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Postmindestlohnverordnung für rechtswidrig erklärt
14.03.2008. Die Verordnungsermächtigung, die in der derzeit geltenden Fassung von § 1 Abs.3a Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) enthalten ist, erlaubt es dem Arbeitsministerium nur, einen Tarifvertrag per Rechtsverordnung auf die Arbeitsverhältnisse von Außenseitern für erstreckbar zu erklären, d.h. auf Arbeitsverhältnisse, die gar keinem Tarifvertrag unterstehen.
Auf dieser gesetzlichen Grundlage ist es aber nicht möglich, einen Tarifvertrag auch auf Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu erstrecken, die bereits an einen anderen Tarifvertrag gebunden sind.
Aus diesem Grund, d.h. aufgrund fehlender Verordnungsermächtigung, hat das Verwaltungsgericht Berlin die Postmindestlohnverordnung vom 28.12.2007 für rechtswidrig erklärt, da sie sich wie ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag auch auf Arbeitsverhältnisse erstrecken soll, die bereits anderweitig tariflich reguliert sind: Verwaltungsgrericht Berlin, Urteil vom 07.03.2008, 4 A 439.07.
- Ist die Postmindestlohnverordnung vom 28.12.2007 auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage erlassen worden?
- Der Streitfall: Der Bund als Eigentümer der Post AG, die Post AG und die ver.di wollen gemeinsam und entschlossen gegen die "Billigkonkurrenz" vorgehen - doch die wehrt sich
- Verwaltungsgericht Berlin: Die Postmindestlohnverordnung vom 28.12.2007 ist nicht von der gesetzlichen Grundlage in § 1 Abs.3a Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) gedeckt und daher unwirksam
Ist die Postmindestlohnverordnung vom 28.12.2007 auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage erlassen worden?
Seit die maßgeblichen Führungskräfte der DGB-Gewerkschaften mehrheitlich für eine staatliche Lohnfestsetzung eintreten, entdeckt die SPD in rascher Folge eine Branche nach der anderen, die staatlich festgelegte Mindestlöhne dringend benötigt. Das waren im Jahre 2007 das Gebäudereinigerhandwerk und die Briefdienstleistungsbranche, während derzeit das Bewachungsgewerbe im Gespräch ist.
Noch in den letzten Tagen des vergangenen Jahres, nämlich am 28.12.2007, trat das Zweite Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG), vom 21.12.2007, in Kraft (BGBl I, S.3140). Mit dieser Gesetzesänderung wurde § 1 AEntG (heute: § 4 Nr.3 AEntG) dahingehend ergänzt, dass auch Briefdienstleistungsunternehmen unter das AEntG fallen, falls der Betrieb überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördert.
Noch am Tage des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes erklärte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales den von der Post AG (bzw. dem von ihr dominierten „Arbeitgeberverband Postdienste e.V.“) mit der ver.di ausgehandelten, „nachgebesserten“ Mindestlohn-Tarifvertrag vom 29.11.2007 für branchenweit verbindlich, und zwar mit der „Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen (Bundesanzeiger vom 29.12.2007, Ausgabe 242, S.8410)" (wir berichteten darüber in Arbeitsrecht aktuell: 08/007 Arbeit und Soziales: Gesetzesänderungen zum Jahreswechsel 2007 / 2008).
In der zuvor geführten Diskussion über die rechtliche Zulässigkeit einer möglichen Allgemeinverbindlicherklärung des Postmindestlohntarifvertrags, den die Post AG mit der ver.di ausgehandelt hatte, ging es vor allem um die Frage, ob dieser Tarifvertrag mindestens 50 Prozent der in der Briefdienstleistungsbranche tätigen Arbeitnehmer erfasst oder nicht (wir berichteten darüber in Arbeitsrecht aktuell: 07/61 Aufnahme der Briefdienstleistungsbranche in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) geplant, und in Arbeitsrecht aktuell: 07/88 Mindestlohn in der Postbranche). Dieses Quorum ist Voraussetzung einer Allgemeinverbindlicherklärung gemäß § 5 Tarifvertragsgesetz (TVG).
Obwohl das Problem des Quorums, glaubt man den einmütigen Stellungnahmen von SPD und CDU vom Dezember 2007, durch den „nachgebesserten“ Mindestlohn-Tarifvertrag vom 29.11.2007 als gelöst anzusehen ist, hat sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Ende Dezember doch dazu entschlossen, die Postmindestlohnverordnung vom 28.12.2007 vorsichtshalber lieber nicht auf der Grundlage des § 5 Tarifvertragsgesetz (TVG) zu erlassen, sondern auf einer anderen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, nämlich auf Basis von § 1 Abs.3a AEntG (heute in "nachgebesserter Form" § 7 Abs.1 AEntG).
Die Vorschrift des § 1 Abs.3a AEntG ermächtigt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dazu, die Rechtsnormen eines Tarifvertrags im fachlichen Geltungsbereich der in § 1 Abs.1 AEntG genannten Branchen (heute: § 4 AEntG) durch Rechtsverordnung auf die gesamte Branche zu übertragen.
Anders als § 5 TVG hat § 1 Abs.1 AEntG den - verfassungsrechtlich zweifelhaften - Charme, dass eine solche Rechtsverordnung bereits dann zulässig ist, wenn lediglich ein „Antrag“ auf Allgemeinverbindlicherklärung gestellt ist, d.h. auf die gesetzlichen Voraussetzungen einer Allgemeinverbindlicherklärung bzw. auf ein § 5 TVG entsprechendes Quorum kommt es dabei nicht an.
Der Haken bei der Sache ist allerdings die Rechtsfolge: Eine Rechtsverordnung auf der Grundlage von § 1 Abs.3a AEntG kann nur bestimmen, dass die Rechtsnormen des in Bezug genommenen Tarifvertrags auf alle unter seinen Geltungsbereich fallenden „und nicht tarifgebundenen“ Arbeitgeber und Arbeitnehmer Anwendung finden.
Während eine Allgemeinverbindlicherklärung gemäß § 5 TVG daher, wie der Name schon sagt, zur allgemeinen, d.h. branchenweiten Verbindlichkeit des Tarifvertrags führt, hat die Rechtsverordnung gemäß § 1 Abs.3a AEntG eine personell eingeschränkte rechtliche Wirkung, da sie sich nur auf die Arbeitsverhältnisse der Außenseiter, d.h. der nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erstreckt.
Sieht man sich vor diesem Hintergrund die Postmindestlohnverordnung vom 28.12.2007 genauer an, stellt man fest, dass es hier in § 1 heißt, der von der ver.di und der Post AG bzw. deren Arbeitgeberverband ausgehandelte Mindestlohntarifvertrag vom 29.11.2007 bzw. die in ihm enthaltenen Rechtsnormen sollten „auf alle nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Anwendung“ finden, die unter seinen Geltungsbereich fielen.
Anders gesagt: Auch solche Arbeitsverhältnisse, die bereits durch einen anderen als den Post-Tarifvertrag vom 29.11.2007 reguliert werden, sollen nach dem Willen des Verordnungsgebers unter die Rechtsverordnung und damit unter die Rechtsnormen des Post-Tarifvertrag vom 29.11.2007 fallen.
Damit stellt sich die Frage, ob die Postmindestlohnverordnung vom 28.12.2007 noch von der in ihr erwähnten gesetzlichen Grundlage (§ 1 Abs.3a AEntG) gedeckt ist.
Der Streitfall: Der Bund als Eigentümer der Post AG, die Post AG und die ver.di wollen gemeinsam und entschlossen gegen die "Billigkonkurrenz" vorgehen - doch die wehrt sich
Vor dem Verwaltungsgericht Berlin geklagt hatten Unternehmen der PIN- bzw. TNT-Gruppe und der Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste e. V. (BdKEP), ein Arbeitgeberverband, in dem Wettbewerber der Deutschen Post AG organisiert sind.
Die Klage richtete sich auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Postmindestlohnverordnung vom 28.12.2007. Die meisten Post-Konkurrenten zahlen nach eigenen Angaben Löhne, die unter von der ver.di mit der Post AG ausgehandelten Mindestlöhnen liegen.
Anders als der Mindestlohn-Tarifvertrag vom 29.11.2007, der für Briefzusteller einen Mindestlohn von 9,80 EUR (West) bzw. von 9,00 EUR (Ost) vorsieht, schreiben verschiedene Tarifverträge, die der BdKEP und eine weitere Arbeitgebervereinigung von Postkonkurrenten mit der Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste (GNBZ) abgeschlossen haben, einen Mindestlohn von lediglich 7,50 EUR (West) bzw. von 6,50 EUR (Ost) vor.
Die GNBZ organisiert bei den Wettbewerbern der Post beschäftigte Arbeitnehmer und hat dort nach eigenen Angaben ungefähr 1.300 Mitglieder.
Verwaltungsgericht Berlin: Die Postmindestlohnverordnung vom 28.12.2007 ist nicht von der gesetzlichen Grundlage in § 1 Abs.3a Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) gedeckt und daher unwirksam
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden, dass die Postmindestlohnverordnung vom 28.12.2007 rechtswidrig ist, da sie den Mindestlohn gemäß dem von der ver.di und der Post AG vereinbarten Tarifvertrag vom 29.11.2007 auf die gesamte Branche der Briefdienstleistungen erstreckt, d.h. solche Arbeitgeber und Arbeitnehmer einbezieht, deren Arbeitsverhältnisse bereits unter einen anderen Tarifvertrag fallen.
Damit behandelt die Postmindestlohnverordnung Tarifverträge bei den Postkonkurrenten im Ergebnis für unbeachtlich.
Dies ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichts mit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bzw. mit § 1 Abs.3a AEntG (heute in "nachgebesserter Form" § 7 Abs.1 AEntG) unvereinbar und daher rechtswidrig. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat demzufolge seine gesetzliche Ermächtigung überschritten, die nur Verordnungen erlaubt, die an gar keinen Tarifvertrag gebundene Arbeitsvertragsparteien betreffen.
Das Verwaltungsgericht ließ offen, ob die Klage von PIN und TNT auch wegen Verletzung ihres Grundrechts aus Art.12 Grundgesetz (Berufsfreiheit) begründet sein könnte, weil eine Vielzahl von Wettbewerbern der Deutschen Post AG in ihrer Existenz bedroht wäre, wofür das Gericht „aufgrund des derzeit bekannten Sachverhalts Anhaltspunkte“ sah. Als Rechtsmittel gegen die Entscheidung hat das Verwaltungsgericht die Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg und die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
Die Gewerkschaft ver.di kritisierte die Entscheidung als unverständlich und argumentierte, die vom Verwaltungsgericht als Gewerkschaft behandelte GNBZ sei gar keine Gewerkschaft im (tarif-)rechtlichen Sinne, sondern eine vom Wohlwollen der Arbeitgeberseite, d.h. der Postkonkurrenten abhängige „Pseudogewerkschaft“. Sollte diese Auffassung richtig sein, wären auch die von der Klägerseite angeführten Tarifverträge nicht als Tarifverträge im Rechtssinne, sondern als „Pseudotarifverträge“ anzusehen.
Kritisch gegenüber dieser Urteilsschelte ist allerdings anzumerken, dass das Verwaltungsgericht eine Koalition nicht einfach nach den Vorstellungen der ver.di als „Pseudogewerkschaft“ behandeln kann, sondern dass dazu zunächst ein entsprechendes arbeitsgerichtliches Verfahren durchgeführt werden muss, in dem die mangelnde Tariffähigkeit einer Vereiningung wie der GNBZ rechtsverbindlich festgestellt wird.
Nähere Informationen zu diesem Vorgang finden Sie hier:
- Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 07.03.2008, 4 A 439.07
- Postmindestlohnverordnung rechtswidrig, Pressemitteilung Nr. 9/2008 vom 07.03.2008
- Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen, Bundesanzeiger vom 29.12.2007, Ausgabe 242, S.8410
- Handbuch Arbeitsrecht: Entsendung ausländischer Arbeitnehmer
- Handbuch Arbeitsrecht: Mindestlohn
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 10/028 Kein Mindestlohn für Konkurrenten der Post
- Arbeitsrecht aktuell: 09/147 Die Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste (GNBZ) ist nicht tariffähig.
- Arbeitsrecht aktuell: 09/017 Mindestlohn: Reform des MiArbG und des AEntG beschlossen
- Arbeitsrecht aktuell: 08/007 Arbeit und Soziales: Gesetzesänderungen zum Jahreswechsel 2007 / 2008
- Arbeitsrecht aktuell: 07/88 Mindestlohn in der Postbranche
- Arbeitsrecht aktuell: 07/61 Aufnahme der Briefdienstleistungsbranche in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) geplant
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das Gericht seine Entscheidungsgründe schriftlich abgefasst und veröffentlicht. Die Entscheidungsgründe im Volltext finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 21. März 2020
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