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LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 30.03.2010, 7 Sa 58/10

   
Schlagworte: Behinderung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 7 Sa 58/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 30.03.2010
   
Leitsätze: Die unternehmerische Entscheidung einen leidensgerechten Arbeitsplatz in Wegfall zu bringen, erweist sich dann als unsachlich bzw. willkürlich, wenn der Arbeitgeber aus § 81 Abs. 4 SGB IX gleich wieder verpflichtet wäre, einen solchen zu schaffen.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Urteile vom 02.12.2009, 17 Ca 12606/09
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt
Ber­lin-Bran­den­burg
 

Verkündet

am 30. März 2010

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)
7 Sa 58/10
17 Ca 12606/09
Ar­beits­ge­richt Ber­lin

Hell­wig, VA
als Ur­kunds­be­am­ter/in
der Geschäfts­stel­le

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

In Sa­chen

pp

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, 7. Kam­mer,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 30. März 2010
durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Lan­des­ar­beits­ge­richt R. als Vor­sit­zen­de
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Frau W. und Herr Sch.
für Recht er­kannt:

I. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin
vom 02. De­zem­ber 2009 - 17 Ca 12606/09 - wird auf ih­re Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

II. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­ner be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung.

Der am ……1955 ge­bo­re­ne, ver­hei­ra­te­te Kläger, der sechs volljähri­ge Kin­der hat, ist bei der Be­klag­ten bzw. de­ren Rechts­vorgänge­rin seit dem 13.06.1983 auf der Grund­la­ge ei­nes schrift­li­chen Ar­beits­ver­tra­ges (Bl. 36 d.A.) im Ak­kord­lohn beschäftigt. Auf das Ar­beits­verhält­nis fin­den die Ta­rif­verträge für die Me­tall­in­dus­trie An­wen­dung.

Zunächst war der Kläger als Ofen­be­die­ner und später als Zie­her tätig. Im Jahr 1995 er­litt er ei­nen Ar­beits­un­fall, bei dem er meh­re­re Fin­ger sei­ner lin­ken Hand ver­lor und in­fol­ge­des­sen mit ei­nem Grad von 60 als schwer­be­hin­dert an­er­kannt wur­de. Da er nach ei­nem werksärzt­li­chen At­test vom 29. Ju­li 1996 sei­ne bis da­hin aus­geübte Tätig­keit in der Zie­he­rei bzw. als Zie­her eben­so we­nig ausüben konn­te, wie sons­ti­ge Tätig­kei­ten, bei de­nen ei­ne vol­le Funk­ti­ons- bzw. Greiffähig­keit bei­der Hände not­wen­dig war, setz­te ihn die Be­klag­te ab 1996 als Kran­be­die­ner im Be­reich „Zie­he­rei All­ge­mein“ ein. Für die dort an­fal­len­den Auf­ga­ben des Klägers wird auf die Tätig­keits­be­schrei­bung (Bl. 34 und 35 d. A.) Be­zug ge­nom­men.

Auf Grund von Auf­tragsrückgängen schloss die Be­klag­te mit dem bei ihr be­ste­hen­den Be­triebs­rat un­ter dem 27. Fe­bru­ar 2009 ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung zum Zwe­cke der Einführung von Kurz­ar­beit für die Zeit vom 01. März 2009 bis zum 31. Au­gust 2009. Die Be­triebs­ver­ein­ba­rung über Kurz­ar­beit wur­de in der Fol­ge­zeit durch zwei Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ergänzt, mit de­nen u. a. auch die wöchent­li­che Ar­beits­zeit wei­ter re­du­ziert wur­de. Mit ei­ner wei­te­ren Be­triebs­ver­ein­ba­rung aus Ju­li 2009 verlänger­ten die Be­triebs­par­tei­en die Kurz­ar­beit auf den Zeit­raum vom 1. Sep­tem­ber 2009 bis zum 28. Fe­bru­ar 2010. Ob sich die wirt­schaft­li­che La­ge bei der Be­klag­ten seit Som­mer 2009 ent­spann­te, ist zwi­schen den Par­tei­en strei­tig.

Außer­dem schlos­sen die Be­triebs­par­tei­en am 27. Fe­bru­ar 2009 ei­ne Rah­men­be­triebs­ver­ein­ba­rung über die Einführung ei­nes Prämien­ent­gelts für be­stimm­te Be­rei­che, u. a. auch für die Rohr­zie­he­rei. Die­se Rah­men­be­triebs­ver­ein­ba­rung Nr. 165 sah un­ter an­de­rem für die­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer, die den zur An­wen­dung des Prämien­ent­gelts auf die Ar­beits­verhält­nis­se er­for­der­li­chen Ände­rungs­ver­trag ab­schlos­sen, bis zur vollständi­gen Be­en­di­gung von Kurz­ar­beit in den Jah­ren 2009 und 2010 den Ver­zicht auf be­triebs­be­ding­te Kündi­gun­gen vor. Ins­ge­samt un­ter­zeich­ne­ten 111 von 127 Ar­beit­neh­mern das Ände­rungs­an­ge­bot der Be­klag­ten zur Einführung ei­nes Prämien­ent­gelts. Der Kläger lehn­te ei­ne ent­spre­chen­de Ände­rungs­ver­ein­ba­rung ab.

Mit Schrei­ben vom 20. Mai 2009 (Bl. 60 ff. d. A.) hörte die Be­klag­te den bei ihr be­ste­hen­den Be­triebs­rat zu ei­ner be­ab­sich­tig­ten or­dent­li­chen Kündi­gung des Klägers aus be­triebs­be­ding­ten Gründen an, für de­ren Be­gründung sie dort anführt, die Geschäftsführung ha­be am 19. Mai 2009 endgültig und ab­sch­ließend be­schlos­sen, die im Be­reich Zie­he­rei All­ge­mein ein­ge­rich­te­te Funk­ti­on ei­nes „Kran­be­die­ners“ vollständig und dau­er­haft in Weg­fall zu brin­gen und die ver­blei­ben­den Auf­ga­ben ab dem 01. Ok­to­ber 2009 von 3 an­de­ren Mit­ar­bei­tern, die in der Funk­ti­on ei­nes „Kran­be­die­ners/An­fa­sers/Rich­ters und Ein­teilsägers bzw. ei­nes Kran­be­die­ners/An­fa­sers/Ofen­be­die­ners tätig sind, mit er­le­di­gen zu las­sen, bei Be­darf auf ei­ne Per­so­nal­re­ser­ve zurück­zu­grei­fen bzw. even­tu­el­le Verzöge­run­gen und das Ent­ste­hen von Ar­beitsrückständen in Kauf zu neh­men. We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Anhörungs­schrei­bens wird auf die An­la­ge B 5 (Bl. 60 – 68 d. A.) Be­zug ge­nom­men. Der Be­triebs­rat wi­der­sprach der Kündi­gung des Klägers mit Schrei­ben vom 27.05.2009 u.a. mit der Be­gründung, die Kündi­gun­gen beträfen nur sol­che Mit­ar­bei­ter, die das neue Leis­tungs­ent­gelt­sys­tem nicht ak­zep­tiert hätten, oh­ne dass ei­ne So­zi­al­aus­wahl statt­ge­fun­den ha­be. We­gen der Ein­zel­hei­ten der Be­gründung des Wi­der­spruchs wird auf das Schrei­ben des Be­triebs­ra­tes vom 27.05.2009 Be­zug ge­nom­men.

Eben­falls mit Schrei­ben vom 20. Mai 2009 (Bl. 69 d. A.) be­an­trag­te die Be­klag­te beim In­te­gra­ti­ons­amt die Zu­stim­mung zur Kündi­gung des Klägers. Die­se wur­de ihr mit Be­scheid vom 29. Ju­ni 2009 er­teilt (Bl. 78 ff. d. A.). Nach­dem die Be­klag­te den Be­scheid er­hal­ten hat­te, sprach sie mit Schrei­ben vom 07. Ju­li 2009 dem Kläger ge­genüber ei­ne or­dent­li­che be­triebs­be­ding­te Kündi­gung zum 28. Fe­bru­ar 2010 aus und stell­te ihn zu­gleich ab dem 1. Ok­to­ber 2009 von der Ar­beits­leis­tung frei.

Mit der vor­lie­gen­den Kla­ge wen­det sich der Kläger ge­gen die­se Kündi­gung, die er man­gels be­triebs­be­ding­ten Er­for­der­nis­ses und we­gen feh­ler­haf­ter So­zi­al­aus­wahl für so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt und we­gen feh­ler­haf­ter Be­triebs­rats­anhörung für un­wirk­sam hält.

Das Ar­beits­ge­richt hat mit Ur­teil vom 2. De­zem­ber 2009, auf des­sen Tat­be­stand we­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des erst­in­stanz­li­chen Par­tei­vor­brin­gens Be­zug ge­nom­men wird, fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis des Klägers durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 7. Ju­li 2009 nicht auf­gelöst wor­den ist, und die Be­klag­te ver­ur­teilt, den Kläger bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens in der Rohr­li­nie zu al­len dort an­fal­len­den Ar­bei­ten, ins­be­son­de­re als Kran­be­die­ner, zu den bis­he­ri­gen Ar­beits­be­din­gen wei­ter zu beschäfti­gen. Zur Be­gründung hat es im We­sent­li­chen aus­geführt, die Kündi­gung sei so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt, weil die Be­klag­te be­triebs­be­ding­te Gründe i. S. von § 1 Abs. 2 KSchG nicht bzw. nicht aus­rei­chend vor­ge­tra­gen ha­be. Zu­dem ver­s­toße die Kündi­gung der Be­klag­ten ge­gen das Ul­ti­ma-Ra­tio-Prin­zip. Mil­de­res Mit­tel sei ei­ne Ände­rungskündi­gung, mit der dem Kläger ei­ne der Prämi­en­re­ge­lung ent­spre­chen­de Ver­tragsände­rung hätte an­ge­bo­ten wer­den können. Außer­dem sei die Kündi­gung man­gels ord­nungs­gemäßer Be­triebs­rats­anhörung gem. § 102 Abs. 1 Be­trVG un­wirk­sam, weil sich die Be­klag­te ge­genüber dem Be­triebs­rat dar­auf be­schränkt ha­be, die un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung mit­zu­tei­len, oh­ne plau­si­bel dar­zu­stel­len, war­um die un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung über­haupt ge­trof­fen wor­den sei, in­wie­weit die in­ner­be­trieb­li­chen Gründe kau­sal für die Ent­schei­dung ge­we­sen sei­en und war­um durch ei­ne Ände­rungskündi­gung die Kündung nicht zu ver­mei­den ge­we­sen wäre. We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten der Be­gründung wird auf das an­ge­foch­te­ne Ur­teil Be­zug ge­nom­men.

Ge­gen die­ses der Be­klag­ten am 11. De­zem­ber 2009 zu­ge­stell­te Ur­teil rich­tet sich ih­re Be­ru­fung, die sie mit ei­nem beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg am 11. Ja­nu­ar 2010 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz ein­ge­legt und mit ei­nem beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg am 10. Fe­bru­ar 2010 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründet hat.

Die Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin ver­weist auch in der Be­ru­fungs­in­stanz zur Be­gründung der Kündi­gung auf ih­re erst­in­stanz­lich vor­ge­tra­ge­ne un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung des Geschäftsführers vom 19. Mai 2009, die im Be­reich der Zie­he­rei/All­ge­mein ein­ge­rich­te­te Funk­ti­on ei­nes Kran­be­die­ners mit Wir­kung zum 1. Ok­to­ber 2009 weg­fal­len zu las­sen und die ver­blei­ben­den Auf­ga­ben dem Mit­ar­bei­ter G. H., der im Be­reich Zie­he­rei/All­ge­mein in der Funk­ti­on ei­nes „Kran­be­die­ners/An­fa­sers/Rich­ters und Ein­teilsägers tätig sei so­wie den bei­den Mit­ar­bei­tern K. und W., die als Kran­be­die­ner/An­fa­ser/Ofen­be­die­ner tätig sei­en, zu über­tra­gen. Bei Be­darf könne auf ei­ne aus zwei wei­te­ren Mit­ar­bei­tern des Be­reichs Zie­he­rei/All­ge­mein ge­bil­de­te Per­so­nal­re­ser­ve zurück­ge­grif­fen wer­den. Zu­dem ha­be die Geschäftsführung am 19. Mai 2009 endgültig ent­schie­den, even­tu­el­le Verzöge­run­gen und das Ent­ste­hen von Ar­beitsrückständen bei der Ab­ar­bei­tung der ver­blei­ben­den Auf­ga­ben ei­nes Kran­be­die­ners in Kauf zu neh­men. Die­se un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung ha­be zum Weg­fall von zwei Ar­beitsplätzen als „Kran­be­die­ner“ geführt, dar­un­ter auch der Ar­beits­platz des Klägers. Hin­ter­grund für die un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung sei ein an­hal­ten­der, sich in der 14. Ka­len­der­wo­che noch ein­mal gra­vie­rend ver­schlech­tern­der Auf­tragsrück­gang ge­we­sen, der nicht durch die Einführung von Kurz­ar­beit ha­be aus­rei­chend auf­ge­fan­gen wer­den können. Un­ter Be­zug­nah­me auf ih­re Dar­stel­lun­gen zu den in den ein­zel­nen Be­rei­chen an­fal­len­den Tätig­kei­ten so­wie der rückläufi­gen Auf­trags- und Ar­beits­men­gen­ent­wick­lung, die bei den ver­blei­ben­den Mit­ar­bei­tern zu ent­spre­chen­den frei­en Ka­pa­zitäten geführt hätten, hält die Be­klag­te die un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung auch für auf Dau­er durchführ­bar. Die Einführung von Kurz­ar­beit ste­he der von der Be­klag­ten an­ge­stell­ten Pro­gno­se ei­nes dau­er­haf­ten Ar­beits­aus­falls nicht ent­ge­gen, da sich der Um­fang nach Einführung von Kurz­ar­beit noch­mals erhöht ha­be. Der Ein­satz von Leih­ar­beit­neh­mern im Fe­bru­ar 2010 er­fol­ge we­gen ei­ner kurz­fris­ti­gen Auf­trags­spit­ze, die durch ei­ne un­er­war­te­te feh­len­de Markt­präsenz der Wett­be­wer­ber ver­ur­sacht wor­den sei. Die Un­ter­neh­mens­grup­pe Diehl-Me­tall ha­be tech­ni­sche Pro­ble­me im Pro­duk­ti­ons­ab­lauf zu bewälti­gen ge­habt und die Be­klag­te um Un­terstützung bei de­ren Lösung er­sucht. So­wohl die­se Un­ter­neh­mens­grup­pe als auch de­ren Kun­den hätten vorüber­ge­hend die benötig­ten Pro­duk­te bei der Be­klag­ten be­stellt. So­weit Mit­ar­bei­ter auf­grund des in der Rah­men­be­triebs­ver­ein­ba­rung Nr. 165 vor­ge­se­he­nen Kündi­gungs­schut­zes nicht mehr in die So­zi­al­aus­wahl ein­zu­be­zie­hen ge­we­sen sei­en, wer­de da­mit nicht in un­zulässi­ger Wei­se das Kündi­gungs­schutz­ge­setz um­gan­gen. Die Zu­sa­ge von Kündi­gungs­schutz sei sach­lich ge­recht­fer­tigt ge­we­sen, weil den Ar­beit­neh­mern, die mit der Prämi­en­re­ge­lung ein­ver­stan­den ge­we­sen sei­en, nach ei­nem Ent­gelt­ver­zicht die Si­che­rung der Ar­beitsplätze ha­be an­ge­bo­ten wer­den sol­len. Die Kündi­gung ver­s­toße nicht ge­gen das Maßre­ge­lungs­ver­bot. Sie ha­be die Kündi­gung nicht aus­ge­spro­chen, weil der Kläger der Ände­rungs­ver­ein­ba­rung nicht zu­ge­stimmt ha­be, son­dern drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se die­se be­dingt hätten. Auch ha­be sie dem Kläger nicht vor­ran­gig ei­ne Ände­rungskündi­gung aus­spre­chen können, da es bei ih­rer un­ter­neh­me­ri­schen Ent­schei­dung nicht dar­um ge­gan­gen sei, das Prämien­ent­gelt­sys­tem nun noch bei den­je­ni­gen ein­zuführen, die zu­vor dem wi­der­spro­chen hätten, son­dern die be­trieb­li­che Ar­beits­men­ge an den Be­darf an­zu­pas­sen. Auch er­wei­se sich die Be­triebs­rats­anhörung als rechts­wirk­sam.

Die Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 02. De­zem­ber 2009 (Az.: 17 Ca 12606/09)
auf­zu­he­ben und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Kläger und Be­ru­fungs­be­klag­te be­an­tragt, 

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Der Kläger und Be­ru­fungs­be­klag­te ver­tei­digt das ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil un­ter Ergänzung und Ver­tie­fung sei­nes erst­in­stanz­li­chen Vor­brin­gens und ver­weist dar­auf, dass sich mitt­ler­wei­le die Auf­trags­la­ge ver­bes­sert ha­be, wie sich auch an dem Ein­satz von Leih­ar­beit­neh­mern zei­ge. Mitt­ler­wei­le müss­ten al­le Ar­beit­neh­mer im Be­reich der Zie­he­rei wie­der voll ar­bei­ten. Der Kläger ver­tritt außer­dem die Auf­fas­sung, die Her­aus­nah­me der­je­ni­gen Mit­ar­bei­ter aus der So­zi­al­aus­wahl, die die Ände­rungs­ver­ein­ba­run­gen un­ter­zeich­net hat­ten, stel­le ei­ne Um­ge­hung von § 1 Abs. 3 KSchG dar, die so nicht zulässig sei. Die Be­klag­te ha­be die un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung ge­trof­fen, die­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer zu kündi­gen, die den Ände­rungs­ver­trag nicht un­ter­zeich­net hätten. Hier sei zu­dem der Vor­rang der Ände­rungskündi­gung vor der Be­en­di­gungskündi­gung zur Durch­set­zung ei­nes Prämi­en­sys­tems zu berück­sich­ti­gen.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des zweit­in­stanz­li­chen Par­tei­vor­brin­gens wird auf die Schriftsätze der Be­klag­ten und Be­ru­fungskläge­rin vom 10. Fe­bru­ar 2010 (Bl. 292 – Bl. 307 d. A.) so­wie vom 23.03.2010 (Bl. 350 – Bl. 360 d. A.) so­wie auf den­je­ni­gen des Klägers und Be­ru­fungs­be­klag­ten vom 18.03.2010 (Bl. 320 – Bl. 336 d. A.) Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statt­haf­te Be­ru­fung der Be­klag­ten ist von ihr frist­gemäß und form­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den (§§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO, § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG).

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ist da­her zulässig.

2. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ist je­doch un­be­gründet. Das Ar­beits­ge­richt hat im Er­geb­nis zu Recht fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nicht durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 7. Ju­li 2009 auf­gelöst wor­den ist und die Be­klag­te zur vorläufi­gen Wei­ter­beschäfti­gung ver­ur­teilt. Auch in der Be­ru­fungs­in­stanz ist es der Be­klag­ten nicht ge­lun­gen die so­zia­le Recht­fer­ti­gung im Sin­ne von § 1 Abs. 2 KSchG für die streit­ge­genständ­li­che Kündi­gung zu be­gründen. Die Kündi­gung er­weist sich mit­hin als rechts­un­wirk­sam.

2.1 Gemäß § 1 Abs. 2 KSchG ist ei­ne Kündi­gung ua. dann so­zi­al ge­recht­fer­tigt, wenn sie durch drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se be­dingt ist, die der Wei­ter­beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers in die­sem Be­trieb ent­ge­gen­ste­hen. Da­bei ist im Grund­satz da­von aus­zu­ge­hen, dass sich be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se iSv. § 1 Abs. 2 KSchG ins­be­son­de­re aus in­ner­be­trieb­li­chen Umständen (Un­ter­neh­mer­ent­schei­dun­gen), wie Ra­tio­na­li­sie­rungs-maßnah­men, Um­stel­lung oder Ein­schränkung der Pro­duk­ti­on oder von Ar­beits­abläufen er­ge­ben (vgl. z.B. BAG v. 23.April 2008 – 2 AZR 1110/06 - EzA-SD 2008, Nr 15, 3-4). Ei­ne sol­che un­ter­neh­me­ri­sche Or­ga­ni­sa­ti­ons­ent­schei­dung be­gründet ein drin­gen­des be­trieb­li­ches Er­for­der­nis iSd. § 1 Abs. 2 KSchG, wenn sie sich auf die Ein­satzmöglich­keit des gekündig­ten Ar­beit­neh­mers aus­wirkt. Da­bei kann die un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung auch dar­in be­ste­hen, die Zahl der Ar­beits­kräfte zu be­stim­men, mit de­nen ei­ne Ar­beits­auf­ga­be er­le­digt wer­den soll. Der Ar­beit­ge­ber kann grundsätz­lich so­wohl das Ar­beits­vo­lu­men (Men­ge der zu er­le­di­gen­den Ar­beit) als auch das die­sem zu­ge­ord­ne­te Ar­beits­kraft­vo­lu­men (Ar­beit­neh­mer-St­un­den) und da­mit auch das Verhält­nis die­ser bei­den Größen zu­ein­an­der fest­le­gen (BAG v. 22. Mai 2003 – 2 AZR 326/02 - AP Nr 128 zu § 1 KSchG 1969 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung). Die un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung selbst ist nicht auf ih­re sach­li­che Recht­fer­ti­gung oder ih­re Zweckmäßig­keit zu über­prüfen, son­dern nur dar­auf, ob sie of­fen­bar un­sach­lich, un­vernünf­tig oder willkürlich ist (vgl. z.B. BAG 21. Sep­tem­ber 2006 - 2 AZR 607/05 - AP KSchG 1969 § 2 Nr. 130 = EzA KSchG § 2 Nr. 62). Dar­un­ter fal­len ins­be­son­de­re sol­che un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dun­gen, die ge­gen ge­setz­li­che und ta­rif­li­che Nor­men ver­s­toßen (vgl. da­zu BAG v. 18. De­zem­ber 1997 - 2 AZR 709/96 - BA­GE 87, 327).

Es ob­liegt den Ar­beits­ge­rich­ten aber nach­zu­prüfen, ob ei­ne un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung über­haupt ge­trof­fen wur­de und ob sie sich be­trieb­lich da­hin­ge­hend aus­wirkt, dass der Beschäfti­gungs­be­darf für den gekündig­ten Ar­beit­neh­mer ent­fal­len ist. Zwar muss nicht ein be­stimm­ter Ar­beits­platz ent­fal­len sein. Vor­aus­set­zung ist aber, dass die Or­ga­ni­sa­ti­ons­ent­schei­dung ursächlich für den vom Ar­beit­ge­ber be­haup­te­ten Weg­fall des Beschäfti­gungs­bedürf­nis­ses ist. Erschöpft sich die Ent­schei­dung des Ar­beit­ge­bers im We­sent­li­chen dar­in, Per­so­nal ein­zu­spa­ren, so rückt sie na­he an den Kündi­gungs­ent­schluss her­an. Da die Kündi­gungs­ent­schei­dung selbst nach dem Ge­setz nicht frei, son­dern an das Vor­lie­gen von Gründen ge­bun­den ist, muss der Ar­beit­ge­ber in sol­chen Fällen sei­ne Ent­schei­dung hin­sicht­lich ih­rer or­ga­ni­sa­to­ri­schen Durchführ­bar­keit und hin­sicht­lich ih­rer Nach­hal­tig­keit ("Dau­er") ver­deut­li­chen, da­mit das Ge­richt prüfen kann, ob sie im Sin­ne der oben ge­kenn­zeich­ne­ten Recht­spre­chung of­fen­bar un­sach­lich, un­vernünf­tig oder willkürlich, al­so miss­bräuch­lich aus­ge­spro­chen wor­den ist (BAG v. 22. Mai 2003 – 2 AZR 326/02 – a.a.O.).

2.2 Bei An­wen­dung die­ser Grundsätze auf den vor­lie­gen­den Fall er­weist sich die streit­ge­genständ­li­che Kündi­gung als so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt. Die ihr zu­grun­de lie­gen­de un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung der Be­klag­ten – de­ren Vor­trag in­so­weit als zu­tref­fend un­ter­stellt – ist zum ei­nen schon des­halb nicht auf Dau­er durchführ­bar, weil sie so ge­gen ge­setz­li­che Vor­ga­ben in § 81 Abs. 4 SGB IX verstößt und ei­ne Um­or­ga­ni­sa­ti­on wie­der er­for­der­lich würde, zum an­de­ren ist sie auch hin­sicht­lich Durchführ­bar­keit und Dau­er nicht hin­rei­chend dar­ge­tan.

2.2.1 Nach dem Vor­trag der Be­klag­ten liegt dem Weg­fall des Beschäfti­gungs­bedürf­nis­ses für den Kläger die un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung zu­grun­de, die im Be­reich Zie­he­rei All­ge­mein ein­ge­rich­te­te Funk­ti­on ei­nes „Kran­be­die­ners“ ab dem 1.Ok­to­ber 2009 vollständig und dau­er­haft weg­fal­len und die ver­blei­ben­den Auf­ga­ben von Mit­ar­bei­tern wahr­neh­men zu las­sen, die in den Funk­tio­nen „Kran­be­die­ner/An­fa­ser/Rich­ter und Ein­teilsäger“ (Herr H.) bzw. den Funk­tio­nen „Kran­be­die­ner/An­fa­ser/Ofen­be­die­ner“ (Herr K. und Herr W.) tätig sind. Die­sen Vor­trag der Be­klag­ten als zu­tref­fend un­ter­stellt, würden die bei­den Ar­beitsplätze ei­nes al­lei­ni­gen Kran­be­die­ners in Weg­fall ge­ra­ten; es würden nur noch kom­bi­nier­te Ar­beitsplätze vor­han­den sein. Auf die­sen könn­te der Kläger oh­ne­hin nicht wei­ter­beschäftigt wer­den, weil er auf­grund der durch sei­nen Ar­beits­un­fall ein­ge­tre­te­nen Ver­let­zun­gen zur Ver­rich­tung der kom­bi­nier­ten Tätig­kei­ten nicht in der La­ge ist. Die Be­klag­te hat­te ihm – nach ih­rem ei­ge­nen Vor­trag - den Ar­beits­platz des Kran­be­die­ners mit den al­lei­ni­gen Auf­ga­ben ei­nes Kran­be­die­ners als lei­dens­ge­rech­ten Ar­beits­platz zu­ge­wie­sen.

Ei­ner sol­chen auf Dau­er an­ge­leg­ten un­ter­neh­me­ri­schen Ent­schei­dung der Be­klag­ten ste­hen in­des die ge­setz­li­chen Pflich­ten der Be­klag­ten nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr 1 SGB IX ent­ge­gen, wo­nach die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, dem Kläger ei­nen lei­dens­ge­rech­ten Ar­beits­platz zur Verfügung zu stel­len und ihm ei­ne be­hin­der­ten­ge­rech­te Beschäfti­gung zu ermögli­chen. Un­strei­tig ist der Kläger nach ei­nem Ar­beits­un­fall bei der Be­klag­ten bzw. de­ren Rechts­vorgänge­rin mit ei­nem Grad von 60 als be­hin­dert an­er­kannt. Nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX ha­ben schwer­be­hin­der­te Men­schen ge­genüber ih­ren Ar­beit­ge­bern An­spruch auf Beschäfti­gung, bei der sie ih­re Fähig­kei­ten und Kennt­nis­se möglichst voll ver­wer­ten und wei­ter­ent­wi­ckeln können. Ist da­zu die Um­ge­stal­tung der Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on er­for­der­lich, ist der Ar­beit­ge­ber auch da­zu ver­pflich­tet, so­fern dies möglich ist. So kann der schwer­be­hin­der­te Ar­beit­neh­mer z.B. ver­lan­gen, dass er nur mit leich­te­ren Ar­bei­ten beschäftigt wird, so­fern im Be­trieb die Möglich­keit zu ei­ner sol­chen Auf­ga­ben­um­ver­tei­lung be­steht (BAG v. 14. März 2006 – 9 AZR 411/05 - AP Nr 11 zu § 81 SGB IX).

Die­ser Ver­pflich­tung nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX ist die Be­klag­te zunächst nach­ge­kom­men, in­dem sie dem Kläger nach dem Ar­beits­un­fall die Tätig­keit ei­nes Kran­be­die­ners zu­ge­wie­sen hat. Dies wa­ren die Tätig­kei­ten, die der Kläger mit sei­ner un­fall­be­ding­ten Be­hin­de­rung noch ausüben konn­te. Die­sen lei­dens­ge­rech­ten Ar­beits­platz kann die Be­klag­te nicht al­lein durch die un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung, ver­schie­de­ne Tätig­kei­ten zu­sam­men­zu­fas­sen, in Weg­fall brin­gen. Ei­ne sol­che un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung er­wie­se sich als un­sach­lich bzw. willkürlich. Die Be­klag­te wäre nämlich un­mit­tel­bar nach de­ren Um­set­zung wie­der ver­pflich­tet im We­ge ei­ner Um­or­ga­ni­sa­ti­on die Tätig­kei­ten des Kran­be­die­ners in ei­nem Ar­beits­platz zu­sam­men­zu­fas­sen, um dem Kläger nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX wie­der ei­ne lei­dens­ge­rech­te Tätig­keit zu­zu­wei­sen.

2.2.2. Al­ler­dings hat die Be­klag­te nicht nur die oben be­schrie­be­ne un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung zur Um­ge­stal­tung der Ar­beitsplätze der Kran­be­die­ner ge­trof­fen, son­dern zu­dem die Ent­schei­dung, zwei Ar­beitsplätze in Weg­fall zu brin­gen, um die Zahl der Beschäftig­ten an das Ar­beits­vo­lu­men an­zu­pas­sen. In­so­weit hat die Be­klag­te ih­re un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung ent­spre­chend der oben dar­ge­stell­ten Grundsätze hin­sicht­lich ih­rer or­ga­ni­sa­to­ri­schen Durchführ­bar­keit und hin­sicht­lich ih­rer Nach­hal­tig­keit ("Dau­er") in­des nicht aus­rei­chend ver­deut­licht.

Die un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung der Be­klag­ten, im Be­reich des Klägers zwei Ar­beitsplätze weg­fal­len zu las­sen, ist nur dann auf Dau­er durchführ­bar, wenn im Be­reich des Klägers ent­spre­chen­des Ar­beits­vo­lu­men entfällt. Da­zu hat die Be­klag­te erst­in­stanz­lich um­fang­rei­che Be­rech­nun­gen zum Rück­gang der Ar­beits­men­ge und des durch­schnitt­lich da­durch frei­wer­den­den Ar­beits­vo­lu­mens in den ver­schie­de­nen Ar­beits­be­rei­chen, so auch im Ar­beits­be­reich des Klägers, schriftsätz­lich dar­ge­stellt, in de­ren Er­geb­nis die Be­klag­te zu ei­nem Rück­gang von ca. 10,97 St­un­den wöchent­lich pro Ar­beit­neh­mer kommt (vgl. S. 22 des Schrift­satz der Be­klag­ten vom 18.11.2009). Dass die­ser Rück­gang aber auf Dau­er be­ste­hen wird, lässt sich dem Vor­trag der Be­klag­ten nicht hin­rei­chend ent­neh­men. Viel­mehr spra­chen die ver­schie­de­nen, auch noch im Ju­li 2009, al­so in ei­nem en­gen zeit­li­chen Zu­sam­men­hang mit dem Zu­gang der hier strei­ti­gen Kündi­gung, mit dem Be­triebs­rat ab­ge­schlos­se­nen Ver­ein­ba­run­gen zur Einführung von Kurz­ar­beit in­di­zi­ell dafür, dass die Be­klag­te selbst von ei­nem nur vorüber­ge­hen­den Ar­beits­man­gel aus­ge­gan­gen ist, der ei­ne be­triebs­be­ding­te Kündi­gung noch nicht recht­fer­ti­gen kann (vgl. BAG v. 26.06.1997 – 2 AZR 494/96 - AP Nr 86 zu § 1 KSchG 1969 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung).


Die­ses In­diz hat die Be­klag­te nicht durch kon­kre­ten Sach­vor­trag ent­kräftet, wo­nach ei­ne Beschäfti­gungsmöglich­keit für den Kläger auf Dau­er ent­fal­len ist. Die Tätig­kei­ten der Kran­be­die­nung sind in glei­cher Wei­se von dem die Kurz­ar­beit be­gründen­den Auf­tragsrück­gang be­trof­fen, wie die an­de­ren Ar­bei­ten in die­sem Be­reich. Ra­tio­na­li­sie­rungs­maßnah­men, die zu ei­nem ge­rin­ge­ren An­fall die­ser Ar­bei­ten führen würden, hat die Be­klag­te nicht be­haup­tet. Viel­mehr be­ruft sich die Be­klag­te zur Wi­der­le­gung die­ses In­di­zes auf ih­re un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung, den Ar­beits­platz ei­nes Kran­be­die­ners in der Wei­se um­or­ga­ni­siert zu ha­ben, dass al­lei­ni­ge Tätig­kei­ten der Kran­be­die­nung nicht mehr an­fal­len wer­den. Dies wäre zwar im Re­gel­fall durch­aus ei­ne Ra­tio­na­li­sie­rungs­maßnah­me, die zu ei­nem dau­er­haf­ten Weg­fall ent­spre­chen­der Ar­beitsplätze führen und da­mit nach der obi­gen Recht­spre­chung das durch die Einführung von Kurz­ar­beit be­gründe­te In­diz für den nur vorüber­ge­hen­den Ar­beits­man­gel an der Tätig­keit ei­nes (aus­sch­ließli­chen) Kran­be­die­ners wi­der­le­gen könn­ten. Im kon­kre­ten Fall galt dies je­doch nicht. Denn der Dau­er­haf­tig­keit die­ser un­ter­neh­me­ri­schen Ent­schei­dung stand die sich aus dem Ar­beits­un­fall und der dar­auf be­ru­hen­den Schwer­be­hin­de­rung des Klägers be­gründe­te Ver­pflich­tung der Be­klag­ten ent­ge­gen, dem Kläger ei­nen lei­dens­ge­rech­ten Ar­beits­platz zur Verfügung zu stel­len. Steigt das Auf­trags­vo­lu­men und da­mit das Ar­beits­vo­lu­men wie­der an, wo­von die Be­klag­te in An­be­tracht der ver­ein­bar­ten Kurz­ar­beit wohl aus­geht, steigt auch das Ar­beits­vo­lu­men im Be­reich der Kran­be­die­nung wie­der an. Die Be­klag­te könn­te und müss­te dem Kläger in die­sem Fall – un­ge­ach­tet ih­rer ge­trof­fe­nen un­ter­neh­me­ri­schen Ent­schei­dung – nach ent­spre­chen­der Um­or­ga­ni­sa­ti­on ei­nen lei­dens­ge­rech­ten Ar­beits­platz als Kran­be­die­ner zu­wei­sen. Mit­hin war der Weg­fall des Beschäfti­gungs­be­darfs für den Kläger gleich­falls nicht auf Dau­er an­ge­legt. Ein drin­gen­des be­trieb­li­ches Er­for­der­nis war in­so­weit nicht ge­ge­ben. Da­hin­ge­stellt blei­ben kann in die­sem Zu­sam­men­hang, ob der Kläger nicht nach ent­spre­chen­den Um­or­ga­ni­sa­tio­nen schon des­halb wei­ter­beschäftigt wer­den konn­te, weil die Be­klag­te im Zeit­punkt des Zu­gangs der Kündi­gung beim Kläger, dem für die Prüfung der Wirk­sam­keit maßgeb­li­chen Zeit­punkt, außer­or­dent­li­che Kündi­gun­gen ge­genüber an­de­ren Mit­ar­bei­tern aus­ge­spro­chen hat und da­mit wei­te­res ver­teil­ba­res Ar­beits­vo­lu­men frei ge­wor­den ist.

Nur ergänzend ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die Be­rech­nun­gen der Be­klag­ten nur dann rech­ne­risch schlüssig sind, wenn die Be­klag­te die bei­den Mit­ar­bei­ter, die sie als Per­so­nal­re­ser­ve be­zeich­net, gleich mit in ih­re Ein­satz­pla­nung ein­be­zieht. Die Be­klag­te hat selbst vor­ge­tra­gen, dass auf­grund ih­rer un­ter­neh­me­ri­schen Ent­schei­dung, die Ar­beitsplätze der al­lei­ni­gen Kran­be­die­ner in Weg­fall zu brin­gen, zwei Ar­beitsplätze als Kran­be­die­ner be­trof­fen sei­en. Aus­ge­hend von ei­nem durch­schnitt­li­chen Rück­gang an Ar­beits­zeit­vo­lu­men von ca. 10,97 St­un­den pro Mit­ar­bei­ter er­gab sich da­mit ein ab­zu­de­cken­der Be­darf von ins­ge­samt, 48,06 St­un­den wöchent­li­cher Ar­beits­zeit. Dafür stan­den der Be­klag­ten aber bei den 3 Mit­ar­bei­tern, die sie an sich für die Über­nah­me die­ser Tätig­keit ein­ge­plant hat, oh­ne Berück­sich­ti­gung der mit dem Be­triebs­rat ver­ein­bar­ten Kurz­ar­beit, nur 32,91 St­un­den zur Verfügung.


2.3 War die streit­ge­genständ­li­che Kündi­gung schon man­gels be­triebs­be­ding­tem Er­for­der­nis­ses nicht so­zi­al ge­recht­fer­tigt, kam es auf die Fra­ge der zu­tref­fen­den So­zi­al­aus­wahl und die Aus­wir­kun­gen des ein­zel­ver­trag­li­chen Kündi­gungs­schut­zes nicht an.

3. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten war aus die­sen Gründen zurück­zu­wei­sen, mit der Fol­ge, dass sie gemäß § 97 ZPO die Kos­ten ih­res er­folg­lo­sen Rechts­mit­tels zu tra­gen hat.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil ist kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.


R.  

W.  

Sch.

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