch­ließt er während des Pro­zes­ses um die Wirk­sam­keit ei­ner Be­fris­tung ei­nen un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag, liegt dar­in auch kein Ver­zicht, die Un­wirk­sam­keit der Be­fris­tung ge­genüber dem bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber wei­ter­hin gel­tend zu ma­chen. Es ist al­lein die Ent­schei­dung des Klägers, ob er nach ei­nem mögli­chen Ob­sie­gen mit sei­nem Be­fris­tungs­kon­troll­an­trag das neue oder das al­te Ar­beits­verhält­nis fort­set­zen will.

B. Die Kla­ge ist un­be­gründet. Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en hat auf­grund der Be­fris­tung im Ar­beits­ver­trag vom 11. De­zem­ber 2013 am 31. März 2014 ge­en­det.

I. Die Be­fris­tung zum 31. März 2014 gilt nicht be­reits nach § 17 Satz 2 Tz­B­fG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirk­sam. Mit sei­ner am 27. Fe­bru­ar 2014 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen, der Be­klag­ten am 6. März 2014 zu­ge­stell­ten Kla­ge hat der Kläger die Frist des § 17 Satz 1 Tz­B­fG für die Gel­tend­ma­chung der Un­wirk­sam­keit der Be­fris­tung ge­wahrt. Die Kla­ge kann schon vor dem Ab­lauf der ver­ein­bar­ten Frist er­ho­ben wer­den (BAG 24. Fe­bru­ar 2016 - 7 AZR 182/14 - Rn. 24; 21. Sep­tem­ber 2011 - 7 AZR 375/10 - Rn. 8, BA­GE 139, 213; 10. März 2004 - 7 AZR 402/03 - zu I der Gründe, BA­GE 110, 38).

II. Die Be­fris­tung ist auch nicht nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG ge­recht­fer­tigt.

1. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 Tz­B­fG ist die ka­len­dermäßige Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­trags oh­ne Vor­lie­gen ei­nes Sach­grun­des bis zur Dau­er

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von zwei Jah­ren zulässig. Bis zu die­ser Ge­samt­dau­er ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Tz­B­fG die höchs­tens drei­ma­li­ge Verlänge­rung des sach­grund­los be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags zulässig.

2. Die in § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG fest­ge­leg­te Höchst­be­fris­tungs­dau­er ist nicht ein­ge­hal­ten. Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en be­stand vom 15. Ja­nu­ar 2012 bis zum 31. März 2014, al­so länger als zwei Jah­re.

III. Die Be­fris­tung ist aber gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 Tz­B­fG iVm. Ziff. 2.3.1. MTV ge­recht­fer­tigt. Nach § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG kann die An­zahl der Verlänge­run­gen oder die Höchst­dau­er der Be­fris­tung durch Ta­rif­ver­trag ab­wei­chend von § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG fest­ge­legt wer­den. Das ist durch Ziff. 2.3.1. MTV ge­sche­hen. Da­nach ist die ka­len­dermäßige Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­trags oh­ne Vor­lie­gen ei­nes sach­li­chen Grun­des bis zu ei­ner Dau­er von fünf Jah­ren und bis zu die­ser Ge­samt­dau­er die höchs­tens fünf­ma­li­ge Verlänge­rung ei­nes ka­len­dermäßig be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags zulässig. Die ta­rif­li­che Re­ge­lung ist wirk­sam. Die Be­klag­te kann die ver­ein­bar­te Be­fris­tung auf die­se Ta­rif­be­stim­mung stützen.

1. Die ta­rif­li­che Re­ge­lung in Ziff. 2.3.1. MTV ist wirk­sam. Sie wird von der ge­setz­li­chen Ta­riföff­nungs­klau­sel in § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG ge­deckt.

a) Der Wirk­sam­keit der Ta­rif­be­stim­mung steht nicht ent­ge­gen, dass so­wohl die Höchst­dau­er der Be­fris­tung als auch die An­zahl der Verlänge­run­gen ab­wei­chend von § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG ge­re­gelt sind. Nach § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG können durch Ta­rif­ver­trag nicht nur ent­we­der die Höchst­dau­er der Be­fris­tung oder die An­zahl der Verlänge­run­gen sach­grund­los be­fris­te­ter Ar­beits­verträge, son­dern ku­mu­la­tiv bei­de Vor­ga­ben ab­wei­chend von § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG ge­re­gelt wer­den (st. Rspr. des Se­nats, vgl. BAG 20. Ja­nu­ar 2016 - 7 AZR 340/14 - Rn. 23; 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 20 ff.; 15. Au­gust 2012 - 7 AZR 184/11 - Rn. 17 ff. mwN, BA­GE 143, 10).

b) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat zu­tref­fend er­kannt, dass sich die Fest­le­gung ei­ner fünfjähri­gen sach­grund­lo­sen Be­fris­tung bei fünf­ma­li­ger Verlänge-

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rungsmöglich­keit in Ziff. 2.3.1. MTV im Rah­men der den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en eröff­ne­ten Re­ge­lungs­be­fug­nis hält. Durch Ta­rif­ver­trag kann ge­re­gelt wer­den, dass die sach­grund­lo­se Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­trags bis zur Dau­er von sechs Jah­ren und bis zu die­ser Ge­samt­dau­er die bis zu neun­ma­li­ge Verlänge­rung ei­nes sach­grund­los be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags zulässig ist. Dies er­gibt die Aus­le­gung des § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG.

aa) Die den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en durch § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG eröff­ne­te Möglich­keit, die Höchst­dau­er der Be­fris­tung und die An­zahl der Ver­trags­verlänge­run­gen ab­wei­chend von § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG fest­zu­le­gen, ist zwar nach dem Ge­set­zes­wort­laut nicht ein­ge­schränkt. Den­noch gilt sie nicht völlig un­be­grenzt. Viel­mehr ge­bie­ten der sys­te­ma­ti­sche Ge­samt­zu­sam­men­hang so­wie Sinn und Zweck des Tz­B­fG, aber auch ver­fas­sungs- und uni­ons­recht­li­che Gründe ei­ne im­ma­nen­te Be­schränkung der durch § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG eröff­ne­ten Re­ge­lungs­be­fug­nis der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en (BAG 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 22; 15. Au­gust 2012 - 7 AZR 184/11 - Rn. 23, BA­GE 143, 10).

(1) Be­reits nach dem sys­te­ma­ti­schen Ge­samt­zu­sam­men­hang und dem Sinn und Zweck des Tz­B­fG ist die Be­fug­nis der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en, sach­grund­lo­se Be­fris­tun­gen über die Gren­zen des § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG hin­aus zu ermögli­chen, nicht völlig schran­ken­los. An­de­ren­falls ergäbe sich ein Wer­tungs­wi­der­spruch ins­be­son­de­re zu § 14 Abs. 1 Tz­B­fG. Von die­ser Be­stim­mung, nach der ei­ne Be­fris­tungs­ab­re­de grundsätz­lich nur bei Vor­lie­gen ei­nes sach­li­chen Grun­des zulässig ist, kann nach § 22 Abs. 1 Tz­B­fG auch durch Ta­rif­ver­trag nicht zu­un­guns­ten der Ar­beit­neh­mer ab­ge­wi­chen wer­den. Da­her muss auch ein ta­rif­lich ge­re­gel­ter Sach­grund den Wer­tungs­maßstäben des § 14 Abs. 1 Tz­B­fG genügen (vgl. BAG 9. De­zem­ber 2009 - 7 AZR 399/08 - Rn. 26 mwN, BA­GE 132, 344). Die­ses ge­setz­ge­be­ri­sche Kon­zept würde kon­ter­ka­riert, wenn die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en völlig un­be­schränkt sach­grund­lo­se Be­fris­tun­gen ge­stat­ten könn­ten (BAG 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 23; 15. Au­gust 2012 - 7 AZR 184/11 - Rn. 24, BA­GE 143, 10).

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(2) Für ei­ne Be­schränkung der durch § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG eröff­ne­ten Re­ge­lungs­be­fug­nis spre­chen auch ver­fas­sungs­recht­li­che Erwägun­gen.

(a) Art. 12 Abs. 1 GG ga­ran­tiert für Ar­beits­verhält­nis­se ei­nen staat­li­chen Min­dest­be­stands­schutz. Die­sen hat der Ge­setz­ge­ber für die Be­fris­tung von Ar­beits­verträgen durch das Tz­B­fG näher aus­ge­stal­tet. Aus­ge­hend von dem Grund­satz, dass das un­be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis der Nor­mal­fall und das be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis die Aus­nah­me ist (vgl. BT-Drs. 14/4374 S. 12), sol­len das Er­for­der­nis ei­nes sach­li­chen Grun­des für die Be­fris­tung in § 14 Abs. 1 Tz­B­fG so­wie das Fest­le­gen be­stimm­ter Zulässig­keits­vor­aus­set­zun­gen für ei­ne sach­grund­lo­se Be­fris­tung den Ar­beit­neh­mer vor ei­nem grund­lo­sen Ver­lust des Ar­beits­plat­zes be­wah­ren (BAG 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 25; 15. Au­gust 2012 - 7 AZR 184/11 - Rn. 26 mwN, BA­GE 143, 10).

(b) Bei der Ver­wirk­li­chung der ihm ob­lie­gen­den Schutz­pflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG hat der Ge­setz­ge­ber wie auch sonst bei der Ver­fol­gung be­rufs-, ar­beits- und so­zi­al­po­li­ti­scher Zie­le ei­nen wei­ten Ge­stal­tungs­spiel­raum (vgl. BVerfG 18. No­vem­ber 2003 - 1 BvR 302/96 - zu C 2 a der Gründe, BVerfGE 109, 64). Die­sem Ge­stal­tungs­spiel­raum ent­spricht es, zu­mal in An­se­hung der durch Art. 9 Abs. 3 GG ga­ran­tier­ten Ta­rif­au­to­no­mie, wenn es der Ge­setz­ge­ber den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ermöglicht, die Vor­aus­set­zun­gen zur Zulässig­keit sach­grund­lo­ser Be­fris­tun­gen in Ab­wei­chung sei­ner Fest­le­gun­gen zur Höchst­dau­er und zur An­zahl der Verlänge­run­gen zu re­geln. Die mit­tels der Ta­rif­au­to­no­mie her­zu­stel­len­de sinn­vol­le Ord­nung des Ar­beits­le­bens ist Grund­la­ge der Pra­xis des Ge­setz­ge­bers, in vie­len Be­rei­chen den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en Re­ge­lungs­be­fug­nis­se zu­zu­wei­sen, die er aus Gründen des Ar­beit­neh­mer­schut­zes den Ar­beits­ver­trags­par­tei­en ver­sagt. Die­se ge­setz­li­che Kon­zep­ti­on be­ruht auf der An­nah­me, dass Ta­rif­verträge ein größeres „Rich­tig­keits­ver­trau­en“ ge­nießen als der Ar­beits­ver­trag des Ein­zel­nen. Sie bie­ten nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ei­ne ma­te­ri­el­le Rich­tig­keits­gewähr. Auf­grund des Ver­hand­lungs­gleich­ge­wichts der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die ver­ein­bar­ten ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen den In­ter­es­sen bei­der Sei­ten ge­recht wer­den und kei­ner Sei­te ein un­zu­mut­ba­res Über­ge­wicht ver­mit­teln (vgl.

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BAG 28. März 2006 - 1 ABR 58/04 - Rn. 47 mwN, BA­GE 117, 308). Das gilt grundsätz­lich auch für Ta­rif­verträge, die auf­grund der Ta­riföff­nungs­klau­sel des § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG ge­schlos­sen wer­den (BAG 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 26; 15. Au­gust 2012 - 7 AZR 184/11 - Rn. 27, BA­GE 143, 10).

(c) Gleich­wohl sind Fall­ge­stal­tun­gen denk­bar, in de­nen die ta­rif­ver­trag­li­che Re­ge­lung sach­grund­lo­ser Be­fris­tun­gen trotz der Ver­mu­tung der ma­te­ri­el­len Rich­tig­keit nicht mehr der mit den Re­ge­lun­gen des Tz­B­fG ver­folg­ten Ver­wirk­li­chung der aus Art. 12 Abs. 1 GG fol­gen­den staat­li­chen Schutz­pflicht entspräche. Das bei An­wen­dung und Aus­le­gung des § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG zu be­ach­ten­de Un­ter­maßver­bot führt da­her eben­falls zu ei­ner Be­schränkung der Re­ge­lungs­be­fug­nis der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en (BAG 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 27; 15. Au­gust 2012 - 7 AZR 184/11 - Rn. 28, BA­GE 143, 10).

(3) Ei­ne Be­schränkung der durch § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG eröff­ne­ten Re­ge­lungs­be­fug­nis ent­spricht schließlich auch den uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben der Richt­li­nie 1999/70/EG des Ra­tes vom 28. Ju­ni 1999 zu der EGB-UN­ICE-CEEP-Rah­men­ver­ein­ba­rung über be­fris­te­te Ar­beits­verträge (Rah­men­ver­ein­ba­rung), de­ren Um­set­zung der be­fris­tungs­recht­li­che Teil des Tz­B­fG dient (BAG 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 28; 15. Au­gust 2012 - 7 AZR 184/11 - Rn. 29, BA­GE 143, 10).

(a) Aus dem zwei­ten Ab­satz der Präam­bel der Rah­men­ver­ein­ba­rung, aus ih­ren All­ge­mei­nen Erwägun­gen 6 und 8 so­wie aus der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on (EuGH) geht her­vor, dass fes­te Beschäfti­gungs­verhält­nis­se ei­nen wich­ti­gen As­pekt des Ar­beit­neh­mer­schut­zes dar­stel­len, während be­fris­te­te Ar­beits­verträge nur un­ter be­stimm­ten Umständen den Bedürf­nis­sen so­wohl der Ar­beit­ge­ber als auch der Ar­beit­neh­mer ent­spre­chen können (vgl. EuGH 26. Fe­bru­ar 2015 - C-238/14 - [Kom­mis­si­on/Lu­xem­burg] Rn. 36; 26. No­vem­ber 2014 - C-22/13 ua. - [Mas­co­lo] Rn. 73 mwN). Die Richt­li­nie und die in­kor­po­rier­te Rah­men­ver­ein­ba­rung ver­lan­gen da­her von den Mit­glied­staa­ten zur Ver­hin­de­rung von Miss­brauch durch auf­ein­an­der­fol­gen­de be­fris­te­te Ar­beits­verträge die Er­grei­fung ei­ner oder meh­re­rer der drei in § 5 Nr. 1 Buchst. a bis c der Rah­men­ver­ein­ba­rung ge­nann­ten Maßnah­men. Ent­schließt

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sich ein Mit­glied­staat zu ei­ner die­ser Maßnah­men oder zu meh­re­ren, hat er das uni­ons­recht­lich vor­ge­ge­be­ne Ziel der Ver­hin­de­rung des Miss­brauchs von auf­ein­an­der­fol­gen­den be­fris­te­ten Ar­beits­verträgen zu gewähr­leis­ten (EuGH 26. No­vem­ber 2014 - C-22/13 ua. - [Mas­co­lo] Rn. 74; 26. Ja­nu­ar 2012 - C-586/10 - [Kücük] Rn. 25 f. mwN; 23. April 2009 - C-378/07 ua. - [An­gel­i­da­ki ua.] Rn. 94 f. mwN, Slg. 2009, I-3071; BAG 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 29; 15. Au­gust 2012 - 7 AZR 184/11 - Rn. 30, BA­GE 143, 10).

(b) Der deut­sche Ge­setz­ge­ber hat sich in § 14 Abs. 1 bis Abs. 3 Tz­B­fG für ei­ne Kom­bi­na­ti­on der ge­nann­ten Maßnah­men ent­schie­den und ua. in § 14 Abs. 2 Tz­B­fG die Zulässig­keit ei­ner Be­fris­tung oh­ne sach­li­che Gründe in Abhängig­keit von der ma­xi­mal zulässi­gen Dau­er auf­ein­an­der­fol­gen­der Ar­beits­verträge und der Zahl von Verlänge­run­gen sol­cher Verträge näher aus­ge­stal­tet. In die­sem Zu­sam­men­hang hat er den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en nach § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG die Möglich­keit eröff­net, die an die Höchst­dau­er und die Höchstan­zahl von Verlänge­run­gen an­knüpfen­den Zulässig­keits­vor­aus­set­zun­gen be­fris­te­ter Ar­beits­verträge ab­wei­chend vom Ge­setz zu re­geln (all­ge­mein zur Re­ge­lungs­be­fug­nis richt­li­ni­en­um­set­zen­den Rechts durch die So­zi­al­part­ner: vgl. zB EuGH 18. De­zem­ber 2008 - C-306/07 - [Ru­ben An­der­sen] Rn. 24, Slg. 2008, I-10279; 28. Ok­to­ber 1999 - C-187/98 - [Kom­mis­si­on/Grie­chen­land] Rn. 46 mwN, Slg. 1999, I-7713). Bei der Wahr­neh­mung die­ser Re­ge­lungs­be­fug­nis ist aber auch von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en das Ziel der Richt­li­nie, den Miss­brauch durch auf­ein­an­der­fol­gen­de be­fris­te­te Ar­beits­verträge zu ver­hin­dern, zu be­ach­ten. Die ge­setz­li­che Ta­riföff­nungs­klau­sel er­laubt da­her kei­ne Ta­rif­verträge, die die­sem Ziel er­kenn­bar zu­wi­der­lie­fen (BAG 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 30; 15. Au­gust 2012 - 7 AZR 184/11 - Rn. 31, BA­GE 143, 10).

§ 5 Nr. 1 der Rah­men­ver­ein­ba­rung gibt den Mit­glied­staa­ten ein all­ge­mei­nes Ziel - Ver­hin­de­rung sol­cher Miss­bräuche - vor, lässt ih­nen je­doch zu­gleich die Wahl der Mit­tel zu sei­ner Er­rei­chung, so­lan­ge sie nicht das Ziel oder die prak­ti­sche Wirk­sam­keit der Rah­men­ver­ein­ba­rung in Fra­ge stel­len (EuGH 14. Sep­tem­ber 2016 - C-16/15 - [Pérez López] Rn. 30; 26. No­vem­ber 2014 - C-22/13 ua. - [Mas­co­lo] Rn. 76; 3. Ju­li 2014 - C-362/13 ua. - [Fia­min­go ua.]

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Rn. 60). Wenn das Uni­ons­recht kei­ne spe­zi­fi­schen Sank­tio­nen für den Fall vor­sieht, dass den­noch Miss­bräuche fest­ge­stellt wor­den sind, ob­liegt es außer­dem den na­tio­na­len Stel­len, Maßnah­men zu er­grei­fen, die nicht nur verhält­nismäßig, son­dern auch hin­rei­chend ef­fek­tiv und ab­schre­ckend sein müssen, um die vol­le Wirk­sam­keit der zur Durchführung der Rah­men­ver­ein­ba­rung er­las­se­nen Nor­men si­cher­zu­stel­len (EuGH 14. Sep­tem­ber 2016 - C-16/15 - [Pérez López] Rn. 31; 26. No­vem­ber 2014 - C-22/13 ua. - [Mas­co­lo] Rn. 77; 3. Ju­li 2014 - C-362/13 ua. - [Fia­min­go ua.] Rn. 62).

bb) Der Se­nat hat bis­lang kei­ne Ober­gren­zen für die ta­rif­ver­trag­li­chen Ab­wei­chungsmöglich­kei­ten nach § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG fest­ge­legt.

(1) In sei­ner bis­he­ri­gen Recht­spre­chung sah der Se­nat je­den­falls die Ver­dop­pe­lung der in § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG fest­ge­leg­ten Wer­te we­der nach der Sys­te­ma­tik und dem Zweck des Tz­B­fG noch aus ver­fas­sungs- oder uni­ons­recht­li­chen Gründen als be­denk­lich an. Die Fest­le­gung die­ser Höchst­gren­zen für die Ge­samt­dau­er und die Verlänge­rungsmöglich­kei­ten sach­grund­los be­fris­te­ter Ar­beits­verträge sei ge­eig­net, den Miss­brauch durch auf­ein­an­der­fol­gen­de be­fris­te­te Ar­beits­verträge zu ver­hin­dern. Dies zei­ge auch die Re­ge­lung in § 14 Abs. 2a Tz­B­fG, die für neu ge­gründe­te Un­ter­neh­men sach­grund­lo­se Be­fris­tun­gen bis zur Dau­er von vier Jah­ren bei mehr­fa­cher Verlänge­rungsmöglich­keit ge­stat­te (BAG 20. Ja­nu­ar 2016 - 7 AZR 340/14 - Rn. 24; 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 31). Im Schrift­tum wird teil­wei­se ver­tre­ten, der ta­rif­li­che Ge­stal­tungs­rah­men sei mit ei­ner Ver­dop­pe­lung der in § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG fest­ge­leg­ten Fak­to­ren aus­geschöpft (vgl. et­wa Francken NZA 2013, 122, 125; Schaub/Koch ArbR-HdB 16. Aufl. § 39 Rn. 17; KR/Lip­ke 11. Aufl. § 14 Tz­B­fG Rn. 602, 603; Ha­Ko/Mest­werdt 5. Aufl. § 14 Tz­B­fG Rn. 210).

(2) Nach an­de­rer Auf­fas­sung können die Ge­stal­tungsmöglich­kei­ten der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zwar über den bis­her vom Se­nat ak­zep­tier­ten Rah­men ei­ner Ver­dop­pe­lung der Wer­te des § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG hin­aus­ge­hen, müssen je­doch deut­lich un­ter der Schwel­le lie­gen, bei de­ren Über­schrei­tung nach der Recht­spre­chung des Se­nats zur Sach­grund­be­fris­tung ein in­sti­tu­tio­nel­ler Rechts­miss­brauch in­di­ziert ist, da an­de­ren­falls für die Sach­grund­be­fris­tung

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kein Raum mehr blie­be (vgl. et­wa APS/Back­haus 5. Aufl. § 14 Tz­B­fG Rn. 404). Ge­gen ei­ne Be­schränkung der Wer­te in An­leh­nung an § 14 Abs. 2a Tz­B­fG wird wei­ter vor­ge­bracht, die­se Re­ge­lung sei erst nachträglich und un­abhängig von der ta­rif­ver­trag­li­chen Ge­stal­tungsmöglich­keit in das Ge­setz ein­gefügt wor­den. Außer­dem eröff­ne auch § 14 Abs. 2a Satz 4 Tz­B­fG die Möglich­keit, von der nach § 14 Abs. 2a Satz 1 Tz­B­fG zulässi­gen Höchst­be­fris­tungs­dau­er von vier Jah­ren nach oben oder nach un­ten ab­zu­wei­chen und ei­ne ma­xi­mal zulässi­ge An­zahl von Verlänge­rungsmöglich­kei­ten fest­zu­le­gen (vgl. Sei­werth RdA 2016, 214, 218 f.). An­de­re Au­to­ren ver­tre­ten die Auf­fas­sung, die Ge­stal­tungs­gren­ze sei un­ter Ein­be­zie­hung bran­chen­spe­zi­fi­scher Be­son­der­hei­ten zu be­stim­men; da­zu müss­ten die An­for­de­run­gen an den Kon­kre­ti­sie­rungs­grad der bran­chen­spe­zi­fi­schen Er­for­der­nis­se im An­wen­dungs­be­reich des je­wei­li­gen Ta­rif­ver­trags in dem Maße an­stei­gen, in dem sich das in­ten­dier­te Re­gel-Aus­nah­me-Verhält­nis von un­be­fris­te­ter zu be­fris­te­ter Beschäfti­gung ver­schie­be. Um der Pra­xis da­bei ein ge­wis­ses Maß an Rechts­si­cher­heit zu gewähr­leis­ten, spricht sich Sei­werth (RdA 2016, 214, 223 f.) dafür aus, die Gren­ze zulässi­ger ta­rif­li­cher Ge­stal­tung grundsätz­lich bei ei­ner bis zu vier­fa­chen Über­schrei­tung ei­ner der bei­den in § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG ge­nann­ten Höchst­gren­zen oder ei­ner bis zu drei­fa­chen Über­schrei­tung der bei­den Höchst­gren­zen des § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG zu zie­hen. Ge­gen die Berück­sich­ti­gung bran­chen­spe­zi­fi­scher Be­son­der­hei­ten bei der Fest­le­gung der ta­rif­ver­trag­li­chen Ab­wei­chungs­be­fug­nis wird an­de­rer­seits ein­ge­wandt, dass dies ei­ner rechts­si­che­ren Hand­ha­bung des Ge­set­zes ab­träglich wäre (vgl. et­wa Stau­din­ger/Preis (2016) § 620 Rn. 197a).

cc) Der Se­nat sieht die Gren­ze der ta­rif­li­chen Re­ge­lungs­be­fug­nis un­ter Berück­sich­ti­gung der Ge­samt­kon­zep­ti­on von § 14 Tz­B­fG und der uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben in der Richt­li­nie 1999/70/EG so­wie zur Gewähr­leis­tung ei­nes Min­dest­be­stands­schut­zes für die be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer und un­ter Be­ach­tung der den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zu­ste­hen­den Ta­rif­au­to­no­mie als er­reicht an bei der Fest­le­gung der Dau­er ei­nes sach­grund­los be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags auf ma­xi­mal sechs Jah­re und der höchs­tens neun­ma­li­gen Verlänge­rung bis zu die­ser Ge­samt­dau­er.

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(1) Die­se Ge­stal­tungs­gren­ze trägt den An­for­de­run­gen der Richt­li­nie 1999/70/EG und der in­kor­po­rier­ten Rah­men­ver­ein­ba­rung Rech­nung. Sie ori­en­tiert sich an den Grundsätzen des in­sti­tu­tio­nel­len Rechts­miss­brauchs bei der Sach­grund­be­fris­tung, die ih­rer­seits aus den für die sach­grund­lo­se Be­fris­tung maßgeb­li­chen ge­setz­li­chen Wer­ten des § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG ab­ge­lei­tet sind. Nach die­sen Grundsätzen dürfen sich die Ge­rich­te bei der Kon­trol­le ei­ner Sach­grund­be­fris­tung nicht auf die Prüfung des gel­tend ge­mach­ten Sach­grun­des be­schränken. Sie sind viel­mehr auch bei Be­ste­hen ei­nes Sach­grun­des für die Be­fris­tung aus uni­ons­recht­li­chen Gründen ver­pflich­tet, durch Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Ein­zel­falls aus­zu­sch­ließen, dass Ar­beit­ge­ber miss­bräuch­lich auf be­fris­te­te Ar­beits­verträge zurück­grei­fen (EuGH 26. No­vem­ber 2014 - C-22/13 ua. - [Mas­co­lo] Rn. 102 ff.; 26. Ja­nu­ar 2012 - C-586/10 - [Kücük] Rn. 40). Nach der Recht­spre­chung des Se­nats ist ei­ne Rechts­miss­brauchs­kon-trol­le bei der Sach­grund­be­fris­tung ver­an­lasst, wenn die ge­setz­li­chen Wer­te für die Höchst­dau­er ei­nes sach­grund­los be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags und die An­zahl der mögli­chen Ver­trags­verlänge­run­gen um ein Mehr­fa­ches über­schrit­ten sind. Da­von ist in der Re­gel aus­zu­ge­hen, wenn die in § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG ge­nann­ten Wer­te mehr als das Drei­fa­che be­tra­gen (ausführ­lich BAG 26. Ok­to­ber 2016 - 7 AZR 135/15 -). Wäre bei ei­ner Sach­grund­be­fris­tung auf­grund der Dau­er des be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­ses und/oder der An­zahl der mit dem Ar­beit­neh­mer ab­ge­schlos­se­nen be­fris­te­ten Ar­beits­verträge die Prüfung ei­nes in­sti­tu­tio­nel­len Rechts­miss­brauchs ver­an­lasst, ob­wohl der zu­letzt ab­ge­schlos­se­ne Ar­beits­ver­trag durch ei­nen Sach­grund nach § 14 Abs. 1 Tz­B­fG ge­recht­fer­tigt ist, kann ei­ne sach­grund­lo­se Be­fris­tung nicht mehr in Be­tracht kom­men. Dies wi­derspräche der Ge­samt­kon­zep­ti­on von § 14 Abs. 1 und Abs. 2 Tz­B­fG.

(2) Ei­ne ta­rif­li­che Be­stim­mung, die ei­ne sechsjähri­ge sach­grund­lo­se Be­fris­tung bei neun­ma­li­ger Verlänge­rungsmöglich­keit er­laubt, führt nicht da­zu, dass der aus Art. 12 Abs. 1 GG fol­gen­den Schutz­pflicht nicht mehr genügt wäre. Der dem Ar­beit­neh­mer zu gewähren­de Min­dest­be­stands­schutz wird da­durch nicht un­ter­schrit­ten.

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(3) Auch Gründe der Rechts­si­cher­heit spre­chen für die­sen quan­ti­ta­tiv be­grenz­ten Ge­stal­tungs­rah­men der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en, in­ner­halb des­sen sie die Höchst­dau­er und die An­zahl der Ver­trags­verlänge­run­gen ab­wei­chend von § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG fest­le­gen können, oh­ne dass es in­so­weit ei­ner be­son­de­ren Prüfung der bran­chen­ty­pi­schen Be­son­der­hei­ten be­darf. In­ner­halb des durch § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG ge­setz­lich ermöglich­ten Ge­stal­tungs­spiel­raums verfügen die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en über ei­ne Einschätzungs­präro­ga­ti­ve hin­sicht­lich der tatsächli­chen Ge­ge­ben­hei­ten und be­trof­fe­nen In­ter­es­sen; sie müssen da­bei nicht die sach­ge­rech­tes­te oder zweckmäßigs­te Re­ge­lung fin­den (vgl. da­zu allg. BAG 16. Ok­to­ber 2014 - 6 AZR 661/12 - Rn. 26 mwN, BA­GE 149, 297). Der Ta­rif­ver­trag ist das Er­geb­nis ei­nes Kom­pro­mis­ses, der die ver­schie­dens­ten Re­ge­lun­gen um­fasst. Die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en könn­ten spe­zi­fi­sche bran­chen­ty­pi­sche Er­for­der­nis­se für ta­rif­ver­trag­li­che Ab­wei­chun­gen von den in § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG be­stimm­ten Wer­ten kaum dar­le­gen.

(4) Ei­nes Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chens an den EuGH nach Art. 267 AEUV zu der Fra­ge, wel­che Gren­zen § 5 Nr. 1 Buchst. b und Buchst. c der Rah­men­ver­ein­ba­rung der ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lungs­be­fug­nis setzt, ist nicht er­for­der­lich. Der im Schrift­tum geübten Kri­tik, dass der Se­nat bis­her kei­ne Be­gründung da­zu ge­ge­ben hat, wes­halb er die ta­rif­li­chen Aus­wei­tun­gen der Möglich­keit zur sach­grund­lo­sen Be­fris­tung uni­ons­recht­lich noch für ak­zep­ta­bel hält (vgl. Loth/Ul­ber NZA 2013, 130, 133 und Stau­din­ger/Preis (2016) § 620 Rn. 197a), ist durch den Zu­sam­men­hang zur Rechts­miss­brauchs­kon­trol­le bei der Sach­grund­be­fris­tung nach § 5 Nr. 1 Buchst. a der Rah­men­ver­ein­ba­rung Rech­nung ge­tra­gen. Durch die Ver­schränkung der für die Sach­grund­be­fris­tung maßgeb­li­chen Schwel­le des Rechts­miss­brauchs mit der sach­grund­lo­sen Be­fris­tung er­gibt sich ein uni­ons­rechts­kon­for­mes Ge­samt­kon­zept, durch das der miss­bräuch­li­che Ein­satz von auf­ein­an­der­fol­gen­den be­fris­te­ten Ar­beits­verträgen ver­hin­dert und ge­ahn­det wird (vgl. auch Sei­werth RdA 2016, 214, 223). Die­se Be­ur­tei­lung kann der Se­nat vor­neh­men. Nach der Recht­spre­chung des EuGH ist es Sa­che der na­tio­na­len Ge­rich­te zu be­ur­tei­len, in­wie­weit die ein­schlägi­gen Be­stim­mun­gen des in­ner­staat­li­chen Rechts un­ter Berück­sich­ti­gung ih­rer An­wen­dungs­vor­aus­set­zun­gen und ih­rer tatsächli­chen An­wen­dung ei­ne an­ge­mes-

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se­ne Maßnah­me dar­stel­len, um den miss­bräuch­li­chen Ein­satz auf­ein­an­der­fol­gen­der be­fris­te­ter Ar­beits­verträge oder -verhält­nis­se zu ver­hin­dern und ge­ge­be­nen­falls zu ahn­den (vgl. EuGH 21. Sep­tem­ber 2016 - C-614/15 - [Po­pes­cu] Rn. 41; 14. Sep­tem­ber 2016 - C-16/15 - [Pérez López] Rn. 35; 26. No­vem­ber 2014 - C-22/13 ua. - [Mas­co­lo] Rn. 82; 3. Ju­li 2014 - C-362/13 ua. - [Fia­min­go ua.] Rn. 67).

2. Die Be­klag­te kann die Be­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses zum 31. März 2014 auf Ziff. 2.3.1. MTV stützen.

a) Der MTV fin­det auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en An­wen­dung. Die Par­tei­en ha­ben die An­wen­dung des MTV nach § 14 Abs. 2 Satz 4 Tz­B­fG ein­zel­ver­trag­lich wirk­sam ver­ein­bart. In dem Ver­trag vom 11./16. De­zem­ber 2013 ha­ben sie - eben­so wie in dem vor­he­ri­gen Ver­trag - ge­re­gelt, dass die Be­fris­tung auf­grund von § 14 Abs. 2 Tz­B­fG iVm. Ziff. 2.3.1. MTV er­folgt. Die Ver­ein­ba­rung wur­de im Gel­tungs­be­reich des MTV ge­trof­fen, denn die Par­tei­en un­ter­fie­len im Fal­le bei­der­sei­ti­ger Ta­rif­bin­dung dem räum­li­chen, fach­li­chen und persönli­chen Gel­tungs­be­reich des MTV (vgl. BAG 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 36).

b) Die­se Be­zug­nah­me­klau­sel, bei der es sich um ei­ne All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gung han­delt, ist wirk­sam.

aa) Die Be­zug­nah­me­klau­sel hält der In­halts­kon­trol­le nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB stand. Auf ein­schlägi­ge Ta­rif­verträge be­zo­ge­ne dy­na­mi­sche Be­zug­nah­me­klau­seln sind we­der über­ra­schend iSd. § 305c Abs. 1 BGB noch ver­let­zen sie das Trans­pa­renz­ge­bot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Ver­wei­sun­gen auf ein­schlägi­ge Ta­rif­verträge sind im Ar­beits­le­ben als Ge­stal­tungs­in­stru­ment so ver­brei­tet, dass ih­re Auf­nah­me in For­mu­lar­verträge nicht iSd. § 305c Abs. 1 BGB über­ra­schend ist (BAG 23. Ju­li 2014 - 7 AZR 771/12 - Rn. 24, BA­GE 148, 357; 24. Sep­tem­ber 2008 - 6 AZR 76/07 - Rn. 20 mwN, BA­GE 128, 73). Be­zug­nah­me­klau­seln auf das je­weils gülti­ge Ta­rif­recht ent­spre­chen ei­ner übli­chen Re­ge­lungs­tech­nik und die­nen den In­ter­es­sen bei­der Par­tei­en. Dies er­gibt sich aus der Zu­kunfts­ge­richtet­heit des Ar­beits­verhält­nis­ses. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2

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Nr. 10 NachwG genügt des­halb der bloße all­ge­mei­ne Hin­weis auf Ta­rif­verträge (vgl. BAG 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 38; 24. Sep­tem­ber 2008 - 6 AZR 76/07 - Rn. 31 mwN, aaO). Die Ver­wei­sung auf Vor­schrif­ten ei­nes an­de­ren Re­ge­lungs­wer­kes führt auch für sich ge­nom­men nicht zur In­trans­pa­renz, selbst wenn sie dy­na­misch aus­ge­stal­tet ist. Das Be­stimmt­heits­ge­bot als maßgeb­li­che Aus­prägung des Trans­pa­renz­ge­bots ver­langt le­dig­lich, dass die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen und Rechts­fol­gen so ge­nau be­schrie­ben wer­den, dass für den Ver­wen­der kei­ne un­ge­recht­fer­tig­ten Be­ur­tei­lungs­spielräume ent­ste­hen und der Ge­fahr vor­ge­beugt wird, dass der Ver­trags­part­ner von der Durch­set­zung be­ste­hen­der Rech­te ab­ge­hal­ten wird. Im Zeit­punkt der je­wei­li­gen An­wen­dung müssen die gel­ten­den, in Be­zug ge­nom­me­nen Re­ge­lun­gen be­stimm­bar sein (vgl. BAG 18. März 2015 - 7 AZR 272/13 - Rn. 39; 23. Ju­li 2014 - 7 AZR 771/12 - Rn. 25, aaO; 24. Sep­tem­ber 2008 - 6 AZR 76/07 - Rn. 31 mwN, aaO). Ei­ne Re­ge­lung, die auf den Ta­rif­ver­trag ver­weist, ist auch we­der un­verständ­lich noch un­klar. Wel­che kon­kre­ten ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen je­weils das Ar­beits­verhält­nis ausfüllen sol­len, ist von den Ar­beit­neh­mern durch Ein­sicht in die Ta­rif­verträge fest­stell­bar (BAG 23. Ju­li 2014 - 7 AZR 771/12 - Rn. 26, aaO).

bb) Die ver­trag­li­che Be­zug­nah­me auf den Ta­rif­ver­trag führt nicht da­zu, dass die Re­ge­lung in Ziff. 2.3.1. MTV ei­ner AGB-Kon­trol­le zu un­ter­zie­hen wäre. Ta­rif­verträge ste­hen gemäß § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB Rechts­vor­schrif­ten iSv. § 307 Abs. 3 BGB gleich (vgl. BAG 23. Ju­li 2014 - 7 AZR 771/12 - Rn. 22, BA­GE 148, 357).

c) Die Vor­aus­set­zun­gen von Ziff. 2.3.1. MTV sind erfüllt. Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en be­stand vom 15. Ja­nu­ar 2012 bis zum 31. März 2014, al­so ins­ge­samt et­was länger als zwei Jah­re und zwei Mo­na­te. Es wur­de in die­ser Zeit nur ein­mal verlängert. Bei der Ver­ein­ba­rung vom 11./16. De­zem­ber 2013 han­delt es sich um ei­ne Verlänge­rung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 Tz­B­fG. Es wur­de nur die Ver­trags­dau­er geändert, die übri­gen Ar­beits­be­din­gun­gen wur­den bei­be­hal­ten.

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C. Die Kos­ten­ent­schei­dung er­gibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Gräfl
Was­kow
Kiel
Holz­hau­sen
Zwis­ler

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