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ArbG Ber­lin, Ur­teil vom 18.12.2013, 54 Ca 6322/13

   
Schlagworte: Diskriminierung: Religion
   
Gericht: Arbeitsgericht Berlin
Aktenzeichen: 54 Ca 6322/13
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 18.12.2013
   
Leitsätze:
Vorinstanzen:
   

Ar­beits­ge­richt Ber­lin

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)
54 Ca 6322/13

Verkündet am 18.12.2013

 


als Ur­kunds­be­am­ter/in
der Geschäfts­stel­le

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

In Sa­chen

pp.

hat das Ar­beits­ge­richt Ber­lin, 54. Kam­mer, auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 18.12.2013
durch den Rich­ter am Ar­beits­ge­richt Sch. als Vor­sit­zen­der
so­wie die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Frau V. und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Frau Dr. D.
für Recht er­kannt:


I.
Der Be­klag­te hat an die Kläge­rin € 1957,73 (ein­tau­send­neun­hun­dert­sie­ben­undfünf­zig 73/100) zu zah­len.

II.
Die Kos­ten des Ver­fah­rens trägt der Be­klag­te.

III.
Der Streit­wert wird auf 9.788,65 € fest­ge­setzt.

 

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T a t b e s t a n d :

Die Par­tei­en strei­ten über ei­nen Entschädi­gungs­an­spruch der Kläge­rin nach § 15 AGG we­gen ei­nes Ver­s­toßes ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot.

Der Be­klag­te ist ein im Ok­to­ber 2012 ge­gründe­tes Werk der evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land, das durch Zu­sam­men­schluss des Dia­ko­ni­schen Wer­kes mit Brot für die Welt und des Evan­ge­li­schen Ent­wick­lungs­diens­tes ent­stan­den ist. Grund­la­ge sei­ner Tätig­keit ist die Sat­zung vom 14. Ju­ni 2012 (Bl. 140-160 d.A.).

Zu­dem re­gelt die Richt­li­nie des Ra­tes der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land nach Art. 9 Buchst. B Grund­ord­nung über die An­for­de­run­gen der pri­vat­recht­li­chen be­ruf­li­chen Mit­ar­beit in der evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land und des Dia­ko­ni­schen Wer­kes vom 01. Ju­li 2005 die An­for­de­run­gen an die in pri­vat­recht­li­chen Dienst- und Ar­beits­verhält­nis­sen beschäftig­ten Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter (Bl. 161-179 d.A.).

§§ 2, 3 der Richt­li­nie be­stim­men:

„§ 2 Grund­la­gen des kirch­li­chen Diens­tes

1. Der Dienst der Kir­che ist durch den Auf­trag be­stimmt, das Evan­ge­li­um in Wort und Tat zu be­zeu­gen. Al­le Frau­en und Männer, die in An­stel­lungs­verhält­nis­sen in Kir­che und Dia­ko­nie tätig sind, tra­gen in un­ter­schied­li­cher Wei­se da­zu bei, dass die­ser Auf­trag erfüllt wer­den kann. Die­ser Auf­trag ist die Grund­la­ge der Rech­te und Pflich­ten von An­stel­lungs­trägern so­wie Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern.

2. Es ist Auf­ga­be der kirch­li­chen und dia­ko­ni­schen An­stel­lungs­träger, ih­re Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter mit den christ­li­chen Grundsätzen ih­rer Ar­beit ver­traut zu ma­chen. Sie fördern die Fort- und Wei­ter­bil­dung zu The­men des Glau­bens und des christ­li­chen Men­schen­bil­des.

§ 3 Be­ruf­li­che An­for­de­rung bei der Be­gründung des Ar­beits­verhält­nis­ses

1. Die be­ruf­li­che Mit­ar­beit in der Evan­ge­li­schen Kir­che und ih­rer Dia­ko­nie setzt grundsätz­lich die Zu­gehörig­keit zu ei­ner Glied­kir­che der Evan­ge­li­schen Kir­che vor­aus, mit der die evan­ge­li­sche Kir­che in Deutsch­land in Kir­chen­ge­mein­schaft ver­bun­den ist.

2. Für Auf­ga­ben, die nicht der Verkündi­gung, Seel­sor­ge, Un­ter­wei­sung oder Leis­tung zu­zu­ord­nen sind, kann von Ab­satz 1 ab­ge­wi­chen wer­den, wenn an­de­re ge­eig­ne­te Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter nicht zu ge­win­nen sind. In die­sem Fall können auch Per­so­nen ein­ge­stellt wer­den, die ei­ner an­de­ren Mit­glieds­kir­che der Ar­beits­ge­mein­schaft christ­li­cher Kir­chen in Deutsch­land oder der Ver­ei­ni­gung Evan­ge­li­scher Frei­kir­chen­an­gehören sol­len. Die Ein­stel­lung von Per­so­nen, die die Vor­aus­set­zun­gen des Ab­sat­zes 1 nicht erfüllen, muss im Ein­zel­fall un­ter Be­ach­tung der Größe der Dienst­stel­le oder Ein­rich­tung und ih­rer sons­ti­gen Mit­ar­bei­ter­schaft so­wie der wahr­zu­neh­men­den Auf­ga­ben und des je­wei­li­gen Um­fel­des ge­prüft wer­den. § 2 Ab­satz 1 Satz 2 bleibt un­berührt.

Fer­ner gilt bei dem Be­klag­ten die Dienst­ver­trags­ord­nung der EKD vom 10.07.2008 (im Fol­gen­den DVO-EKD - Bl. 164-179 d.A.), die die all­ge­mei­nen Ar­beits­be­din­gun­gen der pri­vat­recht­lich beschäftig­ten Mit­ar­bei­ter der EKD, der Haupt­geschäfts­stel­le des Dia­ko­ni­schen Wer­kes und wei­te­rer Wer­ke und Ein­rich­tun­gen re­gelt.

 

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Ei­ne von der Dia­ko­nie er­stell­te Mit­ar­bei­ten­den­sta­tis­tik zum 01.09.2008 weist ei­nen An­teil von 53 % der Mit­ar­bei­ter als Mit­glied ei­ner evan­ge­li­schen Kir­che, 28,5 % als Mit­glie­der der römisch-ka­tho­li­schen Kir­che, hin­ge­gen aber 16,5 % oh­ne Glau­bens­be­kennt­nis aus. In Ber­lin sind al­lein 46,6 % und in Bran­den­burg so­gar 67,2 % der Mit­ar­bei­ter der Dia­ko­nie oh­ne Glau­bens­be­kennt­nis aus­ge­wie­sen (Bl. 283-288 d.A.).

Der Be­klag­te hat am 25. No­vem­ber 2012 die Stel­le ei­nes Re­fe­ren­ten/ei­ner Re­fe­ren­tin (60%) be­fris­tet auf zwei Jah­re aus­ge­schrie­ben (Bl. 21 d.A.). Ge­gen­stand der Tätig­keit soll­te ein un­abhängi­ger Be­richt zur Um­set­zung der An­ti­ras­sis­mus­kon­ven­ti­on durch Deutsch­land als zusätz­li­che Grund­la­ge für die Ver­ein­ten Na­tio­nen für ih­ren Ab­sch­ließen­den Be­mer­kun­gen zum deut­schen Staa­ten­be­richt sein. Die Vergütung soll­te in An­leh­nung an die Grup­pe E 13 TVöD nach der Dienst­ver­trags­ord­nung der evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land er­fol­gen (DVO.EKD)

Die An­for­de­run­gen an die zu be­set­zen­de Stel­le wur­den wie folgt de­fi­niert:

„Das Auf­ga­ben­ge­biet um­fasst:

  • Be­glei­tung des Pro­zes­ses zur Staa­ten­be­richt­er­stat­tung 2012 bis 2014
  • Er­ar­bei­tung des Par­al­lel­be­richts zum deut­schen Staa­ten­be­richt so­wie von Stel­lung­nah­men und Fach­beiträgen
  • Pro­jekt­be­zo­ge­ne Ver­tre­tung der Dia­ko­nie Deutsch­land ge­genüber der Po­li­tik, der Öffent­lich­keit und Men­sch­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen so­wie Mit­ar­beit in Gre­mi­en
  • In­for­ma­ti­on und Ko­or­di­na­ti­on des Mei­nungs­bil­dungs­pro­zes­ses im Ver­bands­be­reich
  • Or­ga­ni­sa­ti­on, Ver­wal­tung und Sach­be­richt­er­stat­tung zum Ar­beits­be­reich

Sie erfüllen fol­gen­de Vor­aus­set­zun­gen:

  • Ab­ge­schlos­se­nes Hoch­schul­stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaf­ten oder ver­gleich­ba­re Qua­li­fi­ka­ti­on
  • Fun­dier­te Kennt­nis­se im Völker­recht und der An­ti­ras­sis­mus­ar­beit
  • Gu­te Kennt­nis­se und Er­fah­run­gen in der Be­wirt­schaf­tung von Pro­jekt­mit­teln
  • Sehr gu­te Eng­lisch­kennt­nis­se
  • Ana­ly­sefähig­keit, Lern­be­reit­schaft, Initia­ti­ve, Be­last­bar­keit
  • Be­reit­schaft zur Über­nah­me von Ver­ant­wor­tung
  • Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Teamfähig­keit
  • Be­reit­schaft zu häufi­gen Dienst­rei­sen

Wir freu­en uns über Be­wer­bun­gen von Men­schen un­ge­ach­tet ih­rer Her­kunft oder Haut­far­be, des Ge­schlechts, ei­ner Be­hin­de­rung, des Al­ters oder ih­rer se­xu­el­len Iden­tität.

Die Mit­glied­schaft in ei­ner evan­ge­li­schen oder der ACK an­gehören­den Kir­che und die Iden­ti­fi­ka­ti­on mit dem dia­ko­ni­schen Auf­trag set­zen wir vor­aus. Bit­te ge­ben Sie Ih­re Kon­fes­si­on im Le­bens­lauf an.“

Die Kläge­rin hat sich auf die­se Stel­le mit Schrei­ben 29.11.2012 ein­sch­ließlich Le­bens­lauf in­ner­halb der Be­wer­bungs­frist be­wor­ben. Die Kläge­rin verfügt über ein ab­ge­schlos­se­nes Fach­hoch­schul­stu­di­um der So­zi­alpädago­gik. Ei­nen Hin­weis auf die Zu­gehörig­keit zu

 

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ir­gend­ei­ner Kon­fes­si­on oder auf das Feh­len ei­ner Kon­fes­si­on enthält das Be­wer­bungs­schrei­ben nicht (Bl. 22-23, 24-32 d.A.). Die Be­klag­te hat die Kon­fes­si­ons­zu­gehörig­keit der Kläge­rin zu kei­ner Zeit nach­ge­fragt.

Auf die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le ha­ben sich ne­ben der Kläge­rin wei­te­re 37 Per­so­nen be­wor­ben, von de­nen vier zum Vor­stel­lungs­gespräch am 22.01.2013 ein­ge­la­den wur­den. Die Kläge­rin wur­de nicht zu ei­nem Vor­stel­lungs­gespräch ein­ge­la­den.

Aus­gewählt wur­de in der Fol­ge Herr J. K. A. deutsch-gha­nai­scher Her­kunft. Der Be­wer­ber hat im Fe­bru­ar 2008 sein po­li­tik­wis­sen­schaft­li­ches Stu­di­um an der Frei­en Uni­ver­sität mit ei­ner eng­lisch­spra­chi­gen Di­plom­ar­beit und sehr gu­ten No­ten ab­ge­schlos­sen. Seit Fe­bru­ar 2008 ar­bei­tet er an der Uni­ver­sität B. an ei­ner Pro­mo­ti­on mit in­ter­na­tio­na­lem Be­zug (Bl.182-190 d.A.). In Be­zug auf sei­ne Kon­fes­si­ons­zu­gehörig­keit hat er sich in sei­ner Be­wer­bung „als in der Ber­li­ner Lan­des­kir­che so­zia­li­sier­ten evan­ge­li­schen Chris­ten“ be­zeich­net. Brei­ten Raum nimmt in sei­ner Be­wer­bung ei­ne Lis­te von Pu­bli­ka­tio­nen und For­schungs­ar­bei­ten ein (Bl. 185-186 d.A.).
Nach­dem die Kläge­rin am 23.01.2013 er­fah­ren hat­te, dass sie für die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le nicht berück­sich­tigt wor­den ist, hat sie durch Schrei­ben ih­res Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten 25.02.2013 ge­genüber der Be­klag­ten Entschädi­gungs- und Scha­den­er­satz­ansprüche gel­tend ma­chen las­sen (Bl. 33, 34 d.A.).

Der Be­klag­te ließ sei­ner­seits durch sei­ne da­ma­li­gen Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten mit­tei­len, auf­grund wel­cher Umstände der be­vor­zug­te Be­wer­ber für die Be­set­zung der Stel­le aus­gewählt wor­den ist. Er ver­wies dar­auf, dass der ein­ge­stell­te Be­wer­ber über „ei­ne weit­aus höhe­res Maß an wis­sen­schaft­li­cher Qua­li­fi­ka­ti­on und Er­fah­rung“ verfüge (Bl. 35, 36 d.A.).

Mit der am 30.04.2013 beim ArbG Ber­lin ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge for­dert die Kläge­rin ei­ne Entschädi­gung. Sie sei we­gen ih­rer Re­li­gi­on we­ni­ger güns­tig be­han­delt wor­den als an­de­re ver­gleich­ba­re Be­wer­ber. Es be­ste­he die Ver­mu­tung, dass sie we­gen ih­rer Kon­fes­si­ons­lo­sig­keit die Stel­le nicht er­hal­ten ha­be. Die Berück­sich­ti­gung der Re­li­gi­on im Be­wer­bungs­ver­fah­ren sei nicht ge­recht­fer­tigt und rechts­wid­rig ge­we­sen.

Die Kläge­rin erfülle die Vor­aus­set­zun­gen der Aus­schrei­bung. Der be­vor­zug­te Be­wer­ber verfüge wie die Kläge­rin nicht über ein Stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaf­ten.

Sie be­strei­tet, dass der be­vor­zug­te Be­wer­ber und die zum Vor­stel­lungs­gespräch ein­ge­la­de­nen Be­wer­ber die An­for­de­run­gen an die Aus­schrei­bung erfüll­ten so­wie die Ausführun­gen des Be­klag­ten zu den Mit­be­wer­bern und dem Prüfver­fah­ren. Er­fah­run­gen des be­vor­zug­ten Be­wer­bers mit an­ti­ras­sis­ti­scher Ar­beit wer­den eben­falls be­strit­ten. Im Un­ter­schied da­zu ver­weist die Kläge­rin auf ih­re dies­bezügli­chen prak­ti­schen Er­fah­run­gen

 

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und von ihr ge­fer­tig­te Veröffent­li­chun­gen. Der Kläge­rin sei man­gels Vor­stel­lungs­gesprächs die Möglich­keit der Dar­stel­lung die­ser Ar­bei­ten ver­sagt ge­blie­ben.

Die Kläge­rin sei an­ge­sichts ih­rer be­ruf­li­chen Er­fah­run­gen au­gen­schein­lich qua­li­fi­ziert. So sei sie als po­li­ti­sche Re­fe­ren­tin beim Bun­des­vor­stand des DGB beschäftigt ge­we­sen. Zu­dem sei­en die tatsächli­chen be­ruf­li­chen Er­fah­run­gen und Qua­li­fi­ka­tio­nen mit ein­zu­be­zie­hen. Für die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le sei ein „pas­sen­des“ Stu­di­um nicht vor­han­den. Dies gel­te glei­cher­maßen für das Stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaf­ten wie für das Stu­di­um des be­vor­zug­ten Be­wer­bers in Po­li­tik­wis­sen­schaf­ten und das Stu­di­um der Kläge­rin im Be­reich So­zi­alpädago­gik. Die in der Aus­schrei­bung ge­for­der­te ver­gleich­ba­re Qua­li­fi­ka­ti­on könne auch durch Be­rufs­er­fah­run­gen er­wor­ben wer­den. Die Kläge­rin ha­be auf­grund ih­rer prak­ti­schen Ar­beit im Un­ter­schied zum aus­gewähl­ten Be­wer­ber um­fas­sen­de Kennt­nis­se des in­ter­na­tio­na­len Rechts. Ei­ne Eig­nung sei nicht be­reits da­durch aus­ge­schlos­sen, dass der Stel­len­be­wer­ber nicht al­le An­for­de­run­gen an die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le erfülle, son­dern nur, wenn ihm die Min­dest­an­for­de­run­gen dafür fehl­ten. Das Kri­te­ri­um „ver­gleich­ba­re Si­tua­ti­on“ sei ein eu­ro­pa­recht­li­ches Kri­te­ri­um und bedürfe der Aus­le­gung durch den EuGH.

Die Kläge­rin sei zu­min­dest mit al­len Be­wer­bern zu ver­glei­chen, die durch die Ein­la­dung zum Vor­stel­lungs­gespräch ei­ne güns­ti­ge­re Be­hand­lung er­fah­ren hätten. Der Ver­gleich mit dem ein­ge­stell­ten Be­wer­ber sei nur re­le­vant, wenn es um die Fra­ge ge­he, ob die Kläge­rin oh­ne die Be­nach­tei­li­gung die Stel­le er­hal­ten hätte. Wenn die Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit ein Fak­tor in ei­nem Mo­tivbündel von meh­re­ren Fak­to­ren sei, sei be­reits ob­jek­tiv vom Vor­lie­gen ei­ner Be­nach­tei­li­gung aus­zu­ge­hen. Ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung sei nicht da­durch aus­ge­schlos­sen, dass es wei­te­re Zulässi­ge Gründe für die Be­nach­tei­li­gung ge­be. Die Kir­chen­mit­glied­schaft sei of­fi­zi­el­les Ein­stel­lungs­kri­te­ri­um ge­we­sen.


Die Chan­cen der Kläge­rin sei­en be­reits durch die For­de­rung in der Aus­schrei­bung nach der evan­ge­li­schen Kon­fes­si­on im Aus­wahl­ver­fah­ren mit­be­ein­flusst wor­den. Mit der Aus­schrei­bung ha­be der Be­klag­te mit­ge­teilt, dass er nach der Re­li­gi­on zu dif­fe­ren­zie­ren be­ab­sich­ti­ge. Be­reits die Fra­ge nach der Re­li­gi­on stel­le ei­nen er­heb­li­chen Ein­griff in das Persönlich­keits­recht dar. Zu­dem stünden der Hin­weis in der Aus­schrei­bung, wo­nach die Ein­stel­lung „un­ge­ach­tet ih­rer Her­kunft“ er­fol­ge, und die ge­for­der­te Re­li­gi­on in ei­nem Span­nungs­verhält­nis. Da­mit sei­en Be­wer­bun­gen aus der größten Ber­li­ner Mi­gran­ten­grup­pe fak­tisch aus­ge­schlos­sen wor­den.

Die Berück­sich­ti­gung der Re­li­gi­on im Be­wer­bungs­ver­fah­ren sei nur ge­recht­fer­tigt, wenn sie ei­ne we­sent­li­che und ent­schei­den­de be­ruf­li­che An­for­de­rung an­ge­sichts der Tätig­keit dar­stel­le. Dies tref­fe auf die zu be­set­zen­de Stel­le nicht zu. Der Be­klag­te beschäfti­ge auch Per­so­nen, die nicht der evan­ge­li­schen Kon­fes­si­on an­gehörten. Dies las­se die als Soll­vor­schrift aus­ge­stal­te­te Re­ge­lung von § 3 Zif­fer 2 der Richt­li­nie es Ra­tes der EKD zu und

 

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wer­de durch die Mit­ar­bei­ten­den­sta­tis­tik der Dia­ko­nie be­legt. So­weit der Be­klag­te dies re­strik­ti­ver se­he, ha­be dies nichts mit dem Selbst­be­stim­mungs­recht der Kir­che zu tun. Der Be­klag­te müsse sich an die von der Kir­che auf­ge­stell­ten Grundsätze hal­ten und dürfe die­se nicht über­schrei­ten. Nach dem Leit­bild der evan­ge­li­sche Kir­che (§ 3 EKD-RL) wer­de zwi­schen verkündi­gungs­na­her und verkündi­gungs­fer­ner Tätig­keit un­ter­schie­den und für letz­te­re die Mit­glied­schaft in der Kir­che nur als Soll­vor­schrift an­ge­se­hen.

Die Kläge­rin be­strei­tet, dass der zu fer­ti­gen­de „un­abhängi­ge“ Be­richt aus Sicht der evan­ge­li­schen Kir­che er­fol­ge, da die­ser nach Kennt­nis der Kläge­rin auch aus pro­jekt­be­zo­ge­nen Förder­mit­teln der Klas­sen­lot­te­rie fi­nan­ziert wer­de. Zu­dem wer­de der Be­richt ge­mein­sam mit der Ar­beits­grup­pe Ras­sis­mus im Fo­rum Men­schen­rech­te er­stellt, die nicht nur aus christ­li­chen Grup­pen be­ste­he. Bei­de hätten auch ge­mein­sam zu Ver­an­stal­tun­gen ein­ge­la­den (Bl. 289-290 d.A). Auf der Ver­an­stal­tung vom 09.08.2013 sei­en vom Stel­len­in­ha­ber erklärt wor­den, dass es sich um ei­nen un­abhängi­gen Be­richt von Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen han­de­le.

Es sei frag­lich, ob es sich bei den Mit­glie­dern der ACK um ei­ne „be­stimm­te“ Re­li­gi­on im Sin­ne von § 9 AGG han­deln könne. Die Mit­glied­schaft in ei­ner die­ser Kir­chen gewähr­leis­te nicht, dass die Per­son tatsächlich den Glau­ben des Be­klag­ten tei­le oder nicht viel­mehr al­lein we­gen der Beschäfti­gungsmöglich­keit bei der Kir­che de­ren Mit­glied sind.

Es lie­ge kei­ne ge­recht­fer­tig­te Un­gleich­be­hand­lung im Sin­ne von § 9 AGG vor. Die Re­ge­lun­gen der evan­ge­li­schen Kir­che würden ei­ne Kir­chen­mit­glied­schaft nicht vor­aus­set­zen. Ent­spre­chen­de Re­ge­lun­gen in der Richt­li­nie der EKD sei­en als Soll­vor­schrif­ten aus­ge­stal­tet. Tatsächlich er­fol­ge auch ein Beschäfti­gung von Mit­ar­bei­tern, die nicht Mit­glied ei­ner Kir­che sei­en. Auch ei­ne Kir­chen­mit­glied­schaft in­di­zie­re kei­nes­wegs, dass sich die Mit­glie­der mit den The­sen und dem Leit­bild der Kir­che iden­ti­fi­zie­ren.

Das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot sei völker­recht­lich be­gründet und nicht ge­rin­ger zu be­wer­ten als et­wa ein Willkürver­bot. Der Be­klag­te müsse sich auch an eu­ropäisches Recht hal­ten.

We­gen der eu­ro­pa­recht­lich ge­bo­te­nen Aus­le­gung der Sa­che, sei das Ver­fah­ren dem EuGH vor­zu­le­gen.

Es han­de­le sich vor­lie­gend um ei­nen schwe­ren Ver­s­toß mit Wie­der­ho­lungs­ge­fahr. Des­we­gen sei ei­ne Entschädi­gung auf min­des­tens 5 Brut­to­gehälter der Grup­pe E13 TVöD bei ei­ner Ar­beits­zeit von 60 % zu be­mes­sen.

We­gen der Ein­zel­hei­ten wird auf die Kla­ge (Bl. 11-20 d.A.) so­wie die Schriftsätze vom 15.11.2013 (Bl. 240-282 d.A.) und vom 02.12.2013 (Bl. 361-363 d.A.) nebst An­la­gen ver­wie­sen.

 

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Die Kläge­rin be­an­tragt,

den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung gem. § 15 AGG zu zah­len, de­ren Höhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird, € 9.788,65 je­doch nicht un­ter­schrei­ten soll­te.

Der Be­klag­te be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Er ver­weist auf das für den Be­klag­ten for­mu­lier­te Leit­bild sei­ner Tätig­keit und des­sen Sat­zung. Der Be­klag­te ver­ste­he sich als un­mit­tel­ba­re Le­bens- und We­sensäußerung der christ­li­chen Kir­che, zu de­ren Sen­dungs­auf­trag vor al­lem die Verkündung des christ­li­chen Glau­bens so­wie die täti­ge Nächs­ten­lie­be gehörten. Die Richt­li­nie über die An­for­de­run­gen der pri­vat­recht­li­chen be­ruf­li­chen Mit­ar­beit in der EKD und im Dia­ko­ni­schen sei un­mit­tel­ba­rer Aus­fluss kirch­li­chen Rechts, die An­ge­le­gen­hei­ten in ei­ge­ner Sa­che frei und vom staat­li­chen Zu­griff un­abhängig re­geln zu können. Be­deut­sam für das Selbst­verständ­nis des Be­klag­ten sei das Bild der christ­li­chen Dienst­ge­mein­schaft, der die Be­son­der­heit des kirch­li­chen Diens­tes, der maßgeb­lich im Auf­trag Je­su Chris­ti ge­prägt sei. Da­von sei ne­ben dem Got­tes­dienst der aus dem Glau­ben er­wach­sen­de Dienst am Mit­men­schen er­fasst.

Der Be­klag­te sei als Teil kirch­li­chen Han­delns kein „nor­ma­ler“ Ar­beit­ge­ber, son­dern un­ter­lie­ge über das Grund­ge­setz ei­nem be­son­de­ren Schutz. Die Mit­glied­schaft zu ei­ner Kir­che sei ge­eig­ne­tes Kri­te­ri­um, um gewähr­leis­ten zu können, dass sich die Mit­ar­bei­ter mit dem Auf­trag des Ar­beit­ge­bers iden­ti­fi­zie­ren. Von den im Jahr 2013 bei dem Be­klag­ten beschäftig­ten et­wa 650 Ar­beit­neh­mern des Be­klag­ten gehörten 99 % ei­ner christ­li­chen Re­li­gi­on an.

Der von dem Be­klag­ten zu er­stel­len­de Par­al­lel­be­richt zur Um­set­zung der An­ti­ras­sis­mus­kon­ven­ti­on sei un­abhängig von staat­li­cher Be­richt­er­stat­tung die nach außen wir­ken­de Po­si­tio­nie­rung der Be­klag­ten zu der Kon­ven­ti­on.

We­gen der star­ken Außen­wir­kung des Be­richts und der ergänzen­den Pu­bli­ka­tio­nen und Fach­beiträge sei ein möglichst wis­sen­schaft­li­cher Hin­ter­grund und pu­bli­zis­ti­sche Er­fah­rung er­for­der­lich, ge­paart mit ent­spre­chen­dem Fach­wis­sen. Die Tätig­keit des Stel­len­in­ha­bers ent­fal­te so­mit un­mit­tel­ba­re Außen­wir­kung für den Be­klag­ten und die Evan­ge­li­sche Kir­che so­wie ih­re Ein­rich­tun­gen. Für den Be­klag­ten sei da­her ein rechts­wis­sen­schaft­li­ches oder ei­ne ver­gleich­ba­re Qua­li­fi­ka­ti­on un­ver­zicht­ba­res Kri­te­ri­um. Nach der Ver­kehrs­an­schau­ung sei­en für der­ar­ti­ge Re­fe­ren­tens­te­tel­len ty­pi­scher­wei­se Per­so­nen mit uni­ver­sitärem Hoch­schul­stu­di­um ein­ge­stellt. Dies zei­ge sich auch in der Be­wer­tung durch die Vergütungs­grup­pe E13 TVöD, die ein wis­sen­schaft­li­che Hoch­schul­stu­di­um /Mas­ter vor­aus­set­ze und mit dem höhe­ren Be­am­ten­dienst ver­gleich­bar sei.

 

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Die ein­ge­gan­ge­nen Be­wer­bun­gen sei­en von der Fach­ab­tei­lung des Be­klag­ten ge­sam­melt, re­gis­triert und ge­schlos­sen an die zuständi­ge Ab­tei­lungs­lei­te­rin Zwi­ckert wei­ter ge­lei­tet wor­den. Die­se ha­be dann die Un­ter­la­gen ge­sich­tet und die Qua­li­fi­ka­tio­nen der Be­wer­ber ver­gli­chen. Aus­nahms­los die vier Be­wer­ber mit ei­nem nach­ge­wie­se­nen uni­ver­sitären Hoch­schul­stu­di­um sei­en in die en­ge­re Aus­wahl ge­nom­men und zum Vor­stel­lungs­gespräch am 22.01.2013 ein­ge­la­den wor­den. Die Aus­wah­l­ent­schei­dung sei noch am sel­ben Ta­ge ge­trof­fen und am 24.01.2013 die Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung un­ter­rich­tet wor­den. Nach­dem die­se der Ein­stel­lung am 28.01.2013 zu­ge­stimmt ha­be, sei der Be­wer­ber am 29.01.2013 ent­spre­chend in­for­miert wor­den.

Maßgeb­li­che Aus­wahl­kri­te­ri­um zu­guns­ten des Herrn J. K. A. sei­en des­sen uni­ver­sitäre Hoch­schul­aus­bil­dung so­wie die Tätig­keit im wis­sen­schaft­li­chen und pu­bli­zie­ren­den Be­reich ge­we­sen. Zu­dem ha­be er Er­fah­run­gen mit Pro­jekt­ar­beit und -lei­tung vor­wei­sen können und sich um­fas­send mit The­men zum Be­reich Ras­sis­mus beschäftigt. Das Stu­di­um der Po­li­tik­wis­sen­schaf­ten ha­be große Bezüge zum Be­reich Völker­recht und Staa­ten­leh­re. Sch­ließlich sei­en die er­heb­li­chen na­tio­na­len und in­ter­na­tio­na­len Qua­li­fi­ka­tio­nen be­acht­lich ge­we­sen.

Ei­ne Be­nach­tei­li­gung der Kläge­rin lie­ge nicht vor. Be­reits der Um­stand, dass die Kläge­rin nicht über das ge­for­der­te uni­ver­sitäre Hoch­schul­stu­di­um verfüge, sei der Grund dafür ge­we­sen, sie nicht zum Vor­stel­lungs­gespräch ein­zu­la­den. Auch die so­zi­alpädago­gi­sche Aus­rich­tung der Kläge­rin sei weit ent­fernt vom An­for­de­rungs­pro­fil des Be­klag­ten.

Es bedürfe zur Prüfung des Entschädi­gungs­an­spruchs ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on (§ 3 Abs. 1 AGG). Ei­ne sol­che lie­ge be­reits nicht vor. Der Be­klag­te ha­be Wert auf ein uni­ver­sitäres Hoch­schul­stu­di­um ge­legt, wel­ches die Kläge­rin im Un­ter­schied zum berück­sich­tig­ten Be­wer­ber nicht vor­wei­sen könne.

Bei an­ge­nom­me­ner un­ter­schied­li­cher Be­hand­lung we­gen der Re­li­gi­on sei ei­ne sol­che nach § 9 AGG ge­recht­fer­tigt. Der Be­klag­te sei ei­ne ei­ner Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft zu­ge­ord­ne­te Ein­rich­tung in die­sem Sin­ne. Die Re­li­gi­on stel­le ei­ne un­ter Be­ach­tung des Selbst­verständ­nis­ses nach der Art der Tätig­keit ei­ne ge­recht­fer­tig­te be­ruf­li­che An­for­de­rung dar. Mit der Tätig­keit wer­de der Stel­len­in­ha­ber un­mit­tel­bar nach außen für den Be­klag­ten tätig und ver­tre­te des­sen Mei­nung und die sei­ner nach­ge­ord­ne­ten Ein­rich­tun­gen in Li­te­ra­tur, Öffent­lich­keit und Po­li­tik. Da der Stel­len­in­ha­ber ei­nen Par­al­lel­be­richt zum Staa­ten­be­richt der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land hin­sicht­lich der UN-An­ti­ras­sis­mus­kon­ven­ti­on ver­fas­se, in der Zen­tra­le des Be­klag­ten an­ge­sie­delt sei und da­mit in­ten­si­ve Ein­bli­cke in die in­ne­re Struk­tur des Be­klag­ten er­hal­te, sei es äußerst be­deut­sam, dass er im in­ne­ren Ein­klang mit den Wer­ten und Über­zeu­gun­gen des Be­klag­ten agie­re.

 

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Nach den für den Be­klag­ten maßgeb­li­chen Re­ge­lun­gen als Aus­fluss von Art. 140 GG in Ver­bin­dung mit Art 137 Abs. 3 WRV sei die Zu­gehörig­keit zu ei­ner christ­li­chen Kir­che ei­ne not­wen­di­ge An­for­de­rung für die Be­gründung des Ar­beits­verhält­nis­ses. Das Recht des Be­klag­ten, ei­ne sol­che An­for­de­rung zu stel­len, sei vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt aus­drück­lich an­er­kannt. Zu ei­nem an­de­ren Er­geb­nis kom­me man auch nicht bei Aus­le­gung der EU-Richt­li­nie 2000/78/EG, auf die das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz zurück­ge­he.

Das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz berück­sich­ti­ge die Vor­ga­ben der EG-Richt­li­nie 2000/78/EG so­wie die Vor­ga­ben des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts und ha­be zu­gleich das kirch­li­che Ar­beits­recht we­der ab­geändert noch abändern wol­len. So­weit nach der Recht­spre­chung an­er­kannt sei, dass ein Kir­chen­aus­tritt die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zur Fol­ge ha­ben könne, müsse dies auch für die Be­gründung von Ar­beits­verhält­nis­sen gel­ten, da­mit kei­ne sys­te­ma­ti­schen Wi­dersprüche entstünden. Der Ge­setz­ge­ber ha­be mit § 9 AGG die gel­ten­de Rechts­la­ge auf­recht­er­hal­ten wol­len.

Ei­ne da­von ab­wei­chen­de richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung von § 9 AGG sei nicht ge­bo­ten. Die Re­ge­lung be­we­ge sich im Rah­men des ge­setz­ten Ge­stal­tungs­rah­mens und sei mit der Richt­li­nie ver­ein­bar. Die Re­li­gi­on sei ei­ne ge­recht­fer­tig­te be­ruf­li­che An­for­de­rung im Sin­ne von § 9 AGG für die zu be­set­zen­de Stel­le. Ein von der EU-Kom­mis­si­on durch­geführ­tes Ver­trags­ver­let­zungs­ver­fah­ren ge­gen Deutsch­land we­gen der Um­set­zung der Richt­li­nie sei am 06. Mai 2008 ein­ge­stellt wor­den.

Ei­ner Vor­la­ge der Sa­che an den Eu­ropäischen Ge­richts­hof bedürfe es nicht, da die Fra­ge der eu­ro­pa­rechts­kon­for­men Aus­le­gung von § 9 AGG nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich sei.

Sch­ließlich sei ei­ne Entschädi­gung im Fal­le ei­ner Ver­ur­tei­lung des Be­klag­ten an­ge­sichts der Ge­samt­umstände weit un­ter­halb der ge­setz­lich fest­ge­setz­ten drei Mo­nats­vergütun­gen ge­recht­fer­tigt.
We­gen der Ein­zel­hei­ten wird auf die Schriftsätze des Be­klag­ten vom 16.09.2013 (Bl. 59-138 d.A.) und vom 29.11.2013 (Bl. 342-354 d.A.) nebst An­la­gen ver­wie­sen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

I.

Der auf Zah­lung ei­ner Entschädi­gung ge­rich­te­te Kla­ge­an­trag ist un­ein­ge­schränkt zulässig gem. § 253 Abs. 2 ZPO, ins­be­son­de­re ist er hin­rei­chend be­stimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Kläge­rin durf­te die Höhe der von ihr be­gehr­ten Entschädi­gung in das Er­mes­sen des Ge­richts stel­len. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Ge­richt bei der Höhe der Entschädi­gung ei­nen Be­ur­tei­lungs­spiel­raum ein, wes­halb ei­ne Be­zif­fe­rung des

 

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Zah­lungs­an­trags nicht not­wen­dig ist. Er­for­der­lich ist al­lein, dass der Kläger Tat­sa­chen, die das Ge­richt bei der Be­stim­mung des Be­trags her­an­zie­hen soll, be­nennt und die Größen­ord­nung der gel­tend ge­mach­ten For­de­rung an­gibt (BAG v. 13.10.2011, 8 AZR 608/10, EzA § 15 AGG Nr 16, Rn. 16). Die­se Vor­aus­set­zun­gen sind erfüllt. Die Kläge­rin hat ei­nen Sach­ver­halt dar­ge­legt, der dem Ge­richt die Be­stim­mung ei­ner Entschädi­gung ermöglicht, und den Be­trag der an­ge­mes­se­nen Entschädi­gung be­zif­fert.

II.

Die Kla­ge ist auch be­gründet. Die Kläge­rin kann die Zah­lung ei­ner Entschädi­gung gem. § 15 Abs. 2 AGG von dem Be­klag­ten ver­lan­gen. Der Be­klag­te hat bei der Be­set­zung der Stel­le des Re­fe­ren­ten/der Re­fe­ren­tin ge­gen das Ver­bot ver­s­toßen, Beschäftig­te we­gen ih­rer Re­li­gi­on zu be­nach­tei­li­gen (§§ 7 und 1 AGG).

1.
Als Be­wer­be­rin ist die Kläge­rin nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG „Beschäftig­te“ und fällt in den persönli­chen An­wen­dungs­be­reich des AGG. Un­er­heb­lich ist da­bei, ob der Be­wer­ber für die aus­ge­schrie­be­ne Tätig­keit ob­jek­tiv ge­eig­net ist (BAG v. 19.08.2010, 8 AZR 466/09, NZA 2011, 203-206; 8 AZR 370/09, NZA 2011, 200-202).

2.
Der Be­klag­te ist als „Ar­beit­ge­ber“ pas­siv le­gi­ti­miert. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG ist Ar­beit­ge­ber im Sin­ne des Ge­set­zes, wer „Per­so­nen nach Ab­satz 1“ des § 6 AGG „beschäftigt“. Ar­beit­ge­ber ei­nes Be­wer­bers ist al­so der, der um Be­wer­bun­gen für ein von ihm an­ge­streb­tes Beschäfti­gungs­verhält­nis ge­be­ten hat (BAG v. 19.08.2010, 8 AZR 370/09, NZA 2011, 200-202). Auf­grund sei­ner Stel­len­aus­schrei­bung trifft dies auf den Be­klag­ten zu.

3.
Die Kläge­rin hat die ge­setz­li­chen Fris­ten nach § 15 Abs. 4 AGG zur Gel­tend­ma­chung des An­spruchs auf Entschädi­gung ge­wahrt.

a) Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG ist ein An­spruch nach Abs. 1 oder Abs. 2 des § 15 AGG in­ner­halb ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten schrift­lich gel­tend zu ma­chen. Im Fal­le ei­ner Be­wer­bung be­ginnt die Frist mit dem Zu­gang der Ab­leh­nung (§ 15 Abs. 4 Satz 2 AGG). Die Kläge­rin hat un­strei­tig am 23. Ja­nu­ar 2013 von der Ab­leh­nung ih­rer Be­wer­bung Kennt­nis er­langt. Das Schrei­ben des Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Kläge­rin vom 25. Fe­bru­ar 2013 war da­mit frist­wah­rend.

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b) Die am 30. April 2013 per Te­le­fax und am 03. Mai 2013 im Ori­gi­nal beim Ar­beits­ge­richt Ber­lin ein­ge­gan­ge­ne und dem Be­klag­ten am 10. Mai 2013 zu­ge­stell­te Kla­ge wahr­te die Drei­mo­nats­frist des § 61b Abs. 1 ArbGG.
4.
Die Kläge­rin hat in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on im Zu­sam­men­hang mit der Be­wer­bung auf die Stel­le als Re­fe­ren­tin ob­jek­tiv ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung er­fah­ren als die vier zu Vor­stel­lungs­gesprächen ein­ge­la­de­nen Mit­be­wer­ber.

a) Vor­aus­set­zung für ei­nen Entschädi­gungs­an­spruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist ein Ver­s­toß ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot des § 7 AGG. § 15 Abs. 2 AGG enthält le­dig­lich ei­ne Rechts­fol­gen­re­ge­lung, für die An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen ist auf § 15 Abs. 1 AGG zurück­zu­grei­fen (BAG v. 16.02.2012, 8 AZR 697/10 NZA 2012, 667, Rn. 30).

b) Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung vor, wenn ein Beschäftig­ter we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung erfährt als ei­ne an­de­re Per­son in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on erfährt, er­fah­ren hat oder er­fah­ren würde. Zu die­sen Gründen zählen auch sol­che der Re­li­gi­on, al­so so­wohl Be­nach­tei­li­gun­gen we­gen der Zu­gehörig­keit zu ei­ner sol­chen als auch des Feh­lens ei­ner Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit.

aa) Nach § 11 AGG darf ein Ar­beits­platz nicht un­ter Ver­s­toß ge­gen § 7 Abs. 1 AGG aus­ge­schrie­ben wer­den. Ei­ne Aus­schrei­bung verstößt ge­gen § 7 Abs. 1 AGG, wenn Men­schen, die ein in § 1 AGG ge­nann­tes Merk­mal auf­wei­sen, vom Kreis der für die zu be­set­zen­de Stel­le in Be­tracht kom­men­den Per­so­nen aus­ge­schlos­sen wer­den (BAG v. 19.08.2010, 8 AZR 530/09 NZA 2010, 1412-1418, Rn. 57). Die Ver­let­zung der Ver­pflich­tung, ei­nen Ar­beits­platz nicht un­ter Ver­s­toß ge­gen § 7 Abs. 1 AGG aus­zu­schrei­ben, kann die Ver­mu­tung be­gründen, die Be­nach­tei­li­gung sei we­gen des in der Aus­schrei­bung be­zeich­ne­ten ver­bo­te­nen Merk­mals er­folgt (BAG v. 19.08.2010, 8 AZR 530/09, Rn. 59, aaO.).

bb) Es liegt ei­ne ungüns­ti­ge­re Be­hand­lung der Kläge­rin vor.

Die­se be­steht dar­in, dass sie aus dem Aus­wahl­ver­fah­ren aus­ge­schie­den und im Un­ter­schied zu vier an­de­ren Be­wer­bern von dem Be­klag­ten nicht zu ei­nem Vor­stel­lungs­gespräch ein­ge­la­den wor­den ist. Der Kläge­rin wur­de da­mit be­reits im Vor­feld der ei­gent­li­chen Be­set­zungs­ent­schei­dung die Chan­ce auf Ein­stel­lung ge­nom­men. Dies stellt ei­ne ungüns­ti­ge­re Be­hand­lung dar, un­abhängig da­von, ob die Kläge­rin ein­ge­stellt wor­den wäre (BAG v. 18.03.2010, 8 AZR 1044/08, NZA 2010, 1129-1133, mwN). Ein Nach­teil im Rah­men

 

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ei­ner Aus­wah­l­ent­schei­dung liegt auch dann vor, wenn der Be­wer­ber - wie hier die Kläge­rin - nicht in die Aus­wahl ein­be­zo­gen, son­dern vor­ab in ei­nem Be­wer­bungs­ver­fah­ren aus­ge­schie­den wird. Die Be­nach­tei­li­gung liegt be­reits in der Ver­sa­gung ei­ner Chan­ce (st. Rspr., vgl. BAG v. 13.10.2011, 8 AZR 608/10, EzA AGG § 15 Nr. 16, Rn. 24).

cc) Die Un­gleich­be­hand­lung der Kläge­rin er­folg­te we­gen der feh­len­den kon­fes­sio­nel­len Bin­dung und da­mit aus Gründen der Re­li­gi­on. Ne­ben den fach­li­chen An­for­de­run­gen an die Be­wer­ber setz­te der Be­klag­te aus­drück­lich „die Mit­glied­schaft in ei­ner evan­ge­li­schen oder der ACK an­gehören­den Kir­che und die Iden­ti­fi­ka­ti­on mit dem dia­ko­ni­schen Auf­trag“ vor­aus. Da­mit wur­de be­reits in der Aus­schrei­bung deut­lich ge­macht, dass der Be­klag­te ne­ben fach­lich-in­halt­li­chen An­for­de­run­gen auch an die Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit an­knüpft und die­se so­gar aus­drück­lich als „Vor­aus­set­zung“ für ei­ne er­folg­rei­che Be­wer­bung de­fi­niert. Die feh­len­de Ein­be­zie­hung der Kläge­rin in die nähe­re Aus­wahl war da­mit zu­min­dest auch durch das verpönte Merk­mal „Re­li­gi­on“ in­di­ziert.

Der Kau­sal­zu­sam­men­hang zwi­schen be­nach­tei­li­gen­der Be­hand­lung und dem Merk­mal der Re­li­gi­on ist be­reits dann ge­ge­ben, wenn die Be­nach­tei­li­gung an die Re­li­gi­on an­knüpft oder durch die­se mo­ti­viert ist. Da­bei ist es nicht er­for­der­lich, dass der be­tref­fen­de Grund das aus­sch­ließli­che Mo­tiv für das Han­deln des Be­nach­tei­li­gen­den ist. Aus­rei­chend ist viel­mehr, dass das verpönte Merk­mal Be­stand­teil ei­nes Mo­tivbündels ist, wel­ches die Ent­schei­dung be­ein­flusst hat. Auf ein schuld­haf­tes Han­deln oder gar ei­ne Be­nach­tei­li­gungs­ab­sicht kommt es nicht an (BAG v. 20.06.2013, 8 AZR 482/12, EzA-SD 2013, Nr. 22, 7-10, Rn. 41, mwN).

dd) Es be­ste­hen ent­ge­gen der An­sicht des Be­klag­ten auch kei­ne Be­den­ken ge­gen das Vor­lie­gen ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on.

(1) Die ob­jek­ti­ve Eig­nung ei­ner Be­wer­be­rin ist kei­ne Tat­be­stands­vor­aus­set­zung für ei­nen An­spruch nach § 15 Abs. 1 oder 2 in Verb. mit § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG. Der Wort­laut des § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG bie­tet kei­nen An­halts­punkt für das Er­for­der­nis ei­nes sol­chen Tat­be­stands­merk­mals. Für ei­ne Aus­le­gung über den Wort­laut hin­aus be­steht auch an­ge­sichts des § 3 Abs. 1 AGG kein Bedürf­nis. Ver­gleich­bar i.S.d. § 3 Abs. 1 S. 1 AGG ist die Aus­wahl­si­tua­ti­on nur für Ar­beit­neh­mer, die glei­cher­maßen die ob­jek­ti­ve Eig­nung für die zu be­set­zen­de Stel­le auf­wei­sen. Maßgeb­lich für die ob­jek­ti­ve Eig­nung ist da­bei nicht das for­mel­le An­for­de­rungs­pro­fil des je­wei­li­gen Ar­beit­ge­bers, son­dern die An­for­de­run­gen, wel­che an die je­wei­li­ge Tätig­keit nach der im Ar­beits­le­ben herr­schen­den Ver­kehrs­an­schau­ung ge­stellt wer­den (BAG v. 18.03.2010, 8 AZR 1044/08, aaO, Rn. 23, 31 mwN).

(2) Die ungüns­ti­ge­re Be­hand­lung der Kläge­rin er­folg­te in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on iSd. § 3 Abs. 1 S. 1 AGG, denn die Kläge­rin erfüll­te die Vor­aus­set­zung, ob­jek­tiv für die

 

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Beschäfti­gung als Re­fe­ren­tin ge­eig­net zu sein. Ver­gleich­bar iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG ist die Aus­wahl­si­tua­ti­on nur für Ar­beit­neh­mer, die glei­cher­maßen die ob­jek­ti­ve Eig­nung für die zu be­set­zen­de Stel­le auf­wei­sen. Die ob­jek­ti­ve Eig­nung ist Kri­te­ri­um der „ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on“ iSd. § 3 Abs. 1 AGG.

Der Be­klag­te hat ei­ne Stel­le als Re­fe­rent/Re­fe­ren­tin aus­ge­schrie­ben. Ent­ge­gen der Be­haup­tung des Be­klag­ten weist be­reits das – nach der Recht­spre­chung nicht maßgeb­li­che - An­for­de­rungs­pro­fil der Aus­schrei­bung nicht das Er­for­der­nis ei­nes Hoch­schul­ab­schlus­ses aus, son­dern „ein ab­ge­schlos­se­nes Hoch­schul­stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaf­ten oder ver­gleich­ba­re Qua­li­fi­ka­ti­on“ und ver­weist hin­sicht­lich der Vergütung auf die Ent­gelt­grup­pe 13 TVöD. Da­bei mag es sein, dass er Be­klag­te sub­jek­tiv nur an­de­re wis­sen­schaft­li­che Hoch­schul­ab­schlüsse als ver­gleich­bar an­ge­se­hen ha­ben mag. Ob­jek­tiv ist dies je­den­falls nicht der Fall und die Aus­schrei­bung lässt dies auch nicht er­ken­nen.

Zunächst enthält der TVöD selbst nur ak­tu­el­le Ent­gelt­ta­bel­len, die für den die Ent­gelt­grup­pe 13 beim Bund ein Grund­ge­halt in der Stu­fe 1 von 3.262,89 € aus­weist. Die Ein­grup­pie­rung selbst be­stimmt der Ta­rif­ver­trag der­zeit nicht, son­dern greift noch auf die Vergütungs­ord­nung des BAT zurück. Nach den Überführungs­re­geln im öffent­li­chen Dienst ent­spricht die Ent­gelt­grup­pe 13 des TVöD der Vergütungs­grup­pe IIa BAT (oh­ne Ib). Die­ser sieht in der ers­ten Fall­grup­pe zwar das Merk­mal ei­ner ab­ge­schlos­se­nen wis­sen­schaft­li­chen Hoch­schul­aus­bil­dung und ei­ne ent­spre­chen­de Tätig­keit vor, al­ter­na­tiv je­doch auch gleich­wer­ti­ge Fähig­kei­ten und Er­fah­run­gen bei ent­spre­chen­der Tätig­keit. Die Fall­grup­pe 3 der Vergütungs­grup­pe IIa BAT er­for­dert nicht ein­mal ein Hoch­schul­stu­di­um, son­dern lässt bei Tätig­kei­ten im kom­mu­na­len Be­reich ei­ne Ein­grup­pie­rung auch oh­ne Nach­weis ei­ner spe­zi­el­len Qua­li­fi­ka­ti­on ei­ne Ein­stu­fung in die­se Vergütungs­grup­pe zu, wenn schwie­ri­ge Auf­ga­ben zu er­le­di­gen sind und die Größe der Ver­ant­wor­tung dies er­for­dern. In­so­weit ist be­reits die Grund­an­nah­me des Be­klag­ten, Ent­gelt­grup­pe 13 er­for­de­re ei­nen Hoch­schul­ab­schluss, feh­ler­haft.

Als „Re­fe­rent“ wird im öffent­li­chen Dienst ein Mit­ar­bei­ter im höhe­ren Dienst, in der Re­gel als Re­fe­rats­lei­ter, und in der Pri­vat­wirt­schaft häufig ein höhe­rer Sach­be­ar­bei­ter ver­stan­den, des­sen Tätig­keit in der Re­gel ein ab­sol­vier­tes Stu­di­um vor­aus­setzt, aber auch all­ge­mein als Vor­tra­gen­der oder Be­richt­er­stat­ter (vgl. u.a. Du­den, Stich­wort: Re­fe­rent). An­ge­sichts der wahr­zu­neh­men­den Auf­ga­ben der Be­richt­er­stat­tung zur Um­set­zung der UN-An­ti­ras­sis­mus­kon­ven­ti­on kann vor­lie­gend eher von letz­te­rer Be­griffs­be­deu­tung und der da­zu be­ste­hen­den herr­schen­den Ver­kehrs­auf­fas­sung aus­ge­gan­gen wer­den. Für ei­ne sol­che Tätig­keit ist – je nach Art der Be­richt­er­stat­tung – ein wis­sen­schaft­li­ches Hoch­schul­stu­di­um si­cher­lich nütz­lich, aber nicht zwin­gend er­for­der­lich. Bei vor­han­de­nen gleich­wer­ti­gen Fähig­kei­ten, Er­fah­run­gen und Kennt­nis­sen kann den An­for­de­run­gen an ei­ne der­ar­ti­ge

 

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Re­fe­ren­tentätig­keit oh­ne wei­te­res ent­spro­chen wer­den. Der Be­klag­te stellt im Rah­men der Ver­gleich­bar­keit der Si­tua­ti­on in­des al­lein auf den wis­sen­schaft­li­chen Cha­rak­ter der ver­gleich­ba­ren Qua­li­fi­ka­ti­on ab, den die we­der die Stel­len­aus­schrei­bung selbst, noch die Re­fe­ren­tentätig­keit als sol­che nach herr­schen­der Ver­kehrs­auf­fas­sung er­for­dert.

Die Kläge­rin hat im Rah­men ih­rer Be­wer­bung auf un­strei­tig vor­han­de­ne langjähri­ge ein­schlägi­ge Er­fah­run­gen und Kennt­nis­se in der An­ti­ras­sis­mus­ar­beit, Pro­jekt­ar­beit, Geschäftsführung von Or­ga­ni­sa­tio­nen, in der Zu­sam­men­ar­beit mit na­tio­na­len und in­ter­na­tio­na­len Or­ga­ni­sa­tio­nen und als Re­fe­ren­tin des DGB-Bun­des­vor­stands und des In­for­ma­ti­ons- und Do­ku­men­ta­ti­ons­zen­trums in der An­ti­ras­sis­mus­ar­beit (IDA) ver­wie­sen. Die Kläge­rin hat da­mit ih­re ob­jek­ti­ve Eig­nung für die zu be­set­zen­de Stel­le oh­ne wei­te­res nach­ge­wie­sen.

Bei­de Be­wer­ber erfüllen un­strei­tig nicht die An­for­de­rung aus der Aus­schrei­bung „wis­sen­schaft­li­che Hoch­schul­stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaft“. Die Kläge­rin hat in Be­zug auf die al­ter­na­tiv ge­for­der­te „ver­gleich­ba­re Qua­li­fi­ka­ti­on“ die Vor­aus­set­zun­gen für die zu be­set­zen­de Re­fe­ren­ten­stel­le eben­so erfüllt wie der be­vor­zug­te Be­wer­ber auf an­de­rem We­ge.

5.
Die un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung der Kläge­rin er­folg­te we­gen der feh­len­den Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit der Kläge­rin und war nicht durch § 9 AGG ge­recht­fer­tigt und da­mit nicht zulässig.

a) Bei dem Be­klag­ten han­delt es sich um ei­ne ei­ner Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft zu­ge­ord­ne­ten Ein­rich­tung im Sin­ne von § 9 Abs. 1 AGG. Die Evan­ge­li­sche Kir­che in Deutsch­land ist frag­los ei­ne Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft. Sie hat den Be­klag­ten ge­bil­det, um nach den kirch­li­chen Auf­trag al­len Men­schen durch Wort und Tat zu be­zeu­gen, mit dem Be­klag­ten wahr­zu­neh­men und die Zu­sam­men­gehörig­keit des Ent­wick­lungs­diens­tes mit der Dia­ko­nie als We­sens- und Le­bensäußerung der Kir­che zu be­kräfti­gen (vgl. Präam­bel der Sat­zung Bl. 140 d.A.). Da­mit ent­spricht er den in der Recht­spre­chung ent­wi­ckel­ten Grundsätzen (vgl. u.a. BVerfG v. 04.06.1985, 2 BvR 1718/83, NJW 1986, 367). Auf die Rechts­form kommt es nicht an, so dass auch re­li­giöse Ver­ei­ne, wie der Be­klag­te, dar­un­ter fal­len können.

b) Das Selbst­verständ­nis des Be­klag­ten und das Selbst­be­stim­mungs­recht der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land recht­fer­ti­gen die Be­nach­tei­li­gung der Kläge­rin nicht.

aa) Die Fra­gen des Selbst­verständ­nis­ses der Kir­che und ih­re ju­ris­ti­sche Reich­wer­te wur­den im We­sent­li­chen durch die Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts aus den sech­zi­ger bis acht­zi­ger Jah­ren be­ant­wor­tet und ge­prägt, die durch den Be­klag­ten teil­wei­se

 

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zi­tiert wur­de (vgl. u.a. BVerfG v. 16.10.1968, 1 BvR 241/66, NJW 1969, 31; v. 04.06.1985, 2 BvR 1703/83; 2 BvR 1718/83; 2 BvR 856/84, NJW 1986, 367-372). So hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt zum Selbst­verständ­nis der Ka­tho­li­schen und Evan­ge­li­schen Kir­che fest­ge­stellt, dass die Re­li­gi­ons­ausübung nicht nur den Be­reich des Glau­bens und des Got­tes­diens­tes um­fasst, son­dern auch die Frei­heit zur Ent­fal­tung und Wirk­sam­keit in der Welt, wie es ih­rer re­li­giösen und dia­ko­ni­schen Auf­ga­be ent­spricht. Die täti­ge Nächs­ten­lie­be ist nach dem Neu­en Tes­ta­ment ei­ne we­sent­li­che Auf­ga­be für den Chris­ten und wird von der Ka­tho­li­schen wie der Evan­ge­li­schen Kir­che als kirch­li­che Grund­funk­ti­on ver­stan­den (BVerfG v. 16.10.1968, 1 BvR 241/66, Rn. 26, NJW 1969, 31). Woll­te man in­des aus­ge­hend da­von al­len in der Kir­che und ih­ren Ein­rich­tun­gen zu be­set­zen­den Stel­len, un­abhängig von der Art der Tätig­keit und ih­rer Nähe oder Ent­fer­nung zu Auf­ga­ben der Verkündi­gung, Seel­sor­ge, Un­ter­wei­sung oder Lei­tung, von der Mit­glied­schaft in der Kir­che abhängig ma­chen, würde dies zwin­gend zu ent­spre­chen­den Dis­kri­mi­nie­run­gen bei der Stel­len­be­set­zung führen, oh­ne dass dies ei­ne ge­recht­fer­tig­te be­ruf­li­che An­for­de­rung im Sin­ne von § 9 Abs. 1 AGG dar­stel­len würde (vgl. da­zu näher un­ter Ab­schnitt I.5.c) der Ent­schei­dungs­gründe). Dem­gemäß dif­fe­ren­ziert § 5 der Richt­li­nie des Ra­tes der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land auch da­hin­ge­hend, dass die Zu­gehörig­keit zu ei­ner Glied­kir­che der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land oder ei­ner mit ihr ver­bun­de­nen Kir­chen­ge­mein­schaft in be­stimm­ten Fällen ver­zicht­bar ist, wenn die zu über­tra­gen­den Auf­ga­ben nicht der Verkündi­gung, Seel­sor­ge, Un­ter­wei­sung oder Lei­tung die­nen. Tatsächlich ist nach den vor­lie­gen­den Sta­tis­ti­ken der Dia­ko­nie auch ein nicht un­beträcht­li­cher An­teil von Mit­ar­bei­tern der Dia­ko­nie, in Ber­lin im­mer­hin fast die Hälf­te nicht kon­fes­sio­nell ge­bun­den. Der Be­klag­te räumt zu­dem ein, dass auch bei ihm zu­min­dest kei­ne 100 %ige kon­fes­sio­nel­le Bin­dung der Mit­ar­bei­ter ge­ge­ben ist.

An­ge­sichts der sich aus dem Eu­ropäischen Recht, hier ins­be­son­de­re Art 4 Abs. 1 der EG.-Richt­li­nie 2000/78/EG, und dem in der Fol­ge aus dem All­ge­mei­nen Ge­lich­be­hand­lungs­ge­setz er­ge­ben­den neue­ren An­for­de­run­gen, be­darf die bis­he­ri­ge Be­wer­tung des kirch­li­chen Selbst­verständ­nis­ses da­her ei­ner Neu­in­ter­pre­ta­ti­on da­hin­ge­hend, dass das Selbst­verständ­nis bei kon­kre­ten Beschäfti­gungs­verhält­nis­sen nur dann ei­ne ent­schei­den­de Rol­le spielt, wenn die­ses in ei­ner di­rek­ten Be­zie­hung zum Selbst­verständ­nis der Kir­che oder ih­rer Ein­rich­tun­gen steht (vgl. Däubler/Bertz­bach-Wed­de § 9 Rn. 35). An­de­ren­falls lie­fe dies dar­auf hin­aus, dass die Kir­che und so­mit auch der Be­klag­te gänz­lich frei über sei­ne Ein­stel­lungs­pra­xis und da­mit über Dif­fe­ren­zie­rungs­kri­te­ri­en ent­schei­den könn­te.

Zu­dem gibt die Sat­zung des Be­klag­ten und die dar­in erklärten Zie­le ei­nen Hin­weis dar­auf, dass sein Selbst­verständ­nis schwer­punktmäßig eher in der Ver­fol­gung all­ge­mei­ner

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hu­ma­nis­ti­scher Zie­le liegt, wie al­len Men­schen un­ter­schieds­los Bei­stand zu leis­ten, Ur­sa­chen ih­rer Nöte auf­zu­de­cken, zu be­nen­nen und zu be­sei­ti­gen, bei der Über­win­dung von Ar­mut, Hun­ger und Not in der Welt bei­zu­tra­gen, für ei­ne ge­rech­te­re Ge­sell­schaft und ein nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung ein­zu­tre­ten (vgl. Präam­bel Bl. 140 d.A.)

bb) Dies wi­derspräche in­des dem Cha­rak­ter des § 9 AGG als Aus­nah­me­vor­schrift zu § 7 AGG. Da­bei wird durch § 9 AGG nicht ge­ne­rell jeg­li­ches Han­deln der Kir­che und ih­rer Ein­rich­tun­gen in Be­zug auf die Be­hand­lung ih­rer Mit­ar­bei­ter we­gen der Re­li­gi­on aus­ge­nom­men, son­dern nur, „so­weit dies nach Art der Tätig­keit ei­ne ge­recht­fer­tig­te be­ruf­li­che An­for­de­rung dar­stellt“ (§ 9 Abs. 1 letz­ter Halb­satz AGG). Das be­deu­tet, dass auch in­ner­halb der Kir­chen der Re­gel­fall ge­ra­de ein an­de­rer ist und nach der ge­setz­li­chen Vor­ga­be sein muss. Das folgt auch aus dem Erwägungs­grund 23 der Richt­li­nie 2000/78/EG (ABL EG Nr. L 303/16 v. 02.12.2000), wo­nach nur „un­ter sehr be­grenz­ten Be­din­gun­gen … ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung ge­recht­fer­tigt sein (kann), wenn ein Merk­mal, das mit der Re­li­gi­on … zu­sam­menhängt, ei­ne we­sent­li­che und ent­schei­den­de be­ruf­li­che An­for­de­rung dar­stellt, so­fern es sich um ei­nen rechtmäßigen Zweck und ei­ne an­ge­mes­se­ne An­for­de­rung han­delt.

cc) Das Selbst­be­stim­mungs­recht der Kir­che oder ih­rer Ein­rich­tun­gen hat für die kon­kre­te Aus­schrei­bung und Stel­len­be­set­zung auch nur mit­tel­ba­re Be­deu­tung. Gestützt auf das Selbst­be­stim­mungs­recht kann je­den­falls nicht die kon­kre­te Ein­stel­lungs­ent­schei­dung be­gründet wer­den, denn auch dies lie­fe wie­der­um auf ei­ne gänz­lich freie Ent­schei­dung des Be­klag­ten hin­aus, oh­ne an Grundsätze Eu­ropäischen und in­ner­staat­li­chen Rechts ge­bun­den zu sein. Das Selbst­be­stim­mungs­recht der Kir­chen nach Art. 137 Abs. 3 WRV be­zieht sich aus­drück­lich auf das „Ord­nen“ und „Ver­wal­ten“ ih­rer An­ge­le­gen­hei­ten in­ner­halb der Gren­zen gel­ten­den Rechts. Da­mit sind die Kir­chen be­rech­tigt, ei­genständi­ges Recht zu schaf­fen, wie es vor­lie­gend z.B. im Rah­men der Richt­li­nie des Ra­tes der Evan­ge­li­schen Kir­chen in Deutsch­land und der DVO.EKD er­folgt ist. In die­sem Rah­men kann die Kir­che grundsätz­lich auch selbst fest­le­gen, dass be­stimm­te Po­si­tio­nen nur mit Mit­glie­dern der Kir­che be­setzt wer­den, so­weit sich die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung in ob­jek­ti­ver Wei­se un­mit­tel­bar aus den Glau­bens­zie­len der Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft ab­lei­tet (vgl. Däubler/Bertz­bach-Wed­de § 9 Rn. 49). Dies kann bei der hier zu be­set­zen­den Po­si­ti­on nicht an­ge­nom­men wer­den. Die Er­stel­lung ei­nes Be­richts an die Ver­ein­ten Na­tio­nen zur Um­set­zung der An­ti­ras­sis­mus­kon­ven­ti­on hat zwar auch ei­nen Be­zug zu den Glau­bens­zie­len der Evan­ge­li­schen Kir­che, der sich ver­mut­lich auch in der Art der Be­richt­er­stat­tung teil­wei­se nie­der­schla­gen wird, lei­tet sich in­des nicht un­mit­tel­bar und zwin­gend dar­aus ab.

c) Im Hin­blick auf die Art der mit der Aus­schrei­bung zu be­set­zen­den Stel­le und der dar­aus er­wach­sen­den Tätig­keit stellt auch un­ter Berück­sich­ti­gung der obi­gen Ausführun­gen zum

 

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Selbst­verständ­nis und Selbst­be­stim­mungs­recht der Kir­chen kei­ne ge­recht­fer­tig­te be­ruf­li­che An­for­de­rung dar.

aa) Das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz stellt ei­nen Teil der Um­set­zung eu­ropäischer An­ti­dis­kri­mi­nie­rungs­richt­li­ni­en, un­ter an­de­rem der Richt­li­nie 2000/78/EG, dar (BGBl. 2006, I, S. 1897). Des­sen Re­ge­lun­gen und da­mit auch § 9 AGG sind da­mit richt­li­ni­en­kon­form aus­zu­le­gen. Nach der Recht­spre­chung des EUGH ist das in­ner­staat­li­che Recht „so­weit wie möglich“ an­hand des Wort­lauts und des Zwecks der ein­schlägi­gen Richt­li­nie zu in­ter­pre­tie­ren (vgl. u.a. EUGH v. 24.01.2012, C-282/10, NZA 2012, 139-142).

Erwägungs­grund 23 der Richt­li­nie 2000/78/EG (ABL EG Nr. L 303/16 v. 02.12.2000), be­stimmt, dass nur „un­ter sehr be­grenz­ten Be­din­gun­gen … ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung ge­recht­fer­tigt sein (kann), wenn ein Merk­mal, das mit der Re­li­gi­on … zu­sam­menhängt, ei­ne we­sent­li­che und ent­schei­den­de be­ruf­li­che An­for­de­rung dar­stellt, so­fern es sich um ei­nen rechtmäßigen Zweck und ei­ne an­ge­mes­se­ne An­for­de­rung han­delt.“ Im Hin­blick auf den Sta­tus der Kir­chen wird im Erwägungs­grund Nr. 24 die Möglich­keit eröff­net, spe­zi­fi­sche Be­stim­mun­gen über die we­sent­li­chen, rechtmäßigen und ge­recht­fer­tig­ten be­ruf­li­chen An­for­de­run­gen bei­zu­be­hal­ten oder vor­zu­se­hen, die Vor­aus­set­zung für die Ausübung ei­ner dies­bezügli­chen be­ruf­li­chen Tätig­keit sein können.

Im Un­ter­schied zum Wort­laut des § 9 AGG, der le­dig­lich von „ge­recht­fer­tig­ten“ be­ruf­li­chen An­for­de­run­gen spricht, stellt die Eu­ropäische Richt­li­nie auf die „we­sent­li­chen, rechtmäßigen und ge­recht­fer­tig­ten be­ruf­li­chen An­for­de­run­gen“ ab. Auf die­se Erwägun­gen der Rah­men­richt­li­nie wird in der of­fi­zi­el­len Ge­set­zes­be­gründung auch aus­drück­lich hin­ge­wie­sen und zu § 9 Abs. 1 des Ent­wurfs zum AGG wört­lich der Erwägungs­grund 24 als Be­gründung für die ge­setz­li­che Re­ge­lung zi­tiert und in den letz­ten bei­den Sätze der Be­gründung zu § 9 Abs. 1 die For­mu­lie­run­gen des Ge­set­zes mit de­nen der Rah­men­richt­li­nie fak­tisch gleich­ge­setzt, oh­ne in­des den Wort­laut ent­ge­gen ursprüng­li­cher Ab­sicht auch so in das Ge­setz auf­zu­neh­men. So heißt es un­ter Hin­weis auf den Erwägungs­grund 24, dass die Mit­glied­staa­ten in die­ser Hin­sicht spe­zi­fi­sche Be­stim­mun­gen über die we­sent­li­chen, rechtmäßigen und ge­recht­fer­tig­ten be­ruf­li­chen An­for­de­run­gen bei­be­hal­ten oder vor­se­hen können, die Vor­aus­set­zung für die Ausübung ei­ner dies­bezügli­chen be­ruf­li­chen Tätig­keit sein können. Ent­spre­chend er­lau­be § 9 Abs. 1 es Re­li­gi­ons­ge­mein­schaf­ten und den übri­gen dort ge­nann­ten Ver­ei­ni­gun­gen, bei der Beschäfti­gung we­gen der Re­li­gi­on oder der Welt­an­schau­ung zu dif­fe­ren­zie­ren, wenn ei­ne be­stimm­te Re­li­gi­on oder Welt­an­schau­ung im Hin­blick auf ihr Selbst­be­stim­mungs­recht oder nach der Art der Tätig­keit ei­ne ge­recht­fer­tig­te be­ruf­li­che An­for­de­rung dar­stellt (BT-Drs. 16/1780 v. 08.06.2006). Fer­ner hat sich die Bun­des­re­gie­rung im Zu­sam­men­hang mit ei­nem ge­gen die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land

 

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geführ­ten Ver­trags­ver­let­zungs­ver­fah­ren bei der Um­set­zung der Richt­li­nie 2000/78/EG (Ver­fah­ren Nr. 2007/2362) mit ih­rer Mit­tei­lung vom 30.05.2008 auch da­hin­ge­hend geäußert, dass „ei­ne be­ruf­li­che An­for­de­rung nur dann nach § 9 Ab­satz 1 AGG ge­recht­fer­tigt (sei), wenn sie im kon­kre­ten Fall auch we­sent­lich, rechtmäßig und ge­recht­fer­tigt im Sin­ne von Ar­ti­kel 4 Ab­satz 2 der Richt­li­nie ist“ (Bl. 328 d.A.).

Wenn al­so an­ge­sichts des­sen nicht oh­ne­hin da­von aus­zu­ge­hen ist, dass § 9 Abs. 1 AGG im Aus­nah­me­fall ei­ne Dif­fe­ren­zie­rung we­gen der Re­li­gi­on zulässt, wenn die­se ei­ne die „we­sent­li­che, rechtmäßige und ge­recht­fer­tig­te be­ruf­li­che An­for­de­rung“ dar­stellt, so ist die Re­ge­lung im Lich­te der Rah­men­richt­li­nie 2000/76/EG je­den­falls in die­ser Wei­se aus­zu­le­gen. Da­mit ist die ge­setz­li­che Be­stim­mung deut­lich en­ger zu fas­sen, als es de­ren Wort­laut zunächst an­neh­men lässt.

bb) Der Be­klag­te hat kei­ne Gründe vor­ge­tra­gen, die die An­nah­me recht­fer­ti­gen, für die zu be­set­zen­de Stel­le sei die Kir­chen­mit­glied­schaft ei­ne we­sent­li­che, rechtmäßige und ge­recht­fer­tig­te be­ruf­li­che An­for­de­rung.

Nach den all­ge­mei­nen Re­geln der Dar­le­gungs- und Be­weis­last ist der­je­ni­ge dar­le­gungs­pflich­tig, der sich auf die für ihn güns­ti­ge Rechts­fol­ge be­ruft. Da es sich bei der Re­ge­lung um ei­ne Aus­nah­me­vor­schrift han­delt, die im In­ter­es­se des Be­klag­ten auch die ungüns­ti­ge­re Be­hand­lung der Kläge­rin im Ver­gleich zu ih­ren Mit­be­wer­bern be­gründen soll, hat die­ser dar­zu­le­gen, dass aus­nahms­wei­se für die zu be­set­zen­de Stel­le die­se en­gen An­for­de­run­gen erfüllt sind.

Ein sol­cher Vor­trag ist dem Be­klag­ten nicht ge­lun­gen. Die aus­ge­schrie­be­ne Re­fe­ren­tentätig­keit be­zieht sich auf ei­ne An­ge­le­gen­heit, die nicht un­mit­tel­bar auf die Ver­mitt­lung, Verkündung und prak­ti­schen Um­set­zung der Re­li­gi­on ab­zie­len. Die Po­si­ti­on stellt auch kei­ne Lei­tungs­funk­ti­on in­ner­halb der Kir­che dar. Viel­mehr han­delt es sich um ei­ne Re­fe­ren­ten­stel­le, die sich zwar mit dem The­ma „An­ti­ras­sis­mus“ be­fasst, das auch nach re­li­giösen und dia­ko­ni­schen Wert­maßstäben und dem ent­spre­chen­den Men­schen­bild von nicht un­er­heb­li­cher Be­deu­tung ist. In­so­fern ist die Übe­rein­stim­mung mit dem evan­ge­li­schen Welt­bild nütz­lich. Dies be­gründet in­des noch bei wei­tem nicht, war­um die Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit für die Tätig­keit we­sent­lich und er­for­der­lich ist. Da­bei ist ergänzend zu berück­sich­ti­gen, dass der Be­richt nicht durch die Evan­ge­li­sche Kir­che al­lein ver­ant­wor­tet wird, son­dern schon nach der Stel­len­aus­schrei­bung „in Be­ra­tung mit Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen und wei­te­ren In­ter­es­senträgern“ zu er­stel­len ist.

Die Ausführun­gen des Be­klag­ten zu den we­sent­li­chen Stel­len­an­for­de­run­gen erschöpfen sich – los­gelöst von der zu er­brin­gen­den Tätig­keit – in all­ge­mei­nen Pro­grammsätzen und

 

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schlag­wort­ar­ti­gen Dar­stel­lun­gen hin­sicht­lich der Öffent­lich­keits­wirk­sam­keit der zu be­set­zen­den Stel­le, oh­ne dies näher aus­zuführen. Da­bei ist nicht oh­ne Be­lang, dass sich die Öffent­lich­keits­ar­beit je­den­falls nicht auf den un­mit­tel­ba­ren so­ge­nann­ten verkündi­gungs­na­hen Be­reich. Ori­en­tiert man die­se Auf­ga­ben an des­sen in der Sat­zung des Be­klag­ten zu­sam­men­ge­fass­ten Zie­len, stellt man fest, dass es sich fast aus­nahms­los und vor­ran­gig um all­ge­meingülti­ge hu­ma­nis­ti­sche Zie­le han­delt. Spe­zi­el­le vor­ran­gig vom Glau­ben und der Re­li­gi­on ge­prägte Zie­le sind dar­in eben­so we­nig fest­zu­stel­len wie in der Tätig­keit der aus­ge­schrie­be­nen Stel­le.

6.
Die Kläge­rin hat da­her An­spruch auf ei­ne Entschädi­gung gem. § 15 Abs. 2 AGG als Er­satz für den im­ma­te­ri­el­len Scha­den, der ihr in­fol­ge der Be­nach­tei­li­gung aus Gründen der Re­li­gi­on ent­stan­den ist. Durch die er­lit­te­ne Dis­kri­mi­nie­rung der Kläge­rin wur­den ih­re all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rech­te ver­letzt.

a) Tat­be­stand­li­che Vor­aus­set­zung für den Entschädi­gungs­an­spruch ist ei­ne un­zulässi­ge Be­nach­tei­li­gung der Kläge­rin (vgl. BAG v. 07.07.2011, 2 AZR 396/10. NZA 2012, 34, 36), , die hier ge­ge­ben ist. Das Vor­lie­gen von Pflicht­ver­let­zun­gen des Be­klag­ten ist für den An­spruch eben­so we­nig er­for­der­lich wie ein Ver­schul­den oder ei­ne Kau­sa­lität.

b) Bei der Be­mes­sung der Höhe der Entschädi­gung ist fest­zu­stel­len, dass § 15 Abs. 2 AGG ei­ne Ober­gren­ze von drei Mo­nats­gehältern sta­tu­iert, die nicht über­schrit­ten wer­den darf. Es han­delt sich in­so­weit nicht um ei­ne Re­ge­l­entschädi­gung. Viel­mehr ist im je­wei­li­gen Ein­zel­fall zu prüfen, wie die er­lit­te­ne Persönlich­keits­ver­let­zung zu be­wer­ten ist.

An die­ser Stel­le sei zunächst dar­auf hin­ge­wie­sen, dass der An­trag der Kläge­rin zwar die Fest­set­zung der Entschädi­gungshöhe in das rich­ter­li­che Er­mes­sen stellt, gleich­wohl durch An­ga­be des aus ih­rer Sicht min­des­tens zu be­an­spru­chen­den Entschädi­gungs­be­tra­ges in Höhe von ge­nau drei Mo­nats­vergütun­gen ei­nes voll­zeit­beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer mit ei­ner Ent­gelt­grup­pe 13 nach dem TVöD in Höhe von der­zeit 3.262,89 € die­ses Er­mes­sen be­reits auf null zu re­du­zie­ren ge­denkt.

Zu­dem geht die Kam­mer da­von aus, dass der Entschädi­gungs­zah­lung auf drei Mo­nats­gehälter der in Aus­sicht ge­nom­me­nen Stel­le zu be­gren­zen ist, denn § 15 Abs. 2 S. 2 AGG stellt aus­drück­lich ei­nen Be­zug zu die­ser Stel­le durch den Hin­weis auf die Nicht­ein­stel­lung her. Es kann nur die­se Vergütung ge­meint sein, denn der Be­zug zu ir­gend­ei­nem an­de­ren Mo­nats­ge­halt fehlt. An­de­ren­falls wäre es der Fan­ta­sie des Stel­len­be­wer­bers über­las­sen, was er als Maßstab für die Entschädi­gungshöhe her­an­zie­hen möch­te. In­so­weit geht auch der Hin­weis der Kläge­rin fehl, ei­ne auf die Teil­zeit­vergütung

 

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ab­ge­stell­te Entschädi­gungs­zah­lung stel­le be­reits ei­ne mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung dar, weil die Persönlich­keits­ver­let­zung Teil­zeit­beschäftig­ter nicht we­ni­ger Wert sei, als die Voll­zeit­beschäftig­ter. Die Be­mes­sung der Entschädi­gungshöhe kann als ein­zig sinn­vol­len An­knüpfungs­punkt nur die in Aus­sicht ge­nom­me­ne Stel­le ha­ben, denn an­de­ren­falls müss­te man ar­gu­men­tie­ren, dass auch die Persönlich­keits­ver­let­zung ei­nes Be­wer­bers auf ei­ner ge­ring do­tier­ten Stel­le we­ni­ger wert wäre als die­je­ni­gen Be­wer­bers auf ei­ne hoch­do­tier­te Stel­le. Die­sem Di­lem­ma könn­te man al­len­falls durch ei­nen Fest­be­trag aus­glei­chen, dem wie­der­um ei­ne Rei­he an­de­rer Be­den­ken ent­ge­gen­ste­hen wer­den. Es kann so­mit nur auf die Mo­nats­vergütung ei­ner mit 60 % Ar­beits­zeit aus­ge­stal­te­ten Stel­le der Ent­gelt­grup­pe 13 TVöD ab­ge­stellt wer­den, al­so ei­nen Be­trag in Höhe von 1.957,73 €.

c) Für die Entschädi­gungs­be­mes­sung sind Art, Schwe­re und Dau­er des Ver­s­toßes so­wie die Fol­gen für den Ar­beit­neh­mer (BAG v. 18.03.201, 8 AZR 1044/08, aaO) und das Aus­maß des Ver­schul­dens zu berück­sich­ti­gen (BAG v. 22.01.2009, 8 AZR 906/07, NZA 2009, 945-954).

Die Kläge­rin hat in­so­weit nicht vor­ge­tra­gen, ins­be­son­de­re zu den Fol­gen des Ver­s­toßes für sie selbst. Geht man in­des da­von aus, dass der ge­setz­li­che Höchst­be­trag in be­son­ders schwe­ren Fällen, et­wa ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung aus meh­re­ren Gründen oder wie­der­hol­te Dis­kri­mi­nie­run­gen aus­zu­spre­chen wäre, muss sich die Entschädi­gung für die Kläge­rin deut­lich dar­un­ter ein­rei­hen. Hin­zu kommt, dass auf Sei­ten des Be­klag­ten das Aus­maß des Ver­schul­dens eher als ge­ring ein­zu­stu­fen ist. Der Be­klag­te hat sich bei sei­ner Aus­schrei­bungs­pra­xis an sei­ne seit Jahr­zehn­ten be­ste­hen­den und im Grun­de be­an­stan­dungs­frei prak­ti­zier­ten Re­geln ge­hal­ten und ist von ei­ner aus sei­ner Sicht ge­si­cher­ten Rechts­la­ge aus­ge­gan­gen. Die Kam­mer hält un­ter Berück­sich­ti­gung der ge­samt­umstände des Ein­zel­falls die Zah­lung ei­ner Entschädi­gung in Höhe ei­ner Mo­nats­vergütung für ge­bo­ten aber auch für an­ge­mes­sen.

III.

Die Kos­ten­ent­schei­dung ba­siert auf §§ 12a Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 91, 92 ZPO. Der Be­klag­te hat als Un­ter­lie­gen­der die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen. Zwar ist die Kläge­rin in der Fest­set­zung der Höhe der Entschädi­gung teil­wei­se un­ter­le­gen. Da sie je­doch die Be­mes­sung der Höhe in das rich­ter­li­che Er­mes­sen ge­stellt hat, ist es ge­recht­fer­tigt, Dem Be­klag­ten gem. § 92 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO gleich­wohl die ge­sam­ten Ver­fah­rens­kos­ten auf­zu­er­le­gen

Der Streit­wert wird gem. §§ 39, 40 GKG, 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 2 ff. ZPO fest­ge­setzt. Er ent­spricht der Höhe der min­des­tens gel­tend ge­mach­ten Kla­ge­for­de­rung.

 

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