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LAG Hamm, Ur­teil vom 17.02.2012, 18 Sa 867/11

   
Schlagworte: Kopftuch, Kirchenarbeitsrecht, Diskriminierung: Religion
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Aktenzeichen: 18 Sa 867/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 17.02.2012
   
Leitsätze: Ein Arbeitgeber, der eine Krankenanstalt in konfessioneller Trägerschaft der Evangelischen Kirche führt, kann einer Krankenschwester im Wege des Weisungsrechts untersagen, während der Arbeitszeit ein islamisches Kopftuch zu tragen.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Bochum, Urteil vom 31.03.2011, 3 Ca 2843/10
Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.09.2014, 5 AZR 611/12
   

Te­nor:

Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Bo­chum vom 31.03.2011 - 3 Ca 2843/10 - ab­geändert.

Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen.

Die Kos­ten des Rechts­streits trägt die Kläge­rin.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über Ge­halts­ansprüche der Kläge­rin un­ter dem Ge­sichts­punkt des An­nah­me­ver­zu­ges und ins­be­son­de­re über die Fra­ge, ob die Be­klag­ten be­rech­tigt ist, der Kläge­rin das Tra­gen ei­nes Kopf­tuchs während der Ar­beit zu un­ter­sa­gen.

Die Kläge­rin, die dem is­la­mi­schen Glau­ben an­gehört, ist seit dem 01.02.2000 bei der Be­klag­ten – ei­ner Kran­ken­an­stalt un­ter kon­fes­sio­nel­ler Träger­schaft der Evan­ge­li­schen Kir­che – als Kran­ken­schwes­ter tätig; sie er­hielt zu­letzt ein mo­nat­li­ches Ent­gelt in Höhe von 2.904,41 €. Im Ar­beits­ver­trag, den die Par­tei­en un­ter dem 22.12.2000 ab­schlos­sen, heißt es u. a.:

"§ 2

Ver­trags­in­halt sind

1. die Be­stim­mun­gen des Bun­des-An­ge­stell­ten­ta­rif­ver­tra­ges in der für die An­ge­stell­ten im Be­reich der Evan­ge­li­schen Kir­che von West­fa­len gel­ten­den Fas­sung (BAT-KF),

2. die sons­ti­gen für die Dienst­verhält­nis­se der An­ge­stell­ten im Be­reich der Evan­ge­li­schen Kir­che von West­fa­len be­schlos­se­nen ar­beits­recht­li­chen Be­stim­mun­gen,

wie sie auf­grund des Kir­chen­ge­set­zes über das Ver­fah­ren zur Re­ge­lung der Ar­beits­verhält­nis­se der Mit­ar­bei­ter im kirch­li­chen Dienst (Ar­beits­rechts­re­ge­lungs­ge­setz – ARR und sei­nen Ände­run­gen ge­re­gelt sind."...

Die Präam­bel des BAT-KF lau­tet:

"Der kirch­li­che Dienst ist durch den Auf­trag der Verkündi­gung des Evan­ge­li­ums in Wort und Tat be­stimmt. Nach ih­ren Ga­ben, Auf­ga­ben und Ver­ant­wor­tungs­be­rei­chen tra­gen die kirch­li­chen mit­ar­bei­ten­den, wie es in der "Richt­li­nie des Ra­tes der EKD nach Art. 9 b Grund­ord­nung über die An­for­de­run­gen der pri­vat­recht­li­chen be­ruf­li­chen Mit­ar­beit in der EKD Deutsch­land und des Dia­ko­ni­schen Wer­kes der EKD" in der Fas­sung vom 1. Ju­li 2005 be­stim ist, zur Erfüllung die­ses Auf­trags bei. Ihr ge­sam­tes Ver­hal­ten im Dienst und außer­halb des Diens­tes muss der Ver­ant­wor­tung ent­spre­chen, die sie als Mit­ar­bei­ten­de im Dienst der Kir­che über­nom­men ha­ben. Es wird von Ih­nen er­war­tet, dass sie die frei­heit­lich de­mo­kra­ti­sche Grund­ord­nung im Sin­ne des Grund­ge­set­zes re­spek­tie­ren."

In der "Richt­li­nie des Ra­tes der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land nach Art. 9 b Grund­ord­nung über die An­for­de­run­gen der pri­vat­recht­li­chen be­ruf­li­chen Mit­ar­beit in der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land und des Dia­ko­ni­schen Wer­kes der EKD" heißt es u. a.:

"§ 4

Be­ruf­li­che An­for­de­rung während des Ar­beits­verhält­nis­ses

(1) Je nach Auf­ga­ben­be­reich über­neh­men Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter Ver­ant­wor­tung für die glaubwürdi­ge Erfüllung kirch­li­cher und dia­ko­ni­scher Auf­ga­ben. Sie hab sich da­her loy­al ge­genüber der evan­ge­li­schen Kir­che zu ver­hal­ten.

(2) Von evan­ge­li­schen Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern wird er­war­tet, dass sie Schrift und Be­kennt­nis an­er­ken­nen. So­fern sie in der Verkündi­gung, Seel­sor­ge, Un­ter­wei­sung oder Lei­tung tätig sind, wird ei­ne in­ner- und außer­dienst­li­che Le­bensführung er­war­tet, die der über­nom­me­nen Ver­ant­wor­tung ent­spricht.

(3) Von christ­li­chen Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern wird er­war­tet, dass sie Schrift und Be­kennt­nis ach­ten und für die christ­li­che Prägung ih­rer Ein­rich­tung ein­tre­ten.

(4) Nicht­christ­li­chen Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter ha­ben den kirch­li­chen Auf­trag zu be­ach­ten und die ih­nen über­tra­ge­nen Auf­ga­ben im Sin­ne der Kir­che zu erfüllen."

Bei der Be­klag­ten be­steht ei­ne Dienst­ver­ein­ba­rung zur Per­so­nal­hy­gie­ne vom 24.08.2009. Die­se Dienst­ver­ein­ba­rung hat un­ter an­de­rem den fol­gen­den In­halt:

1. Be­rufs­klei­dung

(...)

  • In den Ab­tei­lun­gen und Be­rei­chen des Kran­ken­hau­ses, in de­nen Be­rufs- und Schutz­klei­dung zu tra­gen ist, ist das Tra­gen von sons­ti­ger Pri­vat­klei­dung (z.B. Jeans, Pull­over, Hals­tuch, Kopf­tuch) un­ter­sagt. Bei Dienst­we­gen außer­halb des Kran­ken­hau­ses (Per­so­nal­ab­tei­lung) kann ei­ne Strick­ja­cke, Pull­over über der Be­rufs­klei­dung ge­tra­gen wer­den, eben­so bei Zei­ten außer­halb der di­rek­ten Pa­ti­en­ten­be­treu­ung kann Strick­ja­cke, Pull­over über der Be­rufs­klei­dung ge­tra­gen wer­den.
  • Die Be­rufs­klei­dung ist re­gelmäßig der Auf­be­rei­tung der Kran­ken­hauswäsche­rei zu­zuführen. Die Be­rufs­klei­dung darf auf kei­nen Fall zu Hau­se ge­wa­schen wer­den.

(...)

12. All­ge­mei­ne Hin­wei­se

  • Vor Be­tre­ten der Ca­fe­te­ria ist der Dienst­kit­tel in der Gar­de­ro­be ab­zu­le­gen.
  • Das Tra­gen von Kopftüchern ist während der Ar­beits­zeit nicht ge­stat­tet.
  • Das Tra­gen von Ste­tho­sko­pen in der Ca­fe­te­ria ist un­ter­sagt.
  • Die Ein­hal­tung der hier an­geführ­ten Dienst­an­wei­sung liegt in der Ei­gen­ver­ant­wor­tung des ein­zel­nen Mit­ar­bei­ters. Darüber hin­aus ist der un­mit­tel­bar Vor­ge­setz­te dafür ver­ant­wort­lich, dass die Vor­schrif­ten von den Mit­ar­bei­tern be­folgt wer­den.

Die Kläge­rin be­fand sich in der Zeit vom 27.03.2006 bis zum 28.01.2009 in der El­tern­zeit. Da­nach war die Kläge­rin ar­beits­unfähig er­krankt.

Mit ge­werk­schaft­li­chem Schrei­ben vom 26.04.2010 mel­de­te sich die Kläge­rin bei der Be­klag­ten und teil­te mit, dass sie ih­re Ar­beit wie­der auf­neh­men und während der Ar­beit aus re­li­giösen Gründen ein Kopf­tuch tra­gen wol­le. Die Be­klag­te ant­wor­te­te mit Schrei­ben vom 25.05.2010 und ließ die Kläge­rin wis­sen, das Tra­gen ei­nes Kopf­tu­ches sei auf­grund der kon­fes­sio­nel­len Träger­schaft und auf­grund der Klei­der­ord­nung nicht möglich. Die Kläge­rin bot ih­re Ar­beits­leis­tung mit Schrei­ben vom 25.08.2010 er­neut mit der Maßga­be an, dass sie nicht be­reit sei, während der Ar­beits­zeit das Kopf­tuch ab­zu­le­gen.

Die Be­klag­te nahm die Ar­beits­leis­tung der Kläge­rin nicht an und vergütet die Kläge­rin seit dem 23.08.2010 nicht.

Mit der Kla­ge ver­langt die Kläge­rin Ar­beits­ent­gelt für den Zeit­raum vom 23.08.2010 bis zum 31.01.2011.

Die Kläge­rin hat die An­sicht ver­tre­ten, dass die Be­klag­te mit der An­nah­me ih­rer Ar­beits­leis­tung in Ver­zug sei. Die Kläge­rin hat be­haup­tet, sie ha­be nach der Be­en­di­gung ih­rer El­tern­zeit und Ge­ne­sung mehr­fach, u. a. am 23.08.2010, ih­re Ar­beits­leis­tung an­ge­bo­ten. Die Kläge­rin hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Be­klag­te sei nicht be­rech­tigt, die Ar­beits­leis­tung ab­zu­leh­nen. Durch das Tra­gen des Kopf­tu­ches sei die Kläge­rin nicht dar­an ge­hin­dert, ih­re Ar­beits­leis­tung als Kran­ken­schwes­ter zu er­brin­gen. Die Be­klag­te könne der Kläge­rin nicht kraft ih­res Wei­sungs­rech­tes das Tra­gen ei­nes Kopf­tu­ches ver­bie­ten. Das Wei­sungs­recht des Ar­beit­ge­bers sei durch das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht und das Recht der Kläge­rin auf Re­li­gi­ons­frei­heit be­grenzt. Im Übri­gen be­ein­träch­ti­ge das Kopf­tuch den Be­triebs­ab­lauf nicht. Die Kläge­rin hat be­haup­tet, sie ha­be be­reits vor ih­rer El­tern­zeit in der Zeit vom 19.09.2005 bis En­de De­zem­ber 2005 während der Ar­beit ein Kopf­tuch ge­tra­gen. Außer­dem ha­be die Be­klag­te bei Ein­stel­lung der Kläge­rin von de­ren is­la­mi­schen Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit ge­wusst.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin ei­nen Be­trag in Höhe von 6.600,93 € brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz aus dem ent­spre­chen­den Brut­to­be­trag aus 792,11 € seit dem 02.09.2010, aus dem ent­spre­chen­den Brut­to­be­trag aus 2.904,41 € seit dem 02.10.2010 und aus dem ent­spre­chen­den Brut­to­be­trag aus 2.904,41 € seit dem 02.11.2010 zu zah­len.

2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin ei­nen Be­trag in Höhe von 2.904,41 € brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 02.12.2010 zu zah­len.

3. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin ei­nen Be­trag in Höhe von 5.808,82 € brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz aus 2.904,41 € brut­to seit dem 02.01.2011 so­wie aus 2.904,41 € brut­to seit dem 02.02.2011 zu zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass sie auf­grund ih­rer kon­fes­sio­nel­len Aus­rich­tung das Tra­gen ei­nes Kopf­tu­ches aus re­li­giösen Gründen un­ter­sa­gen könne. Außer­dem sei das Tra­gen von Pri­vat­klei­dung nach der be­ste­hen­den Klei­der­ord­nung un­ter­sagt.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben und zur Be­gründung im We­sent­li­chen aus­geführt, der Kläge­rin ste­he ein Zah­lungs­an­spruch aus dem Ge­sichts­punkt des An­nah­me­ver­zu­ges zu. Die Kläge­rin ha­be ih­re Ar­beits­leis­tung ord­nungs­gemäß an­ge­bo­ten. Dem ste­he nicht ent­ge­gen, dass sie nicht be­reit ge­we­sen sei, bei der Ar­beit ihr Kopf­tuch ab­zu­neh­men. Auch un­ter dem Ge­sichts­punkt, dass die Be­klag­te ein Kran­ken­haus un­ter kon­fes­sio­nel­ler Träger­schaft der evan­ge­li­schen Kir­che be­trei­be, sei die Be­klag­te nicht be­fugt ge­we­sen, die von der Kläge­rin an­ge­bo­te­ne Ar­beits­leis­tung ab­zu­leh­nen. Das Grund­recht der Kläge­rin auf Re­li­gi­ons­frei­heit wie­ge schwe­rer als das ver­fas­sungs­recht­lich ga­ran­tier­te Recht der Kir­chen auf Selbst­be­stim­mung. Et­was an­de­res fol­ge nicht aus der Dienst­ver­ein­ba­rung vom 24.08.2009. Auf­grund der Dienst­ver­ein­ba­rung können nur das Tra­gen sol­cher Kopftücher un­ter­sagt wer­den, die nicht den Hy­gie­ne­vor­schrif­ten entsprächen. Die Be­klag­te sei je­doch ver­pflich­tet, der Kläge­rin zu er­lau­ben, während der Er­brin­gung ih­rer Ar­beits­leis­tung ein Kopf­tuch zu tra­gen, das den Hy­gie­ne­vor­schrif­ten ent­spre­che. Im Übri­gen wird auf das erst­in­stanz­li­che Ur­teil Be­zug ge­nom­men.

Ge­gen das Ur­teil ers­ter In­stanz, das der Be­klag­ten am 02.05.2011 zu­ge­stellt wor­den ist, hat sie mit ei­nem Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt, der am 27.05.2011 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen ist. Die Be­klag­te hat die Be­ru­fung mit ei­nem am 03.08.2011 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründet, nach­dem die Be­ru­fungs­be­gründungs­frist durch ge­richt­li­chen Be­schluss bis zum 04.08.2011 verlängert wor­den war.

Die Be­klag­te meint, die Kläge­rin ha­be ih­re Ar­beits­leis­tung nicht ord­nungs­gemäß an­ge­bo­ten, da sie ih­re Ar­beits­leis­tung nur dann ha­be er­brin­gen wol­len, wenn es ihr ge­stat­tet sei, während der Ar­beit aus re­li­giösen Gründen ein Kopf­tuch zu tra­gen. Die Be­klag­te sei be­rech­tigt ge­we­sen, es der Kläge­rin zu un­ter­sa­gen, während der Ar­beits­zeit aus re­li­giösen Gründen ein Kopf­tuch zu tra­gen. Nach der Präam­bel zum BAT-KF, der ar­beits­ver­trag­lich in Be­zug ge­nom­men sei, und der "Richt­li­nie des Ra­tes der evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land nach Art. 9 b Grund­ord­nung über die An­for­de­run­gen der pri­vat­recht­li­chen be­ruf­li­chen Mit­ar­beit in der evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land und des dia­ko­ni­schen Wer­kes der EKD" sei die Kläge­rin ver­pflich­tet, sich ge­genüber der Be­klag­ten loy­al zu ver­hal­ten. Da­zu gehöre ein neu­tra­les Ver­hal­ten der Kläge­rin. Von ihr wer­de nicht er­war­tet, dass sie sich ak­tiv für die evan­ge­li­sche Kir­che ein­set­ze; sie ha­be al­ler­dings al­les zu un­ter­las­sen, was als ge­gen die evan­ge­li­sche Kir­che ge­rich­te­te Mei­nungs­kund­ge­bung an­ge­se­hen wer­den könn­te. Da­bei sei der Sym­bol­wert zu berück­sich­ti­gen, der dem Tra­gen ei­nes is­la­mi­schen Kopf­tu­ches zu­ge­spro­chen wer­de, so­wie der Um­stand, dass die Kläge­rin auf­grund ih­res Be­ru­fes ständig Kon­takt mit an­de­ren Mit­ar­bei­tern und Pa­ti­en­ten ha­be. Die Be­klag­te be­haup­tet, die Kläge­rin sei nach ih­rer ers­ten El­tern­zeit ab Sep­tem­ber 2005 nur et­wa 6 Wo­chen im Dienst ge­we­sen. Sie ha­be nach ih­rer El­tern­zeit am 19.09.2005 ih­re Tätig­keit wie­der auf­ge­nom­men und sei ab dem 10.11.2005 bis zum 12.12.2005 ar­beits­unfähig ge­we­sen; ab dem 13.12.2005 ha­be sie sich im Mut­ter­schutz be­fun­den, an den sich die El­tern­zeit bis zum 28.01.2009 an­ge­schlos­sen ha­be.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

un­ter Auf­he­bung des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Bo­chum vom 31.03.2011, Az.: 3 Ca 41 2843/10, die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Die Kläge­rin hält den Vor­trag der Be­klag­ten zum Ar­beits­ver­trag vom 22.12.2000 und zur Präam­bel des BAT-KF im Be­ru­fungs­rechts­zug für ver­spätet. Die Kläge­rin be­haup­tet, sie ha­be nach dem En­de ih­rer El­tern­zeit ab dem 19.09.2005 be­reits ein Kopf­tuch während ih­res Diens­tes bei der Be­klag­ten ge­tra­gen; die Mit­ar­bei­te­rin M1 L1 aus der Pfle­ge­dienst­lei­tung der Be­klag­ten ha­be le­dig­lich auf ei­ner tägli­chen Rei­ni­gung des Tu­ches durch die Kläge­rin be­stan­den. Die Kläge­rin sei be­reit, ein nur sehr klei­nes Kopf­tuch zu tra­gen, das zusätz­lich noch aus hy­gie­ni­schen Gründen dem Kran­ken­haus dien­lich sei. Die Kläge­rin ver­tritt die Auf­fas­sung, die be­ste­hen­den For­mu­lie­run­gen in der Präam­bel des BAT-KF und der Richt­li­nie des Ra­tes der EKD sei­en zu all­ge­mein, um das Ver­bot des Kopf­tuch­t­ra­gens mit zu um­fas­sen. Die Loya­litäts­pflich­ten für Mit­ar­bei­te­rin­nen in ei­nem evan­ge­li­schen Kran­ken­haus dürf­ten nicht willkürlich be­stimmt wer­den. Durch das Tra­gen des Kopf­tu­ches wer­de die kirch­li­che Ein­rich­tung we­der in be­son­ders ho­hem Maße gefähr­det noch wer­de die Dienst­ge­mein­schaft be­son­ders be­las­tet. Die Kläge­rin sei be­reits als Mus­li­min in der kirch­li­chen Ein­rich­tung un­ter der Prämis­se ein­ge­stellt wor­den, dass sie sich zur evan­ge­li­schen Grund­aus­rich­tung des Kran­ken­hau­ses be­ken­ne. Das späte­re Tra­gen ei­nes Kopf­tu­ches ände­re an ih­rer dienst­kon­for­men Grund­ein­stel­lung nichts. Die Kläge­rin er­blickt im Ver­bot des re­li­giös mo­ti­vier­ten Tra­gens von Kopftüchern ei­ne Un­gleich­be­hand­lung ge­genüber den Mit­ar­bei­te­rin­nen in Al­ten­hei­men.

We­gen des wei­te­ren Vor­brin­gens der Par­tei­en wird auf die bei­der­sei­ti­gen Schriftsätze nebst An­la­gen ergänzend Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

I. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ist zulässig.

Sie ist ins­be­son­de­re form- und frist­ge­recht gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG ein­ge­legt und be­gründet wor­den.

II. Die Be­ru­fung hat auch in der Sa­che Er­folg.

Der Kläge­rin steht kein An­spruch auf die be­gehr­te Ent­gelt­zah­lung un­ter dem Ge­sichts­punkt des An­nah­me­ver­zu­ges gem. § 615 Satz 1 BGB zu. An­de­re An­spruchs­grund­la­gen sind nicht er­sicht­lich.

Nach § 615 Satz 1 BGB ist der Ar­beit­ge­ber ver­pflich­tet, die ver­ein­bar­te Vergütung zu zah­len, wenn er mit der An­nah­me der Diens­te in Ver­zug kommt. Vor­aus­set­zung dafür ist, dass er die ihm an­ge­bo­te­ne Leis­tung nicht an­nimmt (§ 293 BGB). In An­nah­me­ver­zug gerät der Gläubi­ger al­ler­dings nur dann, wenn die Leis­tung am rich­ti­gen Ort, zur rich­ti­gen Zeit und in der rich­ti­gen Wei­se an­ge­bo­ten wird. Gemäß § 294 BGB muss die Leis­tung dem Gläubi­ger so, wie sie zu be­wir­ken ist, tatsächlich an­ge­bo­ten wer­den; gem. § 295 Satz 1 BGB ist ein wört­li­ches An­ge­bot un­ter den dort ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen aus­rei­chend.

Die Kläge­rin hat ih­re Ar­beits­leis­tung nicht ord­nungs­gemäß in der rich­ti­gen Wei­se an­ge­bo­ten. Sie hat nach ih­rem (von der Be­klag­ten in­so­weit be­strit­te­nen) Vor­brin­gen die Leis­tung persönlich und (in­so­weit zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig) auch schrift­lich an­ge­bo­ten, al­ler­dings stets mit der Maßga­be, dass sie bei der Er­brin­gung ih­rer Ar­beits­leis­tung aus re­li­giösen Gründen ein Kopf­tuch tra­gen wol­le. Dies hat die Be­klag­te ihr zu Recht un­ter­sagt.

Die ge­schul­de­te Ar­beits­leis­tung be­stimmt sich nach der zulässi­gen Ausübung des Wei­sungs­rechts durch den Ar­beit­ge­ber (Preis, in: Er­fur­ter Kom­men­tar zum Ar­beits­recht, 11. Auf­la­ge 2011, § 615 BGB Rn. 18). Auf­grund sei­nes Wei­sungs­rechts kann der Ar­beit­ge­ber ei­ne im Ar­beits­ver­trag nur abs­trakt um­schrie­be­ne Leis­tungs­pflicht des Ar­beit­neh­mers nach Zeit, Ort und Art der Leis­tung ein­sei­tig näher be­stim­men so­weit die­se Leis­tungs­pflicht nicht durch Ge­setz oder Ver­trag fest­ge­legt ist; der Re­ge­lung des § 106 Satz 1 Ge­wO kommt in­so­weit klar­stel­len­de Be­deu­tung zu (BAG, Ur­teil vom 24.02.2011 – 2 AZR 636/09). Die Be­klag­te hat mit Schrei­ben vom 25.05.2010 klar­ge­stellt, dass der Kläge­rin das Tra­gen ei­nes re­li­giös mo­ti­vier­ten Kopf­tu­ches während der Ar­beits­zeit nicht ge­stat­tet ist. Die­se An­ord­nung ist vom Wei­sungs­recht, das ihr als Ar­beit­ge­be­rin zu­steht, ge­deckt. Ob das Ver­bot, während der Ar­beit ein re­li­giös mo­ti­vier­tes Kopf­tuch zu tra­gen, be­reits aus der Dienst­ver­ein­ba­rung vom 24.08.2009 folgt, kann of­fen blei­ben. Das Be­ru­fungs­ge­richt geht zu Guns­ten der Kläge­rin da­von aus, dass die Be­klag­te aus der Dienst­ver­ein­ba­rung kei­ne wei­ter­ge­hen­den Rech­te ab­lei­ten kann als durch die Ausübung des ar­beit­ge­ber­sei­ti­gen Wei­sungs­rechts.

1. Die An­ord­nung, während der Ar­beit kein Kopf­tuch zu tra­gen, ist vom Wei­sungs­recht des Ar­beit­ge­bers ge­deckt.

Nach § 106 Satz 1 Ge­wO kann der Ar­beit­ge­ber den In­halt der Ar­beits­leis­tung näher be­stim­men. Auch die Fra­ge, in wel­cher Klei­dung der Ar­beit­neh­mer sei­ne Ar­beits­leis­tung ver­rich­tet, gehört zum In­halt der Ar­beits­leis­tung und ist Wei­sun­gen des Ar­beit­ge­bers zugäng­lich (BAG, Ur­teil vom 10.10.2002 – 2 AZR 472/01 bezgl. des Ver­bots ein Kopf­tuch zu tra­gen; LAG Hamm, Be­schluss vom 22.10.1991 – 13 TaBV 36/91; Bro­se/Grei­ner/Preis, NZA 2011, 369, 371; Preis, in: Er­fur­ter Kom­men­tar zum Ar­beits­recht, § 106 Ge­wO Rn. 15).

2. Mit der Wei­sung an die Kläge­rin, während der Ar­beit kein Kopf­tuch zu tra­gen, hat die Be­klag­te die Gren­zen bil­li­gen Er­mes­sens gem. § 106 Satz 1 Ge­wO ge­wahrt.

Ei­ne Wei­sung ent­spricht bil­li­gem Er­mes­sen, wenn der Ar­beit­ge­ber bei sei­ner Ent­schei­dung die we­sent­li­chen Umstände des Ein­zel­fal­les ab­ge­wo­gen und die bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen an­ge­mes­sen berück­sich­tigt hat; da­bei ist der Zeit­punkt maßgeb­lich, in dem der Ar­beit­ge­ber sei­ne Ent­schei­dung trifft (BAG, Ur­teil vom 24.02.2011 – 2 AZR 636/09). Bei der Ausübung sei­nes Wei­sungs­rechts muss der Ar­beit­ge­ber die Glau­bens­frei­heit des Ar­beit­neh­mers be­ach­ten, die durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG grund­recht­lich geschützt ist; der Ar­beit­ge­ber muss auf ei­nen be­acht­li­chen Glau­bens- oder Ge­wis­sens­kon­flikt, den der Ar­beit­neh­mer of­fen­bart, Rück­sicht neh­men (BAG, Ur­teil vom 24.02.2011 – 2 AZR 636/09; BAG, Ur­teil vom 10.10.2002 – 2 AZR 472/01; LAG Hamm, Ur­teil vom 20.04.2011 – 4 Sa 2230/10). Auf der an­de­ren Sei­te sind die ver­fas­sungs­recht­lich geschütz­ten Be­lan­ge des Ar­beit­ge­bers zu berück­sich­ti­gen, im Streit­fall ins­be­son­de­re das kirch­li­che Selbst­be­stim­mungs­recht gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV. Die er­for­der­li­che In­ter­es­sen­abwägung führt zu dem Er­geb­nis, dass das In­ter­es­se der Be­klag­ten, der Kläge­rin während der Ar­beit das Tra­gen ei­nes re­li­giös mo­ti­vier­ten Kopf­tu­ches zu un­ter­sa­gen, vor­ran­gig ist ge­genüber dem In­ter­es­se der Kläge­rin, aus re­li­giösen Gründen während der Ar­beit ein Kopf­tuch zu tra­gen.

a. Das In­ter­es­se der Kläge­rin, während der Ar­beit aus re­li­giösen Gründen ein Kopf­tuch zu tra­gen, ist durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützt.

Die grund­recht­lich geschütz­te Glau­bens­frei­heit um­fasst nicht nur die in­ne­re Frei­heit, zu glau­ben oder nicht zu glau­ben, son­dern auch das Recht des Ein­zel­nen, sein ge­sam­tes Ver­hal­ten an den Leh­ren sei­nes Glau­bens aus­zu­rich­ten und sei­ner in­ne­ren Glau­bensüber­zeu­gung gemäß zu han­deln (BVerfG, Be­schluss vom 19.10.1971 – 1 BvR 387/65). Auch das Tra­gen ei­nes Kopf­tuchs aus re­li­giöser Über­zeu­gung fällt in den Schutz­be­reich der Glau­bens- und Be­kennt­nis­frei­heit (Art. 4 Abs. 1 GG), die durch die Gewähr­leis­tung der un­gestörten Re­li­gi­ons­ausübung (Art. 4 Abs. 2 GG) noch verstärkt wird (BVerfG, Be­schluss vom 16.05.1995 – 1 BvR 1087/91; BAG, Ur­teil vom 10.10.2002 – 2 AZR 472/01). We­gen der Be­deu­tung, die Mus­li­me dem Kopf­tuch bei­le­gen, gilt es als Sinn­bild ei­ner be­stimm­ten Glau­bensüber­zeu­gung, als Aus­druck des Be­kennt­nis­ses der Träge­rin zum is­la­mi­schen Glau­ben und da­mit als sicht­ba­res Zei­chen für die Ausübung ih­rer Re­li­gi­on (BAG, Ur­teil vom 10.10.2002 – 2 AZR 472/01; BVerwG, Ur­teil vom 04.07.2002 – 2 C 21.01; Die­te­rich, in: Er­fur­ter Kom­men­tar zum Ar­beits­recht, Art. 4 GG Rn. 12). Da­bei kommt es nicht dar­auf an, ob das Tra­gen ei­nes Kopf­tuchs Aus­druck ei­nes zwin­gen­den re­li­giösen Ge­bots des Ko­rans ist, was in­ner­halb des Krei­ses is­la­mi­scher Glau­bens­ge­lehr­ter um­strit­ten sein mag. Maßgeb­lich ist al­lein, dass das Ver­hal­ten über­haupt von ei­ner wirk­li­chen re­li­giösen Über­zeu­gung ge­tra­gen und nicht an­ders mo­ti­viert ist. Un­ter den Schutz­be­reich des Art. 4 GG fal­len auch Ver­hal­tens­wei­sen, die nicht all­ge­mein von den Gläubi­gen ge­teilt wer­den (BVerfG, Be­schluss vom 19.10.1971 – 1 BvR 387/85; BAG, Ur­teil vom 24.02.201 – 2 AZR 636/09). An­de­ren­falls würde den Ge­rich­ten ei­ne Be­wer­tung von Glau­bens­hal­tun­gen oder die Prüfung von theo­lo­gi­schen Leh­ren auf­gebürdet, die sie nicht leis­ten können und nicht leis­ten dürfen (BAG, Ur­teil vom 24.02.2011 – 2 AZR 636/09; Ur­teil vom 10.10.2002 – 2 AZR 472/01; LAG Hamm, Ur­teil vom 20.04.2011 – 4 Sa 2230/10).

Dass die Kläge­rin bei Ab­schluss des Ar­beits­ver­tra­ges den hier streit­ge­genständ­li­chen Kon­flikt hätte vor­her­se­hen können, nimmt ihr nicht die Möglich­keit, sich auf Art. 4 GG zu be­ru­fen. Zwar kann es dem Ar­beit­neh­mer ver­wehrt sein, ei­nen Glau­bens­kon­flikt gel­tend zu ma­chen, wenn er bei Ver­trags­schluss be­reits po­si­tiv wuss­te, dass er die ver­trag­lich ein­ge­gan­ge­nen Ver­pflich­tun­gen um sei­ner Glau­bensüber­zeu­gun­gen Wil­len nicht würde erfüllen können. Der Um­stand, dass die Möglich­keit ei­nes Glau­bens­kon­flik­tes für den Ar­beit­neh­mer vor­her­seh­bar war, nimmt je­doch des­sen späte­rer Erklärung, er be­ru­fe sich nun­mehr auf sei­ne (geänder­te) Glau­bensüber­zeu­gung, nichts von ih­rer recht­li­chen Be­acht­lich­keit; der ak­tu­el­le Glau­bens­kon­flikt des Ar­beit­neh­mers ist des­halb nicht we­ni­ger be­deut­sam im Sin­ne des Art. 4 Abs. 1 GG (BAG, Ur­teil vom 24.02.2011 – 2 AZR 636/09). Im Streit­fall ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die Kläge­rin da­vor die Pflicht zum Tra­gen ei­nes Kopf­tu­ches noch nicht bei Ab­schluss des Ar­beits­ver­tra­ges, son­dern erst ab Sep­tem­ber 2005 für sich als ver­bind­lich an­ge­se­hen hat. Zwi­schen den Par­tei­en ist un­strei­tig, dass die Kläge­rin nicht von Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses an dar­auf be­stand, während der Ar­beit aus re­li­giösen Gründen ein Kopf­tuch zu tra­gen, son­dern das erst seit Sep­tem­ber 2005 bei der Ausübung ih­rer Tätig­keit ein Kopf­tuch tra­gen woll­te.

Al­ler­dings kann die nicht ernst­haf­te, mögli­cher­wei­se nur vor­ge­scho­be­ne Be­ru­fung auf be­stimm­te Glau­bens­in­hal­te und –ge­bo­te kei­ne Be­ach­tung fin­den. Es muss er­kenn­bar sein, dass der Ar­beit­neh­mer, der sich auf ei­nen Glau­bens­kon­flikt be­ruft, den von ihm ins Feld geführ­ten Ge- oder Ver­bo­ten sei­nes Glau­bens ab­so­lu­te Ver­bind­lich­keit bei­misst, dass es sich al­so um ei­ne für ihn zwin­gen­de Ver­hal­tens­re­gel han­delt, von der der Be­trof­fe­ne nicht oh­ne in­ne­re Not ab­se­hen kann (BAG, Ur­teil vom 24.02.2011 – 2 AZR 636/09; LAG Hamm, Ur­teil vom 20.04.2011 – 4 Sa 2230/10; LAG Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 20.01.2009 – 5 Sa 270/08). Dass die Kläge­rin sich in ei­nem ernst­haf­ten Glau­bens­kon­flikt be­fin­det und das Ge­bot zum Tra­gen ei­nes Kopf­tu­ches für sich als ver­bind­lich an­sieht, wird dar­aus deut­lich, dass sie be­reit ist, die Unwägbar­kei­ten des vor­lie­gen­den Rechts­streits und da­mit ein er­heb­li­ches wirt­schaft­li­ches Ri­si­ko auf sich zu neh­men. Die Kläge­rin hat das An­ge­bot der Be­klag­ten, die Ar­beit oh­ne das Tra­gen ei­nes Kopf­tu­ches fort­zu­set­zen, nicht an­ge­nom­men, son­dern statt­des­sen den Ver­lust ih­res Ar­beits­ein­kom­mens in Kauf ge­nom­men.

b. Dem­ge­genüber ist zu­guns­ten der Be­klag­ten das nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV geschütz­te kirch­li­che Selbst­be­stim­mungs­recht zu berück­sich­ti­gen.

aa) Die Be­klag­te be­treibt ein kon­fes­sio­nel­les Kran­ken­haus und kann sich auf den Schutz des kirch­li­chen Selbst­be­stim­mungs­rechts be­ru­fen.

Das Selbst­be­stim­mungs­recht er­streckt sich nicht nur auf die ei­gent­li­che Kir­che und ih­re Un­ter­glie­de­run­gen, son­dern auch auf selbständi­ge Ein­rich­tun­gen, die der Kir­che in be­stimm­ter Wei­se zu­ge­ord­net sind (BAG, Ur­teil vom 08.09.2011 – 2 AZR 543/10), und zwar oh­ne Rück­sicht auf ih­re Rechts­form, so­fern die­se Ein­rich­tun­gen nach kirch­li­chem Selbst­verständ­nis ih­rem Zweck oder ih­rer Auf­ga­be ent­spre­chend be­ru­fen sind, ein Stück des Auf­trags der Kir­che wahr­zu­neh­men und zu erfüllen (Die­te­rich, in: Er­fur­ter Kom­men­tar zum Ar­beits­recht, 11. Auf­la­ge 2011, Art. 4 GG Rn. 34; Ri­char­di, Ar­beits­recht in der Kir­che, 5. Auf­la­ge 2009, § 6 Rn. 42 m. w. N.). Kon­fes­sio­nel­le Kran­kenhäuser sind als Ein­rich­tun­gen in die­sem Sin­ne an­er­kannt (BVerfG, Be­schluss vom 04.06.1985 – 2 BvR 1703/83; Be­schluss vom 11.10.1977 – 2 BvR 209/76).

bb) Die An­ge­le­gen­hei­ten der Re­li­gi­ons­ge­sell­schaf­ten, die durch das kirch­li­che Selbst­be­stim­mungs­recht geschützt sind, um­fas­sen auch die Be­fug­nis, sich der je­der­mann of­fen­ste­hen­den Pri­vat­au­to­no­mie zu be­die­nen, um ein Dienst­verhält­nis zu be­gründen und zu re­geln.

Die im kirch­li­chen Selbst­be­stim­mungs­recht ent­hal­te­ne Ord­nungs­be­fug­nis gilt nicht nur für die kirch­li­che Ämter­or­ga­ni­sa­ti­on, son­dern all­ge­mein für die Ord­nung des kirch­li­chen Diens­tes. Dar­un­ter fällt auch die recht­li­che Vor­sor­ge für die Wahr­neh­mung kirch­li­cher Diens­te durch den Ab­schluss ent­spre­chen­der Ar­beits­verträge (BVerfG, Be­schluss vom 04.06.1985 – 2 BvR 1703/83). Die Ver­fas­sungs­ga­ran­tie des Selbst­be­stim­mungs­rechts erschöpft sich nicht in der je­der­mann of­fen­ste­hen­den Möglich­keit, Ar­beits­verträge ab­zu­sch­ließen, son­dern sie um­fasst auch die Be­fug­nis, ih­nen ei­ne re­li­giös ge­prägten In­halt zu ge­ben (Ri­char­di, Ar­beits­recht in der Kir­che, § 2 Rn. 15). Da­zu gehört die Fest­le­gung kir­chen­spe­zi­fi­scher Leis­tungs­treue­pflich­ten und Loya­litätsob­lie­gen­hei­ten (BAG, Ur­teil vom 08.09.2011 – 2 AZR 543/10; Ri­char­di, Ar­beits­recht in der Kir­che, § 6 Rn. 17 ff; Thüsing, Kirch­li­ches Ar­beits­recht, 2006, 15 ff., 101 ff.). Die Ver­fas­sungs­ga­ran­tie des Selbst­be­stim­mungs­rechts ermöglicht den Kir­chen, ver­trags­recht­lich ih­ren Ar­beit­neh­mern die Be­ach­tung der we­sent­li­chen Grundsätze der kirch­li­chen Glau­bens- und Sit­ten­leh­re auf­zu­er­le­gen und der Ge­stal­tung ih­res Diens­tes das be­son­de­re Leit­bild ei­ner kirch­li­chen Dienst­ge­mein­schaft al­ler ih­rer Mit­ar­bei­ter zu­grun­de­zu­le­gen (BVerfG, Be­schluss vom 04.06.1985 – 2 BvR 1703/83; Ri­char­di, Ar­beits­recht in der Kir­che, § 6 Rn.18). Für Ar­beit­neh­mer im kirch­li­chen Dienst er­gibt sich dar­aus die Pflicht, die nach dem Ar­beits­ver­trag über­nom­me­ne Ar­beit so zu leis­ten, dass die Kir­che ih­ren be­kennt­nismäßig ge­prägten Auf­trag zu erfüllen ver­mag (Ri­char­di, Ar­beits­recht in der Kir­che, § 6 Rn.20).

Der Kläge­rin ist die Pflicht auf­er­legt, sich während der Ar­beits­zeit den kirch­li­chen Auf­trag nicht in Fra­ge zu stel­len und sich ge­genüber dem christ­li­chen Be­kennt­nis neu­tral zu ver­hal­ten. Das er­gibt sich aus § 2 des Ar­beits­ver­tra­ges vom 22.12.2000 i.V. m. der Präam­bel zum BAT-KF i. V. m. § 4 Abs. 4 der Richt­li­nie des Ra­tes der evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land nach Art. 9 b Grund­ord­nung über die An­for­de­run­gen der pri­vat­recht­li­chen be­ruf­li­chen Mit­ar­bei­ter in der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land und des Dia­ko­ni­schen Wer­kes der EKD (auch Thüsing, Kirch­li­ches Ar­beits­recht, S. 107 geht da­von aus, dass nicht­christ­li­che Mit­ar­bei­ter sich neu­tral ver­hal­ten müssen).. So­weit die Kläge­rin in der Be­ru­fungs­be­ant­wor­tung rügt, der Hin­weis der Be­klag­ten auf die­se Be­stim­mun­gen der Be­ru­fungs­in­stanz sei ver­spätet, so muss sie sich ent­ge­gen­hal­ten las­sen, dass es sich in­so­weit um ei­ne rei­ne Rechts­fra­ge han­delt und dass selbst dann, wenn man von ei­nem Tat­sa­chen­vor­trag aus­gin­ge, die Berück­sich­ti­gung des Vor­brin­gens nicht die Er­le­di­gung des Rechts­streits i. S. d. § 67 Abs. 3 ArbGG verzögert. Im Übri­gen er­gibt sich die Pflicht, auf die be­rech­tig­ten Be­lan­ge des Ar­beit­ge­bers Rück­sicht zu neh­men, be­reits als all­ge­mei­ne ver­trag­li­che Ne­ben­pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB. Die­se all­ge­mei­ne Leis­tungs­treue­pflicht ist kei­ne Be­son­der­heit kirch­li­cher Ar­beits­verhält­nis­se, son­dern je­dem Schuld­verhält­nis im­ma­nent (Ri­char­di, Ar­beits­recht in der Kir­che, § 6 Rn.19; Thüsing, Kirch­li­ches Ar­beits­recht, S. 106).

Die Pflicht der Kläge­rin, sich ge­genüber dem christ­li­chen Be­kennt­nis neu­tral zu ver­hal­ten, hat die Be­klag­te durch die Wei­sung, während der Ar­beit kein Kopf­tuch zu tra­gen, le­dig­lich kon­kre­ti­siert. Die Kläge­rin würde die vom kirch­li­chen Selbst­be­stim­mungs­recht geschütz­ten Be­lan­ge der Be­klag­ten be­ein­träch­ti­gen, wenn sie während ih­rer Ar­beit aus re­li­giös mo­ti­vier­ten Gründen ein Kopf­tuch trägt.

Trägt die Kläge­rin aus re­li­giösen Gründen während der Ar­beit ein Kopf­tuch, so verhält sie sich nicht neu­tral ge­genüber dem christ­li­chen Be­kennt­nis. Das Tra­gen des Kopf­tu­ches stellt ei­ne Glau­bensäußerung dar, mit der die Kläge­rin sicht­bar für ein an­de­res re­li­giöses Be­kennt­nis, nämlich für den Is­lam, ein­tritt. Da­mit wird die Erfüllung des kirch­li­chen Auf­tra­ges für die Be­klag­te er­schwert, denn die Kläge­rin steht als Kran­ken­schwes­ter während ih­rer Ar­beit in Kon­takt mit Pa­ti­en­ten, Be­su­chern und an­de­ren Mit­ar­bei­tern, die die Glau­bensäußerung der Kläge­rin wahr­neh­men wer­den. Da­durch könn­te die Glaubwürdig­keit der Kir­che, die auch dar­an ge­mes­sen wird, in wel­cher Wei­se kirch­li­che Mit­ar­bei­ter ih­re Auf­ga­ben erfüllen (BVerfG, Be­schluss vom 04.06.1985 – 2 BvR 1703/83; Ri­char­di, Ar­beits­recht in der Kir­che, § 6 Rn.41), Scha­den neh­men. Es könn­te der Ein­druck ent­ste­hen, die Kir­che neh­me ih­re Glau­bens­grundsätze und ih­ren Verkündungs­auf­trag nicht mehr ernst, son­dern er­ach­te Glau­bensäußerun­gen in be­lie­bi­ger Wei­se für ak­zep­ta­bel und aus­tausch­bar.

Dem lässt sich nicht ent­ge­gen­hal­ten, ein Glaubwürdig­keits­ver­lust wer­de für die Kir­che nicht ein­tre­ten, wenn nicht­christ­li­che Mit­ar­bei­ter ihr ab­wei­chen­des Be­kennt­nis während der Ar­beit zur Schau tra­gen. Eben­so we­nig, wie staat­li­che Ge­rich­te darüber zu be­fin­den ha­ben, ob der Glau­bens­kon­flikt ei­nes Ar­beit­neh­mers von ei­ner mehr­heit­lich an­er­kann­ten re­li­giös fun­dier­ten Über­zeu­gung ge­tra­gen ist, können staat­li­che Ge­rich­te in Kir­chen vor­ge­ben, wel­che Ver­hal­tens­pflich­ten oder –ob­lie­gen­hei­ten der Mit­ar­bei­ter für die kirch­li­che Glaubwürdig­keit be­deut­sam sind. Auch dies lie­fe auf ei­ne Be­wer­tung von Glau­bens­hal­tun­gen oder die Prüfung von theo­lo­gi­schen Leh­ren hin­aus, die mit der grund­recht­lich geschütz­ten Re­li­gi­ons­frei­heit und dem Selbst­be­stim­mungs­recht der Kir­chen nicht ver­ein­bar wäre. Wel­che kirch­li­chen Grund­ver­pflich­tun­gen als Ge­gen­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses be­lang sind, rich­tet sich viel­mehr nach den von der Kir­che an­er­kann­ten Maßstäben; dies gilt je­den­falls, so­lan­ge die kirch­li­chen Vor­ga­ben nicht in Wi­der­spruch zu Grund­prin­zi­pi­en der Rechts­ord­nung tre­ten, wie sie im all­ge­mei­nen Willkürver­bot, in dem Be­griff der gu­ten Sit­ten oder des ord­re pu­blic ih­ren Nie­der­schlag ge­fun­den ha­ben(BVerfG, Be­schluss vom 04.06.1985 – 2 BvR 1703/83). Ge­gen die­se Grundsätze verstößt es nicht, wenn von kirch­li­chen Mit­ar­bei­tern nicht­christ­li­chen Glau­bens er­war­tet wird, dass sie sich neu­tral ver­hal­ten und den kirch­li­chen Auf­trag zu be­ach­ten ha­ben. Die Richt­li­nie des Ra­tes der evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land vom 01.07.2005 nimmt in­so­weit ei­ne sach­ge­rech­te Ab­stu­fung der An­for­de­run­gen an die Ar­beit­neh­mer vor: Während von christ­li­chen Mit­ar­bei­tern er­war­tet wird, dass sie "Schrift und Be­kennt­nis ach­ten und für die christ­li­che Prägung ih­rer Ein­rich­tung ein­tre­ten" (§ 4 Abs. 3 der Richt­li­nie) ha­ben nicht­christ­li­che Mit­ar­bei­ter le­dig­lich "den kirch­li­chen Auf­trag zu be­ach­ten und die ih­nen über­tra­ge­nen Auf­ga­ben im Sin­ne der Kir­che zu erfüllen". Die­se An­for­de­rung ent­spricht letzt­lich der all­ge­mei­nen Leis­tungs­treue­pflicht des Ar­beit­neh­mers.

c. Kol­li­diert so­mit das Grund­recht der Kläge­rin auf Glau­bens­frei­heit mit den kirch­li­chen Selbst­be­stim­mungs­recht, sind die ge­gensätz­li­chen Rechts­po­si­tio­nen ab­zuwägen und grund­rechts­kon­form aus­zu­glei­chen (BAG, Ur­teil vom 24.02.2011 – 2 AZR 636/09). Da­bei sind die kol­li­die­ren­den Grund­rech­te in ih­rer Wech­sel­wir­kung zu se­hen und so zu be­gren­zen, dass sie im Sin­ne ei­ner prak­ti­schen Kon­kor­danz für al­le Be­tei­lig­ten möglichst weit­ge­hend wirk­sam wer­den. Auf das un­ver­zicht­ba­re Schutz­mi­ni­mum der Glau­bens- und Be­kennt­nis­frei­heit nach Art. 4 Abs. 1 GG ist Be­dacht zu neh­men. Die In­ten­sität des um­strit­te­nen Ein­griffs ist eben­so zu berück­sich­ti­gen wie der Um­stand, dass die Ver­trags­part­ner mit dem Ab­schluss des Ver­trags in ei­ne Be­gren­zung grund­recht­li­cher Frei­hei­ten ein­ge­wil­ligt ha­ben (BAG, Ur­teil vom 24.02.2011 – 2 AZR 636/09; BAG, Ur­teil vom 10.10.2002 – 2 AZR 472/01).

Als Er­geb­nis der er­for­der­li­chen In­ter­es­sen­abwägung ist im Streit­fall fest­zu­stel­len, dass die In­ter­es­sen der Be­klag­ten die­je­ni­gen der Kläge­rin über­wie­gen.

Zu Guns­ten der Kläge­rin ist zu berück­sich­ti­gen, dass sie, so­fern sie sich an das Ver­bot hal­ten muss, während der Ar­beits­zeit kein Kopf­tuch zu tra­gen, in ei­nen erns­ten Glau­bens­kon­flikt ge­bracht wird. Die Kläge­rin müss­te das Ge­bot miss­ach­ten, ein Kopf­tuch zu tra­gen, das sie für sich aus Glau­bens­gründen als ver­bind­lich an­sieht. An­de­rer­seits ist zu be­ach­ten, dass die Kläge­rin außer­halb der Ar­beits­zeit in ih­rem pri­va­ten Um­feld und auch auf dem Hin- und Rück­weg zur Ar­beits­stel­le ein­schränkungs­los den Ge­bo­ten ih­res Glau­bens fol­gen und ein Kopf­tuch tra­gen kann. Zu be­den­ken ist auch, dass die Kläge­rin während ih­rer Ar­beits­zeit als ei­ne Mus­li­ma, die kein Kopf­tuch trägt, nur von ei­nem ein­ge­schränk­ten Per­so­nen­kreis wahr­ge­nom­men wird. Die Kläge­rin ver­rich­tet ih­re Tätig­keit als Kran­ken­schwes­ter nicht vor den Au­gen ei­ner brei­ten Öffent­lich­keit. Sie muss sich oh­ne Kopf­tuch nur den Ar­beits­kol­le­gen und Pa­ti­en­ten, gg­fls. auch et­wai­gen Be­su­chern, zei­gen.

Zu Guns­ten der Be­klag­ten ist zu berück­sich­ti­gen, dass sie, dürf­te die Kläge­rin bei der Ar­beit ein re­li­giös mo­ti­vier­tes Kopf­tuch tra­gen, es nicht nur hin­neh­men müss­te, dass während der Ar­beits­zeit Glau­bensäußerun­gen zu Guns­ten ei­ner an­de­rer Re­li­gi­on getätigt und so­wohl von den an­de­ren Mit­ar­bei­tern wie auch von den Pa­ti­en­ten und den Be­su­chern wahr­ge­nom­men wer­den. Die Be­klag­te müss­te zu­dem da­mit rech­nen, dass an­de­re nicht­christ­li­che Mit­ar­bei­ter eben­so wie die Kläge­rin während der Ar­beits­zeit Glau­bensäußerun­gen und –be­kun­dun­gen zu Guns­ten der Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft, der sie je­weils an­gehören, täti­gen wer­den. Das könn­te den Verkündungs­auf­trag der Kir­che und ih­re Glaubwürdig­keit ernst­haft gefähr­den. Außen­ste­hen­de könn­ten den Ein­druck ge­win­nen, die Kir­che las­se ei­ne Re­la­ti­vie­rung ih­rer Glau­bensüber­zeu­gun­gen zu und hal­te Glau­bens­wahr­hei­ten für be­lie­big aus­tausch­bar. Zwänge man der Be­klag­ten Be­lie­big­keit und re­li­giösen Plu­ra­lis­mus auf die­se Wei­se auf, so wäre das kirch­li­che Selbst­be­stim­mungs­recht im Kern­be­reich be­ein­träch­tigt. Die Be­klag­te muss sich nicht ent­ge­gen­hal­ten las­sen, ein kirch­li­cher Ar­beit­ge­ber ha­be sich mit der Ent­schei­dung, auch nicht­christ­li­che Mit­ar­bei­ter ein­zu­stel­len, be­reits für ei­ne Form re­li­giösen Plu­ra­lis­mus ent­schie­den (so aber Ar­beits­ge­richt Köln, Ur­teil vom 06.03.2008 – 19 Ca 7222/07). Die Be­klag­te hat sich we­der aus­drück­lich noch still­schwei­gend im Sin­ne ei­ner Zurück­stel­lung ei­ge­ner Glau­bens­wahr­hei­ten zu Guns­ten ei­nes re­li­giösen Plu­ra­lis­mus geäußert. Durch die ar­beits­ver­trag­li­che Be­zug­nah­me auf die Präam­bel des BAT-KF und die Richt­li­nie des Ra­tes der EKD nach § 9 b Grund­ord­nung über die An­for­de­run­gen der pri­vat­recht­li­chen be­ruf­li­chen Mit­ar­bei­ter in der EKD und des Dia­ko­ni­schen Wer­kes der EKD hat sie viel­mehr hin­rei­chend deut­lich zu er­ken­nen ge­ge­ben, dass auch von nicht­christ­li­chen Mit­ar­bei­tern er­war­tet wird, den kirch­li­chen Auf­trag zu be­ach­ten und die ih­nen über­tra­ge­nen Auf­ga­ben im Sin­ne der Kir­che zu erfüllen, wie es in § 4 Abs. 4 der Richt­li­nie heißt.

Den In­ter­es­sen der Be­klag­ten steht nicht ent­ge­gen, dass die Kläge­rin an sich in der La­ge ist, ih­re Ar­beits­leis­tung auch kopf­tuch­t­ra­gend zu er­brin­gen und dass in­so­weit Be­ein­träch­ti­gun­gen des Ar­beits­ab­laufs für den Fall, dass die Kläge­rin ein Kopf­tuch trägt, nicht zu be­sor­gen sind. Zwar hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt ei­ne Kündi­gung, die der Ar­beit­ge­ber ge­genüber ei­ner als Verkäufe­r­in in ei­nem Kauf­haus beschäftig­ten Ar­beit­neh­me­rin we­gen des Tra­gens ei­nes Kopf­tuchs hat aus­spre­chen wol­len, für un­wirk­sam ge­hal­ten, weil nicht er­sicht­lich sei, in­wie­fern es bei ei­nem wei­te­ren Ein­satz als Verkäufe­r­in mit ei­nem is­la­mi­schen Kopf­tuch zu kon­kre­ten be­trieb­li­chen Störun­gen oder wirt­schaft­li­chen Ein­bußen kom­men würde (BAG, Ur­teil vom 10.10.2002 – 2 AZR 472/01). Die­se Ent­schei­dung er­ging in­des vor dem Hin­ter­grund ei­ner Abwägung zwi­schen der Glau­bens­frei­heit der Ar­beit­neh­me­rin und der durch Art. 12 Abs. 1 GG grund­recht­lich geschütz­ten Un­ter­neh­mer­frei­heit des Ar­beit­ge­bers. Im Streit­fall geht es nicht um ei­ne Be­ein­träch­ti­gung der Un­ter­neh­mer­frei­heit, son­dern um ei­ne Be­ein­träch­ti­gung des kirch­li­chen Selbst­be­stim­mungs­rechts. Das setzt we­der be­trieb­li­che Störun­gen noch wirt­schaft­li­che Ein­bußen vor­aus. Die Betäti­gung der Be­klag­ten ist kei­ne rein un­ter­neh­me­ri­sche, son­dern ei­ne ge­meinnützi­ge, die (zu­min­dest auch) dem Verkündungs­auf­trag der Kir­che dient.

Für das Er­geb­nis der In­ter­es­sen­abwägung kommt es nicht dar­auf an, ob die Kläge­rin im Zeit­raum von Sep­tem­ber bis De­zem­ber 2005 während der Ar­beit ein Kopf­tuch ge­tra­gen hat. Die Kläge­rin ist al­len­falls während ei­nes kur­zen Zeit­raums ab dem 19.09.2005 bis zum 09.11.2005 kopf­tuch­t­ra­gend zur Ar­beit er­schie­nen. Die Be­klag­te hat in der Be­ru­fungs­be­gründung dar­ge­legt, die Kläge­rin sei ab dem 10.11.2005 ar­beits­unfähig er­krankt und da­nach im Mut­ter­schutz und in der El­tern­zeit ge­we­sen. Die Kläge­rin ist dem nicht kon­kret ent­ge­gen­tre­ten. Auf­grund die­ses nur kur­zen Zeit­rau­mes kann nicht zu Guns­ten der Kläge­rin da­von aus­ge­gan­gen wer­den, die Be­klag­te ha­be in das Tra­gen ei­nes Kopf­tuchs während der Ar­beit ein­ge­wil­ligt und müsse sich an die­ser Ein­wil­li­gung dau­er­haft fest­hal­ten las­sen. Es ist auch nicht er­sicht­lich, dass ein Ver­tre­ter oder ein Per­so­nal­ver­ant­wort­li­cher der Be­klag­ten wuss­te und bil­lig­te, dass die Kläge­rin ein Kopf­tuch trug. Nach dem Vor­brin­gen der Kläge­rin in der Be­ru­fungs­be­ant­wor­tung war dies le­dig­lich der Mit­ar­bei­te­rin L1 "aus der Pfle­ge­dienst­lei­tung der Be­klag­ten" be­kannt. Zu­dem müss­te, wenn man es dem Ar­beit­neh­mer ge­stat­tet, sich später auf ei­nen bei Ab­schluss des Ar­beits­ver­tra­ges be­reits vor­her­seh­ba­ren Glau­bens­kon­flikt zu be­ru­fen (so BAG, Ur­teil vom 24.02.2011 – 2 AZR 636/09), es kon­se­quen­ter­wei­se auch dem kirch­li­chen Ar­beit­ge­ber ge­stat­tet wer­den, im Rah­men der all­ge­mei­nen Gren­zen des Wei­sungs­rechts Frei­hei­ten, die den Mit­ar­bei­tern ein­geräumt wor­den sind, zu ei­nem späte­ren Zeit­punkt mit Rück­sicht auf das kirch­li­che Selbst­be­stim­mungs­recht ein­zu­schränken.

d. Die­sem Er­geb­nis ste­hen die Vor­schrif­ten der §§ 7 Abs. 1, 1, 3 Abs. 1 und Abs. 2 2 AGG nicht ent­ge­gen.

Selbst wenn man da­von aus­geht, dass die Kläge­rin we­gen ih­rer Re­li­gi­on un­gleich be­han­delt wird, wenn die Be­klag­te es ihr un­ter­sagt, während der Ar­beits­zeit ein Kopf­tuch zu tra­gen, so liegt kein Ver­s­toß ge­gen § 1 AGG vor. Das folgt aus § 9 Abs. 2 AGG. Nach die­ser Vor­schrift berührt das Ver­bot un­ter­schied­li­cher Be­hand­lung we­gen der Re­li­gi­on nicht das Recht der Re­li­gi­ons­ge­mein­schaf­ten, von ih­ren Beschäftig­ten ein loya­les Ver­hal­ten im Sin­ne ih­res je­wei­li­gen Selbst­verständ­nis­ses ver­lan­gen zu können. Nichts an­de­res ver­langt die Be­klag­te von der Kläge­rin. Die Be­klag­te bekämpft nicht die Glau­bensüber­zeu­gun­gen der Kläge­rin, son­dern for­dert von ihr le­dig­lich ein neu­tra­les Ver­hal­ten während der Ar­beits­zeit.

e. Das Grund­recht der Kläge­rin aus Art. 9 Abs. 1 EM­RK (Re­li­gi­ons­frei­heit)ist nicht ver­letzt, wenn die Wei­sung der Be­klag­ten, während der Ar­beits­zeit kein Kopf­tuch zu tra­gen, nach dem bis­her Aus­geführ­ten als rechts­wirk­sam an­zu­se­hen ist.

Art. 9 EM­RK gewähr­leis­tet die Re­li­gi­ons­frei­heit nicht schran­ken­los, viel­mehr sind aus­drück­lich Ein­schränkun­gen in Abs. 2 der Vor­schrift vor­ge­se­hen. Ei­ne Ein­schränkung der Re­li­gi­ons­frei­heit kommt ins­be­son­de­re im Hin­blick auf die Rech­te und Frei­hei­ten an­de­rer in Be­tracht. In­so­weit ist den Kon­ven­ti­ons­staa­ten ein Be­ur­tei­lungs­spiel­raum ein­geräumt (EGMR, Ur­teil vom 03.02.2011 – 18136/02 [Sie­ben­haar] Rn. 38 f.; BAG, Ur­teil vom 10.12.2009 – 2 AZR 55/09). Auch das Ver­bot, ein Kopf­tuch zu tra­gen, kann die­sem Hin­ter­grund ge­recht­fer­tigt sein (BAG, Ur­teil vom 12.08.2010 – 2 AZR 593/09; Ur­teil vom 10.12.2009 – 2 AZR 55/09; EGMR vom 10.11.2005 – 4474/98; vom 15.02.2001 – 42393/98).

Nach der Auf­fas­sung des EGMR, der sich die Kam­mer an­sch­ließt, hat ei­ne Abwägung zwi­schen den Rech­ten des Ar­beit­neh­mers und den Rech­ten des kirch­li­chen Ar­beit­ge­bers statt­zu­fin­den (EGMR, Ur­teil vom 23.09.2010 – 425/03 [Obst] Rn. 43). In­so­weit ist auch das kirch­li­che Selbst­be­stim­mungs­recht zu berück­sich­ti­gen. Hier­zu führt der EGMR aus (EGMR, Ur­teil vom 03.02.2011 – 18136/02 [Sie­ben­haar] Rn. 41, Ur­tei­le vom 23.09.2010 – 425/03 [Obst] Rn. 44 und 1620/03 [Schüth] Rn. 58), dass die Re­li­gi­ons­ge­mein­schaf­ten tra­di­tio­nell und welt­weit in Form or­ga­ni­sier­ter Struk­tu­ren exis­tie­ren; wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on ei­ner sol­chen Ge­mein­schaft in Re­de steht, ist al­so Ar­ti­kel 9 im Lich­te des Ar­ti­kels 11 der Kon­ven­ti­on aus­zu­le­gen, der die Ver­ei­ni­gungs­frei­heit vor jeg­li­chem un­ge­recht­fer­tig­ten staat­li­chen Ein­griff schützt. Ih­re für den Plu­ra­lis­mus in ei­ner de­mo­kra­ti­schen Ge­sell­schaft un­ver­zicht­ba­re Au­to­no­mie gehört nämlich zum Kern­be­stand des Schut­zes, den Ar­ti­kel 9 ver­mit­telt. Der Ge­richts­hof legt fer­ner dar, dass das Recht auf Re­li­gi­ons­frei­heit im Sin­ne der Kon­ven­ti­on außer in ex­tre­men Aus­nah­mefällen jeg­li­che Be­ur­tei­lung sei­tens des Staa­tes im Hin­blick auf die Rechtmäßig­keit des re­li­giösen Be­kennt­nis­ses oder die Art und Wei­se, in der es zum Aus­druck ge­bracht wird, aus­sch­ließt.

Nach Auf­fas­sung des EGMR ist es nicht zu be­an­stan­den, dass der Kir­che das Recht zu­er­kannt wird, ih­ren Beschäfti­gen Loya­litäts­pflich­ten auf­zu­er­le­gen, so­fern dafür Sor­ge ge­tra­gen ist, dass die Kir­che nicht ih­ren Beschäfti­gen un­an­nehm­ba­re Loya­litäts­pflich­ten auf­er­le­gen (EGMR, Ur­tei­le vom 23.09.2010 – 425/03 [Obst] Rn. 49 und 1620/03 [Schüth] Rn. 69). Nicht In­halt oder Verhält­nismäßig­keit der kirch­li­chen Loya­litäts­pflich­ten oder -ob­lie­gen­hei­ten, son­dern die Verhält­nismäßig­keit der in Re­de ste­hen­den ar­beits­recht­li­chen Maßnah­me sind zu über­prüfen (Plum, NZA 2011, 1194, 1199).

Für das deut­sche Recht folgt aus § 106 Satz 1 Ge­wO, dass die Re­li­gi­ons­frei­heit und das Recht der Kläge­rin, ein Kopf­tuch zu tra­gen, in be­grenz­tem Um­fang ge­genüber dem kirch­li­chen Selbst­be­stim­mungs­recht zurück­tre­ten muss. Das ist nicht un­verhält­nismäßig und da­her mit Art. 9 Abs. 1 EM­RK ver­ein­bar. Die Ein­schränkung, die die Kläge­rin in ih­rer Re­li­gi­ons­frei­heit erfährt, ist ge­eig­net, er­for­der­lich und an­ge­mes­sen, um das an­ge­streb­te Ziel, nämlich den Schutz des kirch­li­chen Selbst­be­stim­mungs­rechts zu er­rei­chen.

Die Wei­sung, während der Ar­beit kein Kopf­tuch zu tra­gen, ist ge­eig­net, die kirch­li­che Glaubwürdig­keit zu schützen und die Erfüllung des kirch­li­chen Verkündungs­auf­trags zu si­chern. An­de­re eben­so ge­eig­ne­te, aber mil­de­re Mit­tel sind nicht er­sicht­lich. Es ist für die Kläge­rin nicht un­an­nehm­bar, die Wei­sung zu be­fol­gen. Der Kläge­rin wird le­dig­lich ab­ver­langt, während ih­rer Ar­beits­zeit auf das Tra­gen des Kopf­tuchs zu ver­zich­ten. In ih­rem ge­sam­ten Pri­vat­le­ben ist sie dem­ge­genüber frei, nach Be­lie­ben ein re­li­giös mo­ti­vier­tes Kopf­tuch zu tra­gen. Die Ein­schränkung der Re­li­gi­ons­frei­heit ist durch über­wie­gen­de Be­lan­ge der Be­klag­ten ge­recht­fer­tigt. In­so­weit wird auf die Ausführun­gen un­ter II 1 b und c der Ent­schei­dungs­gründe ver­wie­sen.

3. Mit der Wei­sung an die Kläge­rin, während der Ar­beits­zeit kein Kopf­tuch zu tra­gen, ver­letzt die Be­klag­te nicht ih­re Pflicht zur Gleich­be­hand­lung der Ar­beit­neh­mer.

Bei der Ausübung sei­nes Wei­sungs­rechts darf der Ar­beit­ge­ber die be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer nicht oh­ne sach­li­chen Grund un­gleich be­han­deln (BAG, Ur­teil vom 28.05.1997 – 5 AZR 125/96; LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 30.10.2008 – 14 Sa 431/08; Preis, in: Er­fur­ter Kom­men­tar zum Ar­beits­recht, § 611 BGB Rn. 58). Die Kläge­rin wird in­des durch das Ver­bot, während der Ar­beit ein Kopf­tuch zu tra­gen, nicht ge­genüber an­de­ren Mit­ar­bei­tern un­gleich be­han­delt. Es ist nicht er­sicht­lich, dass Kran­ken­schwes­tern oder sons­ti­ge Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten während der Ar­beits­zeit ein Kopf­tuch tra­gen dürfen. So­weit die Kläge­rin sich dar­auf be­ruft, Al­ten­pfle­ge­rin­nen sei es ge­stat­tet, während der Ar­beits­zeit ein Kopf­tuch zu tra­gen, so ist dem ent­ge­gen­zu­hal­ten, dass die Be­klag­te, wie die Par­tei­en im Ter­min zur münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Be­ru­fungs­ge­richt un­strei­tig ge­stellt ha­ben, kei­ne Al­ten­hei­me be­treibt und kei­ne Al­ten­pfle­ge­rin­nen beschäftigt.

III. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Kläge­rin un­ter­lag im Rechts­streit und muss die Kos­ten tra­gen.

Die Re­vi­si­on ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der Sa­che zu­ge­las­sen wor­den.

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